Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XXI.

Der Kampf bricht los. Octavian, der lang wägende Zauderer, wird von den Ereignissen, die Kleopatra lenkt und Antonius ausführt, fortgerissen. Er kann nicht länger zögern und schwanken. Sturm rast in Rom. Die Anmaßung und Frechheit in Alexandrien ist nicht mehr zu ertragen. Roms Nationalstolz ist getroffen und brüllt nach Rache und Strafe. Octavian muß losschlagen, wenn er nicht als Feigling, der Roms Ansehen und Prestige in den Kot treten läßt, vom Volksunwillen fortgeweht werden will. Wenn er nicht in den Verdacht stürzen will, Dieb zu sein an Cäsarions verbrieftem Recht.

Er schlägt los. Erklärt den Krieg. Kleopatras größte Stunde hat geschlagen. Nicht zu Antonius hat sie Vertrauen, zu sich allein und zu ihrer Klugheit. Antonius ist mehr als je zuvor Schaufigur in ihrer Hand. Er hat keinen eigenen Willen mehr. Läßt sich von ihrer Begeisterung, ihrer Größe, ihrem Siegerwillen, ihrem Elan dahintragen.

Doch an einem Tage wirft er die Bedrücktheit der Niederlage und die Willensschlaffheit seiner Liebe von sich. Eines Tages ersteht in ihm ein matter Abglanz des jungen Antonius aus den römischen Tagen. An jenem hellen Freudentage, an dem die Freunde aus Rom, mächtige Freunde, angesehene Senatoren und die beiden Konsuln dieses Jahres, in Ephesus eintreffen. Die Freunde der Jugend lassen ihn in diesem letzten Strauß nicht im Stich.

Noch ist ihnen seine Kraftgestalt, sein saftiger Humor, die Vergötterung seiner Truppen unvergessen. Heimlich stehlen sie sich aus Octavians Machtbereich, eilen zu Antonius nach Ephesus ins Lager, grimmige Hasser des »Henkers« in Rom.

Ihr Führer ist der Konsul Gnäus Domitius Ahenobarbus, ein Grandseigneur wie Antonius, Sproß eines der vornehmsten Geschlechter Roms. An seiner Seite fährt Antonius vom Hafen am Caystrus durch die engen Straßen der alten großen Handelsstadt. Eine Zärtlichkeit zittert in Marc Anton, eine dankbare Freude erweckt die Nähe des Jugendfreundes, ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit. Rom ist bei ihm in diesem starken echten Römer mit den scharfen kantigen Römerzügen.

Antonius zeigt mit einer vagen Geste hinaus in die Straße, die von Soldaten aller östlichen Nationen wimmelt. Dazwischen klirrt hart der Schritt römischer Abteilungen.

»Alle sind sie auf meinen Ruf gekommen«, sagt er mit leisem kindlichen Stolze.

Domitius nickt kurz. Seine klugen, stahlharten Augen prüfen das Soldatengewühl. In dem Nicken ist Abwehr. Er will in seiner Beobachtung nicht gestört sein. Nur ab und zu streift sein Blick den Freund, der alt geworden ist, älter als seine Jahre. Sein Haar ist grau, fast weiß. Die Züge schwammig.

Dann schaut er wieder in den Strom der Straße. Aus Asien und Afrika sind die Könige und Fürsten der Größten unter ihnen zur Hilfe gegen Rom herbeigeeilt. Der Herrscher Mauretaniens, Bocchus, der Fürst Ziliziens, die Könige von Paphlagonien, von Comagene, die trazischen Autokraten Sadalas und Rhömetalces, der König von Galatien.

Die Truppen aller dieser Dynasten drängen sich in den engen Gassen, dazwischen die Marinesoldaten und Matrosen Ägyptens, alle Idiome Asiens und Afrikas schwirren auf. Eine Völkerwanderung zu dieser Küstenstadt Kleinasiens hat eingesetzt. Auf den zahlreichen Palästen und den öffentlichen Gebäuden wehen die Flaggen, glänzen die Hoheitszeichen aller orientalischen Regierungen.

Aufmerksam lauscht und sieht der Römer. Hinter ihm folgen in prächtigen Karossen seine Gefährten aus Rom.

Im alten Königsschlosse selbst, in dem Kleopatra und Antonius wohnen, ist ihnen Quartier bereitet.

»Wir wollen sofort unsere nächsten Schritte beraten«, schlägt Domitius Ahenobarbus vor.

Antonius stimmt bereitwillig zu.

»Um zehn Uhr Kriegsrat«, lautet die Parole für die römischen Gäste.

Im großen Audienzsaale des Palastes haben die Herrn sich eingefunden und harren ihres alten Freundes Antonius. Da werden die Flügeltüren von dem Eunuchen Potheinus aufgerissen, mit seiner Weiberstimme kräht er in den Saal: »Kleopatra, die Königin der Könige! Der Imperator Marcus Antonius.«

Die Römer blicken sich verdutzt an. Sie haben gewußt, es auch an den vielen hundert ägyptischen Kriegsschiffen im Hafen erkannt, daß Kleopatra mit Antonius im Bunde ist, wie die anderen Könige und Fürsten des Orients. Doch daß sie persönlich in Ephesus weilt, ist ihnen neu und überraschend. Daß sie aber in diesem römischen Kriegsrat erscheint, ist ihrem Stolze unerträglich. Für sie ist sie, aller Freundschaft und Kameradschaft zu Antonius zum Trotze, die »Ägypterin«, die Fremde, die Geliebte Cäsars, die große Dirne des Ostens. Weiter nichts. Und dann – was hat ein Weib im römischen Kriegsrat zu schaffen?!

Unklar, nebelhaft spuken diese abwehrenden Gedanken durch jeden der hochragenden Römerköpfe. Doch den Senatoren bleibt keine Zeit zur Beratung, zur Verständigung. Der zeremoniellen Ankündigung folgen die Angemeldeten. Im ägyptischen Königsgewande tritt Kleopatra ein. Hinter ihr schreitet, irgendwie klein und nichtig, irgendwie nur Gefolgsmann, eine Kränkung für jeden Römer, Antonius.

Jetzt erst fällt den Senatoren auf, daß an der Spitze des Beratungstisches ein Thronsessel steht. Sie haben ihn bisher kaum beachtet, für den Sitz des Präsidenten des Konsiliums gehalten. Auf ihn geht Kleopatra rasch zu, mit sicheren Schritten, trotz ihrer Kleinheit hoheitsvoll und gebietend in jeder Bewegung. Sie nimmt Platz, eine Königin, die Audienz erteilt. Die Türen des Saales werden geschlossen.

Einige der römischen Herren haben sich unwillkürlich vor der Majestät ihrer Erscheinung verneigt. Nicht Domitius Ahenobarbus, nicht die anderen Aufrechten. Steif und feindlich haben sie diesen pompösen Einzug der Ägypterin verfolgt. Jetzt steht Antonius an ihrer Seite. Und plötzlich, unbegreiflich, ist er Römer vor diesen Römern, fühlt und empfindet er, versteht er fast die Feindschaft der Freunde gegen die geliebte Frau.

Mit einer Stimme, die jede Zuversicht verloren hat, die leise vibriert, ruft er: »Die Königin Kleopatra entbietet euch ihren Gruß. Kommt herbei, ihr Freunde, daß ich euch der Königin vorstelle.«

Keiner rührt sich. Trotzig, mit verschlossenen Gesichtern, stehen sie da. Kleopatra läßt ihre grünen Augen über die stumme, feindselige Gruppe gleiten. Nichts bewegt sich in ihrem Antlitz. Ist sie überrascht? Hat sie eine freudige Begrüßung der Freunde ihres Freundes erwartet? Oder hat sie in ihrer untrüglichen Witterung die Gegnerschaft geahnt, will sie ihren Platz unter ihnen ertrotzen?

Antonius verliert die Fassung. Hilflos ruft er: »Komm doch her, Domitius, und begrüße die Königin!«

Von dem Platz aus, an dem er steht, sagt Ahenobarbus, ohne sich zu verneigen, mürrisch und schroff: »Sei gegrüßt – Kleopatra.« Er verweigert ihr, absichtlich, markant den Titel »Königin«.

Die anderen folgen seinem Beispiel. Jeder grüßt sie nur mit dem Namen. Antonius ist ratlos vor Bestürzung über die Beleidigung. Kleopatra bewahrt die königliche Haltung. Verneigt sich artig auf dem Throne gegen jeden, der ihren Namen nennt und sie ungezogen begrüßt. Dann sagt sie lächelnd, als merke sie nichts: »Nehmt Platz, meine Freunde. Laßt uns gleich in die Beratung eintreten.«

Alle blicken auf den Erlauchtesten von ihnen, den Konsul Domitius. Er zögert. Dann zieht er laut polternd einen Stuhl heran und setzt sich. Die andern tun das Gleiche. Oben an der Spitze des Tisches, zur Seite Kleopatras, nimmt Antonius Platz. Seine Bewegungen sind nervös und fahrig.

Rasch nimmt Kleopatra das Wort, reißt sofort die Führung der Verhandlung an sich. Sie ist nicht gewillt, die Leitung der Operationen, die bisher in ihrer Hand lag, abzugeben.

»Meine Freunde«, beginnt sie mit ihrer zwitschernden Stimme, der die langen Jahre nichts von ihrer Süße geraubt haben, »ich will euch zuerst berichten, welche Hilfsmittel und Truppen uns zu Gebote stehen. Da sind zunächst die neunzehn römischen Legionen. Unsere Flotte verfügt einschließlich der Transportfahrzeuge über achthundert Schiffe, davon zweihundert ägyptische Kreuzer. Ferner besitzt das Heer einen Kriegsschatz von zwanzigtausend Talenten Etwa 80 Millionen Goldmark. aus den ägyptischen Schatzkammern. Auch hat der ägyptische Staat die gesamte Verpflegung des Heeres übernommen und garantiert.«

Sie will diese arroganten Herren gründlich darüber belehren, wer sie ist und was ihr Land für diesen Krieg leistet. »Ferner haben wir – –«

Da ruft der Konsul Gnäus Domitius dazwischen: »Was bedeutet dies alles, Marcus Antonius? Sind wir hier zu einem Kriegsrat der Senatoren versammelt oder um uns die Prahlereien einer orientalischen Dame anzuhören?«

Kleopatra erbleicht. Das gewollte, gefällige Lächeln, mit dem sie diese feindlichen Männer gewinnen will, gefriert. Um den Tisch der Senatoren knistert Beifall und Schadenfreude. Domitius hat ihnen allen aus der Seele gesprochen. Sie fühlen sich beleidigt und gedemütigt unter dem dreist angemaßten Vorsitz einer Frau, dieser übel beleumundeten, in Rom verhaßten Frau.

Antonius stiert geistlos drein. Er ist aus allen Himmeln seines Glückes gestürzt. Er hat heute eine Freude erlebt, wie nicht mehr seit Jahren. Die alten Freunde haben sich um ihn geschart. Und was tun sie –?! Erst verweigern sie seiner Königin ihren Titel. Und nun fallen sie gar, gleich nach ihrer heißersehnten Ankunft, mit Schimpf her über sie, die nur ihr Bestes will. Warum beleidigen sie so grob und unflätig das Feinste und Edelste, das diese Erde trägt?

Er begreift es nicht. Ist ins Mark getroffen. Springt aber instinktiv, mit der Unfehlbarkeit der Liebe, für sie ein.

»Domitius«, flüstert er schreckgelähmt, »wie darfst du es wagen, Kleopatra zu schmähen! Sie ist die mächtigste Herrscherin des Ostens und die wertvollste Bundesgenossin unseres Kampfes!«

Gajus Sosius, der zweite Konsul dieses Jahres, ein umgänglicher, feister, gemütlicher Mann, sucht zu vermitteln. »Wir erkennen willig und dankbar den Wert der Hilfe an, den Kleopatra unserer Sache leistet. Aber auch die übrigen Fürsten, die Hilfstruppen herbeigeführt haben, sind wichtig. Dann wäre es nur recht und billig, daß auch sie an unserem Kriegsrate teilnehmen.«

Einige stimmen zu. Rufe werden laut: Man hole sie herbei! Doch Domitius spricht eisig, alle übertönend in das Stimmengewirr: »Ich weigere mich, unter dem Vorsitz eines Weibes zu beraten.«

Jawohl! Unerhört! Unmöglich! schallt es wider aus dem Kreise der Senatoren. Auch Sosius, der Vermittler, stimmt jetzt zu. Alle wehren sich gegen diese Schmach.

Antonius fühlt die Stimmung der anderen wie eine Erinnerung aus jungen Tagen. Auch er hätte als Cäsars Legat nicht mit einem Weibe zusammen Kriegsrat gehalten. Was gilt eine Frau in Rom! Und eine fremdländische! Ihr Vorsitz im Rate ist ihnen ein Schlag ins Gesicht. Er weiß es plötzlich. In seinen Adern rumort und pulst das lange unterdrückte Römerblut.

Doch er liebt diese Frau kritiklos. Er kann nicht ertragen, daß man ihr wehtut. Er will und muß sie schützen. Sie schweigt und blickt auf ihn. Er sieht sie nicht an. Er schämt sich schmerzlich der Freunde, die sie so empörend behandeln. Doch er fühlt ihren fordernden Blick auf sich brennen.

»Freunde«, ruft er verzweifelt, »wißt ihr nicht, daß die Königin von Ägypten in diesem Kampfe eine andere Rolle spielt als die anderen Fürsten? Es ist ihr und Cäsars Sohn – –«

Da schreit einer beißend dazwischen: »Ihre vielen wechselvollen, privaten Beziehungen interessieren uns hier nicht!«

Die Senatoren nicken Zustimmung.

Jetzt flammt Antonius auf: »Schämt euch, eine wehrlose Frau zu beleidigen!«

» Die Frau ist nicht wehrlos!« höhnt ein anderer.

Nun erhebt sich Kleopatra. Völlig beherrscht sagt sie: »Marc Anton, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Herrn nicht wissen, mit und vor wem sie sprechen. Bitte, kläre sie auf.«

Damit geht sie. Die Römer bleiben auf ihren Sitzen. Keiner rührt sich zum Gruße. Auch sie grüßt nicht. Geht erhaben und gelassen zur Tür. Von dem Aufruhr und der Angst in ihrem Herzen loht kein Flackern in ihre Züge. Keiner ahnt, was in ihr vorgeht. Daß sie fürchtet, jetzt, im letzten Augenblick, könne alles zusammenbrechen, das Hoffen und Planen eines langen Lebens; sie könne beiseite gestoßen werden, jetzt, da die Erfüllung am Horizonte flammt.

Sie weiß, wie leicht verführbar, leitbar Antonius ist. Ihre Schenkel sind schwach vor Furcht und Not. Doch keiner merkt es. Hoch aufgerichtet, ohne Schwanken geht sie zur Tür. Antonius eilt ihr nach, will sänftigen, beschwichtigen, trösten. Doch sie weist ihn mit den Augen von sich. Er allein sieht das angstvolle Bangen in den geweiteten Pupillen. Ihre Verstörtheit schneidet ihm ins Herz.

»Dort ist dein Platz«, flüstert sie ihm zu, zeigt mit dem Blick in den Saal und geht.

Verloren steht er an der Tür, schwankt, ob er Kleopatra nach dieser unerhörten Beleidigung gehen lassen darf, ob er ihr nicht folgen, sich zu ihr bekennen, die Freunde verlassen, ihnen den Rücken kehren muß, bis sie die Schmach, die sie der armen hohen Frau angetan haben, sühnen durch Abbitte, Entschuldigung, Unterwerfung.

Da legt eine starke Hand sich ihm schwer auf die Schulter. Die Stimme des Domitius Ahenobarbus raunt dicht an seinem Ohr: »Laß sie gehen, Marcus. Wir haben mit dir zu sprechen.«

Die Sitzung ist aufgeflogen. Alle umdrängen ihn, Worte, Mahnungen, Beschwörungen schwirren auf, prasseln nieder auf sein verwirrtes Haupt. Der Konsul Domitius ergreift das Wort. Alle verstummen ehrfürchtig. Er ist der anerkannte Führer.

»Schäm' dich, alter wackerer Marcus«, sagt er sanft und eindringlich vorwurfsvoll. »Denk' daran, wer du einmal in Rom warst! Was du warst! Der starke Mann von Rom bist du gewesen. Willst du jetzt ein Jammerkerl sein, der an den Schürzenbändern einer Ausländerin hängt!«

Alle summen Beifall. Antonius will etwas erwidern, will die Geliebte verteidigen, ihnen von ihrer Energie, ihrer Einsicht, ihrem politischen Genie künden. Doch die Worte versagen sich ihm. Er findet nicht den rechten überzeugenden Ausdruck. Auch spricht Domitius schon weiter.

»In Rom erzählt man sich die schimpflichsten Dinge über sie. Es mag dir weh tun, es zu hören. Aber es geht hier um Rom und seine Existenz. Von den Dingen, die man über ihr Privatleben munkelt, will ich schweigen. Doch sie soll öffentlich geäußert haben, sie – sie, diese Ägypterin! –« die ganze Verachtung des Römers gegen eine minderwertige Rasse häuft er auf dieses Wort – »werde bald auf dem Kapitol Recht sprechen!«

Heftig anschwellendes Murren der Entrüstung.

»Sie – auf dem Kapitol! Auch flüstert man in den Gassen der Stadt, du stündest völlig unter ihrem Einfluß und führtest diesen Krieg nur für sie, nur um sie zur Königin Roms zu erheben.«

Er macht eine Pause der Verachtung, ehe er fortfährt.

»Wir, die wir dich kennen, haben diese unsinnigen Gerüchte als das gebrandmarkt, was sie sind: Ausgeburten des Wahnsinns. Sosius ist am 1. Januar im Senat öffentlich mit seinem Ansehen als Konsul für dich und deine lautere Gesinnung eingetreten, hat diesen albernen Tratsch in das Reich böswilliger, von Octavian verbreiteter Fabeln verwiesen. Ich gebe dir mein Wort, Marcus, wir haben es nicht geglaubt, haben alles für elende Verleumdung gehalten. Wir bildeten uns ein, dich und dein Römertum besser zu kennen. In den wenigen Stunden, die wir hier in Ephesus sind, hat uns Zweifel ergriffen.«

Er hebt Stille gebietend die Hand. Die andern haben Zustimmung geäußert.

»Überzeuge uns, Marcus, daß wir recht hatten. Daß wir nicht für eine unlautere Sache eingetreten sind. Wir sind gekommen, mit dir gegen Octavian zu kämpfen. Er will sich zum Herrn von Rom aufschwingen. Wir kämpfen mit dir für die alte Republik. Man kämpft für die Republik Rom nicht unter der Führung einer orientalischen Monarchin. Sie kann Hilfsdienste leisten, wenn sie will. Als Bundesgenossin ist sie uns willkommen – wie die anderen. Die Führung aber haben wir Republikaner allein.«

Alle spenden Beifall. Antonius schweigt. Domitius schließt: »Wir brauchen in Rom eine gute Stimmung. Wenn man dort hört, diese Fremde sitzt in unserem Rate, führt darin den Vorsitz und das große Wort – dann wird das Gerücht zur Wahrheit, dann ist es eine verdammte Weibersache, die wir führen, eine schmutzige Bettangelegenheit, die uns alle entehrt.«

»Bravo!« braust es auf. Wieder will Antonius entgegnen, ihnen zuschreien, daß diese Frau keinen Mann, keine Sache entehren kann. Daß sie hoch über ihnen allen steht an Adel der Gesinnung, an Ehrenhaftigkeit, an geistiger und seelischer Größe. Doch wieder fehlen ihm die Worte, weil er, trotz aller Liebe, fühlt, daß er mit dieser Verteidigung den Kern der Sache nicht trifft. Ehe er sich zur Erwiderung aufgerafft hat, nimmt ihm Domitius die Möglichkeit. Schonungslos stellt er das Ultimatum.

»Wir sind herbeigeeilt, mit dir gegen Octavian zu kämpfen. Wir wollen es auch jetzt noch. Aber unter einer Bedingung: du schickst noch heute die Ägypterin in ihre Heimat zurück!«

Sosius nickt. »Gut!« erhärten die andern.

»Unmöglich«, stammelt Antonius mit Lippen, die weiß sind vor Entsetzen. Das hat er nicht erwartet. Das nicht! Er steht und glotzt auf die Freunde, auf die er sich mit der Zärtlichkeit eines Jünglings gefreut hat. Was muten sie ihm da zu? Kleopatra fortschicken! Seine kleine geliebte Königin fortjagen wie einen lästigen Dienstboten! Unmöglich. Wahnwitz. Kleopatra fortschicken! Kleopatra! Es ist doch ihr Krieg, die mit allen Sinnen ersehnte Erfüllung ihres heiligen, gewaltigen Lebensplanes!

Das darf er ihnen nicht sagen. Nein, nein. Darf ihnen nicht verraten, daß es der Krieg um die Königskrone Roms und des Westens der Erde ist. Er muß sie täuschen, muß sie verraten. Er muß! Muß sie im Irrtum halten über die letzten Ziele dieses Kampfes.

Er hat geglaubt, sie wüßten, ahnten wenigstens nach allem, was im Osten geschehen ist, worum dieser Krieg gegen Octavian geht. Meinte, der Triumph von Alexandrien habe laut und deutlich genug gesprochen. Und sie kämen dennoch, ihm zu helfen, Cäsars Königstraum zu erfüllen.

Aber nein, sie sind sture, starre Republikaner. Sie hoffen auf ihn als Republikaner gegen die Herrschergelüste Octavians! Ein wirres Netz von Verkennung, Täuschung, Irrtümern! Doch er darf nicht die Schleier lüften, darf sich nicht die Wahrheit entschlüpfen lassen. Darf mit keinem Worte andeuten, daß dieser Krieg nur für Kleopatra geführt wird, daß er für sie Krönung ihres Lebens ist.

Und er soll sie fortschicken in dieser Entscheidungsstunde ihres Daseins? Nein, nein. Es saust in seinem Hirn. Er muß die Freunde hinhalten. Sie weiter täuschen. Später wird sich alles einrenken. Wenn er König von Rom ist, wird er sie mit Dank und Gunstbezeugungen überschütten, ihnen ihre glaubensstarke Treue vergelten. Gewiß. Sicher. Aber Kleopatra fortschicken!

Unmöglich. Auch seinetwegen unmöglich. Er kann ohne sie nicht atmen, nicht leben. Er windet sich in Unrast und Verzweiflung. Er stottert ausweichend: »Freunde, wir brauchen ihre Flotte. Wir können Kleopatra nicht vor den Kopf stoßen. Wir brauchen ihre Millionen –«

Die Römer lachen großartig. »Soll sie ihre Flotte ruhig mitnehmen! Auch mit sechshundert Schiffen sind wir Octavian überlegen. Ihr Geld? Sie hat sich doch zum Bündnis mit dir verpflichtet. Sie kann den Vertrag nicht nach Belieben brechen. Gib den Legionen Befehl, sich der Kriegskasse zu bemächtigen.«

»Nein, nein«, wehrt Antonius außer sich. »Ihr wißt nicht, wie ich zu ihr stehe – seit Jahren –, ich kann gegen sie nicht Gewalt anwenden!«

»Deine intimen Verhältnisse scheren uns nichts!« fegt Domitius den Einwand barsch und grimmig beiseite. »Wir sind gekommen, für die Republik zu kämpfen. Weiter interessiert uns nichts. Nichts!« wiederholt er.

Jedes Wort ist ein Stich in Marc Antons Brust. Er fühlt sich als elender Verräter an den treuen Freunden seiner Jugend, an seiner Jugend selbst.

»Du hast zu wählen zwischen ihr und uns.« Das sagt der sanftmütige Gajus Sosius.

Antonius faßt sich an den Kopf, wühlt in den noch immer üppigen Locken. Sie sind weiß geworden auf dem Rückzuge aus dem Partherlande. Die Freunde sollen nicht gehen! Sie dürfen nicht von ihm gehen. Es ist ihm, als weiche mit ihnen die letzte Kraft aus seinem Marke. Es ist, trotz allem, brüderlich traut und heimatlich in ihrer Mitte. Es tut so wohl, das alte, ehrliche, harte Rom um sich zu fühlen, hier in der fernen Fremde.

Da vermittelt Sosius wieder. »Ich begreife«, beginnt er milde, »daß es dir – undenkbar erscheint, die Frau zu verjagen. Wir müssen mit den Verhältnissen rechnen, die wir nun einmal vorfinden, Freunde.«

»Unsinn«, lehnt Domitius ab.

Doch unbeirrt spricht Sosius fort: » Ich verstehe das Empfinden unseres Marcus. Aber eine Frau – mag sie sein, wer immer – gehört nicht in ein Feldlager. Das mag bei Barbaren Brauch sein. In Rom ist es mit Fug und Recht niemals Sitte gewesen.«

»Allerdings nicht!« wird sekundiert.

»Nach dem Kampf mag sie wieder zu dir kommen. Das ist deine Privatangelegenheit.«

»Wohl doch nicht ganz!« wehrt Domitius.

»Laß ihn doch. Wozu Unnötiges fordern! Aber bis Octavian niedergezwungen ist, muß sie vom Heere fort.«

Antonius hat sich in einen Sessel geworfen. Die Ellbogen auf die Tischplatte gepflanzt, den Kopf in den Handflächen, sucht er des Chaos in seinen Gedanken Herr zu werden. Er ist nicht mehr gewohnt, selbständig zu denken und zu entscheiden. Kleopatra hat seit langem für ihn gedacht und entschieden. Er kann das Wogen der Unentschlossenheit in seinem Hirn nicht meistern. Er fühlt nur, er kann die Freunde nicht von sich lassen und nicht die Frau.

Hinter ihm tuscheln und flüstern sie. Der Vermittlungsvorschlag des Konsuls Sosius findet nach und nach Anklang. Mag er später tun, was er will, der verliebte Tor! Sie hoffen, er wird dann die Kraft haben, sich aus dieser verderblichen Affäre zu lösen. Er wird die Ägypterin vergessen, wenn er erst von ihr fern, ihrem Einfluß entzogen ist. Er ist ja nicht grade die Treue selbst, der gute Marcus. Hat Kleopatra schon einmal in Rom verraten und die Octavia geheiratet. Nur ihn erst einmal von diesem gefährlichen Weibe loseisen.

Sosius tritt zu dem gebeugten, ringenden Mann am Tische.

»Es ist doch nur eine Trennung auf kurze Zeit«, tröstet er. »Eine Notwendigkeit des Krieges. Die Stimmung in Rom ist für uns ebenso wichtig wie die Armee hier. Auch sie kämpft für oder gegen uns. Du schadest dir und uns unermeßlich mit dieser Frau im Lager. Wirklich. Laß sie auf einige Zeit verschwinden.«

Alle umringen ihn, reden mahnend, anspornend auf ihn ein. Er weiß im Grunde seines Gemütes, sie haben recht. Er klammert sich in der Not seiner Liebe und seines Gewissens an den Vorwand, daß ihre Gegenwart der gemeinsamen Sache, ihrer und seiner, schade. Es ist ja nur zu ihrem eigenen Besten, zum Besten ihres, mit ihrem Blute getränkten Lebensplanes, wenn sie geht – auf ganz kurze Zeit natürlich nur. Vor dem Triumphe wird er sie holen. Mit ihr in Rom einziehen. Er verrät sie doch nicht. Kein Gedanke! Es ist nur für die gemeinsame große Sache.

Er sieht mit einem Male eine Möglichkeit. Weh wird es ihr tun. Furchtbar weh! Aber für die große gemeinsame Sache muß es geschehen. Er will – ihretwegen – für ihren Königstraum des Westens – die Trennung, die unerträgliche, – tragen. Er wird ihr alles vorstellen. Ihre Klugheit wird sofort die unentrinnbare Notwendigkeit erfassen.

Langsam steht er auf. Stützt sich schwer auf den Tisch. »Ihr habt recht, Freunde«, nickt er matt. »Ich werde es ihr sagen. Sie muß bis zum Siege nach Ägypten gehen.«

»Bravo«, dankt ihm Sosius. »Wir wußten, wir kennen unseren alten, ehrlichen Marcus!«

Die anderen fallen ein, schütteln ihm frohlockend und anerkennend die Hand.

Da tritt Canidius Crassus in den Beratungssaal.


 << zurück weiter >>