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2. Kapitel.

§ 8. Die Untersuchung über die Umarmungen.

Nachdem so (der Verfasser) den Liebesgenuß erörtert hat, schickt er sich an, die vierundsechzig Dinge zu schildern, die sein Zubehör bilden, indem er sagt:

Einen Bestandteil der geschlechtlichen Vereinigung nennt man die vierundsechzig Dinge, indem sie in vierundsechzig Paragraphen abgehandelt werden.

Da die geschlechtliche Vereinigung ihrem Wesen nach aus vierundsechzig Dingen besteht, »so nennt man«, die alten Lehrer, diese vierundsechzig »einen Bestandteil« derselben. Wir wollen sie jetzt behandeln.

Das Wort ›vierundsechzig‹ findet sich im ganzen Lehrbuche oder einem Teil desselben, in beiden Fällen aber sind sie ein Teil der Praxis. Das zeigt (der Verfasser), indem er sagt:

Dieses Lehrbuch eben sind die vierundsechzig, sagen die Lehrer.

»Dieses Lehrbuch eben«: damit meint er das Lehrbuch, und das ist ein Zubehör der fleischlichen Vereinigung, weil deren Hilfsmittel, genannt Hauptsachen und Nebensachen, darin offenbart werden. – »Sagen die Lehrer«: die Lehrer nämlich, die Kenner der Worte, wenden als solche das Wort ›vierundsechzig‹ aus einem bestimmten Grunde an.

Das findet sich auch hier, oder in einem Teile des Lehrbuches, der Aufzählung des Wissens: so sagt (der Verfasser):

Da die Künste an Zahl vierundsechzig betragen und einen Teil der geschlechtlichen Vereinigung bilden, heißt die Summe der Künste »die Vierundsechzig«, indem die in zehn Abschnitte zerfallenden Gesänge des Ṛgveda auch danach genannt sind und hier auch ein Zusammenhang mit diesem Worte stattfindet. Wegen des Zusammenhanges mit Pāñcāla ist jene Bezeichnung ehrenhalber von den Kennern des Ṛgveda angewendet worden. So sagen einige.

Hier sind nämlich die vierundsechzig Künste: Gesang usw. gemeint. So bildet ihre Summe einen Teil der geschlechtlichen Vereinigung. Die Vierundsechzig finden sich in einem Teile des Lehrbuches, dem Abschnitte über den Liebesgenuß; dort werden nämlich die vierundsechzig Künste nach Pāñcāla aufgeführt. Warum heißen sie die Vierundsechzig? Darauf antwortet (der Verfasser): »Indem die in zehn Abschnitte«. »Des Ṛgveda«, der in zehn Teile, maṇḍala, zerfällt. Diese zehn Abschnitte heißen »Die Vierundsechzig«. – »Auch hier«, in dem Zubehöre zu der geschlechtlichen Vereinigung. »Da ein Zusammenhang mit diesem Worte stattfindet«, ein Zusammenhang mit dem Worte maṇḍala, den zehn Abschnitten. (»Die Bezeichnung ›vierundsechzig‹ ist angewendet worden« ist der Zusammenhang.) Nämlich zehn Glieder bilden den Leib der geschlechtlichen Vereinigung; wie es denn heißt: »Umarmung, Küssen, Gebrauch der Zähne, Nägelwunden, sīt-Machen, Schläge mit der Hand, Zusammenliegen, Begattung, Mund-Koitus und umgekehrter Liebesgenuß: das nennt man die zehn Glieder«. – Wegen des Zusammenhanges mit Pāñcāla ist die Bezeichnung gewählt worden. Von dem großen Heiligen Pāñcāla ist im Ṛgveda eine Summe von vierundsechzig Liedern verfaßt; und Bābhravya Pāñcāla hat in dem von ihm verfaßten Abschnitte über den Liebesgenuß die Umarmungen usw. beschrieben. Daher findet zwischen den beiden ein Zusammenhang statt, infolge der Benennung Pāñcāla, welcher Name auf ein und dasselbe Geschlecht hindeutet. »Ehrenhalber«: die in einem Teile des Ṛgveda vorkommende Bezeichnung beider Parteien ist »von den Kennern des Ṛgveda« als Ehrenbezeichnung bei den Umarmungen usw. angewendet worden, wie einige sagen. Diese Ehrung wird (der Verfasser) noch angeben (mit den Worten): ›Jene von den Wissenden verehrte, sogar von dem gemeinen Volke hochverehrte, von der Schar der gaṇikās verehrte Freudenbringerin – wer sollte die nicht verehren?‹

Infolge der achtfachen Verschiedenheit der Kombination der acht, Umarmungen, Küsse, Nägelmale, Bißwunden, Beilager, sīt-Machen, umgekehrter Liebesgenuß und Mund-Koitus ergeben sich acht Achter, also vierundsechzig, sagen die Bābhravyās.

Die Schüler des Bābhravya jedoch sagen, der Sache entsprechend: »Infolge der achtfachen Verschiedenheit der Kombination«, d. h. weil bei jedem einzelnen eine achtfach verschiedene Kombination möglich ist. Daraus ergeben sich acht Achtfache, acht Achter, also vierundsechzig.

Da es sich zeigt, daß von den acht verschiedenen Gruppen die einen zu wenig und die anderen zu viel Teile haben und hier noch andere Gruppen, wie Schläge, Ausrufungen, Liebesgenuß nach Art des Mannes, merkwürdiger Koitus usw. vorgebracht werden, so ist das nur eine sprichwörtliche Redensart, wie man z. B. von dem Baume Siebenblatt und von der fünffarbigen Spende spricht. So Vātsyāyana.

»Da es sich zeigt, daß sie entweder zu wenig oder zu viel Teile haben«. Von den noch zu nennenden verschiedenen Gruppen, Umarmungen usw., zeigt die eine einen Mangel an Teilen, der umgekehrte Liebesgenuß; einige haben zu viele: Umarmungen usw. Daher gibt das keine achtmal acht. Also: »Da es sich zeigt, daß von den acht verschiedenen Gruppen die einen zu wenig und die anderen zu viel Teile haben und noch andere«, Küsse usw., da diese in Rede stehen. Im Vergleiche zu jenen »andere«, nämlich Schläge, Ausrufungen, Liebesgenuß nach Art des Mannes, merkwürdiger Koitus usw. So ist der Zusammenhang; nicht aber noch andere im Vergleich zu diesen vier, den Schlägen usw., da es die nicht gibt: – »da sie hier«, in der Gruppe der acht, »vorgebracht werden« – die geschlechtliche Vereinigung erfordert sie nämlich – daher eben sind die acht nicht achtfach. Wie kommt man also zu der Benennung? Darauf antwortet (der Verfasser): »Das ist nur eine sprichwörtliche Redensart«, gewöhnliche Sprechweise. Wieso? Das gibt (der Verfasser) an: »Wie z. B.« Trotzdem die Zahl der Blätter unvollständig oder überzählig ist, findet doch diese Bezeichnung nach dem allgemeinen Brauche statt, da man den Vorgang häufig sieht. Ebenso findet die Bezeichnung statt bei den acht Dingen, weil sie häufig in achtfacher Weise geteilt sind: danach sind sie also achtmal acht.

Da nun das Lehrbuch als »die Vierundsechzig« zur Sprache gebracht und die Summe der Künste in der »Darlegung des Wissens« angegeben worden ist, so spricht (der Verfasser) nun von den Vierundsechzig nach Pāñcāla. Hier wird nun die Untersuchung über die Umarmungen geführt, da diese den Küssen usw. vorangehen. Die Untersuchung aber findet statt nach Zeit und Wesen. – Da gibt es (denn nun) Umarmungen bei der Nichtvereinigung und bei der Vereinigung: mit Bezug auf das erste sagt (der Verfasser):

Da gibt es für zwei, die noch nicht vereint sind, um die Zeichen der Liebe auszudrücken, eine Vierzahl der Umarmungen: die berührende, die durchbohrende, die reibende und die pressende.

»Zwei, die noch nicht vereint sind«, Liebende, die noch nicht eins sind. – »Um die Zeichen der Liebe auszudrücken.« Die berührende und die übrigen Umarmungen sind das Zeichen der Zuneigung, des zu Bezeichnenden, da sie diese verraten. Das kann man zur Zeit der Werbung ersehen, wenn ein Ziel für die Berührung da ist: ist das nicht der Fall, dann wird (der Verfasser) von einer übertragenen Werbung reden.

Überall wird schon durch das Eigenschaftswort die Art der Ausführung angedeutet.

»Überall«: auch bei den Küssen usw. »wird die Art der Ausführung durch das Eigenschaftswort angedeutet«: so zeigt er, daß es der Sache entspricht. Der Begriff, abhängig von dem Wesen der Bezeichnungen »berührend« usw., ist Berührung usw. »Dadurch wird die Art der Ausführung angedeutet«: so und so ist sie auszuführen!

Wenn die zu Umwerbende in die Nähe gekommen ist und er, unter einem anderen Vorwande, herantritt, so daß ein Leib den anderen berührt, so ist das die berührende Umarmung.

»Wenn sie in die Nähe gekommen ist«, wenn die Liebhaberin vor seine Augen getreten ist. – »Die zu Umwerbende«: Umarmungen usw. zu erlangen oder zu versuchen ist da noch nicht möglich. – »Unter einem anderen Vorwande«, indem »er«, der Unternehmende, bei dem Herantreten etwas anderes vorgibt, damit ein Fremder seine geheime Absicht nicht merkt. So daß er mit seinem Leibe ihren, der zu Umwerbenden, Leib berührt. So wird durch die Bezeichnungsweise die Art der Ausführung angedeutet: die berührende … So ist es auch auf der anderen Seite anzuwenden: von ihr, wenn der Liebhaber in die Nähe gekommen ist.

Den zu Umwerbenden, am einsamen Orte Stehenden oder Sitzenden, soll sie mit dem Busen stoßen, indem sie etwas holt; und der Liebhaber soll sie unter Drücken festhalten: das ist die durchbohrende Umarmung.

Die Liebhaberin, der ausführende Teil, soll nicht zu dem dastehenden oder dasitzenden »zu Umwerbenden«, Liebhaber, gehen, da eine derartige Tat ungehörig ist. Auch nicht zu dem daliegenden, da sie ja noch nicht vereint sind! – »Am einsamen Orte«: da es anderswo schwer zu erreichen ist, den Busen auch nur zu sehen. Nun nennt (der Verfasser) das Mittel, den Geliebten anzustoßen: »indem sie etwas holt«: indem sie aus seiner Hand oder in seiner Nähe irgend einen Gegenstand wegnimmt. – »Mit dem Busen«; d. h. sie soll ihn anrennen, an das Glied, welches sich gerade bietet. Der angestoßene Liebhaber jedoch soll die also vielfach Beschäftigte ergreifen, indem sich eine Armschlinge vorn auf die Brust, den Rücken (oder) auf die Seiten legt oder beide sich hinten vereinigen, während er sie mit der eigenen Schulterspitze anstößt, da ja ihr Anstoßen mit der Brust von der Seite geschieht, und an sich drücken, in dem Gedanken: »Wenn sie mir auf irgend eine Weise ihre Zuneigung andeuten will, wird sie mich anstoßen«. – Da sich hierbei die Brust beider nicht wenig aneinander drängt, ergibt sich die durchbohrende Umarmung. Ein bloßes Anrennen aber, welches den Namen der schnellenden Umarmung führt, ist als identisch mit jener hier mit einbegriffen; bei der Ausführung jener bringt die Liebhaberin sie gleichsam mit zur Ausführung. – Da die durchbohrende Umarmung von beiden ausgehen kann, (so dürfen) beide Teile (hierbei Ausführende sein). So heißt es: »Die Liebhaberin mit ihrem Busenkranze gehe zu Werke und stoße den Liebhaber mit der durchbohrenden Umarmung: der andere beschäftige sich dabei mit der Ausführung des Ergreifens der Haare«.

Das Beides findet statt, wenn die Liebenden noch nicht recht haben zusammen reden können.

»Das Beides« die berührende und die durchbohrende Umarmung. – »Wenn die Liebenden noch nicht recht haben zusammen reden können«, noch nicht vereint sind; indem dabei beides getan werden kann. Wenn sie sich aber schon ordentlich ausgesprochen haben, dann findet das nicht mehr statt. Wegen der Unmöglichkeit hinwiederum für Liebende, die sich noch gar nicht gesprochen haben, das auszuführen, ist es als unmöglich anzusehen.

Wenn beide in der Dunkelheit, in einem Menschengedränge oder in der Einsamkeit langsam dahinschreiten und ihre Körper nicht allzu kurze Zeit aneinander reiben, so ist das die reibende Umarmung.

»In einem Menschengedränge«, im Getümmel. Weil es in der Finsternis usw. geschieht, ist die Ausübung eine verworrene. Wenn man nicht in solcher Lage ist, empfiehlt es sich, es herbeizuführen (indem man Menschengedränge aufsucht). – Unter solchen Umständen findet ein »nicht allzu kurze Zeit«, lange andauerndes Reiben glücklich statt. »Aneinander«: indem der Leib des Liebhabers an dem der Liebhaberin, und deren Leib an dem des anderen sich reibt, ergibt sich die von beiden ausgeführte »reibende« Umarmung. Die von einem aber ausgeführte reibende Umarmung ist hierbei mit enthalten.

Eben diese wird zur pressenden Umarmung, wenn man dabei außerordentlich mit der Klammer einer Mauer oder einer Säule gepreßt wird.

»Eben diese«: diese reibende Umarmung wird zur pressenden. Wieso? Das sagt (der Verfasser): »Mit der Klammer einer Mauer«. – Klammer ist ein von beiden Seiten greifendes Festhalten. Eigentlich ist es der Liebhaber, uneigentlich die Mauer oder die Säule: wenn von diesem »außerordentlich«, fest, gepreßt wird, so ist das die pressende Umarmung. Sie geht von einem aus und ist deshalb zweifach.

Diese beiden (finden statt) bei (Liebenden,) die ihre beiderseitigen Gedanken schon kennen.

»Diese beiden«: darunter sind die reibende und die pressende (Umarmung) zu verstehen. – »Die ihre beiderseitigen Gedanken schon kennen«, die noch nicht vereint sind, aber um ihren gegenseitigen Zustand schon wissen, indem sie vorher schon viel miteinander verkehrt haben. Bei solchen, die ihre Gedanken noch nicht kennen, findet das nicht statt; das ist der eigentliche Sinn.

Das Lianenumschlingen, das Baumbesteigen, Sesam und Reis und Milch und Wasser: das sind die vier (Umarmungen) zur Zeit der fleischlichen Vereinigung.

»Zur Zeit der fleischlichen Vereinigung«: diese findet statt, wenn jene beiden vereint und feucht geworden sind. In dieser Zeit gibt es vier Umarmungen. Dabei ist für die beiden ersten, obwohl sie nur von einem ausgehen, die Liebhaberin allein der ausführende Teil, da sie ihr entsprechen; für die beiden übrigen beide, da sie von beiden ausgehen.

Wie eine Liane den Sāla Vatica robusta.-Baum (umschlingt, so) soll (die Frau den Mann) umschlingen und das Gesicht herabbeugen, um ihn zu küssen; oder, nachdem sie es unter leisem sīt-Machen emporgerichtet hat, soll sie, bei ihm ruhend, ihn eine Weile hold ansehen. – Das ist (die Umarmung) »Lianenumschlingen«.

Wie die Liane einen Baum umschlingt, ebenso die Liebhaberin den aufrechtstehenden Geliebten, Auge in Auge, indem sie ihre Armranken um Hals und Schultern schlingt. So ist die Umarmung »Lianenumschlingen« vierfach. Daß sie aber nach Küssen verlangend »das Gesicht herabbeugen« soll, geschieht, da der Baum Liebhaber hoch ist. So wird das Gesicht herabgebeugt, da sein Körper von den umklammernden Armschlingen herniedergebogen wird. Damit gibt der Verfasser den Lohn bei der Ausführung (dieser Umarmung) an: Da hierbei der Lohn des Küssens gemeint ist, so ist etwas Altherkömmliches auszuführen; eine Ausführung, die die Leidenschaft erzeugt und wachsen macht. – »Unter leisem sīt-Machen«. Das sīt-Machen wird (der Verfasser) noch besprechen. Indem dieses bei ihr leise ist: außerordentlich laut ist es zur Zeit der leidenschaftlichen Erregung. Damit zeigt (der Verfasser) das Verschönen der Ausführung: von besonders gelungener Ausführung begleitet dürfte das hervorragend herzerfreuend sein. – »Oder bei ihm ruhend«: das ist der zweite Gewinn. Und wenn sie so, bei dem Liebhaber ruhend, das Angesicht emporgerichtet, ihn hold anblickt, mit der schön verzierten, von den Zahnspuren gezeichneten Brustspitze, dann ist das wie das Umschlingen einer Liane. Daher heißt diese Umarmung das Lianenumschlingen …

Wenn sie den einen Fuß auf den Fuß (des Liebhabers) und den zweiten auf die Schenkelgegend desselben setzt oder ihn damit umschlingt, wobei sie den einen Arm auf seinen Rücken legt und mit dem andern seine Schulter herunterbeugt und unter ein wenig leisem sīt-Machen und Girren hinaufzuklettern wünscht, um einen Kuß zu holen, so ist das (die Umarmung) »Baumbesteigen«.

»Den einen Fuß«. Ihren eigenen Fuß setzt sie auf den Fuß des Liebhabers, den zweiten Fuß setzt sie auf die Flanke in der Gegend des Schenkels, so daß die Verbindungsstelle der Schamgegend fest angepreßt wird. Je nachdem der rechte oder linke Fuß verwendet wird, ergeben sich hierbei zwei Arten. – »Oder ihn damit umschlingt«: d. h. sie soll den oberen Teil des Fußes nach außen richten und den unteren herunterhängen lassen. Auch dies ist zweifach, je nachdem es der rechte oder linke Fuß ist; und wenn das Betreten oder Umschlingen der Schenkel mit beiden Beinen geschieht, so ist das beides auch ein »Baumbesteigen« und gehört hier mit her. – (Der Verfasser) gibt nun die gewöhnliche Ausführung an: »Wobei sie den einen Arm auf seinen Rücken legt«: indem ihr einer Arm, der rechte oder linke, wie eine umklammernde Liane sich auf den Rücken des Liebhabers legt; und indem sie mit dem andern Arme seine Schultergegend herunterbiegt. – »Ein wenig«: da die Stunde der Leidenschaft gekommen ist. Der Sinn ist, indem sie leise, abgebrochene Atemzüge usw. tut. Damit wird die besondere Art der Ausführung angedeutet. Dabei ist »sīt-Machen«, das Ausstoßen des Lautes sīt. Das Kennzeichen des »Girrens« wird (der Verfasser) noch angeben. – »Um einen Kuß zu holen«: nicht um ihn hold anzusehen; denn dies wäre unmöglich, wenn er die Schenkel nur wenig geöffnet hätte. – Der Lohn der Ausführung ist das Küssen der Lippenknospe und der Wechsel der Schenkel. Der Name »Baumbesteigen« erklärt sich wie oben.

Das Beides ist eine Tätigkeit im Stehen.

»Das Beides ist eine Tätigkeit im Stehen«: es ist eine Handlung, bei der die Ausführung geschieht, indem beide aufrecht stehen; es dient zur Erregung der Leidenschaft durch beide.

Auf dem Lager befindlich sollen beide sich fest umschlingen unter Abwechslung der Beine und Arme, gleichsam im Wettstreit. Das ist die Umarmung »Sesam und Reis«.

Hierbei ist das besondere Merkmal der Ausführung: »unter Abwechslung der Beine«. Abwechslung, Vertauschung. Dabei soll der auf der rechten Seite ruhende Mann seinen linken Schenkel zwischen die Schenkel der auf der linken Seite ruhenden Frau, und den linken Arm unter die rechte Achsel stecken; die Frau macht es ebenso bei dem Manne. Das ist die eine Abwechslung; wenn die Frau auf der andern Seite ruht, findet die zweite statt. – Gleichsam um einen Wettstreit auszufechten, sollen sie »sich fest umschlingen«, Mann und Frau sich eng umarmen. »Das ist die Umarmung Sesam und Reis«, weil die Körperteile Schenkel und Arme wie Sesam und Reis zu einem Haufen vermischt sind.

Blind vor Leidenschaft und Schmerzen mißachtend wollen sie gleichsam ineinander hineindringen, indem die Frau auf seinem Schoße sitzt, Auge in Auge mit ihm ruhend oder auf dem Lager; das ist die Umarmung »Milch und Wasser«.

»Schmerzen mißachtend«, da sie vor Leidenschaft blind sind, umarmen sie sich, ohne Schädigungen durch Knochenbrüche usw. Diesen Einschub nach dem Berliner Ms. und dem bei Peterson IV, 25 (Nr. 665). zu beachten, und »wollen gleichsam ineinander hineindringen«. Infolge des außerordentlich heftigen Pressens mit den Armklammern werden sie gleichsam ein Lehmklumpen und erlangen gewissermaßen das Aussehen von Milch und Wasser. So heißt es: »Die liebeerfüllten Liebhaber verlangen in die Leiber der Geliebten zu dringen, als wäre es Wasser«. – Wie geschieht das? Darauf antwortet der (Verfasser): »Indem die Frau auf seinem Schoße sitzt«, auf dem Schoße des Liebhabers, die Schenkel nach außen ausbreitend. »Auge in Auge mit ihm ruhend.« Hierbei werden die Brüste von den Armen umklammert, indem Schulter fest an Schulter gepreßt wird. »Oder auf dem Lager«: d. h. indem beide auf der Seite liegen. Hierbei findet auch wieder die Umarmung »Sesam und Reis« statt.

Dies Beides zur Zeit der Leidenschaft.

»Dies Beides« kann man zu der Zeit sehen, da dann die Leidenschaft gewachsen ist. Die »Zeit der Leidenschaft« ist eine bestimmte Zeit in der geschlechtlichen Vereinigung. Wenn der Mann sich in Erektion befindet und die Scheide der Frau feucht geworden ist, dann findet vor der Vereinigung der Geschlechtsteile die genannte Umarmung statt. Mit der Vereinigung der Zeugungsglieder zusammen aber ist sie anzuwenden, da das der Art und Weise des Beischlafes entspricht.

Das ist die Praxis der Umarmungen nach Bābhravya.

»Nach Bābhravya«, die von Bābhravya genannten Arten der Umarmungen.

Suvarṇanābha aber hat außerdem noch vier Eingliedumarmungen.

Suvarṇanābha hat gegenüber der Achtzahl der Umarmungen nach Bābhravya dadurch noch einen Überschuß innerhalb dieser Gruppe. Das ist die eine Seite. Den Überschuß zeigt er mit den Worten: »Mit der Schamgegend die Schamgegend drückend« mit dem oberen Teile des Schenkels, während die Zeugungsglieder nicht vereint oder vereint sind. Für die vier Eingliedumarmungen gilt (die Bestimmung, daß sie) zur Zeit der geschlechtlichen Vereinigung stattfinden. Sie heißen so, weil dabei ein einzelnes Glied das gleichartige entsprechende Glied ganz besonders preßt.

Wenn man da einen Schenkel oder alle beide mit der Schenkelklammer aus Leibeskräften preßt, so ist das die Schenkelumarmung.

»Einen Schenkel oder alle beide« des auf der Seite liegenden Mannes oder der Frau. Da hier kein besonderer Unterschied besteht, so können beide der ausübende Teil sein; einige lehren, derjenige solle der aktive Teil sein, dessen Schenkelrundung recht feist ist. – »Aus Leibeskräften«: das ist das besondere Merkmal bei der Ausführung. Heftiges Drücken nämlich bei üppigem Fleische bringt endlose Wonne.

Mit der Schamgegend die Schamgegend drückend und den Haarschopf schüttelnd besteige sie ihn, um Nägel- und Zahnwunden, Schläge und Küsse anzubringen: das ist die Schamumarmung.

Die eine Art ist, mit der auf der Seite liegenden Vulva nach Stutenart das Zeugungsglied drückend; die zweite Art, mit der Schamgegend, dem Teile unterhalb des Nabels, auch wenn die Zeugungsglieder nicht vereint sind, die Schamgegend drückend. Weil die Schamgegend der Frau außerordentlich erotisch ist, so nimmt sie sich dabei schön aus; besonders eine feiste Schamgegend. – Das »den Haarschopf schüttelnd« bildet die Ausschmückung der Ausführung. – Nägel usw. wende sie nach Belieben an. Deren Anwendung ist aber der Gewinn dabei. – »Besteige ihn«, d. h. ruhe auf dem Liebhaber.

Mit beiden Brüsten auf die Brust eindringend lade sie die Last darauf; das ist die Brüsteumarmung.

Beim Sitzen oder Ruhen auf der Seite drücke sie den Rücken ein und mit beiden Brüsten auf die Wölbung der Brust des Geliebten eindringend »lade sie darauf«, auf die Brust, »die Last«; nämlich der Brüste. Wenn nämlich die Brust des Liebhabers die Last der Brüste trägt, genießt er so die Wonne der Berührung gleichsam konzentriert.

Mund an Mund und Auge an Auge heftend, stoße sie Stirn mit Stirn; das ist die Stirnschmuckumarmung.

Bei der nach oben oder seitwärts gerichteten Stellung Mund an Mund fügend und Auge an Auge heftend, indem sie mit dem Blicke als Ziel genommen werden. Da die Nase mitten zwischen Mund und Augen sitzt, so ist eigentlich deren Vereinigung gemeint. Stirn an Stirn zwei-, dreimal stoßend lege sie darauf die ganze Last: so ist hierbei die Liebhaberin der ausführende Teil. – Daher heißt sie die Stirnschmuckumarmung, gleichsam ein Stirnschmuck, indem die Stirn des Liebhabers durch die besondere Art der Übertragung geschmückt wird.

Einige meinen, auch das Frottieren sei eine Umarmung, da dabei Berührung stattfindet.

Infolge des Behagenerweckens auf der Haut, in dem Fleische und den Knochen ist das Frottieren, das Reiben der Glieder, von dreifacher Art. Auch dieses ist, weil es mit Berührung verbunden ist, als eine Art Umarmung anzusehen, meinen einige.

Vātsyāyana sagt nein, weil es nur zu besonderen Zeiten geschieht, ganz andern Zweck hat und nicht beiden gemeinsam ist.

»Weil es nur zu besonderen Zeiten geschieht«: so lehren alle Meister. Seine Zeit ist eine besondere; darum geschieht es nur zu besonderen Zeiten. Wiewohl das Frottieren von dem Umarmen nicht verschieden ist, insofern es auch im Berühren besteht, so ist es doch der Zeit nach davon unterschieden. – »Weil es nicht beiden gemeinsam ist«: die Umarmung nämlich, die ununterbrochen ausgeübt wird, zu ein und derselben Zeit, ist allen beiden gemeinsam, als gegenseitige Handlung. Das Frottieren aber ist, wenn es der Mann bei der Frau ausübt, und die Frau bei dem Manne, etwas Nichtgemeinsames. Daher muß man unter den vierundsechzig Künsten, Gesang usw., nachsehen unter »Erfahrung im Frottieren und Frisieren der Haare«. Denn wenn es auf das Berühren ankäme, wäre die Möglichkeit gegeben, auch das Küssen usw. unter diese Klasse zu zählen.

Um die Rücksicht, die den Regeln über die Umarmungen gebührt, anzudeuten, sagt (der Verfasser):

Bei den Männern, die die vollständigen Regeln über das Umarmen erfragen oder auch hören und ebenso auch bei denen, die sie mitteilen, entsteht Liebesverlangen.

Die erfragen und hören, indem sie dabei stehen. »Mitteilen«, anderen. – »Die Regeln über das Umarmen«: Umarmen, Umarmungen … »Vollständig«, ohne Rest. Irgendwo, bei irgend jemand, nachdem er es erfaßt hat. »Liebesverlangen«, das Verlangen nach dem Koitus entsteht. Nun vollends bei denen, welche sie ausführen!

Nun gibt (der Verfasser) an, daß man (das Gesagte auch) auf Nichterwähntes übertragen soll:

Auch die Umarmungen sind als Leidenschaft mehrend und zur geschlechtlichen Vereinigung gehörig sorgfältig hierbei anzuwenden, die hier nicht gelehrt werden.

Diejenigen heißen gelehrt, die ihren Ausdruck in dem Lehrbuche gefunden haben. Die nicht derart sind, vielmehr nach Belieben als solche bezeichnet werden, diese Umarmungen, Pressungen sind »sorgfältig« anzuwenden und nicht etwa, als im Lehrbuche nicht gelehrt, zu verwerfen. »Hierbei«, bei dem Koitus, sind diese anzuwenden, weil sie die Leidenschaft mehren. »Zur geschlechtlichen Vereinigung gehörig«, als wirkende Ursache des Koitus.

Wieso sind auch im Lehrbuche nicht gelehrte Umarmungen anzuwenden? Darauf antwortet (der Verfasser):

Soweit nur reicht das Gebiet der Lehrbücher, als die Menschen nur mäßige Erregung spüren: wenn aber das Rad der Wollust in Gang gekommen ist, dann gibt es kein Lehrbuch und keine Reihenfolge mehr.

Wenn nämlich die Leidenschaft noch nicht gewachsen ist, beachten die Menschen die Reihenfolge in Verbindung mit der Ordnung, wie das Lehrbuch sie angibt; so weit sind sie Gegenstand des Lehrbuches. »Wenn aber das Rad der Wollust«, der hervorbrechende Strom der Leidenschaft, »in Gang gekommen ist, dann gibt es kein Lehrbuch und keine Reihenfolge mehr«, weil sie infolgedessen Dingen obliegen, die nicht in dem Lehrbuche stehen. Die Umarmungen finden dann statt unter Ausfall einiger, in Aufeinanderfolge oder durcheinander. Darum wird die Übertragung auf das Unerwähnte angedeutet, damit es nicht heißt, das Lehrbuch und seine Ordnung sei wertlos.


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