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Ein Memento

Das Wort wird Tat, das Kind wird Mann.
Der Wind wird Sturm – wer zweifelt dran?

Chamisso.

1.

Wenn man das 19. Jahrhundert als die Epoche des materiellen Schwindels stigmatisieren wollte, so könnte man das 18. als die des intellektuellen bezeichnen. Denn wie zur Zeit die Leute sich anstellen, als wären sie lauter Materie, so bildeten sie sich damals ein, sie wären lauter Geist. Es war eine jener in der Geschichte der Menschheit ziemlich regelmäßig wiederkehrenden Zeiten, wo die Gesellschaft gänzlich unfähig sich erweist, hinter dem Schein das Sein, hinter den Worten die Dinge zu sehen – so eine Zeit, wo die Leute sich an Illusionen überessen und mit Phrasen berauschen.

Der große Idealist und größere Sophist Rousseau hatte mit einer Beredsamkeit sondergleichen die lächerliche Lüge von der »allgütigen Mutter Natur« und vom paradiesischen »Naturzustand« zu einem Evangelium hinaufgeschwindelt. Das wucherte dann nach Unkrautsart mit geiler Üppigkeit weiter. Myriaden von begeisterten Missionaren sorgten für die Verbreitung des befruchtenden Blütenstaubs, und Hunderttausende von Gläubigen genossen die narkotischen Früchte, als wären diese das wahre »Brot des Lebens«.

So wurden zu Menschengeschicke bestimmenden Mächten der traumselige Optimismus, die breiherzige Sentimentalität, die größenwahnsinnige Phantasterei, die von der Natur auf Schritt und Tritt verleugnete Gleichheitslüge, das Völkerbrüderschaftsmärchen und die Glückseligkeitsfabel.

Nachdem man ein ganz willkürliches Ideal von Menschheit in die blaue Luft hineingemalt hatte, schuf man den Phantasiestaat und ließ ihn durch den unbeirrbaren Abstrakter Jean-Jacques im » Contrat social« konstruieren.

Die würdige Krönung des prächtigen Luftschlosses bildete das Dogma von der unfehlbaren Volkssouveränität. Denn die Menschen müssen und wollen nun einmal infallible Päpste haben, seien es dreifach gekrönte Priester oder dreifach umnebelte Begriffe, welche letzteren für kecke und schlaue Volksbetrüger eigens gemacht sind.

Zu dem und für den abstrakten Staat erfand man auch den abstrakten Menschen.

Wie leicht und, sozusagen, anmutig die Herren Philosophen, die Enzyklopädisten, die Rationalisten, die Illuminaten, mit dieser sinnreich zusammengeflickten und hübsch angezogenen Gliederpuppe hantierten! Wie geschmeidig ließ sich die Marionette von Mensch und Menschheit unter die Schablone der Theorie bringen! Wie fügten sich alle ihre Glieder so nett und niedlich in den Rahmen des Systems! Seht ihr? Der Mensch braucht bloß zu wollen, um frei und glücklich zu sein und die Erde aus einem Jammertal in einen Freudenberg umzuschaffen.

Die Herren Philosophen waren beflissen, ihrem Abstraktum dies Wollen einzutrichtern. Der in der Retorte des Optimismus erzeugte Homunkulus blies und blähte sich demzufolge gewaltig auf und sprang dann mit einem Salto mortale aus der Theorie in die Praxis hinüber.

Dieser Salto mortale heißt sonst die Französische Revolution.

Sie war die logische Schlußfolgerung eines kulturgeschichtlichen Syllogismus, dessen Voraussetzung die Philosophie des 18. Jahrhunderts, und diese ihrerseits ist nur die logische Konsequenz der Prämisse jener mühseligen ideellen und materiellen Arbeit gewesen, welche die europäische Gesellschaft von der Verwitterung des Mittelalters an getan hatte. Der Umsturz war vorgefühlt, sehnsüchtig gewünscht, mit Bestimmtheit vorhergesagt worden und kam dann doch so überraschend wie alles wahrhaft Schicksalsmächtige.

Auch als die furchtbare Katastrophe vorüber war, hatte die Erinnerung daran noch immer etwas so Erstaunendes und Erstarrendes oder auch etwas so Blendendes und Überwältigendes, daß von einer unbefangenen Wertung und einem gerecht abwägenden Urteil unter den Menschen noch lange keine Rede sein konnte.

Was die Geschichtschreibung angeht, so hatte sie gegenüber dem Phänomen der Revolution etwa das Gefühl des Goetheschen Faust gegenüber dem Erdgeist:

»Ach, die Erscheinung war so riesengroß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte!«

Dann bemächtigten sich die Parteien des geschichtlichen Stoffes, dem an unerschöpflich dramatischem Interesse nur noch einer gleichkommt: die innere Zernagung des römischen Reiches durch das Christentum und die äußere Zertrümmerung des Kolosses durch die Germanen. Die Parteiborniertheit hat es, wie jeder weiß, glücklich dahin gebracht, die Revolutionsgeschichte zu mehr oder minder gelungenen Leistungen der Zerrbildnerei zu gestalten. Die einen verhimmelten die Revolution, die anderen verhöllisierten sie. Die Vorwärtser machten aus ihr eine Art von goldflittrigem Bambino, die Rückwärtser einen gruseligen Butzemann.

Ganze Büchereien wurden darüber geschrieben und gedruckt. Denn alle zivilisierten Nationen empfanden das Bedürfnis, mit dem Phänomen historisch sich zurechtzufinden und auseinanderzusetzen. Auf die Erforschung und Klarlegung der ganzen und vollen Wahrheit kam es dabei zunächst gar nicht an, sondern vielmehr nur auf die parteiliche Nutzanwendung. Dem Liberalismus mußte die Revolution als leuchtendes, dem Konservatismus als abschreckendes Exempel dienen. Wie der britische Toryismus und der christlich-germanische Absolutismus mit der Geschichte der Revolution umsprangen, zeigen drastisch die Bücher von Walter Scott, Archibald Alison und Heinrich Leo. Wie auf der anderen Seite der französische Liberalismus und Radikalismus den gigantischen Stoff in ihrem Sinne kneteten und formten, das zeigen nicht weniger drastisch die Werke von Thiers, Michelet und Blanc. Die achtbändige Revolutionsgeschichte von Thiers ist nur eine Apologie des Parlamentarismus von 1789, die sechsbändige von Michelet eine Apologie des Dantonismus, die dreizehnbändige von Blanc eine Apologie des Robespierreismus. Obwohl ebenfalls in einer Illusion, der konstitutionell-parlamentarischen, befangen, hat eine Zeitgenossin der Umwälzung, Frau von Staël, in ihren » Considérations sur les principaux événements de la révolution« an Schärfe der Beobachtung wie an Treffsicherheit des Urteils die genannten Historiker weit hinter sich gelassen.

Ein Deutscher war es, Wilhelm Wachsmuth, der es zuerst unternahm, vom Standpunkt wissenschaftlicher Unbefangenheit aus die Geschichte der Revolution anzusehen und zu schreiben. Sein Buch, i. J. 1840 in 4 Bänden erschienen, durfte dazumal eine musterhafte Arbeit genannt werden. Heute ist es zahlreichen Berichtigungen zu unterziehen und, was einzelne Partien angeht, schon ganz veraltet. Das macht, seit 40 Jahren ist neues quellenmäßiges Material von ungeheurem Umfang ausgegraben worden. Wie sehr dadurch unsere Kenntnis der Revolution im ganzen und im einzelnen, im großen und im kleinen bereichert worden, kann eine Vergleichung von Wachsmuths Buch mit dem dreizehn Jahre später (1853) veröffentlichten von Heinrich von Sybel augenscheinlich und handgreiflich dartun. Die absolute Wahrheit hat freilich auch Sybel keineswegs überall zu finden und zu geben vermocht. Kein Wissender und Billigdenkender wird ihm das zum Vorwurf machen – » errare humanum« – und nur Kinder und Narren, die an das Märchen von der absoluten historischen Objektivität glauben, werden das Sybelsche Buch darum verwerfen, weil der Verfasser durchweg von monarchisch-konservativen Gesichtspunkten ausgegangen ist. Es kann eben kein Mensch – und die Historiker sind doch, sozusagen, auch Menschen – aus seiner Haut heraus. Anständige Leute sollten sich daher nachgerade schämen, das Gerede von der absoluten historischen Objektivität nachzuplappern. Historische Gerechtigkeit, jawohl! Die ist möglich und soll sein, unter allen Umständen, überall und immer; aber gerade die Objektivitätsschwätzer, welche eine Unmöglichkeit sich selber und anderen vorflunkern, lassen in ihren »objektiv« gehaltenen Büchern die historische Gerechtigkeit nur allzu häufig vermissen.

Den Verlauf der französischen Staatsumwälzung zu einem literarischen Kunstwerk geschichtlichen Stils zu gestalten, hat bislang nur ein Autor versucht und vermocht, der Schotte Carlyle. Seine mit Recht berühmte » French Revolution« ist eine »Historie« im malerisch-technischen Sinne, aber nicht Historie im wissenschaftlichen. Trotzdem wird kein Kenner leugnen, daß viele von Carlyle mit Worten gemalte Revolutionsszenen an geistklärender und herzbewegender Wahrheit selbst genaueste und siebenfach beurkundete Darstellungen übertreffen. Es sind Seiten in diesem Buch, welche fraglos mit zu den besten im 19. Jahrhundert geschriebenen gehören und sogar weniger Empfänglichen deutlich spürbar machen, wie turmhoch ein Dichter-Prophet über gelehrten Sammlern und Sichtern steht.

Lange hat es gewährt, bis die Franzosen dazu gekommen sind, der Revolutionslegende kritisch zu Leibe zu gehen. Sie konnten sagen, sie hätten keine Zeit gehabt, das Wesen ihrer ersten Revolution zu ergründen, da sie ja etliche weitere hätten machen müssen: die eine, damit sie Louis-Philippe in sein Jobber-Portefeuille, die andere, damit sie ein nachgemachter Bonaparte in seinen Banditen-Schnappsack steckte. Endlich, unter dem zweiten Empire, hatten sie Muße, über eine Vergangenheit nachzudenken, welche eine so schmachvolle Gegenwart zur Folge gehabt, und die historische Kritik schickte zwei Denker und Forscher vor, welche durch die Revolutions phrase hindurch das Revolutions ding erkannten und selbiges nach der Natur zeichneten: Alexius de Tocqueville und Hippolyte Taine.

Tocqueville hat die reichen, so außerordentlich aufhellend wirkenden Resultate seiner Erforschung der Ursachen und des Wesens der Revolution in einen schmalen Band zusammengedrängt (» De l'ancien régime et de la révolution«, 1856). Jeder, d. h. jeder, der mit der in Rede stehenden Sache ernstlicher sich befaßt hat, kennt diesen kostbaren Band und gesteht dankbar, daß er ihm gediegene Belehrung verdanke. Taine hat sein Werk (» Les origines de la France contemporaine«) auf breiterer Basis angelegt und führt es in größeren Dimensionen aus Den 1876-82 veröffentlichten 3 Bänden (» L'ancien régime« – » La révolution«, a) » L'anarchie«, b) » La conquête jacobine«) sind noch zwei weitere gefolgt (» Le régime moderne«).. Er ist an die Lösung der Aufgabe, die er sich gestellt hatte, mit dem vollen Bewußtsein herangetreten, daß sein Unternehmen, die Vernichtung des Revolutionsmythus und der revolutionären Mythologie, seinen Landsleuten mißfallen werde. Das war für einen Franzosen wahrlich nichts Kleines, sondern etwas Großes. Eine so mühselige Arbeit unternehmen und durchführen, nur um der Wahrheit zu dienen, der Lüge, dem Vorurteil und der Nationaleitelkeit einen offenen Absagebrief schreiben, von vornherein klar sein, daß statt Dankes nur Mißfallen und Unpopularität zu ernten sein werde, das bezeugt ein Wahrheitsgefühl, einen Rechtssinn und eine Gewissenskraft, wie sie gewiß nicht allzu häufig in einem Franzosen oder in einem Menschen überhaupt vereinigt sich finden. Vollends in unserer Zeit der sittlichen Schlaffheit, welche mit ihrem »Opportunismus« als mit einem Vorzug, ja als mit einer Tugend Staat macht. Taine hatte schon durch seine Geschichte der englischen Literatur den Beweis erbracht, daß er es vermöge, sich über das Galliertum zu stellen. Das vorliegende Werk zeigt ihn als einen freien Menschen und Mann, nicht im Sinne des Parteijargons, aber im Hochsinn des Wortes.

2.

Es ist ein alter Erfahrungssatz, daß der Umbau eines großen, in seinen Fundamenten angefaulten, durch und durch wurmstichigen und vermorschten Hauses zu den schwierigsten Aufgaben gehört, welche einem Architekten gestellt werden können. In 99 Fällen von 100 mißlingt die Lösung und muß sie mißlingen. Im hundertsten, als im glücklichsten Falle kommt nur ein trauriges Flickwerk zuwege.

Ein Haus der bezeichneten Art war das Frankreich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und so, wie es war, wurde es einem zwölfhundertköpfigen Architekten, der konstituierenden Nationalversammlung von 1789, zum Umbau überliefert.

Sybel, also ein Historiker, den selbst der wildeste Fanatiker des Syllabus nicht im Verdachte revolutionärer Anschauungen haben kann, hat im ersten Bande seines Werkes über das französische Staatswesen unmittelbar vor der großen Umwälzung desselben gesagt: »Hier war alles Bestehende in seinem Wirken erbärmlich und, was vielleicht noch schwerer wog, in seinen Rechtstiteln ungewiß. Es gab in dem ganzen französischen Staatsrecht keinen unangefochtenen Punkt; es war (also) ganz natürlich, daß die Neuerung von vornherein ihren Ausgangspunkt im Natur- und Menschenrecht suchte« (d. h. mit der Stange der Theorie im Nebel der Abstraktion herumfuhr). »Der Wunsch, das Bestehende zu verbessern, der bei gesunden Nationen sich erst bei äußerstem Mißlingen in den Drang der Zerstörung umsetzt, war hier von Anfang an hoffnungslos.«

Zu diesen Sätzen des deutschen Geschichtsschreibers liefern die zwei ersten Bände von Taine einen authentischen, aktenmäßigen, unwidersprechlichen, aber trauervollen Kommentar. Im ersten Bande weist der französische Kulturhistoriker nach, daß und wie das Ancien Régime vollständig abgewirtschaftet hatte und daß der Einsturz des unterwühlten, angefaulten Hauses voll Wurmfraß und Moder unvermeidlich und nahebevorstehend war. Im zweiten Bande tut er dar, wie das der konstituierenden Nationalversammlung zum Umbau überlieferte Staatsgebäude unter den Händen des Architekten, allem guten Willen und aller teilweisen Geschicklichkeit desselben zum Trotz, aus den Fugen ging, zerbröckelte, zerkrachte und schließlich in einen ungeheuren Trümmerhaufen, in ein Chaos von Anarchie zusammenstürzte.

Aus diesem wüsten Trümmerhaufen erwuchs der Jakobinismus. Er war zuerst ein aus Rousseauschen Orakelsprüchen zusammengeflicktes Theorem mit der liebsüßen Devise: »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!« Dann die Verwirklichung des Gedankens der Pöbelherrschaft, ein hunderttausendarmiger Riese, welcher, den Antrieben von seiten einer Handvoll Phantasten, Größennarren oder Schurken blind gehorchend, seine Losung: »Wer nicht an mich glaubt, der stirbt!« zu einer schrecklichen Wirklichkeit machte. Man hat bekanntlich die Anhänger des Jakobinismus damit zu entschuldigen gesucht, daß man sagte, sie hätten gemordet, um nicht gemordet zu werden. Wohl! Aber wer hat einen Zustand vorbereitet, ermöglicht, herbeigeführt, wo nur noch die Wahl blieb, Henker oder Opfer zu sein? Eben der Jakobinismus.

Noch sind seitdem keine hundert Jahre verflossen, und doch wären wir geneigt, das, was dazumal geschah, für einen wüsten vorzeitlichen Mythus zu halten, wenn uns nicht Tausende unverwerflicher Zeugnisse die anwidernde Gewißheit gäben, wie tigeräffisch Voltaires »Tigeraffen« die Carmagnole um den ehernen Stier des jakobinischen Schreckens her getanzt, gerast haben. Um diesen Tanz zu begreifen, muß man sich erinnern, was für Gaillarden, Gavotten und Menuetts in Fontainebleau, in Saint-Germain, in Versailles, in Marly, im » Park aux cerfs«, in Louveciennes und in Trianon vordem getanzt worden waren. Der größennärrische gallische Jakobinismus war ja auch nur die Konsequenz der Prämisse des größennärrischen gallischen Sultanismus. Eine Ahnung vom Kommen dieser Konsequenz scheint sogar schon einen der literarischen Lakaien des Sultans, welcher Ludwig XIV. hieß, angeschauert zu haben. Man lese nur mit Verstand die » Athalie« des Schmeichlers Racine, namentlich die letzte Strophe vom Chorlied, das den zweiten Akt beschließt.

3.

Ganz dumme oder ganz unwissende oder ganz verlogene Leute ausgenommen, wird niemand mehr sich einfallen lassen, leugnen und bestreiten zu wollen, daß die Revolution, in ihrer Totalität gefaßt, eine geschichtliche Notwendigkeit gewesen sei – ebenso unausweichlich, unlenkbar und unerbittlich wie irgendeine große Katastrophe des Naturlebens. Dadurch werden jedoch die mithandelnden Personen und Parteien von ihren im einzelnen begangenen Fehlern, Vergehen und Verbrechen nur in den Augen von solchen entlastet, welche die menschliche Willensfreiheit leugnen, demnach keinen Unterschied von Gut und Bös, Recht und Schlecht anerkennen und folglich das unbequeme Prinzip der Verantwortlichkeit aus dem Leben und aus der Geschichte weggewischt wissen wollen.

Kein Wissender sodann wird verneinen, daß die Idee der Revolution, d. h. die Illusion, mittels grundstürzender Beseitigung des Bestehenden für eine neue, »menschenrechtlich« zu organisierende Gesellschaft Raum, Luft und Licht zu schaffen, für die Phantasie wie für das Gemüt etwas unabweisbar Bestechendes hatte.

Aber wie gestaltete sich die Sache, als man daran ging, die blendend schöne Idee aus den »heiteren Regionen, wo die reinen Formen wohnen«, auf den staubigen oder kotigen Boden der Wirklichkeit zu verpflanzen? So, daß eins der zahllosen Sophismen, welche der » Citoyen de Genève« Der Bürger von Genf, d. i. Rousseau. gepredigt hatte, zu einer furchtbaren Wahrheit wurde: »Alles entartet in den Händen des Menschen« ( tout dégénère entre les mains de l'homme).

Was wurde aus dem verheißungsvollen, von Millionen Herzen mit inbrünstiger Andacht empfangenen, geglaubten und nachgebeteten revolutionären Evangelium: » Liberté, égalité er fraternité«? Die brutale Tatsache einer räuberischen und mörderischen Pöbeltyrannei.

Die Seele, der Bildner und Leiter dieser in größenwahnwitzigem Wüten schließlich sich verzehrenden Pöbeltyrannei war der Jakobinismus, in welchem man, wenn man ihn schärfer ansieht und die Summe seiner Strebungen zieht, einen legitimen Sohn des Jesuitismus unschwer erkennt. Wie der Vater auf vollständige Vernichtung der freien Persönlichkeit und der persönlichen Freiheit zugunsten der Gesellschaftsmacht abzielte und ausging, so auch der Sohn. Jeder, selbstverständlich in seiner Art und mit seinen Mitteln, die natürlich, mochten sie sein, welche sie wollten, »der Zweck heiligte«. Auch die Aushängeschilder, hinter denen Vater und Sohn für die Erlangung der Omnipotenz fochten, waren zwar verschieden bemalt, aber doch aus demselben Metall geschmiedet. Der jesuitische hieß Theokratie, der jakobinische Demokratie. Da nun bekanntlich » vox populi vox dei«, so war mit den verschieden lautenden Worten nur ein und dasselbe Ding gemeint: Herrschaft, unbedingte, widerspruchslose Herrschaft.

Nicht umsonst hat der Heiland Robespierres, Rousseau, die Lehre von der Volkssouveränität den Jesuiten abgelernt, welche ja, wie jedermann wissen könnte und sollte, den modernen Begriff derselben zuerst gefunden und formuliert haben.

Am 21. April 1793 tat der »grünaderige Unbestechliche« im Allerheiligsten des Jakobinismus, in der Stiftshütte der » Mère-Société« in der Rue Saint-Honoré, den Orakelspruch: »Das Volk ist der Herr ( le souverain), die Regierung ist sein Werk und seine Sache ( sa propriété), die Beamten sind seine Diener ( ses commis); das Volk kann, so oft es ihm beliebt, die Regierung ändern und seine Bevollmächtigten abrufen.«

Als der Hohepriester des Kultus der » Sainte-Terreur« dieses Dogma ex cathedra verkündigte, war die »jakobinische Eroberung« Frankreichs bereits eine bluttriefende Tatsache.

Wie sie das geworden, zeigt und erklärt uns trostlos-lehrreich Taine in seinem dritten Bande. Trostlos-lehrreich, weil selbstverständlich auch diesmal die Geschichte nur lehren wird, daß die Menschen nichts aus ihr lernen wollen. Hegel, von dem das traurig-wahre Wort herrührt, hat ja bekanntlich selber nichts aus ihr gelernt. Sonst müßte er sich wenigstens geschämt haben, sich zum Verteidiger der Karlsbader Beschlüsse zu erniedrigen.

Der Jakobinismus begann seine Tätigkeit zugleich mit der konstituierenden Nationalversammlung. Rasch bemächtigte er sich der entzügelten Presse und der brodelnden Klubs. Die Danton, Desmoulins, Loustalot, Fréron, Pétion, Brissot, Marat liehen ihm ihre Lungenkraft und ihre Fingerfertigkeit. Mit der ganzen Selbstgefälligkeit und Unverfrorenheit der Mittelmäßigkeit, aber auch mit der ganzen Zähigkeit des Fanatikers wußte sich Robespierre zum Propheten des Jakobinismus zu machen, dessen Dogmatiker Saint-Just wurde. Alle diese Macher und Streber, bald von einer zahlreichen Klientel umgeben, trugen, sozusagen, ihren möglichst verlockend aufgeputzten unfehlbaren Fetisch Volkssouveränität fortwährend in Prozession durch Paris. Sie wußten, wer Paris hatte, der hatte Frankreich. Das Mittel, die Herrschaft in der Hauptstadt zu erlangen, war die Umformung des dortigen Proletariats in eine fanatisierte, auf allerlei Wegen besoldete, vom Jakobinerklub aus organisierte, disziplinierte und kommandierte, blind gehorchende, blind zugreifende und zuschlagende Pöbelbande, welcher von überall her, aus dem Lande selbst wie aus der Fremde, bedeutende Verstärkungen zugingen. Denn alle Katilinarier Frankreichs, Europas und Amerikas trugen ihre zertrümmerten Hoffnungen und erlittenen Demütigungen, ihre Laster und Verbrechen, ihre Begierden und Gelüste, ihren Haß und Rachegrimm nach dem revolutionären Paris, wo, wie vormals im Cäsarischen Rom, alles Schändliche und Scheußliche als in einer Riesenkloake zusammenrann. Zu dieser riesenhaft anschwellenden Gesindelschaft stellte die Unzucht ein sehr zahlreiches, tätiges und wirksames Dirnenkontingent. Es war ja so leicht und lockend, der Liederlichkeit die Marke des Patriotismus aufzuheften und den Altar der Venus Vulgivaga dreifarbig zu drapieren.

Man hat den Führern der liberal-reformistischen Evolution von 1789 vorgeworfen, daß sie es nicht versucht oder nicht verstanden hätten, sich populär zu machen oder populär zu erhalten. Als ob anständige Menschen mit Leuten vom Stamme Catilina um die Volksgunst wettbuhlen möchten, könnten! Und wenn sie es auch hätten versuchen wollen, so würden sie doch keinen Erfolg gehabt haben. Denn in solchen Bewegungen sind gemeiniglich nur die Katilinarier populär, weil eben nur solches Geschmeiß gemein und schamlos genug ist, den wechselnden Launen der urteilslosen und wankelmütigen Menge sich anzubequemen und den schlechten Instinkten des Pöbels zu schmeicheln. Aus Kernholz geschnittene Menschen, Männer vom Schlage der Mose, Perikles, Thukydides, Sokrates, Tacitus, Mohammed, Dante, Michelangelo, Shakespeare, Cromwell, Milton, Molière, Washington, Lessing, Kant, Herder, Goethe, Schiller, Beethoven, der vom Stein, sie alle und alle ihresgleichen haben immer und allenthalben mit Verachtung auf die Dirne geblickt, von welcher geschrieben steht:

» La popularité? C'est la grande impudique
Qui tient dans ses bras l'univers.
« Die Volksgunst? Das ist die große Unzüchtige, die mit ihren Armen die Welt umklammert.

Übrigens ist es töricht, zu sagen, die Gemäßigten hätten sich eben auch populär machen sollen. Womit denn? Etwa mit dem Hexeneinmaleins ihres Konstitutionalismus und Parlamentarismus? Mit dieser sinnreich ausgetiftelten und kunstvoll zugedrechselten Doktrin, welche sich auf den Kathedern gewiegter Staatsrechtslehrer und auf den Lippen gewandter Parlamentsredner so hübsch zurechtlegen läßt? Bah! Da hatte der Jakobinismus leichtere Arbeit. Seine Doktrin war von bewundernswürdiger Einfachheit, Kürze und Deutlichkeit: »Der Volkswille ist das höchste, das einzige Gesetz; der Volkswille aber bin Ich!« Der getreue Widerhall von Ludwigs XIV. » L'état c'est moi!« Größenwahn drüben und hüben.

Und bei wem hätten sich die Gemäßigten populär machen und erhalten sollen? Wenige Monate nach dem Ausbruch der Revolution gab es für sie schon keinen Populus mehr. Es ist wahr, der anständige Populus, das besitzende und gebildete Bürgertum, hat sich in Paris und in ganz Frankreich allzu früh von der Teilnahme an den öffentlichen Versammlungen, von den Wahlakten, vom Dienst in der Nationalgarde usw. abschrecken lassen. Aber man muß doch auch sagen, daß angesichts der rücksichtslosen und gewalttätigen Frechheit, womit der Jakobinismus seine Abschreckungspraxis in Szene setzte, dieser Rückzug der anständigen Leute von öffentlichen Angelegenheiten immerhin sehr begreiflich war. Konnten sich Intelligenz, Wohlanständigkeit, Besonnenheit und Mäßigung noch Gehör und Geltung verschaffen der systematisierten Pöbelei gegenüber, diesen vom Jakobinismus gestimmten weinrauhen und schnapsheiseren Kehlen, diesen vom Jakobinismus gelenkten knotigen Knütteln in Schwielenfäusten gegenüber? Nein! Der Grundirrtum des Konstitutionalismus und Moderantismus ist gewesen, zu wähnen, es ließe sich eine halbe, ja eine Viertels-Revolution machen. Das hieß meinen, eine rollende Lawine ließe sich aufhalten mitten auf ihrem Wege vom Gletscherbusen der Jungfrau hinab zum Trümletental. Die Lawine faßte, verschüttete, begrub die Toren.

Schon im Hochsommer 1789 war der Jakobinismus tatsächlich in Paris Herr und Meister. Jetzt kam, zum erstenmal in der neuzeitlichen Geschichte, so recht zutage, welche Fülle von Unheil für die Menschheit die Großstädte in ihrem wüsten Schoße bergen. Die kolossale Giftblase entleerte ihren Überschuß in tausendfacher Veräderung über ganz Frankreich hin. Zu der Zeit, als der Jakobinismus zum Guillotinismus ausgereift war, zappelte das ganze Land angstvoll und hilflos in dem dreißigmaschigen Netz, dessen Lenk- und Zugschnüre in der »Muttergesellschaft« der Rue Saint-Honoré zusammenliefen. Dort brauchte man bloß zu ziehen, und rings in Frankreich taten etliche hunderttausende Marionetten von jakobinischen Rotmützen ihre brüllenden Mäuler auf und erhoben mordlustige Fäuste.

Man muß anerkennen, daß der Jakobinismus auf seinem Wege zur Herrschaft über Frankreich ebenso geschickt und schlau wie fest und rastlos vorging. Wie es immer und überall der gewissenlosen Demagogie Art und Brauch, blökte er als Schaf oder heulte er als Wolf, je nach den Umständen. Während er in, sozusagen, offiziellen Akten noch die Gesetzmäßigkeit heraushängte, predigte er in seinen Ecksteinreden, Klubresolutionen und Winkelblättern schon die wildesten Gewaltsamkeiten. So ging es weiter. Ohne sich später die Zeit zu nehmen, das Blut von seinen Händen zu waschen, griff er zu seinem vergötterten Jean-Jacques, um ein Kapitel sentimentaler Liebeständelei aus der »Neuen Heloise« oder das warmbrüderliche Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars aus dem »Emile« zu deklamieren. Fouquier-Tinville war ein »empfindsamer« Mensch comme il faut: wenn er, der Ankläger beim Revolutionstribunal, sein tägliches »Gebäck« ( fournée) von 30, 40, 50, 60 Köpfen für »Dame Guillotine« zurechtgemacht hatte, ging er nach Hause, um seinen Kindern die Idyllen von Geßner vorzulesen. Robespierres drittes Wort war: » la vertu« (die Tugend). Die Lippen der ärgsten Blutmenschen troffen immerfort von Ausdrücken wie » humanité« (Menschlichkeit) und » sensibilité« (Gefühl). Am schamlosesten trieb es der steinherzige Heuchler Barère, der Süßholzraspler des Schreckensystems, welcher, nachmals ein Reptil im Solde Napoleons, die Guillotine mit anakreontischen Redeblumen umwand, wie Lamartine in seiner Gedankenlosigkeit sie später noch »vergoldet« hat.

» Das Wort wird Tat –«

Am 14. Juli 1789 hat sich der Jakobinismus zum erstenmal gezählt, gemustert und im Handeln versucht. Mit Erfolg. Die »Heldentat« dieses Tages gehörte, an und für sich betrachtet und die symbolische Bedeutung des Ereignisses beiseite gestellt, freilich mehr in die Opera buffa als in das Epos, falls das Entsetzen über die infamen, von den »Bastille-Siegern« an Wehrlosen verübten Mordtaten den Eindruck des Komischen aufkommen ließe. Die gesamte Pöbelmasse von Paris, wohlbewaffnet und reichlich mit Geschütz versehen, zwingt 138 Invaliden mit 2 Säcken Mehl als Proviant zur Kapitulation – voilà tout. Allein der Jakobinismus wußte die Legende vom Bastillesturm so aufzublasen und aufzuflittern, daß sie noch heute unzählige Hohlschädel schwindeln macht. Im also glücklich begonnenen Stil wurde das jakobinische Wort weiter zur Tat am 6. Oktober desselben Jahres zu Versailles. Dieser Oktobertag und was drum und dran hing, bewies klärlich, daß Monarchie und Bourgeoisie gleichermaßen nur noch Spielzeuge in den Händen des in seine Flegeljahre getretenen Jakobinismus waren.

» Das Kind wird Mann –«

Am 10. August 1792 nämlich, nachdem das »Kind« die Knabenschuhe schon am 20. Juni total vertreten hatte. Der Jakobinismus nimmt, als »Kommune« von Paris verkleidet, förmlich und feierlich von der Herrschaft Besitz und fängt sofort an, seinen bisherigen Mitarbeitern, den schönschwatzenden und wolkenwandlerischen Girondisten zu zeigen, was es hieße, de travailler pour le Saint-Jacques (für den Heiligen Jacques [Rousseau] zu arbeiten). Gerade aus den blumigsten Phrasen der armen Wolkenwandler wußten die Jakobiner die festesten Stricke zu drehen, um ihre Nebenbuhler damit zu erwürgen, und die Sibylle der Gironde, Manon Roland, wird bald zu spät ihr Klagewort: »O heilige Freiheit, welche Verbrechen begeht man in deinem Namen!« sprechen und wird, auf das Fallbrett der Guillotine geschnallt, schmerzlich spüren, was für ein Unterschied sei zwischen dem holden Ideal einer »vernunftgemäßen« Demokratie, wie sie es sich zurechtgeträumt hatte, und der grausamen Wirklichkeit einer stupiden Pöbelherrschaft. In der Verblendung ihrer abstrakten Freiheitsschwärmerei hatte Manon Roland nicht wenig, nein viel dazu getan, den Kopf der Marie Antoinette dem Jakobinismus zu überliefern. Zum Danke dafür schlug jetzt der Jakobinismus ihr den eigenen ab. Sie hatte ja Unverzeihliches getan: sie war schaudernd stillgestanden und hatte nicht weiter in das Blut- und Kotmeer mithineinwaten wollen.

» Der Wind wird Sturm –«

Der jakobinische Phrasenwind, der von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit so verführerisch gesäuselt, schwoll zum Frevelsturm an in jenen grauenhaften Tagen und Nächten vom 2. bis 7. September 1792. Marat, aus einem schlechten Vieharzt zur bösesten Bestie der Revolution geworden, hatte in seiner Kannibalenseele den Gedanken des politischen Massenmords ausgeheckt, und die Kommune von Paris machte den Gedanken zur Tat, indem sie die fünftägige Schlächterei, das Morden im Taglohn, anordnete, überwachte und bezahlte. Das Furchtbarste an diesem Furchtbaren war nicht die Masse der Opfer, waren auch nicht die haarsträubenden Scheuseligkeiten, von denen die Mordakte begleitet wurden, sondern das Furchtbarste war vielmehr die eisige Grausamkeit, womit der ganze Greuel geplant, ins Werk gesetzt und durchgeführt worden ist. Der Sturm, der dazumal Paris durchraste, war nicht der Glutwind aus der Sahara, sondern der Eishauch von den Polargletschern. Nicht wie aus Glaubenswut tollgewordene Inquisitoren und Hexenrichter, nein, sondern als kaltrechnende »Staatsmänner« haben die Jakobiner die Septemberschlächterei gewollt und verübt.

Der gallische Tigeraffe war jetzt los. Er schwelgte im Blut und badete sich in Tränen. Der Massenmord vom September war das Einweihungsopferfest des »Schreckens«. In diesen Wahnsinn brachte der Jakobinismus Methode und machte daraus seine Regierungsmaschine. Die beiden Haupttriebräder derselben waren der Wohlfahrtsausschuß und das Revolutionstribunal. Wie die sich drehten! Rastlos, unaufhaltsam, zermalmend. Eine Weile arbeitete die ganze Maschine unwiderstehlich, schreckhaft, mit jakobinischem Dampf. Dann kamen Friktionen. Die einzelnen Teile der Schreckensmaschine, die Stangen, Stifte, Hebel, Kurbeln, Räder, kehrten sich wütend gegeneinander. Der Jakobinismus begann den Jakobinismus aufzufressen. Blut! Blut! Mehr Blut! Noch mehr Blut! brüllte der Guillotinismus. Nach den Royalisten, Klerikalen, Konstitutionellen, Orleanisten und Girondisten wurden die Hébertisten, Dantonisten und Robespierreisten der unersättlichen Tochter Guillotins in die tödlichen Fangarme geworfen.

Inzwischen hatte, wie früher die vom Konstitutionalismus beherrschte Nationalversammlung den französischen Staat in einen chaotischen Trümmerhaufen verwandelt, der vom Jakobinismus tyrannisierte Konvent seinerseits die französische Gesellschaft in einen wüsten Klumpen von Elend und Seelenstumpfheit, Ekel und Verzweiflung zusammengepreßt. Der Jakobinismus hatte sich so voll Blut geschlungen, daß er gleich einer vollgefressenen Abgottschlange sich nicht mehr zu rühren vermochte. Er verfaulte bei lebendigem Leibe. Aber mit der Schlange starb nicht ihr Gift. Sterbend zeugte der Jakobinismus den Bonapartismus. Der war so recht der legitime Erbe und Nachfolger von jenem. So namenlos elend hatte die jakobinische Freiheitslüge die Franzosen gemacht, daß sie, um nur endlich aus den Fäusten der sansculottischen »Henker« loszukommen, mit Entzücken in die Hände der Prätorianer des Cäsar vom Brumaire sich gaben. Um nur endlich wieder das so lange und so schmerzlich entbehrte Gefühl der Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu haben, stürzte sich die ganze Nation mit Wollust in die Knechtschaft und spannte sich jubelnd vor den Siegeswagen des fremden Glückssoldaten, der mit zynischer Offenheit der ungeheuren Verachtung Ausdruck gab, welche er, freilich nicht ohne Grund, für die Menschen im allgemeinen und für die Franzosen im besonderen hegte.

Das hat der Jakobinismus zuwege gebracht, der, um der Tyrann des Volkes werden zu können, sich für den Retter und Beglücker desselben ausgegeben hatte, – der Jakobinismus, der den Franzosen Brot und Wein in Fülle versprach und ihnen dafür nur Not und Pein ohn' Ende gab, – der Jakobinismus, der der armen betörten Menge Freiheit, Wohlfahrt und Bildung in sichere Aussicht stellte und dafür Knechtschaft, Armut und Barbarei brachte …

Ist der Inhalt der vorstehenden Warnungstafel verständlich? Ich denke wohl.

Wird er beherzigt werden? Nein!

Warum nicht? Weil es das Los der Menschen und der Völker ist, nicht hören zu wollen, sondern fühlen zu müssen. Weil sie dazu verdammt sind, in dem ewigen Zirkel von Täuschung und Enttäuschung, Hoffnung und Entmutigung, Verschuldung und Büßung sich herumzubewegen. Weil sie nicht aufhören können, aus dem Glauben in den Zweifel, aus der Furcht in die Überhebung zu fallen, und umgekehrt. Weil – alles in allem zu sagen – noch der letzte Mensch das arme beklagenswerte, aus unversöhnbaren Gegensätzen und Widersprüchen zusammengesetzte Geschöpf sein wird, welches schon der erste war.

» Wer zweifelt daran


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