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XIII.

Die Welt hat aufgehört. Zeitlos, wie das Land und das Leben im Niltal, gehen die Honigmonde dahin.

In Rom herrscht Grimm und Empörung. Eine Wiederholung der Schmach Cäsars! Wieder einer der mächtigsten Römer, der erste Mann des Reiches, in den Netzen dieser Hexe Kleopatra!

Doch die Heimat ist diesem Manne versunken. Nur Kleopatra und die Wonnen ihres kleinen rasenden Körpers leben. Kuriere Fulvias, der Freunde treffen ein. Werden nicht vorgelassen, ihm auch meistens verheimlicht. Was schert ihn Fulvia! Er ist glückselig, ihr und ihrer Bevormundung entronnen und fern zu sein. Mag Fulvia vor Entrüstung bersten! Er gönnt ihr die ohnmächtige Wut von ganzem Herzen.

Und Rom? Und Octavian? Und Streit und Haß und Machtgier? Er hat Kleopatra. Was braucht er mehr? Er schickt die Boten und Kuriere, wenn er von ihrer Anwesenheit erfährt, ungehört heim nach Rom. Er hat Ferien von der Welt und der Politik. Sein Leichtsinn schiebt, wie stets, alles Peinliche, Lästige, Widerwärtige weit von sich. Er ist auf Urlaub. Ihm blühen Feiertage der Leidenschaft. Rom und die Erde soll ohne ihn fertig werden.

Doch der Frühling naht, naht trotz allem Bangen. Er bringt Knospen, Ahnung von späterer Reife – und Schmerz. Die Tat ruft. Kleopatra erwacht. Das Märchen vom Dornröschen, von der rosenumhegten Königin, ist ausgeträumt. Der gigantische Plan scheucht Antonius auf mit schmetternden Fanfaren. Kleopatra treibt ihn hinaus. Sie möchte ihn begleiten nach Syrien, nach Athen, zu den letzten Rüstungen zum Perserkriege. Doch der Leibarzt widerrät. Sie trägt die Frucht dieser leidenschaftlichen Tage und Nächte. Olympos schüttelt den gelehrten Kopf.

»Doppelt gesegnet, Herrin, bist du. Isis und Osiris beherbergt dein heiliger Schoß.« Zwillinge. Sie muß zurückbleiben. Es ist ein schwerer Schlag für sie. Sie wollte dabei sein, schüren, raten, vorwärts stoßen. Jetzt hetzt sie mit verdoppelter Hast zum Aufbruch. Er soll ihre fortschreitende Entstellung nicht sehen. Nicht die Vision ihres aufgequollenen Leibes als Letztes mit fortnehmen. Rasch hinweg, ehe die schwere Frucht ihrer Liebe ihre kleine Figur zur Unförmlichkeit verstümmelt!

Sie wird ihm entbunden, entlastet, entgegeneilen, wenn er als Sieger heimkehrt aus Indien. Der Abschied schmerzt wie körperliches Losreißen voll Wundheit und Blut. Ihre Körper sind in eins zusammengeschmolzen. Er erliegt der Trennung fast. Sie ist die Heroische. Sie findet das Lächeln unter Tränen, das ihm den Sieg verheißt.

Es kommt der Morgen, an dem sie am Fenster ihres Schlafgemaches steht, dieses Raumes, der so viel Lust und verkrampfte Verkettung der Glieder gesehen, so oft selbstverlorenes Stöhnen und Jauchzen und Röcheln ihrer Ekstasen vernommen hat, steht und winkt. Ein böser Tag, an dem sie hinauswinkt auf das blaßblaue Frühlingsmeer, auf dem ein Schiff mit weißen Segeln immer kleiner und kleiner wird, bis es sich auflöst in den silbrigen Dunst des Horizontes.

In Syrien bricht die Welt wieder über Antonius herein. Ein Entzauberter erwacht zu den rauhen Wirklichkeiten des Lebens. Es poltert über ihm zusammen. Er ahnt plötzlich, er weiß es, daß Kleopatra ihm jede böse Nachricht, jede Hiobspost, jedes Ungemach ferngehalten hat. Die Welt kracht auf ihn nieder. Er jagt nach Athen zur Armee. In der Dämmerstunde wirft seine Trireme Anker auf der Reede von Phaleron. Violette Abendschatten flimmern auf den Wassern und auf den weichen Linien der attischen Höhen.

Marc Anton steht an der Reeling und blickt hinüber zu dem Lande, das er einst – vor einem Jahre war es erst! – endlos weit liegt die Zeit zurück – an der Spitze trunkener Schauspielerscharen sinnlos durchtobt hat. Er begreift kaum noch den Wüstling von damals. Es ist ein anderer Mann, der hier an der Reeling der Trireme steht. Ein Mann, der trächtigste Weltpolitik im Hirn trägt. Ein Mann, dem ein gigantischer Königsplan im Herzen pocht. Ein Mann, der Ruhm und Ehre gewinnen will, eine ferne, kleine Frau damit zu krönen, die sein Kind, vielleicht seine Kinder, unter ihrem Herzen trägt.

Am Kai wird der Imperator mit militärischen Ehren empfangen. Die Hörner jubeln. Die Ehrenkohorte klirrt. Da sind die Herren des Stabes, der Chef Lucilius, der Legat Quintus Ovinius, der Witzbold Plancus. Stürmisch, heiter, frivol ist ihre Begrüßung. Antonius drückt ihnen stumm die Hände.

Zu Roß! Über die staubige, in der fallenden Nacht weißblaue Landstraße geht es hin – auf die Stadt zu. Ein Zug Kavallerie voran – ein Zug hinter den Führern. Die Herren plaudern durcheinander, fangen die lockeren Worte auf wie Bälle, schleudern sie spielerisch witzelnd dem Nächsten zu.

»Wir fürchteten schon, die ägyptische Sonne hätte dir das Mark aus den Knochen gedörrt, wie einst dem göttlichen Cäsar«, ruft Lucilius durch das Geklapper der Hufe auf der steinigen Straße.

Antonius schweigt. Blickt gerade vor sich hin zwischen den Ohren des Hengstes. Sein Körper steigt und fällt rhythmisch mit der trabenden Bewegung des Tieres. Sie sehen alle, er ist anders geworden. Sieht gut aus, gesund und braun und kernig, wie ehedem. Doch schlanker ist er, gestählter, geraffter. Aber nicht nur äußerlich ist er verändert. Sie fühlen es aufdringlich, störend, beunruhigend, können sich jedoch nicht erklären, worin diese Wandlung liegt. Sie wissen nicht, daß er Kleopatra im Herzen trägt.

»Über deine kleinsten Liebesaffären mit den niedrigsten Dirnen hast du uns faustdicke Märchen aufgetischt«, beklagt sich Ovinius, »über dieses größte und königlichste Abenteuer schweigst du wie ein Grab.«

Die andern nicken Zustimmung. Sie sind arg enttäuscht. Einen langen Winter hindurch ist er fort gewesen, im sagenhaften Ägypten, im brünstigtollen Alexandrien. Wunderdinge haben sie von ihm erwartet. Fabeln, Renommistereien, schwüle Geschichten ohne Ende. Und nun schweigt er, spricht kein Wort, gibt keinen Laut von sich!

Sie ahnen nicht, daß ihm das Herz gespannt ist vom Schmerze der Sehnsucht nach ihr, die sein Kind in ihrem geliebten kleinen Leibe birgt.

Da feixt Plancus: »Diese ägyptische Circe hat das größte Wunder vollbracht. Sie hat unseren Marcus nicht, wie die andern Männer, in ein Schwein, sondern in einen stummen Fisch verwandelt.«

Über das Getrappel der Hufe schallt das Lachen der Gefährten. Da reißt Antonius sein Pferd dicht an Plancus heran und preßt das Bein des Spötters ein zwischen den beiden Pferdeleibern, daß er laut aufschreit.

»Von wem sprichst du?« keucht er ihm drohend zu.

»Von Kleopatra«, ächzt er stöhnend vor Schmerz, Staunen und Betroffenheit und sucht mit seinem Pferde nach links auszuweichen, wo Ovinius ihm den Weg versperrt.

»Ich bitte mir etwas mehr Achtung aus vor der Königin von Ägypten!« stößt der Imperator zwischen knirschenden Zähnen hervor. Dann trabt er finster geradeaus. Sein Gesicht ist eine eherne Maske des Zornes, der Verschlossenheit und Unnahbarkeit.

Die Augen der Herren des Stabes suchen sich heimlich und verstohlen in dem Dunkel der Landstraße. Was hat der Mensch? Der hat sich ja herrlich gewandelt! Beißt auf einmal den grimmigen Vorgesetzten heraus! Das kann ja hübsch werden!

Sie kommen in die Stadt. Die Pferdehufe läuten wider von den Steinplatten der Straßen. Mit Jubelgeschrei grüßen die Massen, die den Rand der Gassen säumen, den Römer, der im vorigen Jahre ihre Stadt in eine wilde Bacchusorgie verwandelt hat. Buntbewegte Tage stehen bevor. Schwüle Feste. Man hat die großzügige Verschwendungssucht, die erfindungsreiche Ausgelassenheit und besessene Tollheit des »Neuen Dionysos« nicht vergessen.

Antonius nickt würdevoll zurück, ohne Lächeln, ohne die übermütige Narretei, die sie an ihm kennen. Was hat er? Auch hier murmelt stutzendes Erstaunen auf. Auch die munteren Herren seines Gefolges, die noch eben so vergnügt zum Hafen geritten sind, scheinen völlig verwandelt.

Wie angedonnert hocken sie auf ihren Gäulen.

Vor der Kommandantur hält der Zug.

Antonius sitzt ab. Seine Begleiter folgen befangen seinem Vorbild. Ein üppiges Festbankett ist in den Prachtsälen des alten Hauses vorbereitet. Keiner wagt, es zu melden.

»Morgen früh, punkt neun, erwarte ich alle Unterführer zum Bericht und zur Befehlsentgegennahme«, ruft Antonius knapp und dienstlich. Damit grüßt er kurz und geht die Freitreppe hinauf.

Die Herren stecken die Köpfe zusammen.

Ganz früh am folgenden Tage sitzt Antonius am Schreibtisch des Arbeitszimmers, das man für den Oberbefehlshaber eingerichtet hat. Vor ihm liegen Pläne, Karten. Er überdenkt, überwägt, überprüft zum hundertsten Male Cäsars Kriegsplan. Arbeitet mit einem Ernste und einer Vertiefung, wie er nie zuvor gearbeitet hat.

Der Sieg über die Parther soll die Morgengabe werden für die kleine, berückende, beglückende Frau, die jetzt in dem erinnerungsschweren Schlafzimmer im weißen Schloß zu Alexandrien schläft. Schläft sie oder wacht sie voller Sehnsucht und denkt an ihn? Vielleicht denkt sie just an die Nacht, in der sie beide in Kanobus – – Halt, nicht abschweifen! Hm – ja, hier in Zeugma wird eine Etappenstation eingerichtet. Und hier in – –

Da lärmt es in die Stille des Morgens vor der Tür des Arbeitszimmers. Eine grelle, scharfe Frauenstimme – der Baß der Wachen – kurzer Tumult dringt durch die schweren, dichten Vorhänge. Die Tür wird aufgerissen – die Vorhänge teilen sich – auf der Schwelle steht – Fulvia.

Die allzu wohlbekannte, spitze, hochmütige Stimme hat Antonius vom Sessel emporgehoben. Jetzt steht er, beide Pranken auf die Tischplatte gestützt, halb über das Pult vorgebeugt, und stiert auf die Tür. Er glaubt, er will an eine Erscheinung glauben.

Doch die Erscheinung ist sehr lebendig, lebt ungestüm, wie sein Weib immer gelebt hat. Sie tritt rasch herein, den Zorn über die Kühnheit der Wache, die sich vermessen hat, ihr den Eintritt zum Imperator zu verwehren, noch auf den dünnen Lippen, und schlägt die Tür hinter sich in den Rahmen.

Wortlos, Blick in Blick verfesselt, stehen die Gatten. Durch Staunen und Bestürzung hindurch sieht er auf die Frau und vergleicht unbewußt, ungewollt. Der Vergleich drängt sich ihm auf. Er ist vernichtend für Fulvia.

Sie ist noch hagerer, noch dünner, noch knochiger geworden, ist von Not und Kummer abgezehrt. Die Nase ragt wie ein Eckpfeiler aus dem bleichen, fleckigen Gesicht. Ihr Gewand ist verschmutzt, die Haare – grau sind sie geworden, ein unsauberes, streifiges Grau – sind verwildert und zerzaust von Kampf und Flucht und Seefahrt.

Heute morgen, vor einer Stunde, ist sie aus Brindisi eingetroffen. Ungewaschen, ungekämmt, ungepflegt ist sie hergejagt. Was schert sie ihr Äußeres! Auf solchen nichtigen Firlefanz hat sie nie geachtet. Zorn, Eifersucht, Beleidigung, politischer Jammer und politische verbissene Energie hetzt sie zu dem Triumvirn, der ihr Mann ist und gewagt hat, sie vor Rom, vor Italien, vor der ganzen Welt schimpflich zu demütigen und bloßzustellen.

Langsam richtet Antonius sich von dem Schreibtisch auf zu seiner ragenden Stattlichkeit. Auch Fulvia hat Zeit gehabt, zu sehen und zu prüfen. Sie erkennt, daß er schöner noch ist als ehedem. Gesünder, frischer ist seine Gesichtsfarbe, strahlender, von einer unfaßlichen geheimnisvollen inneren Flamme durchglüht sind die Augen, edler und – ja, klüger, geistiger ist die Stirn und der Mund. In Grimm und Schmerz und Staunen sieht sie die Wandlung, sieht sie, daß nichts mehr von dem bombastischen Raffer an ihm geblieben ist.

Während sie in Gram und Kämpfen alt und marode und krank geworden ist, hat er bei dieser ägyptischen Dirne gepraßt und sich gepflegt und wohl sein lassen! Und sich geistig gemausert. Das letzte erkennt sie, aber begreift sie nicht.

Noch immer ist zwischen ihnen kein Wort gefallen. Fulvia reißt sich von der Tür los, kommt mit eckigen Schritten zum Schreibtisch. In den Beinen fühlt sie eine niederziehende Schwere, in den Kniekehlen eine fällende Schwäche. Das dumme Herz, dieses kranke Herz, das die Schmach und die Strapazen dieses letzten grausamen Jahres fast gebrochen haben, ist der Erregung dieser Stunde kaum noch gewachsen.

»Willst du mich nicht begrüßen?«

Ihre bläulichen Lippen bewegen sich, doch die Stimme ist erstickt von Zorn und dem Gedenken alles dessen, was er ihr angetan hat. Sie muß alle Kraft zusammenpressen, die Frage wiederholen, ihr Farbe und Ton zu geben.

»Sei gegrüßt, Fulvia«, sagt er. In den Worten grollt Verwunderung und mühsam beherrschter Verdruß über den jähen Überfall. »Wie kommst du nach Athen?!«

Sie läßt sich hart und entkräftet auf einen Sessel fallen. »Aus Italien komme ich. Als meine Späher mir meldeten, daß du Alexandrien verlassen hattest – –« Die Erinnerung an die Stadt Kleopatras droht ihr die Fassung zu rauben, doch sie zwingt Haß und Erbitterung nieder und fährt fort: »– – schlug ich mich mit dreitausend Reitern nach Brindisi durch und segelte mit gutem Winde hierher.«

Da bricht das Gewitter los. Nicht weil sie ihn durch Spione in Ägypten hat beobachten lassen. Eine alberne Lappalie! Doch schon in Syrien hat er von ihrer Wahnsinnstat gehört.

Er beugt sich zu der nach Atem ringenden Frau nieder und fährt sie an: »Wie durftest du es wagen, Krieg gegen Octavian zu beginnen! Bist du denn von allen guten Göttern verlassen! Octavian ohne meinen Befehl anzugreifen!«

Die kranke Frau keucht zurück: »Du machst mir noch Vorwürfe?! Du? Daß ich deine Pflichten erfüllt habe!«

»Meine Pflichten? Rede nicht solchen Irrsinn! Ohne Zweck und Grund hast du einen blutigen Bürgerkrieg angezettelt!«

Sie stutzt. Wie spricht er mit ihr? So hat er noch nie zu ihr zu sprechen gewagt. Betroffen zischt sie: »Es war deine Pflicht, deine Vormachtstellung als Cäsars Nachfolger in Rom und Italien zu erhalten. Deine heilige Pflicht war es. Aber du hattest ja Wichtigeres zu tun. Du mußtest ja in Alexandrien Hof halten und deiner sauberen Geliebten den Hof machen. Du hattest ja wichtigere Aufgaben zu erfüllen im Bette dieser Metze – dieser – –«

»Schweig!« donnert er mit der ganzen Kraft seiner Gigantenlungen.

»Nein«, schreit sie wild entfesselt, »jetzt rede ich. Ein ganzes Jahr habe ich auf diesen Augenblick gewartet. Ein Jahr lang habe ich für diesen Augenblick gelitten. Ein Jahr lang habe ich meine Schande, meine Erniedrigung vor der Welt, meinen Haß auf dieses Weib, meinen Schmerz um dich in mich hineingefressen. Jetzt werde ich reden. Jetzt werde ich mit dir abrechnen. Jetzt werde –«

»Ruhe!« Der Befehl ist so machtvoll und bezwingend, daß er den Strudel der Worte in ihrem Munde dämmt. Sie starrt ihn an, unsicher, blinzelnd. Sie begreift noch nicht, daß dieser Mann da vor ihr nicht mehr der Feigling ist, der sich einst in Rom vor ihrer Herrschsucht und Tyrannei ängstlich geduckt hat. Sie weiß nicht, wie stark Kleopatras Geist und Odem in ihm lebt. Weiß nicht, daß er noch unter dem Zauber der kleinen Königin steht und daß ihr eigener Bann für immer gebrochen ist.

»Wie sprichst du denn mit mir?« flüstert sie verwirrt und benommen.

Da sagt Antonius ganz ruhig und unwiderstehlich gebietend: »Antworte! Wie durftest du es wagen, ohne meinen Befehl Krieg gegen Octavian zu beginnen?«

Noch einmal versucht sie die alte Macht über ihn zurück zu erobern. »Du verlangst Rechenschaft!« ächzt sie. »Du! Der mich mit Füßen getreten, mich vor Rom und der ganzen Erde zum Gespött der Gassenjungen gemacht hat. Nachgerufen auf den Straßen haben sie mir, mich verhöhnt und –«

»Schweig!« Er hebt mit einer beherrschenden Geste die Hand. »Ich fordere Rechenschaft. Warum hast du eigenmächtig den Krieg gegen Octavian vom Zaune gebrochen?!«

Die Überlegenheit über ihn ist verloren. Sie fühlt es. Begreift diese Wandlung nicht, fühlt sie nur instinktiv. Sie wappnet sich mit dem Trotz und der Wut des Schwachen, des Ohnmächtigen. Sie vergißt alle Klugheit, gibt sich aus der Hand.

»Ich habe Octavian angegriffen«, verrät sie sich, »weil ich glaubte, du würdest Alexandrien verlassen, wenn du hörtest, daß ich für dich mit deinem erbittertsten Gegner kämpfe.«

Da begreift er. »Ach so!« nickt er vor sich hin.

»Ja, deshalb. Aber du Feigling hast mich in deinem Kampfe im Stich gelassen! Hast in Lust und Freuden mit dieser feilen Dirne geschwelgt –«

Er unterbricht ihre Schmähflut. »Herrlich hast du Krieg geführt! Das muß man dir lassen. Bis auf die Knochen hast du dich und mich blamiert. Tausende hast du deiner Eifersucht hingeopfert!« Plötzlich brüllt der alte Löwe aus ihm hervor.

Fulvia zuckt verächtlich die Achseln. »Warum bist du nicht mit deiner Armee nach Italien geeilt, als du erfuhrst, daß mein Kampf, der dein Kampf war, schlecht stand? He? Warum bist du mir nicht in Eilmärschen zu Hilfe gekommen, wie ich es erwartet habe? Auf deine rasche Hilfe habe ich meinen Kriegsplan aufgebaut.«

Er hatte nichts von dem Bürgerkriege gewußt. Jede Nachricht von der italischen Katastrophe hatte Kleopatra ihm fürsorglich ferngehalten, in der Furcht und Gewißheit, daß er sich dann sofort von ihr reißen, nach Italien stürmen würde. Sie hatte ihn erst ziehen lassen, als sie Botschaft erhielt, daß Fulvias Heer vernichtet war. Jetzt blieb ihm nur der Zug nach Indien. Und dann, mit dem neu gewonnenen Ruhme, der Marsch gegen Rom.

Antonius hat die listige, hinterlistige Politik Kleopatras längst durchschaut. Doch seine fanatische Liebe hat sofort verziehen. Er ist treu. Er verrät seine kleine Königin nicht.

»Ich gönnte dir die blutige Lehre«, lügt er.

Da bäumt die rassige Römerin sich empört auf. »Gegönnt hast du mir die Niederlage?! Du Tropf!« Sie ist im alten Fahrwasser diesem Simpel gegenüber, der er, aller äußeren Veränderung zum Trotze, für sie doch immer noch ist. »Und hast nicht bedacht, nicht erkannt, daß es deine Niederlage war. Die hast du mir gegönnt!! Und hast gar nicht gemerkt, daß meine Niederlage die Herrschaft deines größten und einzigen Widersachers für immer befestigt hat? Daß du Italien und damit Rom für immer verlorst, während du dich mit dieser Lustdirne auf dem Pfühle wälztest!«

Da sagt Antonius kühl und gemessen – diese Beherrschtheit ihres Brausekopfs ist Fulvia unheimlicher, gefahrdrohender als sein Wüten: – »Fulvia, ich warne dich zum letzten Male. Laß den Namen – laß die Königin aus dem Spiele. Wenn du sie noch einmal schmähst, rufe ich die Wache.«

Er zeigt auf die Tür.

»Wozu?«

»Dich abzuführen.«

Ihr Mund steht offen und zeigt die weißlich belegte Zunge. Ihre Lippen sind blau. Ihr Herzleiden hat gefährliche Fortschritte gemacht in Kämpfen, Niederlagen, Flucht, Leid und Verzweiflung.

»Abführen?!« stöhnt sie endlich und sinkt sonderbar klein und hinfällig in dem Sessel zusammen. »Mich willst du von deinem Wachtposten – abführen lassen?!«

Er nickt gleichmütig. Dann fragt er, ohne sonderliche Teilnahme: »Und nun darf ich dich wohl bitten, mir zu verraten, was dich ohne meine Erlaubnis nach Athen geführt hat.«

Sie kann nicht gleich antworten. Das rebellische Herz pocht zum Zerspringen. Der Atem kommt und geht leise pfeifend. Endlich flüstert sie matt: »Als ich hörte, daß du endlich diese –«

»Fulvia!« warnt er.

Sie schluckt, würgt die neue Beschimpfung hinunter. »Ich wußte, du mußtest in diesen Tagen bei dem Heere eintreffen. Da – –« Der Odem versagt.

»Weiter!« fordert er.

»Du mußt mit dem Heere sofort nach Italien übersetzen. Zweihundert Schiffe liegen auf der Reede bereit. Du mußt Octavian niederringen.«

»Ich denke nicht daran.«

»Was heißt das?!« Mit letzter Kraft hebt sie sich aus dem Stuhle empor.

»Ich gehe nach Indien.«

»Wohin?!!«

»Nach In–di–en.«

»Was willst du dort?«

»Den Orient niederwerfen.«

Da loht die verlöschende Flamme dieser starken Seele noch einmal auf. Das Gesicht der Frau ist weiß, ohne jeden Blutstropfen. Die Augen brennen flackernd. Nur der Wille lebt noch in dem vergehenden Körper.

»Ich weiß, was du in Indien willst«, raunt sie ihm hohl entgegen. »Es erobern für dieses Weib. Ein orientalischer Fürst willst du werden. Mit ihr, für sie. Die alte Wahnsinnsidee Julius Cäsars ist es, den sie auch verrückt gemacht und in den Tod gehetzt hat. Du – du –«, sie klammert sich an die Lehne des Sessels, die Knie brechen unter ihr – doch sie hält sich mit stählerner Energie aufrecht – »geh nicht nach Indien! Laß dich nicht auch von dieser – – Frau ins Verderben jagen! Italien brennt – Italien ruft nach dir. Rom schreit nach dir!«

»Laß es schreien«, sagt er ungerührt.

»So weit ist es mit dir gekommen!« Sie nickt tragisch vor sich hin. »Verhext hat dich die verfluchte Ägypterin! Dieses Unglück Roms! Dein Römertum hat dir dieser Vampyr aus dem Herzen gesogen. Zum Orientalen hat sie dich entmannt. Zum – –«

Er geht zur Tür.

Sie schweigt jäh, sieht ihn aus irrenden Augen an. »Was willst du?«

»Die Wache rufen.«

Da gibt sie den Halt am Sessel auf. Taumelt, schwankt auf ihn zu. Fällt. Krallt die Finger in die Falten seiner Toga, hält sich an ihr aufrecht, zieht ihn fast nieder mit ihrem Gewicht, das sich nur noch an ihm aufrankt. Tonlose bleiche Gespenster von Worten geistern aus ihrem Munde.

»Entrömert bist du – fremd geworden – Heimat – Stolz – Berufung – Rom – das ewige – heilige Rom willst du – aufgeben – für eine Dirne –«

Die letzten Worte verwehen. Ihre Finger lösen sich aus der Toga. Sie gleitet an seinem Körper entlang zu Boden.

Fulvias Wille ist gebrochen. Sie liegt tot zu Füßen Marc Antons.


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