Johannes Scherr
Nemesis
Johannes Scherr

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23. Dem Donar ein Opfer!.

Von der Stadt herauf, welche etwa drei Wegstunden von Wippoltstein entfernt drunten im Tale liegt, führt nicht nur eine Straße, sondern auch ein Fußweg an den See. Dieser Fußweg kürzt die Entfernung bedeutend ab, denn er läuft, während die Straße den Krümmungen des Flusses folgt, in ziemlich gerader Linie längs der linken Talwand durch Wiesen und Gehölze fast bis zur Donnerfallmühle herauf und bei dem in unserer Geschichte mehrmals genannten Ermswäldchen in eine Gabel aus, deren rechte Zinke zum Donnerfall, deren linke zu der Mühle führt.

Ein paar Büchsenschüsse weit talabwärts von dieser Gabel kam Twerenbold auf dem Fußweg daher; wie es den Anschein hatte, talaufwärts.

Es war ein schöner heißer Augusttag gewesen, und die Sonne ging zur Rüste.

Gestern um diese Zeit war der Graf Nepomuk in der Gruft seiner Ahnen feierlich beigesetzt worden.

Das Resultat der von dem Arzte des Dorfes und des Schlosses vorgenommenen Leichenöffnung hatte gelautet: Nervenschlag, herbeigeführt durch plötzliche Kongestionen im Gangliensystem. Twerenbold war rasch gegangen, und so erklärte sich die augenscheinliche Erhitzung und Aufregung seiner Züge. Bei genauerer Betrachtung mochte man freilich die Bemerkung gerechtfertigt finden, daß ein Sommerabends über Feld gemachter Gang eine so robuste Konstitution, wie der Abenteurer sie besaß, kaum so aufzuregen imstande und daß demzufolge ein inneres Motiv seiner Erhitzung anzunehmen sei.

Als er die erwähnte Wegscheide in einer Entfernung von einigen hundert Schritten vor sich sah, blieb er eine Weile stehen und trat dann in das Gebüsch am Wege, hinter welchem seine Gestalt ganz verschwand. Er kauerte sich im Busch auf den Boden nieder, bog die Zweige und Ranken des dichten Haselgesträuchs auseinander, steckte vorsichtig den Kopf heraus und spähte so den Weg hinab, welchen er gekommen.

Auf diesem Wege erschien nicht lange darauf die Gestalt eines Mannes.

Es war der Müller Veit.

Sowie Twerenbold desselben ansichtig geworden, zog er seinen Kopf in das Versteck zurück.

Der Müller kam langsam daher und tiftelte und grübelte nach seiner Gewohnheit im Gehen.

»Ob ich mich auch wohl nicht übereilt habe?« dachte er. »Jetzt kann ich nicht mehr zurück – verdammt! – Es hätte sich da vielleicht das schönste aller Geschäfte machen lassen. Sie mußten mich zufriedenstellen, sie mußten. – Konnte ihnen ja eine Angst einjagen, die alles gewährt, alles! Selbst das übermütige Weib hätte sich vielleicht zu dem bequemt, was ich auf der Reise nach Starohrad zu erlangen hoffte. – Verflucht, daß diese Reise zu Wasser geworden und alle meine hübschen Pläne, alle, alle – selbst das infame Ermshölze dort ist nun hin, nicht einmal das krieg' ich jetzt. – Aber die Rache ist auch etwas! – Hört' oder las ich nicht einmal, sie sei eine Speise für Götter? – Alle trifft sie, alle zusammen, die verhaßten Menschen. Ja, Rache wenigstens werd' ich haben, Rache vollauf! – Ah, sie haben fein kalkuliert, aber den Müller Veit in ihrem Kalkül übersehen, und der macht ihnen nun einen dicken Strich durch die ganze Rechnung.«

Ein derber Schlag auf seine Schulter unterbrach plötzlich dieses stille Selbstgespräch und machte den Müller erschrocken umschauen.

Twerenbold stand vor ihm.

Veits erste Regung beim Anblick des wie aus dem Boden gewachsenen Mannes war der Gedanke, mit einem Seitensprung ins Gebüsch zu springen, um zu fliehen. Allein seine spähenden Augen gaben ihm die beruhigende Versicherung, daß der Abenteurer doch wohl keine schlimme Absicht hege.

In der Tat, Twerenbolds Physiognomie hatte gar nicht mehr den wilden und verstörten Ausdruck von vorhin. Sie war jetzt ganz und gar die eines jovialen Bummlers.

»Guten Abend, Veit,« sagte er in kordialer Weise. »Kalkuliere, ist mir lieb, daß Ihr endlich kommt. Habe auf Euch gewartet, Mann.«

»Auf mich gewartet?« versetzte der Müller mit zurückkehrender Ängstlichkeit.

»Ei, ja doch! Was macht Ihr denn für ein wunderliches Gesicht, Mann? Habe auf Euch gewartet, ist ein Fakt. Fragte in der Mühle nach Euch, hörte, Ihr wäret nach der Stadt auf den Fruchtmarkt gegangen, kalkulierte, würdet beim Heimgehen den Fußweg der staubigen Straße vorziehen, und da hab' ich Euch nun richtig erwischt.«

»Und was wollt Ihr von mir?« »Nur nicht so spritzig, Veit! Rechne, ist das 'ne schlechte Fashion, einem zu begegnen, wenn man kommt, Euch ein omnipotent genteeles Geschäft vorzuschlagen.«

»Ein Geschäft?«

»Ein Geschäft, kalkulier' ich, oder vielmehr zwei transszendental profitable Geschäfte.«

»Ich bin ein Geschäftsmann, Meister Twerenbold, wie Ihr wißt. Laßt also hören.«

»Aha, juckt Euch schon die Hand danach? Rechne, habt recht. Braucht nur zuzugreifen, und ein glorioser Vorteil fällt Euch auf den Teller.«

»Hm, ich weiß, daß, wenn Ihr Geschäfte mit einem macht, Ihr vor allem Euch selbst nicht vergeßt.«

»Ist das menschliche Art, ist es nicht? Kalkuliere, ist es. Wir sind Egoisten allzumal.«

»Laßt die überflüssigen Redensarten, wenn ich bitten darf, und wenn Ihr mich wirklich in geschäftlicher Absicht angetreten, so kommt mit in die Mühle. Wir können dort bei einem Glase Wein weiter sprechen,«

»Sehr verbunden, Meister Veit. Wenn ich Euch so gastfrei vom Weinvorsetzen sprechen höre, fange ich an zu glauben, daß Ihr am Ende noch ein ganzer Kerl werdet. Aber jedes Ding zu seiner Zeit. Rechne, daß ich mein Deputat an Wein für heute so ziemlich bereits zu mir genommen, den gehörigen Schlaftrunk natürlich ausgenommen, und kalkuliere, muß einer klare Augen im Kopfe haben, wenn er mit Euch Geschäfte verhandelt. Mag auch bei so 'ner Abendluft nicht in der Stube hocken. Wollen also, so 's Euch recht ist, zu der Bank am Wasserfall hinaufgehen. Dort stört uns um die Zeit niemand, und wenn wir übereingekommen, wenn wir, wie ich hoffe, übereinkommen können, so läßt sich dann noch vor Tagesschluß das Nötige in Eurem Hause zu Papier bringen.« Der Vorschlag, zum Donnerfall hinaufzugehen, machte den Müller wieder stutzig, allein Twerenbold sprach so ruhig und kordial zugleich, und dann handelte es sich ja um ein Geschäft oder gar um zwei und noch dazu um profitable.

»Was ist denn das für 'ne Schrulle von Euch, Twerenbold,« sagte er, »zu dem dummen rauschenden Wasser hinaufzugehen?«

»Mag 'ne Schrulle sein, Veit; tut aber nichts, rechne ich. Wißt wohl, daß man am besten mit mir fährt, wenn man für meine Schrullen ein Aug' zudrückt. Kommt also, mag nicht länger so mitten auf dem Wege dastehen. Möchte aber doch die Sache rasch zum Abschluß bringen. Bin, kalkulier' ich, ein bißchen pressiert, wißt Ihr?«

»Pressiert? Wieso denn?«

»Bah, hab' Euch schon vor etlichen Wochen im Steinbock drüben merken lassen, daß es mir schier allmächtig langweilig wird hierzulande. Ist das, kalkulier' ich, überhaupt kein Land mehr für mich. Langweile mich wie ein alter Mops, bei Jove! Möchte also wieder über den großen Bach, möchte ich nicht? Möchte, ist ein Fakt.«

»Was geht das mich an?«

»Was das Euch angeht? Kalkuliere, geht Euch etwas an, Mann. Ist das gerade mein Geschäft Nummer eins.«

»Ich verstehe Euch nicht.«

»Werdet mich sogleich verstehen. Wißt ja, daß ich im Besitz von 'ner anständigen Leibrente bin – wißt Ihr nicht?«

»Warum soll ich das nicht wissen?«

»Wohl, ließe sich, rechne ich, ein artliches Geschäft mit mir machen, wenn man mir diese Rente um eine runde Summe abkaufte. Seid Ihr der Mann dazu?«

»Das käme auf die Umstände an,« versetzte der Müller, dessen Geiz Feuer fing und der jetzt ohne weitere Bedenklichkeit dem voranschreitenden Abenteurer folgte, welcher den Weg nach dem Wasserfall eingeschlagen hatte.

»Natürlich kommt es auf die Umstände an,« sagte Twerenbold im Weitergehen. »Kalkuliere, hat jedes Geschäft seine Umstände. Sind aber meinerseits die Umstände die, daß ich baldmöglichst mit 'ner hübschen runden Summe in der Tasche dieser allmächtig schönen und allmächtig langweiligen Gegend den Rücken kehren möchte.«

»Bares Geld ist dermalen rar, Meister Twerenbold.«

»Bah, geht mir, Veit. Damit kriegt man mich nicht dran. Im übrigen sollt Ihr mich kulant finden.«

»Bevor wir weiter sprechen und bevor ich mich diesen verdammten Geißensteig hinaufbemühe, sagt mir eins, Twerenbold. Vorausgesetzt, wir könnten das fragliche Geschäft mitsammen machen, wäre es dann möglich, dem darüber aufzusetzenden Dokumente noch heute die genehmigende Unterschrift des Junker Robert, will sagen des Herrn Rittmeisters, zu verschaffen? Er ist jetzt Graf und Herr zu Wippoltstein und der Ausbezahler Eurer Rente obendrein.«

»Das nenne ich mal eine entente cordiale!« erwiderte Twerenbold lachend, indem er seine Stimme erhob, um das Brausen des Katarakts, welchem sie jetzt schon ganz nahe gekommen waren, zu übertönen. »Rechne, Euch pressiert's nicht minder als mir. Ja, ja, schöne Geister begegnen sich. Heute noch die Unterschrift des jungen Grafen beibringen, sagt Ihr? Warum denn gerade heute noch? Rechne, das ist auch nur 'ne Schrulle.«

»Einerlei. Muß man Euren Schrullen nachgeben, so sehe ich nicht ein, warum ich nicht auch die meinigen haben dürfte.«

»Da ist Spunk darin und Logik, Freund Veit. Hm, ja, wenn Ihr unsere Verhandlung durch schäbiges Knausern nicht zu sehr in die Länge zieht, ließe sich, kalkulier' ich, das Ding mit der gräflichen Unterschrift auch heute noch machen.«

»Oh, das glaub' ich, Twerenbold. Ihr seid ja ganz intim mit dem jungen gnädigen Herrn.«

»Intim? Das gerade nicht; er ist hochmütig wie Luzifer und obenhinaus, wie nur immer ein vom Glück verhätschelter Aristokrat es sein kann. Habe aber die Notion, wird mir der Graf die kleine Gefälligkeit mit der Unterschrift nicht abschlagen. Kann Euch, kalkulier' ich, das versprechen.«

»Das läßt sich hören. Und nun – der verdammte Wasserfall! Man hört ja sein eigenes Wort nicht – ja, gebt mir Eure Verkaufsbedingungen an.«

»Wartet gefälligst, bis wir droben sind auf der Donnerklippe. Ist, rechne ich, das Brausen da, wo wir jetzt sind, gerade am stärksten. Kommt da ein ganz wütender Schwall aus der nassen Hölle da zu unserer Rechten herauf.«

Auf der Stelle angelangt, wo Thekla einst die Frage über den Selbstmord an Robert gerichtet, machte es sich Twerenbold auf der Bank bequem, zog eine Zigarre hervor und setzte sie in Brand. Veit, der jetzt überzeugt war, heute noch ein hübsches Geschäft zu machen, folgte seinem Beispiel, nahm ebenfalls Platz und zündete sich auch einen Glimmstengel an.

»So,« sagte Twerenbold, »hier oben poltert der alte Kerl, der Donnerfall, weniger ungeheuerlich als da drunten, und da sitzen ja wir zwei alten Freunde ganz brüderlich beisammen. Kalkuliere, 's ist doch ein hübscher Ort, die Donnerklippe. Läßt sich, rechne ich, begreifen, daß unsere Vorfahren, wie der alte Frieding behauptet, hier ihrem Gotte Donar Opfer darbrachten – Menschenopfer, Freund Veit. Seht, da sollen sie von der Klippe in den schauerlichen Abgrund hinabgestürzt worden sein. Habe die Notion, mußten die armen Teufel zu Müll, zu Atomen zerschmettert sein, wann sie auf dem Boden des Kessels anlangten. Waren doch schnurrige Bursche, unsere Altvordern, die Herren Germanen – waren sie nicht? Was meint Ihr, Meister Veit?«

»Wo haspelt Ihr hin, Twerenbold? Was geht mich das alte Lumpengesindel mit seinen Götzen an? Laßt uns vernünftig sprechen und von Geschäften.«

»Wohl, sprechen wir von Geschäften. – Mein Geschäft Nummer eins habe ich Euch vorläufig eröffnet. Meinem Geschäft Nummer zwei muß ich eine Frage voranschicken.«

»Was für eine Frage?«

»Was haltet Ihr von dem allmächtig plötzlichen Tod unseres hochseligen Gönners und Freundes, des Grafen Nepomuk?«

Diese Frage war ganz gleichmütig hingeworfen, und doch berührte sie den Müller höchst unangenehm. Er fing an, zu bereuen, mit Twerenbold zu der Donnerklippe heraufgestiegen zu sein. Indessen beschwichtigte er seine aufsteigende Unruhe ziemlich schnell und versetzte möglichst gleichgültig:

»Was sollt' ich Besonderes davon halten? Der Graf war keiner von den Jüngsten mehr, und Nervenschläge lassen nicht mit sich spaßen.«

Twerenbold ließ seine Falkenaugen spähend die ganze Umgebung der Klippe durchlaufen. Dann sagte er:

»Ja, rechne, da habt Ihr recht. Schläge sind überhaupt 'ne inkonvenable Sache und, was das Schlimmste ist, sie kommen oft so unvorhergesehen.«

So sprechend, nahm er mit der Linken die Zigarre aus dem Munde und lüftete mit der Rechten seinen Hut, als wollte er sich hinter dem Ohre kratzen.

Aber plötzlich hob sich seine Hand höher empor, ballte sich zur Faust, und diese fuhr auf Veits Nacken herab mit einer Wucht, daß dem Müller der Atem abschnappte und er vornüber und von der Bank hinab zu Boden fiel.

Im nächsten Augenblick kniete Twerenbold auf der Brust des Müllers, setzte den Daumen seiner Rechten an dessen Kehlkopf und zog ihm mit der Linken aus der Brusttasche ein Terzerol, welches er in den Wasserfall schleuderte.

Sein Gesicht war abermals verwandelt. Es war nicht mehr das eines jovialen Bummlers, es glich dem einer wilden Bestie, die sich auf ihre Beute wirft.

»Hab' ich dich, verräterischer Hund?« schrie er dem Müller in die Ohren, dessen Körper sich mit dem Schweiß der Todesangst bedeckte.

So vollständig war die Überraschung, daß sinnverwirrender Schrecken dem Müller jeden Versuch der Gegenwehr verwehrt hätte, auch wenn die herkulische Kraft seines Angreifers nicht jeden Versuch dieser Art als eitel hätte erscheinen lassen.

Twerenbold ließ die Kehle Veits los, daß dieser wieder etwas zu Atem kommen konnte, faßte mit der Linken die beiden Handgelenke des Müllers, preßte sie wie in einem Schraubstock, ergriff ihn dann mit der Rechten bei der Brust, schwang ihn federleicht empor, trat so hart an den Abgrund und hielt mit seinen eisernen Armen den Entsetzten über die brüllende Tiefe in die Luft hinaus.

»Willst du beichten, alles beichten, oder da hinab?« brüllte der furchtbare Mensch dem halbentseelten Schurken zu.

»Ich will – ich will – alles –« keuchte dieser.

Twerenbold trat zurück, warf den Müller zu Boden und setzte ihm abermals das Knie auf die Brust.

»Höre, Veit, du kennst mich,« sagte Twerenbold. »Wähne nicht, daß ich mich von dir übergaunern lasse. Beim geringsten Versuch, den du dazu machst, stirbst du. Alle Götter, an welche je die Menschen geglaubt, sollen dich nicht aus meiner Hand retten, wenn deine Beichte nicht eine vollständige ist.«

»Ich will, ich will,« winselte der Elende, dem noch immer der tödlich kalte Hauch, womit ihn soeben der Katarakt angeweht hatte, auf der Stirne lag.

»Still!« nahm Twerenbold wieder das Wort. »Merke Wohl auf und nimm dir ein Exempel an meiner Aufrichtigkeit. – Ich beobachtete gestern beim Leichenbegängnis des Grafen deine Miene. Ich sah, daß es dir übel behagte, so unerwartet schnell um einen so freigebigen Gönner gekommen zu sein. Ich sah aber auch, daß du, als der Doktor mit dem Pfarrer von Lerchenau, welcher die Exequien hielt, von dem Nervenschlage sprach, an welchem der Graf gestorben, mit einer ganz eigentümlichen Gebärde die Achseln zucktest. Ich wußte nun, daß du dir über die Sache eine eigene Meinung gebildet hättest, und ich mutmaßte, daß du heute zur Stadt gehen würdest, um dort zu' tun, was du tatest; ja, ich mutmaßte es, denn ich kenne dich. – Still, laß mich ausreden! – Ich hatte Gründe, zu wünschen, du möchtest heute nicht in die Stadt gehen, auch morgen oder übermorgen nicht, und lauerte dir daher in aller Frühe drunten an der Brücke auf. Aber der Satan, dem du immer ein auserwähltes Werkzeug gewesen, mußte dir eingeben, statt zu reiten oder zu fahren, zu Fuß und daher den Fußweg zu gehen. Als ich das auf meine Nachfrage in der Mühle erfuhr, eilte ich dir in die Stadt nach. Ich spähte dich aus und sah dich aufs Kriminalamt gehen, wo du drei volle Stunden verweiltest. Ich sah auch, von einer gegenüberliegenden Kneipe aus, das grinsende Lächeln auf deinem Gesicht, als du herauskamst. Nun wußt' ich, welche Stunde die Glocke geschlagen. – So, jetzt rede! Hier bin ich und dort ist die nasse Hölle. Nichts rettet dich von ihr, wenn du auch nur die kleinste Lüge vorzubringen wagst. Ich muß alles wissen, alles!«

Veit vermochte kaum zu sprechen. Der Todesschrecken war ihm in alle Glieder gefahren und lähmte seine Denk- und Sprachorgane. Eine gräßliche Ahnung flüsterte ihm zu, daß alles umsonst und er den Krallen seines Feindes so oder so nicht entgehen werde. Aber doch dämmerte hinter diesem Schrecklichen ein schwacher Hoffnungsschimmer, daß er durch ein offenes Bekenntnis sein Leben würde erkaufen können. Seine Feigheit griff danach, wie der Ertrinkende nach einem Strohhalm greift.

»Nun, wird's bald? Sprich!« herrschte ihm Twerenbold ungeduldig zu.

Veits Stimme kam keuchend, fast pfeifend aus der gepreßten Brust:

»Ich – ich glaubte nicht an den – Nervenschlag.«

»Sondern?«

»An einen – Mord.«

»An einen Mord?«

»Ja«

»An dem Grafen begangen?«

»Ja.«

»Von wem?«

»Von – von der – Gräfin.«

»Von ihr allein?«

»Und von dem jungen Herrn.«

»Und weiter?«

»Von der Lore.«

»Und?«

»Von – Euch.«

»Da hätten wir beinahe ein Halbdutzend Mörder. Eine hübsche Anzahl, um einen alten Gecken aus der Welt zu schaffen. Weiter!«

»Ich hing meinem gnädigen Herrn an –«

»Bah, du schröpftest ihn nach Gefallen, das war die ganze Anhänglichkeit. Keine Lüge, nicht einmal eine gleichgültige, hörst du? – Du wolltest dich rächen, nicht?«

»Ja.«

»Wofür?«

»Für mancherlei.«

»Dafür, daß man dich als den Hund behandelte, der du bist, nicht wahr?«

»Ich wollte mich rächen.«

»Und zu diesem Zwecke gingst du vor Gericht und legtest daselbst eine Denunziation nieder?«

»Ja.«

»Worauf lautete sie?«

»Auf Vergiftung.«

»Worauf stütztest du deine Mutmaßung?«

»Es war Überzeugung.«

»Überzeugung? Gleichviel, was verschaffte dir diese Überzeugung?«

»Die Art und Weise, wie der Graf gestorben.«

»Bah! Das müßte schon ein sehr geschickter Arzt gewesen sein, der daraus eine solche Überzeugung hätte schöpfen können. – Du hattest noch andere Gründe für deinen Verdacht.«

»Ja, ich hatte.«

»Welche?«

»Am Abend vor der Nacht, in welcher der Graf starb, wollte ich in meinem Boote den See hinauf zum Schlosse fahren, weil ich dem gnädigen Herrn etwas Notwendiges zu sagen hatte. Das Wasser war unruhig, und es regnete. Trotzdem sah ich die Gräfin in ihrer Gondel allein über den See rudern. Das verwunderte mich, und als ich die Gräfin auf die Einsiedelei zuhalten sah, da dacht' ich, es müßte etwas um die Wege sein. Ich tat also, wie wenn ich den Kahn wendete und nach der Mühle zurückführe, trieb aber mein Boot allmählich dem linken Seeufer zu, etwas unterhalb der Einsiedelei. Die Gräfin schien mich übrigens gar nicht zu bemerken, sondern hielt den Blick unverwandt der Einsiedelei zu gerichtet. Dort landete sie und ging hinein. Ich fand mit Mühe eine Stelle, wo ich der abschüssigen Felsen wegen anlanden und mein Boot halb ans Ufer ziehen konnte. Dann schlich ich mich am Gestade hinauf, das heißt, ich überkletterte die Felsen, bis ich zu dem Pfad kam, der von der Mühle zur Einsiedelei hinaufführt, und auf diesem ging ich weiter.«

»Und dann?«

»Dann späht' ich, an Ort und Stelle gekommen, um das Häuschen her.«

»Und bemerktest?«

»Anfangs gar nichts, denn ich konnte mich nicht wohl an die Fenster hintrauen. Wie ich aber so lauerte, kamen die Gräfin und die Lore heraus und gingen mitsammen in die Kapelle. Ich schlich um dieselbe herum und schob mich mit Hilfe eines daliegenden Holzklotzes zu einem Fenster empor, so daß ich ins Innere hineinsehen konnte.«

»Und was hast du da gesehen?«

»Die Lore hob mit einem Stemmeisen eine der Steinplatten des Fußbodens auf und nahm aus einer Höhlung darunter ein kleines eisernes Kistchen. Das öffnete sie und langte daraus zwei winzig kleine Flakons, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt zu sein schienen. Sie betrachtete die Fläschchen genau und legte das eine wieder in das Kistchen, machte dasselbe zu und verbarg es wieder unter der Steinplatte.«

»Und das andere?«

»Das andere gab sie der Gräfin.«

»Und dann?«

»Dann gingen sie aus der Kapelle und wieder in das Häuschen, wo sie viel miteinander zu reden haben mußten, denn es währte eine gute Weile, bis die Gräfin herauskam, um in ihre Barke zu treten und heimwärts zu rudern.«

»Das also war der große Verdachtsgrund?«

»Ja.«

»Und warum, wenn dir die Sache verdächtig vorkam, hast du den Grafen nicht gewarnt?«

»Ich wollte es tun. Ich eilte, in mein Boot zu kommen, und ging dann von der Mühle aus spornstreichs nach dem Schloß und verlangte den Grafen zu sprechen; aber ich konnte nicht vorkommen und wurde auf den andern Tag beschieden, denn er hatte sich mit seinem Sohne eingeschlossen und wollte schlechterdings nicht gestört sein.«

»Und das, was du in der Einsiedelei gesehen, machte den Inhalt deiner Deposition bei Gericht aus?«

»Ich hatte noch ein Indizium.«

»Was für eins?«

»Einer von der Schloßdienerschaft hatte mir gestern mitgeteilt, daß er kurz zuvor, ehe die Unterredung des Grasen mit seinem Sohne zu Ende, ging, eine weibliche Gestalt, in welcher er mit Bestimmtheit die Gräfin erkannt haben will, über den Korridor schlüpfen sah, der zwischen der Zimmerreihe, in welcher des Grafen Schlafgemach liegt, und der westlichen Flügeltüre des Ahnensaals sich hinzieht. Die Gestalt schien aus dem Eingang zum ersteren oder zu einem Nebengemach zu kommen und verschwand in der Türe des Saals.«

»Wer ist der Kerl, von dem du das erfahren?«

»Der alte Tafeldecker Wilms.«

»Er war dein Mitspion?«

»Er half mir die Befehle des gnädigen Herrn vollziehen.«

»Du schlossest aber auch den jungen Grafen in deine Anklage ein. Warum?«

»Ihr kennt ja wohl sein Verhältnis zur Gräfin.«

»Und die Lore?«

»Von ihr kam das Gift.«

»Aber warum mich?«

»Ich wußte, daß Ihr die Lore Eure chemischen Künste gelehrt hattet.«

»So, so! Mit andern Worten heißt das, du wolltest uns alle mit einem Schlage treffen, und die Rechnung, kalkulier' ich, war wirklich nicht übel gestellt. – Aber jetzt noch eins. Wie wurde deine Denunziation aufgenommen?«

»Anfangs mit Zweifel und Mißtrauen.«

»Und dann?«

»Dann glaubte man mir.«

»Und warum ist das Gericht nicht auf der Stelle eingeschritten?«

»Es wäre vielleicht schon hier, aber es wollte den Doktor Hassig mitbringen, und der wird erst heute abend von einem Ausflüge zurückerwartet.«

»Den Hassig, den berühmten Chemiker?«

»Ich denke wohl.« »Der soll gewiß die Obduktion des Leichnams vornehmen?«

»Wahrscheinlich.«

»Man legte dir natürlich strengstes Stillschweigen auf?«

»Freilich.«

»Und du, hast du nicht noch einen Umstand angegeben?«

»Nur das noch, daß ich sagte, es wären Anzeichen vorhanden, die von seiten des jungen gnädigen Herrn und der Gräfin auf die Absicht, zu fliehen, hindeuteten.«

»Was sagte man dazu?«

»Man nahm Notiz davon und hat, glaub' ich, sogleich die nötigen Vorkehrungen getroffen.«

»So, so! Hm, du bist ja allerliebst umsichtig gewesen, rechne ich, mein guter alter Freund.«

Die Fragen Twerenbolds hatten jetzt aufgehört. Die ruhige Manier, womit sein Feind zuletzt das Verhör geführt, hatte den Müller in seiner Hoffnung auf Rettung bestärkt, und es schien ihm nun geraten, seinerseits noch weitere Hebel in Bewegung zu setzen.

»Lieber Twerenbold, habt doch ein Einsehen und nehmt jetzt Euer Knie von meiner Brust weg; Ihr zerquetscht mir sie ja. Ich will Euch auch alles zuliebe tun, was ich kann. Wollt Ihr das Geschäft, das Ihr mir vorhin vorgeschlagen, abschließen, so sollt Ihr finden, daß ich keineswegs der schäbige Knauser bin, für welchen Ihr mich zu halten scheint, und das Geld sollt Ihr auf der Stelle haben, das bare blanke Gelb. Was sodann die Untersuchung von wegen der Mordgeschichte betrifft, so läßt sich für Euch die Sache wohl zum Guten wenden. Bedenkt, auf mein Zeugnis kommt viel, sozusagen alles an, und da kann ich ja meine Angabe, sofern sie Euch betrifft, möglichst mildern oder gar völlig zurücknehmen. Ja, das will ich tun, ich schwör' es. – Oder wißt Ihr was? Wenn es Euch überhaupt unbequem sein sollte, mit den Gerichtsleuten zu tun zu haben, so sagt nur ein Wort. Ich will Euch drunten in meiner Mühle ein Versteck anweisen, ein ganz behagliches Versteck, wo Euch der schlaueste Kerl von Häscher nicht finden soll. Dort bleibt Ihr, bis der ganze Lärm vorüber, und dann könnt Ihr ja, weil Ihr Euch hierzulande doch langweilt, wieder nach Amerika gehen. An Reisegeld soll's Euch nicht fehlen, auch wenn, was ich bedauern würde, unser Handel mit der Leibrente nicht zustande käme. – Was meint Ihr? Wollt Ihr? Ich biete Euch jede Garantie.«

»Veit,« lautete die Antwort Twerenbolds, »siehst du die ungeheure Felswand da droben, von welcher der Donnerbach den ersten seiner drei Satze herabmacht?«

»Was soll's mit der Wand?«

»Nur dieses, daß, so wenig die soeben untergegangene Sonne jenen Felsen schmelzen konnte, so wenig ihn die morgen aufgehende Sonne schmelzen wird, du ebensowenig von dem mich abbringen kannst, was ich tun will und werde. Ich ließ dich nur plappern, weil man solche kleine Gefälligkeiten einem Sterbenden nicht versagen soll.«

»Einem Sterbenden?«

»Einem Sterbenden, du sagst es.«

»Ihr treibt einen gräßlichen Scherz! Laßt das, meine Nerven ertragen das nicht länger. Ihr habt mir mein Leben zugesichert, wenn ich beichten würde.«

»Und wenn ich's getan, was weiter? Du hartgesottenster aller Sünder, die mir je vorgekommen, abgefeimtester aller Spitzbuben, machte deine jämmerliche Feigheit dich wirklich so dumm, zu glauben, der verratene Twerenbold würde dich seinen Händen entrinnen lassen? Still! Kein Wort mehr, du hast ausgesprochen, bis du dem Satan deine infame Laufbahn erzählen gehst. Du hast gebeichtet, ja – wohlan, ich werde dich absolvieren in meiner Art. Doch zuvor höre. Du bist sozusagen der böse Dämon meines Lebens gewesen. Du hast die dreimal verfluchte Liebschaft zwischen deinem zur Hölle gefahrenen Herrn und der Lore angezettelt oder wenigstens mit allen Mitteln gefördert. Erinnerst du dich jener Wippoltsteiner Kirmes, wo du den Hund von Jägerburschen angestiftet, mich zum Gegenstand eines infamen Kiltgangspaßes zu machen? Still, keine Silbe! – Du hast mich zum Werkzeug des unerhörten Verbrechens deines Grafen gemacht, hast mein Leben vergiftet, hast die Lore und mich zugrunde gerichtet. Und nicht genug damit! Du hast in deiner tölpischen Bosheit auch die Pläne durchkreuzt, die ich mit Robert und der Gräfin hatte, Pläne, die mir liebgeworden, die mir für den Rest meines Lebens Beschäftigung und die nötige Emotion verschaffen sollten. Endlich bist du hingegangen, mich in ein Vergiftungskomplott hineinzulügen, in der bestimmten Erwartung und Hoffnung, du würdest das Vergnügen haben, mich auf dem Schafott oder wenigstens im Zuchthaus zu sehen. – Für das alles nehme ich meine Rache. – Oh, ich weiß recht gut, die Moral der ganzen Weltgeschichte ist die, daß gerade die größten Schurken immer frei ausgehen. Aber ich will in unserem Fall wenigstens dieser Moral mal ein Schnippchen schlagen. – Du stirbst, bevor fünf Minuten um sind! Ich bringe dich dem alten Donar zum Opfer.«

Veit erkannte den furchtbaren Ernst dieser Worte und seiner Situation.

Ein häßliches Bleigrau ergoß sich über sein vom Todesschweiß perlendes Gesicht.

Man erzählt von einem Fuchs, der, im Hochgebirg von einem Lämmergeier gepackt und in die Luft geführt, sachte seine Schnauze freizumachen wußte und seinem Feinde plötzlich die Kehle durchbiß, daß er ihn fahren lassen mußte.

Ähnliches gelang jetzt auch dem Müller Veit, wenn auch nicht in dem Grade.

Während Twerenbold sprach, hatte er die Handgelenke des Müllers allmählich weniger fest gepreßt, weil er, seiner Kraft bewußt, kaum für nötig hielt, besonders auf seiner Hut zu sein.

Der Müller, in all dem Wahnsinn seiner Angst, erspähte seinen Vorteil, zog plötzlich seine Rechte aus der Linken des Abenteurers und versetzte diesem unversehens mit aller Macht einen Stoß in die Magenhöhle.

Der Stoß war gut geführt. Twerenbold fuhr zurück und taumelte empor.

Im nämlichen Augenblick stand Veit auf seinen Füßen und hob sie zur Flucht.

Aber im nächsten Moment hatte ihn sein schnellgefaßter Feind schon wieder ergriffen, und jetzt begann auf der Donnerklippe, nur wenige Fußbreiten von dem schrecklichen Abgrund entfernt, ein Ringen um Leben und Tod.

Nichts, hat man mit Recht gesagt, nichts vielleicht ist furchtbarer als der wütende Streit der tierischen Kraft, die keine anderen Waffen hat als die, welche die Natur der Wut verleiht.

Es war entsetzlich anzusehen; wie die beiden Männer miteinander rangen, wie sie, einander umfassend, einer dem andern die Hand um die Kehle zu legen suchten, die blutunterlaufenen Gesichter zurückgebogen, die Augen wutfunkelnd, die Lippen offen, zwischen den zusammengebissenen Zähnen Gekeuch und Flüche hervorstoßend; wie sie umeinander sich herwanden und krümmten, auf dem beschränkten Terrain sich stießen und drängten, daß es mehrmals den Anschein hatte, sie würden beide zugleich in den donnernden Schlund stürzen.

Die Verzweiflung hatte dem Müller eine Stärke verliehen, welche der natürlichen seines Gegners für einige Augenblicke gleichkam. Aber auch nur für einige Augenblicke. Veit fühlte, daß seine Muskeln dem eisernen Drucke Twerenbolds nachgaben.

Mit einem plötzlichen Ruck entraffte er sich dem Feind, und sein Blick glitt gedankenschnell auf den Pfad, den einzigen, der von der Donnerklippe wegführte. Aber gerade von dieser Seite stürzte Twerenbold schon wieder auf ihn los. Da, außer sich, sinnlos, taumelnd, wagte der Elende das Ungeheuere.

Dem Griffe Twerenbolds entwischend, sprang er bis zu der Bank zurück, dann vorwärts, um mit einem rasenden Satz über den Abgrund wegzuspringen.

Einen Augenblick zeichnete sich seine Gestalt auf dem schaumweißen Wassersturz ab, dann verschwand sie.

Ein entsetzlich gellender Schrei schnitt durch den Donner des Katarakts herauf. Dann rollte dieser Donner fort, wie er rollen wird bis ans Ende der Zeiten.

Twerenbold wischte sich den Schweiß von der Stirne.

Dann schlug er ein wildes Gelächter auf und sagte:

»Der alte Donar hat sein Opfer, kalkulier' ich. Ja,« fuhr er fort, »der ist besorgt und aufgehoben, ebensogut als jener Spion und Denunziant in Schillers Ballade vom treuen Fridolin. Aber leider kann ich das Zitat nicht zu Ende führen und sagen: Der Graf wird seinen Diener loben. – Der Tod des Schurken ändert nichts, gar nichts; er macht im Gegenteil die häßliche Geschichte noch verwickelter. Das ist gerade so ein rechtes Fressen für Dame Justitia. – Achatius Twerenbold, wollen wir offen gegeneinander sein, so muß ich dir sagen: die Posse ist ausgespielt; wir haben, kalkulier' ich, nur noch den Vorhang herabzulassen. – Quer das, sehr quer! Ja, wenn die verfluchte Erfindung da nicht wäre, die elektrischen Telegraphen, da ließe sich wohl noch ein passables Nachspiel herauskalkulieren. So aber geht's nicht. – Der Hassig ist auch nicht der Mann, welcher sich eine Nase drehen läßt. Verdammt! Warum hat die Lore zu dem langsamen und qualvollen Blitze gegriffen, statt zu dem plötzlichen, schmerzlosen und spurlosen? Hätte ihr auch dieser genügen können, rechne ich. Oh, Weiber! Weiber! Ich fange am Ende noch zu glauben an, daß das alte Buch mit seiner Geschichte von der lüsternen Eva doch nicht so ganz auf dem Holzweg ist. – Aber das ist nun alles völlig gleichgültig, völlig. – Hm, die alten Poeten mochten doch wohl Grund haben, von der Nemesis zu fabulieren; 's ist was dran, kalkulier' ich. – War' ich nun so ein infamer Kerl, wie der Veit vor einigen Minuten noch einer war, so könnt' ich mich mit der Vorstellung kitzeln, daß es hübsch sein müßte, den Letzten des Hauses Wippoltstein mit seiner schönen, stolzen Dame aufs Schafott wandern zu sehen. Aber nichts da! Der Junge ist im Grunde ein wackerer Bursch und sie ist ein ganzes Weib. Sie sollen wenigstens die Wahl haben zwischen zweierlei. Können dann wählen, was ihnen besser gefällt.«

Unter diesem Selbstgespräche war Twerenbold von der Klippe herabgestiegen und verfolgte den Lauf des Donnerbachs bis zu dessen Mündung im See. Dort schlug er mit einem Stein die Kette los, welche das Boot des Müllers am Haltblock befestigte, machte das Fahrzeug flott und wandte den Bug desselben dem Schlosse zu.


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