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XVIII.

Die Anschläge mißlingen, trotz aller Vorsicht, Umsicht und verschlagenen Ausdauer Rhodons. Kleopatra kämpft mit einem Menschen, der ihr an Arglist und Tücke gewachsen ist. Nicht Antonius, nicht Octavia ahnen, daß Octavian über der Schwester wacht. Er ist es, der sie durch seine Kreaturen behütet, aus Neigung zu ihr und weil er sie braucht als Betäubungsmittel gegen den Widersacher und Schwager.

Der Friede ist geschlossen. Italien erholt sich von den Wunden der Bürgerkriege. Zwischen den Schwägern steht eine trügerische, erzwungene, kühle, vorsichtige Freundschaft. Antonius bleibt in Rom, eingesponnen in die warmblütige Liebe und Güte seines Weibes.

Sie erfüllt nicht eine Pflicht, die ihr aufgezwungen ist. Sie liebt Antonius mit der behütenden Kraft und Demut ihres liebebedürftigen, liebevergeudenden Herzens. Alles, was sie tut, tut der ganze Mensch in ihr.

Antonius lebt in den Tag hinein, wie er in Alexandrien gelebt hat, mit Ämtern und Würden überhäuft – jetzt wird er noch Oberpriester –, doch in Wahrheit nur der Liebe und dem Müßiggang hingegeben.

Er denkt oft an Kleopatra und ihre Pläne, oft, mit einem Gefühl der Pein, des Unbehagens und der Schuld. Er weht mit neubelebter, großartiger Genießergeste das quälende Gedenken beiseite.

Eine Episode, eine Frauengeschichte, wie viele andere, die vergangen sind, redet er sich ein, ist zu Ende. Er habe diese Bagatelle der Erotik zu wichtig genommen. Und der Plan, Ost und West der Erde unter ihrem und seinem Zepter zu vereinigen! Ein abstruser, abenteuerlicher Gedanke. Ein Albdruck, den er abgeschüttelt hat. Octavia, die schöne, anmutig gelassene, hat ganz recht. Wozu immer von neuem Krieg führen, Unheil verbreiten!? Man muß doch endlich einmal die Welt und die Menschen zur Ruhe kommen lassen. So recht hat sie!

Diese reizende kleine Person – hm, reizend war sie, alles was recht ist! – Im Bett erregender, aufpeitschender als Octavia, die eine gewisse weihevolle Schwere hat noch in der leidenschaftlichen Hingabe. – Dja – aber diese kleine, sicherlich bestrickende Person da in Alexandrien hatte ihn – geradezu behext hatte sie ihn, sein Römertum eingeschläfert. Gegen Rom die Waffen erheben! Rom übertölpeln! Eine Wahnidee. Zum Glück ist er noch rechtzeitig erwacht. Zum Glück hat Octavia ihn noch rechtzeitig aus diesem Hexenspuk gelöst. Ein Prachtweib. Hierher gehört er. Rom hat er zu schützen. Rom als beherrschenden Mittelpunkt der Erde bis zum letzten Blutstropfen zu befestigen und zu verteidigen. Keine dämmerhaften Pläne eines orientalischen Kaiserreiches! In Rom liegt die Kraft, die Macht und die Zukunft der Welt. Gottlob, er ist nicht alt und morsch und verbraucht wie Cäsar, den sie betölpelt und in Tod und Verderben gestürzt hat!

Octavia, diese herrliche, echte, wahre Römerin, hat ihn aus den Netzen dieser orientalischen Zauberin und Abenteuerin befreit, Octavia, sein schönes, edles, sanftes Weib. Wie gut ist es, nach der immer keifenden, alles besser wissenden, stets mäkelnden Fulvia und der ewig ruhelosen, überlegenen, vorwärts drängenden Kleopatra nun endlich eine Frau zu besitzen, die zu einem aufsieht, einen bewundert, demütig den Herrn und Gebieter in einem anerkennt und verehrt.

Noch steht er völlig unter Octavias Zauber der Milde und Güte, wie er einst Fulvia, dann Kleopatra hörig gewesen ist. Immer der Anwesenden, Gegenwärtigen ist er Untertan. Lange Monate hindurch lullt ihn Octavias Lindheit ein.

Doch dann, dann kommt die Stunde, die zu Tagen des Überdrusses und der Langweile wird. Diese stete Windstille geht ihm auf die Nerven. Die Segel seines Lebensschiffes hängen schlaff herab in dieser Flaute unveränderlicher Zärtlichkeit, Hoheit, Nachgiebigkeit, ergebener, scheuer Sinnlichkeit.

Mit diesem tastenden Gefühl der Schalheit bohrt sich die Erinnerung an die Frau in sein Gemüt, die wechselvoll war wie das Meer unter jedem Wandel des Lichts, der Witterung, unter jedem Windhauch. An die Frau, die seinen Tag zu einem bunten Kaleidoskop der Lebensfreude verherrlicht hat.

Vergleiche kommen, werden immer häufiger, Vergleiche der Sehnsucht, die immer zugunsten der Fernen, der von erlittenem Unrecht Verklärten entscheiden.

Marc Anton wagt noch nicht das Letzte. Er sucht sich zu betäuben, die raunenden, lockenden Stimmen in seiner Brust zu übertönen mit lauten Vergnügungen. Er verfällt dem Leben, das er einst in Rom geführt hat. Ruft Cytheris, die Schauspielerin, zurück, die er zuerst schroff und nachdrücklich abgeschüttelt hat, als sie sich gleich nach seiner Ankunft in Rom liebefreudig meldete. Wieder zieht er mit der »Bande« in tollen Ausschweifungen durch die Umgebung der Stadt.

Sanft, Gründe und Erklärungen der Nachsicht zur Hand, erduldet Octavia die Beleidigung und Vernachlässigung. Ihre Schönheit, ihre Gestalt hat gelitten. Sie trägt ein Kind. Doch Octavian verteidigt die Schwester. Macht dem Schwager heftige Vorwürfe.

Antonius sieht den jungen Mann von einigen Zwanzig, der ihm, dem reifen Vierziger, Vorhaltungen zu machen wagt, verwundert und verächtlich an. In seinem Blick ist viel von dem Hochmut und Spott, mit dem er damals den Jüngling aus der Provinz in Rom empfangen hat, als er sich als Cäsars Erbe bei ihm meldete, in jener Stunde der Demütigung, die Octavian ihm nie vergessen wird.

»Kehre vor deiner werten Tür«, rät Antonius dem Schwager.

»Was meinst du?« fragt Octavian harmlos, erstickt von zorniger Erinnerung.

»Ganz Rom spricht von deiner Zügellosigkeit, Verehrtester.«

Octavian wird noch käsiger, als er sonst ist.

»Scribonia, meine Frau, ist nicht deine Schwester«, verteidigt er sich schlecht.

»Mein Lieber«, sagt Antonius gelassen, »ein junger, verheirateter Herr, der sich Hals über Kopf in eine andere verheiratete Frau verliebt, sie ihrem Manne abjagt und zur Scheidung treibt, obwohl sie im sechsten Monat schwanger ist, und sie gegen alle Vorschriften der Gesetze heiratet, sollte mit moralischen Anwürfen sehr vorsichtig sein. Deine Affäre mit Livia stinkt zum Himmel.«

Damit läßt er ihn stehen.

Die Scheinfreundschaft zwischen den Schwägersleuten ist bei der ersten Belastung zusammengebrochen. Octavia steht plötzlich zwischen Bruder und Mann. Sie sieht voll Angst die alte Feindschaft heraufdrohen. Vermittelt, beschwört beide. »Bisher war ich die glücklichste Frau in Rom. Macht mich nicht zur unglücklichsten!« Sie fühlt, wie Antonius ihr entgleitet, spürt in dem Bruder den neu aufglimmenden Haß.

Eines Tages ist Antonius auf und davon. Durchgegangen ist er, wie er in früheren Tagen sich heimlich mit Cytheris von Fulvia fortgestohlen hat auf Stunden, auf Tage. So brennt er jetzt durch, entläuft er Octavia. Doch allein. Doch für immer.

Kleopatra ist glorreich in ihm auferstanden. Nichts kann ihn halten, nicht Güte, nicht treue Zärtlichkeit, nicht Pflicht noch Gewissen. Kleopatra in ihm ruft und lockt. Die Sehnsucht nach ihr hat unter der jähen Sinnlichkeit, unter dem Verlangen nach der edlen Schönheit Octavias, unter nationalistisch-patriotischen Einflüssen und Erregungen begraben gelegen. Jetzt, nachdem diese Gefühle durch Gewöhnung und Alltag verblaßt sind, ist das Verlangen nach ihr wie eine Fontäne durch die Verschüttung hindurchgebrochen.

Ein wildes, ungezügeltes, ganz junges Begehren nach Kleopatras köstlicher Pikanterie, die so ganz anders ist als Octavias klassische Schönheit, nach ihrer Kühnheit, ihrer politischen Genialität, ihren weitschauenden, weittragenden Gedanken, ihrem Charm, ihrer keuchenden Wildheit, ihrer beseelten Heiterkeit und Possierlichkeit, alles bestechende, lockende Gegensätze zu Octavias ausgeglichener Sanftmut und gefälliger Holdheit, reißen ihn fort.

Sein phantastischer Abenteurersinn entführt ihn zu der großen Abenteuerin des Ostens. Dieser unrömischste Römer seiner Zeit entweicht von der von Römertum durchglühten Römerin zu der großen Feindin Roms.

Von Athen aus schreibt er ihr. Sie weiß längst, daß er dort ist, erharrt schon seine Eilboten. Er bittet sie, nach Antiochia in Syrien zu kommen. Von dort will er nun zu dem großen Partherzuge aufbrechen. Er knüpft unmittelbar dort an, wo er aufgehört hat, als liege zwischen damals und heute nichts als eine belanglose kleine Pause.

Er rüstet den Zug nach Indien. Doch vorher will er sie sehen und fühlen und atmen. Den leidenschaftlichsten und demütigsten Brief seines Lebens sendet er nach Alexandrien.

Kleopatra kommt, kommt sofort, trotz allem, was er an ihr gefrevelt hat. Kommt, um ihres großen ehrgeizigen Planes willen. Sie fährt den Orontes hinauf, von Seleucia an der Syrer Küste. Er eilt ihr zu Wasser entgegen, bootet auf dem Flusse zu ihr über.

Wieder ist es eine Begegnung an Bord ihres Schiffes. Alle ihre wichtigen, entscheidenden Begegnungen haben an Deck ihrer Schiffe gespielt. Doch diesmal kommt sie nicht auf goldener Venusgaleasse. Auf einem ihrer flinken kleinen Kreuzer jagt sie den Orontes hinauf. Es ist, als solle dieses allzu sachliche Kriegsschiff die Beziehungen kennzeichnen, die sie jetzt noch mit Antonius verknüpfen: Krieg und Politik.

Er ahnt ihre Stimmung nicht. Er ist zum Bersten voll von Liebe und Verlangen. Glaubt, sie müsse ähnlich empfinden nach so langer Zeit des Entbehrens. Ein feiner Psychologe ist Marc Anton nie gewesen.

In der Wohnkabine des Kreuzers erwartet sie den ungestümen Heimkehrer. Sie ist allein. Erhebt sich nicht, als er hereinstürmt, ein saftvoller Herkules auf heftiger Minnefahrt. Ihr Blick ist starr, gläsern, zwingt ihn nieder auf die Knie.

Er hat gemeint, er habe durch seine reuevolle Rückkunft, durch die Preisgabe Octavias alles gesühnt, alles gut und vergessen gemacht. Vor diesem unbeweglichen Blick der geliebten grünen Augen sinkt er in die Knie.

»Verzeih, Kleopatra«, er tastet nach den Händen, die tot in ihrem Schoße liegen, sie sind eiskalt – sie überläßt sie ihm, sie bleiben unter dem Druck seiner brunstheißen Pranken starr und leblos wie ihre Augen. Er sieht flehend, unsicher, erstaunt zu ihr empor, die steif gereckt gegen die Lehne des hohen Sessels sitzt. Kein Laut ist von den fest verschlossenen Lippen gefallen.

»Ich weiß nicht, wie es geschehen ist. Als wäre ich im Rausche gewesen – wirklich so ist es –, ich schwöre dir, ich habe keine Ahnung mehr, wie es geschehen konnte.«

Er spricht die Wahrheit. Schon längst begreift er diese hastige Ehe nicht mehr, wußte schon wenige Wochen nach dem ersten Erwachen aus dem Taumel der ewig begehrlichen Sinne und dem patriotischen Impulse nicht mehr, weshalb er Octavia geheiratet hatte.

Er blickt fanatisch zu der kleinen starren Frau empor. Äußerlich scheint sie ihm unverändert. Nein, nein, doch nicht. Schöner ist sie noch geworden, verführerischer, begehrenswerter. Ganz anders ist sie als die Römerin, die ihn lau und langweilig und unbedeutend dünkt neben dieser elementaren Weiblichkeit, deren Vibrieren er selbst durch diese umpanzerte Starre auf sich überströmen fühlt.

Sonst sieht er keine Veränderung. Er sieht nur einen strafenden Trotz. Doch er sieht nicht tief. Eine Fremde sitzt vor ihm. Es ist nicht mehr die Frau, die er in Alexandrien verlassen hat. Sie ist eine andere geworden. Eine harte, herbe, verbitterte Frau, leidgehärtet, schmerzgestählt, enttäuschungsgereift. Ein versteinertes Weib, das nichts mehr ist, als Mensch gewordene Politik.

Früher hat sie diesen großen, ungebärdigen, phantastischen, wilden Jungen lieb gehabt. Er hat ihr physisch gut getan. Das ist vorbei. Jetzt verkörpert er ihr nur ihren weltpolitischen Plan. Sie liebt ihn nicht mehr, auch nicht mit den erregbaren Sinnen. Sie haßt ihn ob der Schmach, die er ihr vor der gaffenden Welt angetan hat. Wohl triumphiert sie in dieser Stunde. Er hat Octavia, Rom für sie hingegeben. Doch es ist zu spät. Er hat zuviel in ihr zertreten.

»Wir wollen darüber nicht sprechen«, sagt eine bleiche Stimme, »nie.«

»Zürnst du mir noch?!« Er kann es nicht fassen. Er ist doch gekommen, das Herz voller Liebe und Leidenschaft.

Zögernd antwortet sie: – »Nein.«

»Doch – ich fühle es. Du bist mir noch böse.«

»Nein.« Sie lächelt. Er ahnt nicht, was dieses erste Lächeln sie kostet.

Da springt er empor. Sie ist wieder gut! Fällt mit Küssen, aufgestapelter, aufgeblähter Kraft über sie her. Es ist ihm, als hätte er sie nie besessen. Neu ist sie ihm geschenkt, neu und nie berührt. Sie duldet den Sturm, läßt ihn mit geschlossenen Augen und verschlossenen Sinnen über ihren Leib hinwettern. Sie spielt die verzweifelte Komödie der Leidenschaft für das große heilige Reich des Ostens und des Westens, spielt sie, damit ihr Leben nicht zu Spott und Hohn und einem mörderischen Fiasko werde. Er trägt ihren Weltplan, er allein kann ihn zur Wirklichkeit gestalten. Eine liebes-tote Frau hält der berückte Mann in den beseligten Armen.

Auch seine Liebe hat sich gewandelt. Durch Schuld ist sie gereift und gewachsen, zum beherrschenden Gefühl seines Daseins geworden. Es ist die erste, große, wahre Liebe seines Lebens. Ungeheuer, gewaltig wie alles Echte an ihm.

Mit Jubel begrüßt er die Zwillinge, seine Kinder, die sie wohlbedacht nach Antiochia mitgebracht hat. Bisher haben sie fern jedem Muttergefühle gelebt. Jetzt bedarf sie ihrer, ihn fester an sich zu ketten. Sie sind ihm angebetete Heiligtümer, weil ihr geweihter Leib sie getragen, ihre sakralen Schmerzen sie geboren haben. Er gibt ihnen, die noch unbenannt sind in ihrer verhaßten Existenz, bedeutungsvolle prophetische Namen. Den Knaben heißt er Alexander-Helios, das Mädchen Kleopatra- Selene, weil sie einst herrschen sollen über die Welt und aufgehen, wie Sonne und Mond, weithin strahlend über die Erde.

Jetzt rüstet er eifervoll den Partherzug. Kleopatra zweifelt nicht an seinem Erfolge. Doch sie hat gelernt, dem Träger ihres Weltplanes und ihrer Zukunft zu mißtrauen. Sie hat gelernt, aus der Gegenwart zu schöpfen, was zu schöpfen ist. Sie fordert. Sie verlangt Entschädigung für den Verrat und ihre Leiden.

Sie selbst hat die Erinnerung an seine unbedachte Ehe verbannt. Doch sie beschwört sie herauf, zückt sie immer wieder, wie ein Schwert, mit dem sie den Schuldbeladenen bedroht. Arglistig hält sie in ihm das Schuldbewußtsein gärend wach. Armsünderhaft erfüllt er ihr jeden Wunsch.

Er zahlt übereifrig sühnend das verlangte Schmerzensgeld. Sie fordert viel. Er gibt mehr. Sie begehrt, daß Ägypten wieder Großmacht werde, die Großmacht neben Rom am Mittelländischen Meere. Er schenkt ihr alles, was ihr Land jemals, in seiner ruhmvollsten Epoche und Expansion unter den mächtigsten Pharaonen besessen hat. Phönizien, das fruchtbare Tal zwischen Libanon und Antilibanon, Kreta, die schönsten waldbedeckten Gegenden von Zilizien, den Teil von Judäa, der berühmt ist durch seine kostbaren Balsamstauden, und den ganzen Strich Arabiens, der sich zum Mittelmeere neigt.

Er entreißt diese Kostbarkeiten kurzer Hand mit alter Rafferfaust einheimischen Fürsten, die er töten oder vertreiben läßt, oder dem Leibe des römischen Reiches.

Mit Entsetzen vernimmt man dieses Piratenstück in Rom. Alles blickt auf den einzigen Mann, der diesen Totengräber der römischen Vormacht strafen kann, diesen entrömerten Imperator, der Ägypten zur Rivalin, zur führenden Macht des Ostens am römischen Mittelmeere erhoben hat.

Doch Octavian stellt sich tot. Langsam und bedächtig und ängstlich zögert er noch, trotz dieser Räubertat an Roms Größe, trotz der Beleidigung und Kränkung, die der Hochverräter seiner Schwester und ihm angetan hat. Seine Pläne reifen langsam. Nur in Dingen der Erotik und seiner Sinne ist er ein Mann impulsiven Handelns. Er erwartet seine Zeit. Noch ist sie nicht gekommen.

Doch schon dämmert der Tag des letzten Entscheidungskampfes herauf zwischen ihm, der die alte Herrschaft Roms, den Westen, verkörpert, und dem Manne, der Kleopatra, das Symbol des anstürmenden Ostens, in Hirn und Herzen trägt.

Aber noch ist die Herrin Groß-Ägyptens nicht befriedigt. Mehr noch kann der Augenblick hergeben. Sie fordert Antonius zum Manne. Sie ist nicht gesonnen, neue Fährnisse seiner Geilheit und Charakterschwäche zu riskieren. Ihr Verlangen bedeutet die öffentliche Scheidung von Octavia, die ihm in diesen Tagen eine Tochter geboren hat.

Antonius wagt Widerstand. Er hat die Frau, die ihm nur Gutes erwiesen hat, schon zu schwer gekränkt. Eine Regung letzten Anstandes hält ihn zurück. Er vertröstet Kleopatra. Nach dem Partherzuge, vor dem Triumphe und dem Einzug in Rom mit ihr als Königin der Welt, wird er Octavia den Scheidebrief senden und Kleopatra ehelichen. Er weicht aus, bedeutet, daß er, durch diese letzte Brüskierung Octavias und ihres Bruders, ihr hohes Ziel gefährde. Jetzt belebe Octavia noch Hoffnung auf seine Wiederkehr. Jetzt halte sie noch Octavian von Gewalttat zurück. Doch wenn er ihr die letzte Hoffnung auf Wiedervereinigung raube – – Er könne unmöglich, mit Octavian als offenem Feind im Rücken, gegen die Parther ziehen.

Kleopatra muß sich fügen. Ihre politische Einsicht gibt ihm recht. Sie kennt die Psyche Roms nicht, wie er, weiß nicht, daß keiner wagen wird, einem Manne, der gegen den Erbfeind, die Parther, zieht, in den Rücken zu fallen. Sie vertagt ihre persönlichen Wünsche und treibt mit aller Verbissenheit ihrer nimmermüden Energie zum Aufbruch.

Durch Sieg und Triumph über die Perser soll der Weg frei werden zum Weltkönigtume, von dem sie schon in ihren jungen Tagen geschwärmt und geträumt hat mit dem einzigen wahren Geliebten ihrer Seele, dem großen Gajus Julius Cäsar.


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