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XI.

So kommt dieser Mann, der vor Lebenssaft berstet, in die lebensblühendste Stadt seiner Welt. Er ist schon vor zwölf Jahren in militärischer Mission in Alexandrien gewesen. Doch jetzt grüßt ihn das marmorne Weltwunder des Leuchtturms Pharus als öffentlichen Geliebten der Fürstin dieser Residenz und dieses Landes.

Die Alexandriner gönnen ihrer kleinen Königin ihr Glück und ihre intimen Freuden. Das Konglomerat der Völker, das diese Stadt beherbergt, dieses Gebräu aus Rassen des Orients und Okzidents ist nicht heikel noch prüde. Diese Pariser des Altertums werfen sich nicht zu Tugendrichtern ihrer schönen Regentin auf. Leben und leben lassen ist die Devise dieser üppigen, freudigen Stadt unter einem ewig strahlenden, freudevollen Himmel.

Hier lähmt den Daseinstaumel nicht die trockene, drückende Hitze des Niltales. Das Land der Pharaonen liegt ganz nah, doch klimatisch und seelisch meilenfern dieser internationalen Alexandersiedlung am kühlenden Meere. Diese Millionenstadt jubiliert in das Leben hinein mit ihren bunten Palästen, Tempeln, Staatsgebäuden, Kolonnaden, breiten Plätzen, zauberhaften Gärten, farbenfrohen Anlagen, breiten Straßen voller eleganter Läden. Die Lust am Dasein Altägyptens hat sich hier mit lebensbejahendem Griechentume verschwistert, ist weihrauchdurchduftet von den Geheimnissen und Kulten, durchschwelt von den Lastern des nahen Orients, zu dem Alexandrien die Pforte öffnet.

Ein Gemisch aller Nationen, das Getümmel einer Welthafenstadt wogt durch die Gassen. Matrosen aller seefahrenden Küstenvölker des Mittelmeeres torkeln betrunken durch die düstern Hafenviertel, Araber schreiten majestätisch im weißen Burnus durch die Parkanlagen. Frauen aus Ost und West, Griechinnen, Ägypterinnen, Phönizierinnen, Jüdinnen, Levantinerinnen, Römerinnen, Syrierinnen gehen und fahren durch die Straßen, stauen sich vor den Auslagen der großen Kaufhäuser zu bunten, staunenden Inseln im regen Verkehre. Ein behagliches, behäbiges, dabei geschäftiges Gewimmel ist überall. Das Leben spielt sich unter dem lindwarmen Sonnenhimmel ab. Handel und Wandel, Geldwechsler, Barbiere, Schreiber. Geschrei balgender Knaben und der klagende Sang der Kameltreiber reichbeladener Karawanen steigt in die reine, dünne Luft. Garküchen entsenden ihre zweifelhaften Dünste siedenden, pruzelnden Öls, der Geruch scharf gewürzter Speisen qualmt über den eng bevölkerten Vierteln. Auf Holzkohlenfeuer schmort, brät, brodelt es. Hammelfleisch, Fische jeder Art, die rote ägyptische Schote, Reis, Gemüse, Früchte jeder Farbe und jedes Duftes locken. Alle Sprachen des Mittelmeeres klingen auf. Der breite mazedonische Akzent, das flüssige Jonisch, Ägyptisch, Lateinisch und die gutturalen Laute des Orients.

Leben ist hier, heißes, intensivstes, daseinschlürfendes Leben der Weltstadt des Altertums. Was ist dagegen Rom! Alexandrien ist die Metropole des Handels, der Wissenschaft, des Luxus, der Sinnenfreude, Durchgang vom Westen zum Osten, Knotenpunkt der Erde.

Die lebenssprühendste Stadt empfängt mit liebenswürdigem Gewähren den robustesten Lebensgenießer seiner Zeit. Die Königsstadt mit ihren Palästen am Meer ist zum Liebesnest geworden. Schon ist Antonius Sklave Kleopatras und seiner Sinne. Sie heuchelt sich selbst vor, sie handele aus Politik, um ihres gewaltigen Planes willen. Sie verachtet im Letzten diesen materiellen, ungeistigen Mann. Doch sie spielt sich selbst eine Komödie vor. Sie ist nur die geistig Überlegene in diesem Bunde. Körperlich ist sie ihm erlegen wie er ihr.

Es ist eine rasende, unersättliche Gier auf beiden Seiten. Jahrelang hat sie gehungert, das Weib in sich abgetötet, ist nur Königin, Sorgerin, Planerin, Wächterin auf hoher Warte gewesen. Jetzt hat sie ihr Ziel erreicht. Mehr kann sie im Augenblick nicht gewinnen. Der Mann, mit dem vereint sie das Schicksal Roms und der Erde ist, atmet ihren Atem, lebt von ihrem Willen, sehnt sich nach Macht mit ihrer Sehnsucht. Es ist Winter, milder afrikanischer Winter, schönste Jahreszeit in Alexandrien. Doch der Winter wehrt einem Kriege im rauhen Partherlande. Bis zum Frühling schweigt jeder Vorwärtsdrang. In Griechenland stellen Marc Antons Legaten die neue Armee auf. Mehr kann im Augenblick nicht geschehen.

Sie feiert Ferien vom Ich, von ihrer Herrschsucht, ihrem stürmenden Ehrgeiz. Die Spannung in ihrem Geiste läßt endlich einmal nach. Endlich kann sie einmal Weib sein, nichts als verliebtes, entkettetes Weib. Sie ist nichts als das Weib des Antonius. Sie stürzt sich mit allen Sinnen in ihre Feiertage. Ein Orkan ist über sie hingewütet. Ihre schlafende Sinnlichkeit ist verlangend erwacht. Sie glaubt, jetzt erst sei ihr Körper erweckt worden. Die vergeistigte Leidenschaft Cäsars ist vergessen und versunken. Dieser liebestolle Hüne hat sie in seinen Boxerarmen fast zerbrochen. Ah, es tut gut, endlich einmal zermalmende Kraft über sich zu fühlen. Weib, vergehendes Weib zu sein, weiter nichts. Alles weltumspannende Planen ruht. Es lebt nur die Liebe.

Sie fühlt Erniedrigung. Und lügt ihrem Stolze vor, sie treibe mit ihrem Körper hohe Politik. In Wahrheit lechzt sie nach der Erschöpfung, der wollüstigen Erschlaffung der Glieder und Nerven, nach diesem Rausche des Blutes, der Geist und Hirn wohlig umdämmert und umnachtet. So ungleich ihre Körper sind, sie ziehen sich an mit einer unerklärlichen geheimen magnetischen Gewalt. Nie hat seine Berserkerlust geschwelgt wie bei dieser kleinen, raffinierten, an Künsten, Überraschungen, aufpeitschenden Listen unerschöpflichen Frau, die alle ihre Klugheit und Verschlagenheit hineingießt in ihren Taumel. In aller Sättigung hungert er nach ihr. Schon im verröchelnden Genusse fiebert er in neuer Begierde. Sie ist nicht Opfer, nicht Seele, nur Weib, nur Geschlecht, nur Verlangen und Erfüllen.

Und doch verzaubert sie ihn ohne Wollen und Absicht. Er wird kein Cäsar in ihren Armen. Nein. Das nicht. Aber seine grobe Hemmungslosigkeit wird veredelt. Seine Raffgier schweigt. Das wild um sich zischende Lebensfeuer dieses überheizten Mannes wird zur hochaufsprühenden Liebesflamme, die nur für diese eine vergötterte Frau loht und leuchtet.

Sie wachsen immer enger zusammen. Es ist ein ewiges Locken und Gewähren. Sein kindlicher Lebensübermut, seine kecke Abenteuerlust strömt auf sie über. Sie wird kindlich, fröhlich, übermütig, keck wie sie nie gewesen ist. Oder wie sie im Grunde immer gewesen ist. Doch Sorgen ihres Amtes, der Sporn ihres Ehrgeizes haben sie aus Jugend und harmloser Heiterkeit herausgehetzt. Jetzt sind Ferien vom Königtume, vom Weltkaiserreiche. Sie blüht an der urwüchsigen Lebensforsche des Geliebten empor. Rasende Liebesleute sind sie in trunkenen Flitterwochen und tolle, ausgelassene Kinder.

Der Tag gehört der Jagd, dem Fischfang, Segelpartien, Lustfahrten nach Kanobus. Dieser Vorort, zweiundzwanzig Kilometer von Alexandrien, ist ein beliebter Ausflugsort der Jeunesse dorée. Lauschige Luxushotels steigen aus dem Wasser. Bis in die tiefe Nacht ertönt Lachen und Flötenspiel; beleuchtete, umkränzte Nachen gleiten über flüsternde Kanäle. Es ist eine Stätte der Liebe, der Tänze, des Flirts, der Zügellosigkeit.

Oder sie treiben jungenhaften Schabernack. Zur Nacht schleichen sie aus dem Palaste. Kleopatra als Bäuerin, Antonius als Matrose verkleidet. Durch die Prachtstraßen mit ihrem nie verebbenden Nachtverkehre huschen sie hurtig dahin. Von vielen erkannt. Der Riese mit der kleinen zarten Frau am Arme fällt auf. Man dreht sich nach ihnen um, mokiert sich gutmütig, begreift in eigener Ungebundenheit fremde Laune.

Sie verlieren sich in den engen Gassen des Hafenviertels. Harun al Raschid-Neugier treibt sie dahin. Sie wollen dem heißesten, ungekünsteltsten Volksleben ans Herz. Sie vollführen groben Unfug und ruhestörenden Lärm. Klopfen an verschlafene Häuser wie Gassenjungen auf dem Schulwege. Oben öffnet sich ein Fenster. Eine aufgescheuchte alte Frau steckt den Kopf mit schlafwirren Haarsträhnen heraus.

»Nachricht von deinem Enkel«, ruft die lachenerstickte silberne Stimme hinauf.

»Von meinem Enkel in Trapezunt?!« Ein staunender Jubelschrei von oben. Die selig Überraschte verschwindet aus dem Fensterkreuz, humpelt polternd die schmale Holzstiege herab. Zwei Rangen jagen, Hand in Hand, davon um die Ecke. Als sich die Tür öffnet, ist die Gasse leer. Die Alte starrt benommen, staunt. Geht langsam sinnend ins Haus zurück. Und glaubt an Vorzeichen und mystische Erscheinung.

Die Missetäter sind längst in einem Bierhause verschwunden. Hier kennt man sie nicht mehr. Tanz ist im Gange. Rhythmische Reigen. Sie mischen sich unter die Tanzenden, sind fröhlich mit den harmlos Fröhlichen. Sie sieht, wie die Mädchen sehnsüchtig nach ihrem Schatze blicken. Er ist schön und so stark! In schwarzen Augen stehen Visionen seiner Kraft. Der Matrosenanzug zeigt die breite, haarige Brust, verrät die Muskeln seiner Arme und Schenkel. Sie drängt sich an ihn, stolz im Alleinbesitz. Keine andere Frau hat Raum in seiner Hörigkeit.

Männer schauen nach ihrer bizarren atemberaubenden Schönheit. Er sieht es und preßt sie an sich. Stolz und beseligt im Gefühle seiner Alleinherrschaft über diese zierlichen Glieder und den schwelgerischen Leib.

Sie toben weiter. Eine wüste Matrosenkneipe. Seefahrer aus aller Welt des Mittelmeeres, des Pontus, Dirnen aller Rassen und Farben des Ostens und Westens.

Sie sitzen und lauschen und fühlen sich eins mit diesem naiven Mannesbegehren und Frauengewähren.

»Liebes«, sagt er plötzlich, »du hast etwas von den Weibern dort.«

»Ehrt mich«, lacht sie.

»Nein, so mein' ich es nicht. Ich meine der Rasse nach. Bist du reinblütige Mazedonierin?«

Sie schüttelt den Kopf. Es ist der Kopf eines glücklichen unbeschwerten Weibkindes. »Vom Vater her stamme ich in gerader Linie von dem Unterfeldherrn Alexanders, Ptolemäus, ab. Aber meine Mutter war eine Ägypterin. Eine Nachkommin der Pharaonen. Durch sie hänge ich eng zusammen mit dem Lande des Nils.«

Sie sagt es voll Stolz. Er nickt. »Du hast etwas Glühendes in deiner Liebe, das nur Orientalinnen haben.« Ein Strom von Sehnsucht rauscht ihm ins Herz. Er reißt sie in die Arme, versengt ihre Lippen mit seiner aufflackernden Glut. In dieser Spelunke braucht er sich keinen Zwang anzutun. Die Hände der Matrosen sind kühner.

Ein Trupp hochgewachsener Kreter setzt sich lärmend an ihren Tisch. Weiber schwirren heran, bevölkern ihre Knie.

»Wo kommt dein Schiff her?« wendet sich einer plauderlustig an den Kollegen Marcus.

Da ist Antonius in seinem Elemente. Das Volk lockt ihn an. Ist Saft von seinem Safte. Er ist nicht durch Zufall der Abgott seiner Soldaten. Nie fühlt er sich wohler als an ihren Lagerfeuern. Einer von ihnen ist er dann, Gemeiner unter den Gemeinen. Er ist der geborene Schnurrenerzähler. Oft hat er seinen Legionären eine lange Nachtwache verkürzt.

»Ich komme von Thasus. Mein Schiff liegt unten im Hafen.«

»Aha! Und wo hast du die feurige Kleine da aufgefischt?«

»Die?« Er sieht Kleopatra schalkhaft an. »Dja, das ist eine seltsame Geschichte.« In den Winkeln seiner schönen Augen lacht der Kobold. Sie kennt längst seine frechen Jahrmarktsgeschichten. Verliebt blickt sie auf ihn. Er ist schöner, sauberer geworden, dünkt sie, äußerlich und innerlich. Er ist schon ein Teil von ihr, wie er in Rom ein Stück von Fulvias Raffgier war. Seltsam, wie wachsgleich beeinflußbar dieser Mannskoloß ist!

Antonius ist unterdessen schon weit auf das Lügenmeer seiner Phantasie hinausgesegelt. Er spricht bombastisch nach alter Weise.

»Die da – ja, siehst du, Freundchen, das war die Frau von meinem Kapitän.«

»Die ist doch keine Frau.«

»Doch. Hat mit elf geheiratet.«

»Mit elf! Hat's aber nötig gehabt!«

»Ja, die is so.«

Kleopatra sitzt unschuldsvoll lächelnd dabei.

»Ein Teufel sag' ich dir.«

»Wer – die?« Der Kreter blickt sie neugierig forschend an.

»Nein, der Alte. Ein Hundsfott. Geprügelt hat er sie, daß die Fetzen nur so flogen.«

Kleopatra nickt schmerzlich. Macht stumme begleitende Pantomime zu dem lustigen Spiel.

»Arme Kleine.« Dem Matrosen wird das Herz weich. Ein vielversprechender Betthase, die!

»Gegen uns Mannschaft war er ebenso. Na – was soll ich dir sagen? – auf der Höhe von Dingsda – Anaphe wurd's uns zu bunt. Da ging's los. Er hatte einen von uns niedergeschlagen. Meuterei, kann ich dir sagen, wie sie nicht alle Tage vorkommt. Der Maat hielt zu ihm, Hackefleisch haben wir aus ihnen gemacht. Die Fische haben vor Vergnügen getanzt, wie die Fetzen über Bord kamen, getanzt, deutlich haben wir's oben gesehen.«

Der Kreter sieht den Erzähler töricht stutzend an. »Mach keinen Quatsch«, lacht er dann los und haut Antonius den Ellbogen in die Seite.

»Weiter!« fordert einer der andern Matrosen am Tische. Alle, auch die Mädchen, hören gespannt zu. Er spricht griechisch. Das verstehen zur Not alle.

»Jetzt war die Kleine da allein an Bord. Erst schlugen wir ihr vor, einen von uns zu wählen. Aber –«

»Wie habt ihr denn nu das Schiff navigiert?« fragt ein Gründlicher vom Tischende her.

»Stille doch.« »Laß doch das dämliche Schiff!« »Von der da wollen wir hören.« Es sind fast nur Frauenstimmen, die den pedantischen Forscher zur Ruhe weisen.

»Aber sie wollte nicht. Die Wahl fiel ihr wohl auch schwer. Lauter Kerle wie ich waren wir an Bord.« Er hebt den Arm, beugt den Biceps, reckt den herkulischen Brustkasten heraus.

Die Mädchen nicken, begreifen. Kleopatra schaut züchtig in den Schoß, gespannt, neugierig, wie er sich diesmal herauswinden wird.

»Nu, denn haben wir eben um sie gewürfelt.«

Bewegung unter den Lauschern.

»Und da hast – du –?« Der Kreter zeigt auf Antonius.

»Ich? Mit nichten. Ein anderer hat sie gewonnen.«

»Und?!!« Jetzt hat er alle eingefangen.

»Den wollte sie nicht. Er machte Federlesens, behauptete, gewonnen ist gewonnen –«

»Hatte recht!«

»Wir haben ihn über Bord geschmissen.«

Die Mädel kreischen auf. Die Männer murren. Spiel ist Spiel. Man muß fair sein.

»Und da hast du sie genommen?«

»Ausgeschlossen. Wie könnt' ich! Wir knobelten noch mal.«

»Aha. Und da hast du –?«

»Keine Spur. Aber auch den zweiten wollte sie nicht.«

Die Frauen blicken entrüstet auf diese wählerische Person. Sie sitzt lammfromm mit keusch gesenkten Augen. Sieht gar nicht so heikel aus.

»Und?«

»Auch er behauptete, Gewinn ist Gewinn. Wurde grob –«

»Mit Recht.«

»Da haben wir ihn über die Planke marschieren lassen.«

»Ins Wasser?«

»Dja. Da war nur Wasser rundum.«

»Ihr seid mir eine feine Aasbande«, knurrt ein schwarzer Kerl vom Nebentisch. Antonius spricht nicht leise. Seine Fanfarenstimme erfüllt den kleinen, niedrigen, knoblauchduftenden Raum.

»Erzähl' weiter!« drängt ein Mädchen aus Smyrna.

»Na, dann wollten sie nicht mehr würfeln. Schien ihnen zu unsicher. Einer schlug vor, sie sollte uns allen gehören. Der Reihe nach. Aber erstens war über die Reihenfolge keine Einigkeit zu erzielen und sie wollte auch nicht. Sie ist sehr einseitig in der Liebe.«

Alle horchen sensationsbefangen. Kleopatra schaut auf die Tischplatte nieder. Ein Phantast dieser unrömische Mann! Ein verunglückter Dichter der Gasse.

»Mensch, nu sag' endlich, wie du sie bekommen hast!« fordert ärgerlich über das Hinhalten der Kreter.

Wenn er das nur wüßte, denkt Kleopatra belustigt und bemüht sich, ihre lebhaften, zuckenden Mundwinkel zu beherrschen.

»Ganz einfach«, brüllt Antonius los, »sie hat auf mich gezeigt und gesagt: »Den will ich haben!«

Eine Enttäuschung. Die Pointe ist flau. »Och«, trauern die Mädchen. Der Kreter sagt laut: »Ach so!« Doch der Schwarze am Nebentisch gibt der Fabel neuen Auftrieb mit der skeptischen Frage: »Das haben die andern so mir nichts, dir nichts hingenommen?«

»Mit nichten.« Antonius fängt den Köder auf.

Das Schiff ist wieder von der Sandbank abgetrieben und flott.

»Mensch, laß dir die Würmer doch nicht einzeln aus der Nase ziehen!« brummt der Kreter.

»Wenn ihr's denn wissen wollt, sie machten alle gemeinsame Sache gegen mich.«

»Und?!« Südliche Lebhaftigkeit spornt den unsicheren Erzähler vorwärts.

»Ich habe sie erledigt«, sagt Antonius großartig.

»Alle?!« »Wieviele?« Die Mädchen wollen es genau wissen.

»Vierzehn Stück!« überspielt der Erzähler seine Fabel.

»Du lügst!« schnaubt der Schwarze, ein riesenhafter Nubier. Und andere fallen ein: »Laßt euch von dem Prahlhans doch keinen Bären aufbinden!« Unwillen purrt auf. Da springt Antonius empor. Er ist in seinem Erzählerstolz beleidigt. In diesem Augenblick glaubt er felsenfest an sein Märchen.

»Wer wagt es, mich einen Lügner zu heißen?!« wettert er in den stickigen Raum.

Sekundenlang ist Stille. Der Athletenkörper des Fragers flößt Respekt ein. Dann grunzt der Nubier: »Ich!« und erhebt sich schwer und nachdrücklich.

Freude filtert durch die Kneipe. Ein Wettkampf. Die Kämpen treten an. Kleopatra sieht mit leidenschaftlichen Augen zu. Jede Kraftentfaltung reizt sie. Sie fürchtet nicht für den Geliebten. Sie, oh, sie kennt seine unwiderstehliche Kraft.

Dem Nubier ergeht es übel, obwohl er ein geübter Faustkämpfer ist. Doch Antonius hat mehr Training. Oft hat er mit seinen Soldaten gerungen und geboxt. Uh! schreien die Mädchen und wenden sich ab. Der Hieb saß. Blut bricht dem Neger aus Mund und Nase.

Da bemerkt Kleopatra, wie der Kreter an ihrem Tische am Gürtel nestelt, sein Messer zieht. Er will der glückliche Dritte sein in diesem Kampfe der Zwei. Das Weib erbeuten. Sein Messer dem Besitzer dieser aufreizenden Kleinen ins Genick schleudern, ihn beerben. Er hebt heimlich den Arm – alle blicken auf die Kämpfenden – er wähnt sich unbeobachtet – im Gewirr wird er sie greifen – mit ihr fliehen – dieses Häufchen Glück kann man leicht entführen – da brüllt er auf –, Kleopatras Dolch hat ihm die Armsehne durchfetzt. Wie ein Blitz ist sie über den Tisch vorgezuckt.

Weibergekreisch – Tumult. Der Kreter starrt entsetzt, ungläubig auf den schwerverletzten Arm – blutet wie ein abgestochenes Schwein – die Frauen deuten auf sie –, plötzlich bersten sie vor neidischer Eifersucht, daß die da Mittelpunkt des Abends war. »Sie hat gestochen – hab's deutlich gesehen.« Wut gegen die beiden, ihn und sie, brüllt auf. In Sekunden ist eine wüste Matrosenkeilerei im Gange. Alle gegen die beiden. Der Wirt verkriecht sich hinter der Theke. Er kennt das! Jeden Abend geht's los unter diesem Auswurf aus allen Hafenspelunken der Erde.

Antonius haut kampfbesessen dazwischen. Entreißt Kleopatra den Megärenhänden der Weiber. Hat sie unter dem Arm, wie einst Apollodorus in dem Teppich. Er bricht sich mit der Linken Bahn. Sie sticht blindlings um sich. Der Kämpfer aus manchem blutigen Schlachtengetümmel ist in ihm erwacht, Cäsars Tapferster der Tapferen ist dieser Matrosenhorde gewachsen. Schon ist er an der Tür. Da saust etwas von hinten gegen seinen Kopf. Ein schwerer irdener Krug zerschellt an seinem harten Schädel. Er bricht nieder.

Wie eine Spiralfeder schnellt Kleopatra empor, steht über ihm, eine gereizte, wütende Bremse. Sticht, sticht. Keiner traut sich heran. Schon taumelt er wieder auf – klappert mit den Lidern – packt sie am Arm – stößt sie vor sich her – ein zweiter Krug haut ihn in den Rücken, wirft ihn nach vorn – –

Sie sind draußen auf der Gasse. Rennen. Man folgt ihnen nicht. Er schüttelt sich wie ein großer Hund.

»Heil, Kleines?« fragt er ängstlich.

Sie nickt. »Und du?«

Er reckt sich. »Bißchen wüst im Kopf.«

»Werde dich massieren!« Sie lachen übermütig.

Laufen heim, aufgepulvert, glühend, stürzen sich aufs Lager, neu sich gegeben. Unbewußt, aus unklaren Instinkten heraus, wagen sie Nacht um Nacht ihr Leben, sich stets neu zu erringen, neu zu finden, neu zu gewinnen, neu einander geschenkt zu sein. Lust zu pressen aus Blut und Gefahr.


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