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XII.

So vergehen die Nächte und die Tage. Sie fahren den Nil hinauf, hinein in das wahre Ägypten, das nicht Alexandrien ist. Die Größe der Vergangenheit des Niltals ist ihm gleichgültig. Das Land ist seinem Römerhochmut, trotz allem, nichtige Fremde. Doch er liebt den Wassersport.

So führt sie ihn unmerklich ein in ihr Land, flößt ihm heimlich Verstehen und Liebe ein zu ihrem Königstume, das Mittelpunkt und tragende Säule des Weltreichs werden soll.

Bald segeln sie im kleinen Boote allein, bald rauschen sie fürstlich dahin auf der königlichen Dahabijeh. Doch allein ist es am schönsten. Da liegen sie hingestreckt im Kahne und lassen sich von den sanften Wellen tragen, dringen ein in das dichte Dickicht der Bohnengebüsche, geborgen, verborgen in der grünen, raunenden, atmenden Kammer ihrer Liebe.

Oder sie gleiten weiter stromauf, fort von der mondänen Weltstadt, in das Tal des Nils und die Zeiten der Pharaonen. Alles ist hier unverändert, wie es vor Tausenden von Jahren war. Der monotone Gesang der Schiffer dringt zu dem blumenüberdachten Hausboot herüber. Ja, Amuni – ja, Amuni – o Amon – o Amon – betet der Fischer. Zeitlos ewig.

Sie sehen das Leben in den Dörfern des Nils wie die Vorfahren der Königin es sahen von ihren flinken Yachten. Die braunen Lehmhütten unter den Dattelpalmen – Frauen, die das Korn auf der Handmühle mahlen – im Schatten schabt der Dorfbarbier Männern und Kindern die Köpfe kahl –, alles wie auf den bunten Bildern der Denkmäler, Tempel, Totenkammern aus grauer Vorzeit.

Dort sitzen Frauen und weben – da zieht unter frohen Klängen ein Hochzeitszug – alle Bilder auf den Wänden der Tempel, Totenhäuser werden zu warmbesonntem, fröhlich heiterem Leben der Gegenwart. Und auf dem Strome gleiten still die Schiffe mit dem gebogenen Maste und den dreieckigen Segeln der Ahnen.

Auf den Feldern zu beiden Seiten des Flusses ruht die Zeit. Von Ewigkeit zu Ewigkeit schreitet dort der Landmann in dem bewässerten Acker hinter dem primitiven Urväterpfluge. Die Sakije, das Schöpfrad, die Schraubenpumpe arbeitet, ächzt und klappert wie vor sechstausend Jahren. Gegen den blauen Himmel zeichnen sich die Menschen ab, die Esel, die Kamele, die den Pfad am Ufer dahintrotten. Gelber Staub wirbelt auf unter ihren Füßen und Hufen. Dort dreschen Ochsen das Korn. Ein Mann steht dabei, riesenhaft gegen den Horizont, und singt in unzeitlicher Melodie die Worte, die nie altern:

»Drescht, ihr Ochsen, für euch, drescht aus für euch.
Drescht das Stroh zu eurem Futter und das Korn für euern Herrn.
Seid nicht faul, denn heute ist es kühl.«

Generationen haben durch diesen Singsang die Ochsen ermuntert.

Ein schlankes Mädchen schlendert am Ufer hin. Wie ein Vogel steigt ihre helle Stimme in die dünne klare Luft des ägyptischen Winters. Sie blickt auf die Dahabijeh hinaus, doch sie stört nicht ihr Lied. Dicht beieinander stehen Kleopatra und Antonius und lauschen der holden, ewigen Stimme dieses Landes.

»Für mich bist du wie ein Garten,
In den ich Blumen gepflanzt habe und süß duftende Kräuter.
Und ich habe einen Kanal hineingegraben,
Daß du deine Hand hineintauchen kannst,
Wenn der Nordwind kühl weht.
Der Ort, an dem wir wandeln, ist voller Wunder,
Weil wir zusammen wandeln,
Deine Hand in meiner Hand,
Der Sinn gedankenvoll,
Das Herz voll Freude.
Deine Stimme ist mir ein betörender Rausch,
Und dennoch hängt mein Leben daran,
Daß ich sie höre.
Dein Anblick ist mir köstlicher
Als Speise und Trank.«

Jahrtausende junger Liebe finden in diesen uralten ewigen Mädchenlauten unvergängliche schlichte Worte. Die Liebenden drüben auf dem stolzen Königsschiff verranken ergriffen, getroffen, mitfühlend die Finger ihrer Hände ineinander.

Dieses Einfache, Urmenschliche, von Kampf und Leid und Ehrgeiz Unberührte begreift Antonius. Ihm unbewußt strömt der Odem dieses Landes in sein Empfinden ein. Kleopatra belebt die Landschaft mit den alten Göttern, deren Tempel am Ufer prangen.

»Unsere Göttin ist Hathor, die Herrin des Frohsinns, der Lebensfreude, Schutzherrin des Vergnügens ist sie, des Tanzes, der Schönheit und Liebe.«

»Wie Venus?«

»Ja, Hathor fährt mit uns!«

Sie kommen nach Memphis, der alten Königsstadt. Sie will ihm die Seele des Landes einhauchen. Er muß es ganz kennen und lieben und in seinem Blute rauschen fühlen. Er soll es achten und schützen wie seine eigene Heimat. Ferienarbeit zwischen den großen Aufgaben.

Dort steht der alte Tempel des Apis, des heiligen Stieres, das Gleichnis des Osiris. Weiß ist der Bulle an der Stirn, weiße Flecken zieren das glänzende Schwarz des Körpers. Das Tier bedeutet dem Römer nichts. Aber auf dem Vorplatz des Tempels feiert man Stierkämpfe. Aufgestachelt werden die Bestien gegeneinander gehetzt. Das ist Erregung! Das ist fast wie in der Arena zu Rom.

Und hier ragen die Pyramiden empor. Und tief im Wüstensande begraben ruht die Sphinx. Vier Jahrtausende starrt sie schon aus ihren unerforschlichen Augen die Menschheit an. Wieviele Jahrtausende werden noch zu ihrem Geheimnis pilgern?

Es ist Abend. Blau umglommen liegt das Ungeheuer in der sinkenden Nacht der Wüste. Lange betrachtet Antonius den Steinkoloß. Dann sagt er in einer dieser ungewollten Erleuchtungen, die ihn weihen und aus der Masse herausheben und so vieles Banale an ihm vergessen und übersehen lassen:

»Sie hat etwas von dir, kleine Königin.«

Sie schweigt lange, ehe sie erwidert: »Vielleicht.« Und plötzlich, unzusammenhängend, nach einer Pause, in die der Sand im Abendwinde rieselt:

»Meine Ahnen von meiner Mutter her, die Pharaonen, haben bis nach Asien hinein geherrscht. Tutankhamon führte seine Heere bis nach Indien.«

Er versteht. An dieser heiligen Stätte altägyptischer Macht und Herrlichkeit, in dieser Majestät der ägyptischen Nacht mahnt sie, trotz aller Ferien, erinnert sie an das Große, das der Frühling bringen soll.

Sie hebt den Arm in dem losen dünnen Mantel und zeigt hinüber zu der dritten, kleineren, schönsten Pyramide. Ihr Arm ist weiß umflossen vom Mondlicht. Ihre Stimme klingt in dieser Urweltstille rätselvoller und reiner als je. Ist Musik des Weltraumes, der sie umhüllt unabsehbar hinaus in die Lybische Wüste.

»Dort – ist das Grabmal der schönen Rhodopis. Als sie einst badete und ihre Kleider am Ufer lagen, raubte ein Adler einen ihrer Schuhe, trug ihn hierher nach Memphis und ließ ihn gerade über dem Pharao fallen, der im Freien saß und Recht sprach. Der Schuh fiel ihm in den Schoß. Von der Kleinheit und dem Ebenmaß des Schuhs berührt und erregt von dem sonderbaren Zufall, ließ er im ganzen Lande die Trägerin des Schuhes suchen. In der Stadt Naukrates fand man die einzige, der er paßte. Es war Rhodopis. Sie wurde nach Memphis gebracht und heiratete den Pharao. Nach ihrem Tode erbaute er ihr dort das Grabmal seiner Liebe.«

Ihre Stimme singt ihm die Ursage des Märchens vom Aschenbrödel. Er lauscht gespannt. Er liebt Anekdoten.

Und dann trägt der rasche Wagen sie durch die lange Akazienallee zum Nil zurück – zur Dahabijeh – zu der Kabine ihrer Liebe und Leidenschaft.

Gegen die Bordwand der Kajüte rauscht der ewige Strom.


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