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4. Kapitel.

§ 28. Die Bemühungen eines einzelnen Mannes.

Der Verfasser gibt den Inhalt des Paragraphen an:

Wenn sie ihr Äußeres und ihre Gebärden hat erkennen lassen, gewinne man das Mädchen mit List.

»Mit List«: die Listen sind eben das Mittel der Gewinnung: sie wird durch dieselben gewonnen. Gehen sie von einem aus, der dabei keinen Beistand hat, so spricht man von den »Bemühungen eines einzelnen Mannes«. Einige gibt es auch, wenn der Betreffende einen Beistand hat. Sie sind von zweifacher Art: äußerliche und innerliche.

Mit Bezug auf die ersten sagt (der Verfasser):

Bei dem Spiele und den Unterhaltungen ergreife er beim Streiten bedeutsam ihre Hand.

»Beim Streiten«, indem er einen Wortstreit führt, »ergreife er bedeutsam ihre Hand«, damit sie merkt: »Er hat mich geheiratet«.

Er bringe die Regeln für die Umarmungen, die berührende usw., wie oben angegeben, zur Ausführung.

»Die berührende usw.«; die Vierzahl: berührende, durchbohrende, reibende und pressende »bringe er zur Ausführung«, je nach den Umständen, da er ja nun freies Auftreten erntet.

Bei der Ausführung des Blätterritzens zeige er ihr ein Paar, welches seine eignen Gedanken andeuten soll.

»Welches seine eignen Gedanken andeuten soll«, die geschlechtliche Vereinigung. – »Ein Paar« Gänse usw.

So zeige er auch bisweilen anderes.

»Auch anderes«, was ein Paar bildet, ein Stirnzeichen usw., bedeutungsvoll. »Bisweilen«; bei beständigem Zeigen nämlich schließt sie auf bäuerisches Wesen und verliert das neugierige Verlangen.

Bei dem Wasserspiele tauche er fern von ihr in das Wasser, begebe sich in ihre Nähe, berühre sie und tauche dort auf.

»Berühre sie«, nämlich unter Wasser. – »Tauche dort auf«, in der Nähe der Geliebten.

Bei dem Jungblattspiele usw. teile er ihr ganz besonders seine Liebe mit.

»Bei dem Jungblattspiele usw.«, den lokalen Spielen, »teile er ihr ganz besonders seine Liebe mit«, vermittelst des obengenannten Blätterritzens usw., welches seine eignen Gedanken andeuten soll.

Er erzähle seinen Kummer, ohne ihn (geradezu) mitzuteilen.

»Er erzähle seinen Kummer«, ›Ich weiß nicht, was für ein Schmerz meine Seele betroffen hat!‹ – Auch »ohne ihn (geradezu) mitzuteilen« findet hierbei doch mehr und mehr ein Erzählen statt, da es eine Hauptsache ist.

Auch einen liebevollen Traum, unter anderer Flagge.

»Unter anderer Flagge«, er erzähle: ›Im Traume habe ich mit einer, die dir an Aussehen glich, ein Zusammentreffen gehabt‹.

Im Theater und in der Gesellschaft der Angehörigen setze er sich in die Nähe; hierbei berühre er sie unter einem anderen Vorwande.

»Die Gesellschaft der Angehörigen« ist eine gesellige Unterhaltung derselben. – »Er setze sich in die Nähe« der Liebhaberin. – »Hierbei«, bei dem Nahesitzen, »im Theater« usw. »berühre er sie unter einem anderen Vorwande«, indem er irgend etwas anderes vorgibt.

Um der Stütze willen setze er Fuß auf Fuß.

»Um der Stütze willen«: die Stütze besteht darin, daß er seine Glieder an die ihrigen anlehnt. Er setzt seinen eigenen Fuß auf den ihrigen.

Darauf berühre er nach und nach eine Zehe nach der andern.

»Darauf«, in der Zeit nachdem das erreicht ist. – »Nach und nach«, nachdem er eine kleine Weile hat verstreichen lassen; »berühre« er ihre Zehen.

Mit der großen Zehe stoße er an die Nägelspitzen.

»Mit der großen Zehe stoße er an die Nägelspitzen«, setze er sie in Bewegung.

Hiermit fertig trachte er von Stufe zu Stufe weiter.

»Hiermit fertig«, mit dem Nägelanstoßen, »trachte er von Stufe zu Stufe«, von einer Stelle zur andern, Schamgegend, Schenkel, Hinterbacken usw. zu berühren, in Stufenleitern.

Um sie dreist zu machen, beschäftige er sich eingehend damit.

»Um sie dreist zu machen«, damit sie es geduldig erträgt, »beschäftige er sich eingehend damit«, mit dem vorher Erlangten.

Mit Bezug auf die innerlichen Mittel sagt (der Verfasser):

Bei dem Reinigen der Füße drücke er ihre Zehen mit der Zange seiner Zehen.

»Bei dem Reinigen der Füße«, wenn sie ihm Wasser zum Waschen der Füße gibt; »drücke er mit der Zange seiner eignen Zehen«.

Bei dem Überreichen oder der Annahme eines Gegenstandes ist eine darauf gerichtete Liebesregung zu bekunden.

»Eine darauf gerichtete Liebesregung«: wenn er einen »Gegenstand«, eine Betelfrucht usw., überreicht oder annimmt, ist mit dem Gegenstande eine Liebesregung zu bekunden: d. h. er überreiche oder nehme ihn an unter Berührung mit den Nägeln.

Am Schlusse des Mundausspülens bespritze er sie mit dem Wasser.

»Am Schlusse des Mundausspülens«: wenn sie Wasser darreicht zum Mundausspülen, so treffe er sie am Ende desselben mit einem Schluck Wasser.

In der Einsamkeit und in der Dunkelheit mit ihr zusammensitzend mache er sie dreist; ebenso wenn sie das gleiche Lager benutzen.

»Zusammen«, in Gesellschaft beieinander. »Mache er sie dreist« durch Berühren mit den Nägeln; da in dieser Zeit das Mädchen wenig verschämt ist. Ebenso mache er sie auch dreist, »wenn sie das gleiche Lager benutzen«.

Hierbei offenbare er seine Liebe, der Wirklichkeit entsprechend, ohne sie zu verwirren.

»Hierbei«, bei dem Sitzen oder Liegen, »offenbare er seine Liebe der Wirklichkeit entsprechend« mit Gebärden, nicht mit Worten aus Furcht vor einer Abweisung. – »Ohne sie zu verwirren«: damit sie nicht erschrickt.

Wenn er es mit Worten tun will, so gibt (der Verfasser) die Regeln an:

»In der Einsamkeit habe ich etwas zu erzählen!« – Mit diesen Worten lasse er dort wortlos seine Liebe erkennen, wie wir es in dem Abschnitte über die fremden Frauen beschreiben werden.

»Ich habe etwas zu erzählen!« Nur so viel ist zu sagen: und wenn sie dann fragt: »Was denn?« – so spreche er »wortlos«. Das ist gemeint. – »Dort«, bei der Andeutung mit diesen Worten; »lasse er sie seine Liebe erkennen«, sein Verlangen nach geschlechtlicher Vereinigung. Auf welche Weise? Darauf antwortet (der Verfasser): »Wie« usw. Dort wird er über die Prüfung des Wesens reden, wie es sich damit verhält. Die Offenbarung der Liebe durch Gebärden und Äußeres ist nur eine Offenbarung der Zuneigung.

Nun nennt (der Verfasser) die Bewerbungen innerlicher Art seitens des Mannes, der ihre Liebe erkannt hat:

Wenn er aber ihre Liebe erkannt hat, hole er sie unter dem Vorwande einer Krankheit in seine Behausung, um sich mit ihr zu unterhalten.

»Unter dem Vorwande einer Krankheit«, indem er erheuchelten Kopfschmerz usw. vorgibt. – »In seine Behausung«, seine Wohnung. »Hole er sie«, durch eine Vertraute, die er schickt.

Wenn sie gekommen ist, beauftrage er sie, seinen Kopf zu drücken. Er nehme ihre Hand und lege sie sich in bedeutsamer Weise auf Augen und Stirn.

»Seinen Kopf zu drücken«: »er beauftrage sie«: ›Der Kopf schmerzt mich: drücke ihn mit der Hand‹.

Um den Vorwand eines Heilmittels zu haben, trage er ihr seine ärztliche Behandlung auf.

Damit sie weiß, »dieser sein Zustand kommt meinetwegen«.

»Das mußt du machen! Das ist nämlich von keinem andern außer einem Mädchen herzustellen.« – Wenn sie gehen will, entlasse er sie mit der Absicht des Wiederkommens.

»Wenn es von dir hergestellt wird, ist es wirksam.« – »Absicht«, dahin zielend, daß sie wiederkommt.

Die Anwendung dieser Kniffe geschehe drei Nächte und drei Tagabschnitte lang.

»Dieser«, die das Mädchen auszuführen hat. »Drei Nächte und drei Tagabschnitte lang geschehe die Anwendung«, die Ausführung.

Nun nennt (der Verfasser) den Erfolg bei dieser Anweisung:

Wenn sie kommt, so mehre er die Unterhaltung, um sie beständig sehen zu können.

»Die Unterhaltung« mit Künsten oder kleinen Erzählungen. Der Sinn ist, damit sie, damit beschäftigt, recht lange bleibt.

Auch mit anderen Frauen zusammen, um ihr Vertrauen zu gewinnen; und weiter und weiter gehe er mit den Umwerbungen; nicht aber verrate er es mit Worten.

»Auch mit anderen«: da auch mit diesen ein vertrauliches Verhältnis gepflegt werden muß: das ist der Sinn. »Nicht aber«:

Hier nennt (der Verfasser) ein Versehen:

Selbst einer, dessen Liebe weit gediehen ist, hat nämlich kein Glück bei den Mädchen, wenn er (der Werbung) überdrüssig wird: so sagt Ghoṭakamukha.

Selbst einer, der außerordentliches Vertrauen genießt, hat kein Glück, da die Mädchen vielfach umworben sein wollen. Die Erwähnung des Ghoṭakamukha geschieht ehrenhalber, indem seine Ansicht nicht verpönt ist.

Wenn er sie aber für vollständig gewonnen ansieht, dann nähere er sich ihr.

»Wenn er sie aber für vollständig gewonnen ansieht«, infolge der vielen Umwerbungen dem Vorhaben geneigt, »dann nähere er sich ihr«.

Nun gibt (der Verfasser) die Zeit an:

Am Abend und in der Nacht, in der Dunkelheit, sind die Frauen von geringer Ängstlichkeit, zum Beischlafe entschlossen und leidenschaftlich und weisen den Mann nicht zurück. Darum sind sie zu dieser Zeit zu benutzen, lautet die gewöhnliche Redeweise.

»Am Abend«, zu Beginn der Nacht. – »In der Nacht«, die durch die drei Nachtwachen gekennzeichnet ist. Auch hier »in der Dunkelheit«, weil man da alle Weiber, die man haben will, gewinnen kann. – »Von geringer Ängstlichkeit«, da sie von niemandem gesehen werden. – »Leidenschaftlich«, voll Verlangen nach der fleischlichen Vereinigung. – »Weisen den Mann nicht zurück«, wehren ihm nicht. – »Darum sind sie zu dieser Zeit … zu benutzen«, zu verwenden, bei den gewünschten Unternehmungen.

Wenn jedoch die Bemühungen eines einzelnen Mannes nicht stattfinden können, lasse er sie in seine Nähe bringen mit der Milchschwester oder Freundin, die in die Sache eingeweiht ist, mit jener vertraut verkehrt und diese Sache verschweigt. Dann umwerbe er sie wie oben.

Wegen der weiten Entfernung kann die selbständige Bemühung eines einzelnen Mannes bisweilen nicht stattfinden und erfordert einen Beistand. – »Die in die Sache eingeweiht ist«, indem sie Kenntnis davon hat, daß der Liebhaber die Liebhaberin in seine Nähe zu bringen wünscht. – »Mit jener vertraut verkehrt«, bei der Liebhaberin in Ansehen steht. So beschaffen ist aber die »Milchschwester«, oder eine »Freundin«. Die »die Sache« in Gestalt des Aufsuchens des Geliebten, »verschweigt«, d. h. einen anderen Zweck vorgibt. – »Dann wie oben«: d. h. es ist zu Werke zu gehen, je nach den Umständen, wie es oben hieß: »Beim Streiten, beim Spiele und bei den Unterhaltungen«.

Oder er sende seine Sklavin ab, damit sie zunächst ihre Freundin wird.

»Seine«: als Beistand ist der Sinn.

Bei Opfern, Hochzeiten, Prozessionen, Festen, Orgien, bei Volksaufläufen gelegentlich der Schaustellungen und hier und dort ersehe man Gebärden und Äußeres, prüfe die Zuneigung und nähere sich der am einsamen Orte Befindlichen. Frauen nämlich, deren Liebe man erkannt hat, kehren nicht um, wenn sie am rechten Orte und zur rechten Zeit angegangen werden. So sagt Vātsyāyana. – Das sind die Bemühungen eines einzelnen Mannes.

»Bei Opfern«: Opfer usw. sind die Veranlassung, daß sich die Menschen ganz damit allein beschäftigen. – »Hier und dort«, auch bei anderen Gelegenheiten, die nicht genannt sind, ist der Sinn. – »Man prüfe die Zuneigung«: ›Diese ist keine Kokette oder hat zweierlei Herzen; wohl aber die andere‹. – »Man nähere sich«, d. h. nach dem Gandharvenritus. – »Deren Liebe man erkannt hat«, deren Zuneigung man sicher ist. Sie ist erkannt zur erwünschten Zeit, zur Zeit eines Opfers usw., zu Beginn des Abends usw.

*

§ 29. Das Aufsuchen des zu gewinnenden Mannes.

Wie ein Mann, der an Geld arm ist usw., das Mädchen, weil es anders unerreichbar ist, auf eigne Faust zu gewinnen sucht, so kann auch ein ebensolches Mädchen, da es von niemandem in die Ehe gegeben werden wird, selbständig auf die Suche gehen. So spricht (der Verfasser) von einem »Aufsuchen des zu gewinnenden Mannes«. Aufsuchen, Geneigtmachen.

Warum wird sie nicht gefreit? Darauf antwortet er:

Ein Mädchen von geringer Gelegenheit, wenn auch reich an Vorzügen; arm an Geld, wenn auch aus edlem Geschlechte; das von Gleichgestellten nicht aufgesucht wird oder der Eltern beraubt ist oder im Hause von Verwandten lebt, soll auf eigne Faust sich um ihre Verheiratung kümmern, wenn sie das jugendliche Alter erreicht hat.

»Von geringer Gelegenheit«, ohne Umgebung. »Wenn auch reich an Vorzügen«; indem sie von jenen nicht in die Ehe gegeben werden wird. Oder »arm an Geld, wenn auch aus edlem Geschlechte«. – »Von Gleichgestellten«, reichen, ebenbürtigen Männern derselben Kaste. »Oder der Eltern beraubt ist« und wegen des Mangels an schützenden Verwandten »nicht aufgesucht wird«. »Wenn sie das jugendliche Alter erreicht hat« ist zu jedem einzelnen Gliede hinzuzufügen. – »Soll sich auf eigne Faust um ihre Verheiratung kümmern«, indem dann die Selbstwahl erlaubt ist. So heißt es denn: »Drei Jahre soll die Tochter warten, indem das gebilligt wird Manu IX, 90 liest ṛtumatī »nach Eintritt der Menstruation« st. des anumatā der Ausgabe und aller Mss.; nach dieser Zeit aber soll sie selbst einen entsprechenden Gatten suchen«.

(Der Verfasser) gibt das Mittel an, einen entsprechenden Gatten zu erlangen:

Sie umwerbe mit Kindesliebe einen mit Vorzügen versehenen, kräftigen und ansehnlichen Mann.

»Einen mit Vorzügen versehenen«, mit den Vorzügen eines Liebhabers versehenen; »kräftigen«, im Kampfe usw. »und ansehnlichen«, schönen. Ein Mann, dem sich die um die Gewinnung Besorgte mit einer Liebe nähert, wie sie in der Kindheit bei dem Spielen herrscht, wird glücklich erlangt. Das ist der Sinn.

(Der Verfasser) nennt noch andere Eigenschaften:

Oder von wem sie meint: »Er wird mir von selbst, ohne Rücksicht auf die Eltern, infolge der Schwachheit des Fleisches angehören«, den mache sie sich geneigt durch Umwerben voller Liebe und Fürsorge und beständiges sich Zeigen.

»Ohne Rücksicht«, indem er mich von meinen Eltern zur Frau verlangt. Da er die Sinne zu zügeln nicht imstande ist: von wem sie das voraussetzt, den möge sie umwerben; so ist der Zusammenhang. – »Voller Liebe und Fürsorge«: Liebeswerbungen bereiten darum Wonne. – Geneigtmachen, gewinnen.

Die Mutter stelle sie in Gesellschaft der Milchschwestern und Freundinnen jenem vor Augen.

»Die Mutter stelle sie«: oder, wenn die Mutter nicht mehr lebt, eine untergeschobene Mutter. – »In der Gesellschaft der Freundinnen«, damit die Verschämtheit weicht. Zu ergänzen ist: mit äußerlichen und innerlichen Ausrüstungen.

Mit Bezug auf das erste sagt (der Verfasser):

Mit Blumen, Wohlgerüchen und Betel in der Hand sei sie in der Einsamkeit und am Abend bei ihm. Beim Offenbaren ihrer Geschicklichkeit in den Künsten, bei dem Massieren und dem Drücken des Kopfes zeige sie ihre Erfahrung. Sie erzähle dem Wesen des Umworbenen entsprechende Geschichten und richte sich danach, wie es in dem ›Herangehen an ein Mädchen‹, angegeben ist.

»Sie sei bei ihm«, gehe in die Nähe des Liebhabers, um ihre Geschicklichkeit zu zeigen. »Sie zeige ihre Erfahrung«. Nicht mit einem Schlage sage sie zu; d. h., sie handele ebenso wie der, der sich ein Mädchen gewinnen will. »Dem Wesen des Umworbenen entsprechende«, ihm angenehme. Die Werbungen, die für den Liebhaber gegenüber einem Mädchen angegeben worden sind, nach diesen richte sie sich, »wie es angegeben ist«.

Auch wenn sie ihm ganz nahe steht, soll sie den Mann nicht selbst angehen; denn eine junge Frau, die den Mann selbst angeht, verliert ihr Glück. So lehren die Meister.

»Auch wenn sie ihm ganz nahe steht«, auch wenn sie von Liebe erfüllt ist, »soll sie den Mann nicht selbst angehen«. Die Erwähnung der Meister geschieht ehrenhalber, indem ihre Ansicht nicht verpönt ist. – Wenn er sich nähert, dann greife sie zu.

Die von ihm angewendeten Umwerbungen aber nehme sie in gehöriger Weise an. Umarmt zeige sie keine Aufregung. Eine zarte Äußerung nehme sie hin, als verstände sie sie nicht. Das Ergreifen ihres Mundes geschehe nur mit Gewalt. Wenn sie um Ausführung des Liebesgenusses gebeten wird, geschehe die Berührung der Pudenda nur unter Schwierigkeiten.

»Die von ihm angewendeten«, äußerlichen »Umwerbungen«. »In gehöriger Weise«, damit er nicht abgeneigt wird. – Mit Bezug auf das Innerliche sagt (der Verfasser): »Umarmt«. – »Keine Aufregung«: d. h., aus dem Grunde: »Der Liebhaber merke nicht, daß ich verwirrt bin«. – Eine »Äußerung«, die die Liebe des Liebhabers andeutet, »nehme sie hin«, weise sie nicht zurück; aber auch hier nur eine »zarte«, undeutliche. Das ist das Besondere bei der Ausführung. »Als verstände sie sie nicht«: um dreistes Benehmen zu vermeiden. – »Geschehe nur mit Gewalt«; d. h., es ist dabei so zu verfahren, daß er den Mund nur durch Anwendung von Gewalt faßt. – »Ausführung des Liebesgenusses«: wenn sie von dem Liebhaber durch Auflegen ihrer Hand auf seine Pudenda um Darstellung der eignen Kenntnis gebeten wird, dann »geschehe die Berührung der Pudenda des Liebhabers nur unter Schwierigkeiten«.

Hierbei gibt (der Verfasser) eine besondere Regel an:

Wenn auch aufgefordert, sei sie selbst nicht gar zu offen, da die Zeiten sich ändern können. Wenn sie aber meint: ›Er ist mir zugetan und wird nicht zurücktreten‹, dann beschleunige sie den Werbenden behufs Austritts aus dem Kinderstande; und wenn sie den Stand des Mädchens verloren hat, melde sie es den Vertrauten. – Das ist das Aufsuchen des zu gewinnenden Mannes.

»Nicht gar zu offen«, indem sie alle Teile und alles Zubehör der Liebe offenbart, ist der Sinn. Der Grund ist: »da die Zeiten sich ändern können«. – »Er wird nicht zurücktreten«, wird mich nicht verlassen. – »Den Werbenden«, an heimlichem Orte. »Austritt aus dem Kindesstande«: sie treibe ihn an, daß er ihr die Jungfernschaft nimmt, unter Beobachtung des Gandharvenritus. – »Den Vertrauten«, den Freundinnen, der Milchschwester usw. »Melde sie es«, daß sie nach der Gandharvenart geheiratet worden ist. –

*

§ 30. Erlangung des Mädchens infolge der Annäherung.

Wenn das den zu gewinnenden Mann aufsuchende Mädchen von vielen umworben wird, so spricht man von einer »Erlangung des Mädchens infolge der Annäherung«; d. h. das Mädchen handelt unter Betrachtung der Annäherung.

Hier gibt es einige Verse:

Wen das umworbene Mädchen aber für eine Stütze und für ein Glück hält, für passend und ergeben, den nehme sie zum Gatten.

»Stütze«: indem sie meint, daß man sich auf ihn stützen könne. »Glück«: da das äußerliche Glück des Liebesgenusses die Ursache für das innerliche, spätere Glück ist. – »Passend«: ihren Gedanken entsprechend. – »Ergeben«, nach ihren Worten handelnd. – Wen sie dafür hält, »den nehme sie zum Gatten«; d. h. sie handele danach.

Wenn sie ohne Rücksicht auf Vorzüge, Schönheit und Erfahrung einen Gatten nur aus Verlangen nach Geld sucht, selbst mit Inkaufnahme von Nebenbuhlerinnenrivalitäten,

So locke sie nicht an sich einen mit Vorzügen ausgestatteten, ergebenen, fähigen, heftig verlangenden Mann, der sie mit allen Mitteln umwirbt.

»Ohne Rücksicht«: bei einer Selbstwahl, wobei sie auf Vorzüge keine Rücksicht nimmt, da sie nicht vorhanden sind: er ist eben nur reich! »Selbst mit Inkaufnahme von Nebenbuhlerinnenrivalitäten«: nicht nur ohne solche: indem reiche Leute gewöhnlich viele Frauen haben. – Hierbei »locke sie nicht an sich«, weise sie ab, »einen mit Vorzügen ausgestatteten«, tugendreichen, »fähigen«, kräftigen, »heftig verlangenden Mann«, schlechterdings verlangenden.

Wer aber reich ist, viele Gattinnen besitzt und sich um sie bewirbt, den soll sie, auch wenn er Tugenden besitzt, nicht an sich locken. Das zeigt (der Verfasser), indem er sagt:

Besser ein Ergebener, wenn er auch arm ist und einer, der sich allein besitzt, wenn er auch keine Vorzüge hat, als einer, der viele besitzt, mag er auch mit Tugenden ausgestattet sein.

»Der sich allein besitzt«, der nur seine Familie zu ernähren hat. »Einer, der viele besitzt«, einer für viele. – Wer jedoch reich ist, Frauen besitzt, mit Vorzügen ausgestattet und ergeben, den soll sie an sich locken, ist der Sinn.

Nun nennt (der Verfasser) die Mängel an einem, der nicht ergeben ist:

Gewöhnlich haben reiche Leute viele Frauen, die sich frei bewegen können: aber wenn auch der äußerliche Genuß da ist, so sind sie doch, trotz des äußerlichen Glückes, ohne Vertrauen.

»Gewöhnlich«. Daher eben nimmt ein Reicher viele Frauen und diese können sich ganz besonders »frei bewegen«, sind unbehindert. Der Grund ist der »äußerliche Genuß«. Durch den Genuß einer Wohnstätte usw. sind sie äußerlich glücklich, aber »ohne Vertrauen«, d. h. sie entbehren des inneren Glückes, welches Liebeslust heißt.

Wenn aber ein niedriger Mann sich bewirbt oder ein Graukopf und viel Verreisender, so ist dieser der Vereinigung nicht würdig.

»Niedrig«, aus geringem Geschlechte, mag er auch mit den obigen Tugenden versehen sein. – »Ein Graukopf«, Greis; und einer, der stets in der Fremde weilt.

Wer ganz nach Belieben seine Werbung anstellt, auf heuchlerisches Spiel versessen ist und Frau und Kinder hat, der ist der Verbindung nicht würdig.

»Ganz nach Belieben«: wer nach Herzenslust bei der Werbung zu Werke geht; d. h. mit Gewalttätigkeiten; unter vielfachen Vorspiegelungen an »heuchlerischem Spiele« hängt »und Frau und Kinder hat«, ein eheliches Weib besitzt und Kinder von ihr hat, oder eins von beiden.

Ein ergebener Mann aber, wenn auch im übrigen so wie angegeben, ist der Verbindung würdig; so sagt (der Verfasser):

Bei Gleichheit der Tugenden ist unter den Bewerbern nur ein Freier, der sie freien wird: hier dieser Bewerber nimmt den Vorrang ein: sein Wesen nämlich bildet die Zuneigung.

»Bei Gleichheit« der genannten »Tugenden«. – »Nur ein Freier«: sie freien, daher heißen sie Freier. Alle sind »Bewerber«, unter diesen ist »nur ein Freier, der sie freien wird«, der zum Freien tauglich ist … – »Hier dieser« treffliche »Bewerber nimmt« bei seinem hervorragenden Wesen »den Vorrang ein«, ist der beste, da sein Wesen in der Zuneigung besteht.

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