Johannes Scherr
Nemesis
Johannes Scherr

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20. Tropisches.

Eine lange Pause trat ein, als die Traumlore, am Schluß ihrer Erzählung in die monotone Weise, womit sie begonnen, zurückfallend, dieses Stück Romantik beschlossen hatte.

Draußen ging noch immer der Sturm und schlug prasselnde Regenschauer an die kleinen Fenster.

Robert fühlte sich von der traurigen Sage wie von dem ganzen Wesen der Erzählerin gleich unheimlich berührt. Er sehnte sich aus dieser Umgebung fort und trat ans Fenster, um zu sehen, ob es noch nicht möglich wäre, fortzukommen. Ein Blick auf den See und in das Unwetter hinaus überzeugte ihn zu seinem Leidwesen, daß er Thekla den Aufbruch noch immer nicht zumuten durfte.

Mit Behagen seinen Wein schlürfend, unterbrach Twerenbold die in dem Zimmer herrschende Stille, indem er sagte:

»Habe die Notion, man tut am besten, wenn man solche blutige Geschichten unter dem übrigen Gerümpel verschollener Tage ruhen läßt. Macht einem nur gruselig, diese Romantik. Sind, kalkulier' ich, die Amerikaner doch glücklich daran, daß sie von all dem mittelalterlichen Wust nichts wissen. Sitzt einem das vertrackte Zeug auf der Brust wie die moderige Luft in den alten Kellern und Verliesen. Ist keine Frolik dabei, nichts als Barbarei, pure Barbarei. Begreife nicht, wie anständige Leute an dem Zeug Gefallen finden können. Ist, rechne ich, kein Sinn und kein Verstand darin.«

»Sie erwähnten der Amerikaner,« bemerkte Robert, nicht gewillt, auf die antiromantische Äußerung einzutreten, aber froh, einen Gesprächsgegenstand zu finden, welcher von dem vorhin Berührten fernab lag. »Ihr Aufenthalt in der neuen Welt hat Sie mit Land und Leuten wohl genau bekannt gemacht?«

»Kalkuliere, ich darf sagen, daß er es hat. Wenn man so an die zwanzig Jahre in allen möglichen Fashionen und Situationen in einem Lande umhergeworfen wird, hat man, rechne ich, Gelegenheit, Land und Leute omnipotent genau kennen zu lernen. Könnte ein merkwürdig interessantes Buch darüber schreiben. Konveniert mir aber nicht.«

»Sie sind in Amerika weit umhergekommen?«

»Vermute, konsiderabel weit. War ein fahrender Mann, Herr Graf, ließ mir kein Moos unter den Füßen wachsen. Ist ein Fakt, bei Jove! Sah Nordamerika von den Kanadas bis hinab zur Landenge von Panama, sah auch ein erkleckliches Stück von Südamerika. Bin im Broadway von Neuyork flanieren gegangen, habe an den großen nördlichen Seen gejagt, im Mississippi gefischt und in den kalifornischen Minen gewühlt. Könnte Ihnen höllisch nette Abenteuer erzählen und sind, rechne ich, einige darunter, die, was das Gruselige betrifft, mit der Mordgeschichte der Lore wohl den Vergleich aushielten,« »Und wo hat es Ihnen in Amerika am besten gefallen?« »Mir persönlich? Ohne Anstand in Zentralamerika oder, noch spezieller zu reden, in Nicaragua. Kommt aber, kalkulier' ich, ganz darauf an, in welcher Fashion man da drüben lebt und leben will. Ist für unser auswanderndes Bauernvolk die Union von den Niagarafällen an bis hinab zu den Bergen Virginiens die passendste Gegend, und sind die Städte in diesem Strich für den deutschen Handwerker und Kaufmann die ratsamste Lokalität. Sind das, rechne ich, Gegenden, wo eine Bauernfamilie. wenn sie sich ein paar Jahre lang tüchtig abplacken will, es zu 'ner reellen Farm bringen kann und wo einem geschickten und fleißigen Handwerker oder noch besser einem gewitzigten Handelsmann, namentlich falls er noch ein größerer Gauner ist als die Yankees, das Geldmachen gelingt. Wenn aber ein Gentleman, der nicht nötig hat, aufs Geldmachen auszugehen, nach Amerika auswandert, so wird er sich hüten, in dem Land der Yankees sich niederzulassen. Ist ein omnipotent langweiliges, poesieloses, albern puritanisches Land, voll näselnder Methodisten und sektiererischer Schnurrpfeifereien, Gott verdamme sie! Schneit dort auch und ist der Winter gerade so zudringlich kalt wie hier, ja noch viel kälter. Rechne aber, ist nicht der Mühe wert, über den Ozean zu schiffen, wenn man drüben auch nur einen weißen und einen grünangestrichenen Winter haben soll, wie hierzulande. Und sind, kalkulier' ich, die Leute, meine hochzuverehrenden Herren Mitbürger, auch nicht sehr einladend. Ist zwar eine ganz schöne Sache um die Dollars, keine Frage. Wird einem Manne von Bildung aber doch schier unausstehlich langweilig, inmitten von Kerlen zu leben, die, von der Dollarswut besessen, für anderes gar kein Organ haben. Höllisch prosaisch das, ist ein Fakt.«

»Sie sagten, das in Zentralamerika gelegene Nicaragua hätte Ihnen am besten gefallen.«

»So sagt' ich, und mag ich geteert und gefedert werden, wenn dem nicht so ist. Sag' Ihnen, Herr, ein pompöses Land, dieses Nicaragua. Ein Schlaraffenland, ein Paradies! Durchreiste es, aus Kalifornien kommend, vom Golf von Fonseca an bis zur Bai von San-Juan, der ganzen Länge nach. Ein himmlisches Land, und die Bewohner, was sind sie schön, gutherzig und gastfrei! Wahre Lotophagen, kalkulier' ich. Und um ein Spottgeld kann man leben wie ein Grandseigneur. Denk' ich dieser leise, bei der es an vielen und langen Rasten nicht fehlte, wird mir altem Kerl ganz wuselig wohl, ganz jugendlich töricht poetisch zumute, bei Jove! Ein Klima, himmlisch heiter und gerade recht für einen anständigen Menschen, der nur arbeiten muß, was er gelegentlich will, und ein Firmament von klarster Bläue, zur Abwechselung ein tropisches Gewitter, gegen dessen Majestät die unserigen sich ausnehmen wie das Rumpeln eines Karrens gegen das Rauschen des Donnerfalls, und eine tropische Vegetation von märchenhafter Pracht, die einen mit wundervollen Blumen und Blüten überschüttet und einem entzückende Früchte mühelos in den Schoß wirft. Herrliche Flüsse und weite Seespiegel, von malerischen Gebirgen umgeben, aus welchen grandiose Vulkane aufragen. Pompose Bursche, diese Vulkane, kalkulier' ich; dieser Ometepek, Masaya, Momotombo und Momobacho. Was erlebt man da für Farbenspiel bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, wie schön die Tage und wie köstlich die Nächte, wenn der Mond der Tropen, ein ganz anderer Kerl als unser blöder, sentimentaler Geselle, die silberblitzenden Wasser beleuchtet und seine grüngoldene Lichtfülle den Saum des Urwaldes entlang wirft! Wie wunderschön, von den Hügeln bei Granada auf den gewaltigen Nicaragua-See hinabzublicken, wann rechts der Masaya und links der Momobacho in den ersten Strahlen des Tagesgestirns wie ungeheuere Pyramiden von geschmolzenem Gold erglühen! Welches wilde Entzücken, auf mutigem Nenner mit offener Brust über eine dieser Savannen hinzufliegen, deren tiefgrüner Sammetboden fast verschwindet unter der Überfülle üppigster Blumenpracht! Welche Wollust des Daseins, zu rasten unter diesen Gruppen von Orangen, Myrten, Pisangbäumen, Bananen, Jokotes, Mameis, Palmen, Zedern, Cebien und anderen Bäumen, unter deren Blättergrün die goldenen Früchte hervorlauschen und deren Blüten die Luft mit balsamischen Düften erfüllen! Weithin öffnet sich vor uns der Blick auf ein Land voll unermeßlicher Fruchtbarkeit. Dort stürzt eine Schar bunter Papageien bei unserem Anblick in wildem Fluge davon, hier blickt eine Gruppe von Affen, drollige Grimassen schneidend, aus den Baumwipfeln auf uns herab, und an uns vorbei schießen wie Lichtstrahlen Dutzende von prachtvoll gefärbten Eidechsen. Ah, kalkuliere, wiegt eine so verlebte Stunde zehn Jahre europäischen Philisterlebens auf. Anmutiges Leon, wie könnte ich deiner vergessen und deiner anspruchslosen und doch so reizenden Tertulias! Oder gar deiner, himmlisches Nindiri, das du so traulich dich eingebettet unter das Dach deiner ewiggrünen, Duft streuenden Bäume, die ihr Gezweig über deinen Gassen und Gärten verschlingen und über den Hütten deiner idyllischen Bewohner grüne Dome bauen! Und doch sind die Inselgruppen im Managua-See und im Nicaragua-See fast noch schöner.

Erinnere mich,« fuhr Twerenbold fort, als er wahrnahm, daß Robert und die Gräfin seinen Worten mit gespannter Aufmerksamkeit folgten, »erinnere mich mit Entzücken einer Bootfahrt, die ich nach der im letztgenannten See gelegenen Gruppe von Eilanden machte, welche Los Corales heißen. Nichts Reizenderes als diese Inseln und Inselchen vulkanischen Ursprungs. Eine üppige Vegetation übergrünt sie, doch gelingt es derselben nicht immer, die schwarzen Felsen ganz zu verhüllen, und wenn diese finster auf das klare Wasser niederschauen, erhöht das durch Beimischung einer gewissen Wildheit den sonst so sanften und traulichen Charakter des landschaftlichen Bildes. Wilder Weinreben saftgrüne Fülle überzieht mit glänzenden roten und gelben Blüten die Felsen und die auf und zwischen denselben wurzelnden Bäume, hängt in zierlichen Girlanden von dem Gezweige bis auf das Wasser herab und bildet, durchzogen von den Blütenglocken der Gloria de Nicaragua, jener Blume von himmlischem Geruch, ein ewiggrünes Laubdach von einer Dichtheit, welche selbst die Sonne der Tropen nicht zu durchdringen vermag. Die meisten der Corales haben angebaute Stellen, und da liegen dann, gegen den dichten grünen Hintergrund von Pisangbäumen sich abhebend, die pittoresken Rohrhütten der Bewohner, umgeben von schlanken Palmen oder mit Goldfrüchten beladenen Papayas. Im Vordergrund eine Gruppe nackter, brauner Kinder im lärmenden Spiel; dann ein unter den majestätischen Riesenbäumen zum Ufer sich hinabschlängelnder Pfad; eine Canoa, die dort rasch und geräuschlos über den Seespiegel dahinfliegt; ein schönes Indianermädchen, nackt bis zum Gürtel, einen purpurfarbenen Schurz um die Lenden, ihr reiches, schwarzglänzendes Haar über Nacken und Brust bis zu den Knien hinabfließend; auf den Zweigen eine geschwätzige Versammlung von Papageien; gegenüber ein Paar schreiender Makaos, in der Luft schwebenden Stückchen eines Regenbogens vergleichbar; neugierige Affen, zwischen den Weinranken hervorlugend; farbenblitzende Iguanas, die hohen Ufer hinaufkletternd; am Wasserrand langbeinige und langhalsige Kraniche, mit dem weißen Gefieder aus dem grünen Hintergrund scharf hervortretend; hier zur Rechten über dem See die in Purpur getauchten Abhänge des gewaltigen Momobacho, dort zur Linken die vom schrägfallenden Sonnenlicht vergoldeten Gestade von Chontales, über dies alles ein goldstrahlender, an den Rändern violett gesäumter Himmel: das sind so ungefähr die Elemente einer landschaftlichen Szenerie, welche sich dem Gedächtnis unauslöschlich einprägt.«

»Ah,« rief Thekla aus, »das muß ein himmlisches Land sein! Da, wenn irgendwo, ist das Paradies. Da möcht' ich wohnen!«

Und ein Blick, der aus ihren schönen Augen zu Robert herüberstrahlte, fügte hinzu:

»Mit dir!«

Er wurde verstanden, denn Robert nickte lächelnd.

Twerenbold stand auf, öffnete ein Fenster und bemerkte, Sturm und Unwetter seien vorüber.

Er mochte seine Gründe haben, das Paar unter dem Eindrucke seiner Schilderung von Nicaragua aus der Einsiedelei zu entlassen.

Das Gewitter war jetzt wirklich mit seinen letzten Nachschauern vorüber, zugleich aber auch die Dämmerung eingetreten.

Die Männer gingen hinaus, um den Kahn der Lore zur Überfahrt zu rüsten, was bald getan war. Twerenbold erbot sich, zur Beschleunigung der Fahrt das vordere Ruder zu führen, allein Robert wußte das Anerbieten höflich abzulehnen, und jener ließ sich das um so lieber gefallen, als der junge Mann gegen ihn den Wunsch äußerte, ihn morgen im Schlosse zu sprechen.

Die Lore gab der Gräfin bis zum Ufer hinab das Geleit.

»Ich werde schon in den nächsten Tagen wiederkommen, liebe Lore,« sagte Thekla, »um Ihnen Ihre Kleider zurückzubringen und Ihnen nochmals für Ihre freundliche Aufnahme meinen Dank zu sagen.«

»Kommen Sie, so oft es Ihnen gefällt, gnädige Frau,« entgegnete die Einsiedlerin. »Stets werden Sie willkommen sein. – Und wenn,« setzte sie hinzu, ihre Stimme zum Flüstern dämpfend, »wenn Sie, die Glückliche, je in Kummer und Bedrängnis geraten sollten, dann kommen Sie vertrauensvoll zu mir. Die alte Lore ist schon manchem jungen Herzen in Sorgen und Nöten mit Rat und Tat beigestanden, und was immer es sei, was immer ich tun kann, für Sie würde ich es tun.«

Hätte sich Thekla Zeit genommen, der Lore, als ihr diese das zuflüsterte, in die Augen zu blicken, sie hätte sich vielleicht bedacht, der Frau gleichsam zur Bekräftigung des gegebenen Versprechens die Hand zu reichen, wie sie tat.

Von Roberts kräftigem Ruderschlag in Bewegung gesetzt, verließ der Weidling die kleine Bucht. Twerenbold rief den Abfahrenden noch zu, daß er morgen früh die Barke der Gräfin an der Mündung des Gluribachs abholen und seeüber bringen würde. Dann sahen er und die Einsiedlerin dem kleinen Fahrzeug nach, bis es, die noch immer ziemlich aufgeregte Wassermasse durchfurchend, allmählich in der Dämmerung verschwand.

»Achaz,« sagte die Lore nach einer Weile, »habt Ihr das Spiel der beiden bemerkt?«

»Ihr auch, Lore? Rechne, die Weiber haben für das scharfe Augen. Bedarf es aber, kalkulier' ich, nicht einmal der Weiberaugen, um zu sehen, wie die mitsammen stehen. Ist 'ne alte Geschichte, daß Liebesleute von dem wunderlichen Wahn befangen sind, jedermann sei für die hundertfältigen unwillkürlichen Äußerungen ihrer Glut blind und taub. – Aber das ging ja, bei Jove, omnipotent rasch,« setzte er mit zynischem Lachen hinzu. »Wie sagt doch der Poet? Ja, richtig:

Das ging ja wie mit Extrapost!
Nun kommt die Zeit der Löffelei,
Wo just im dicksten Erdenbrei
Und bei der pursten Sinnenkost
Die Menschlein himmlisch phantasieren
Und in den überirdischen Revieren
Den letzten Rest Verstand verlieren.«

»Hört, Achaz, Ihr habt wohl nicht ohne Absicht Euch so poetisch über Euren Aufenthalt in Nicaragua ausgelassen?«

»Nicht ohne Absicht, meine gute Lore, und auch nicht ohne Erfolg. Die Fischlein haben angebissen, kalkulier' ich. Habe die Lichtseiten jenes Landes glänzend genug ausgemalt, hab' ich nicht? Von den Schattenseiten schwieg ich weislich. Paßten die Alligatoren und Schlangen, die Hitze, der Schmutz, die höllischen Erdbeben und die noch höllischeren Moskitos, Flöhe, Skorpione und all das infame Teufelszeug nicht in mein Gemälde, welches jedoch diesen kleinen Auslassungen zum Trotz im ganzen ein wahres ist. – Aber was poltert denn da hinten?« »Es ist wohl nur ein von dem Regen gelockerter Stein, der von der Felswand hinter der Kapelle herabfiel.«

Twerenbold hatte sich bei dem Schall umgewandt, aber nicht schnell genug, um den Schatten wahrzunehmen, welcher zwischen der Hütte und der weiter nach hinten stehenden kleinen Kapelle hervorhuschte, um augenblicklich in der engen Kluft zu verschwinden, wo der selten betretene Fußsteig nach der Donnerfallmühle hinab seinen Anfang nahm.

»In Wahrheit, liebe Lore,« fuhr Twerenbold fort, »dieses Nicaragua ist ein schönes Land, und denk' ich dran, krieg' ich so etwas wie Heimweh. Hätt' ich die Mittel zu einem sorgenfreien Leben besessen, wär' ich dort geblieben. Kann mich mit dem kalten Zeugs da, was sie hier herum ein gemäßigtes Klima nennen, nicht mehr recht befreunden. Sind mir auch diese prosaischen Leute zuwider. Kann unter ihnen keine rechte Frolik aufkommen, müssen zu viel daran denken, sich ihren lumpigen Magen zu füllen. Möchte mich wieder unter Palmen in einer Hängematte schaukeln. Ist lieblich das, kalkulier' ich, absonderlich, wenn einem dabei eine hübsche kaffeebraune Dirne die Fliegen abwehrt. Will also sehen, daß es mir wieder so wohl wird. Ist mir hier zu eintönig und langweilig. Habe aber die Grille, diesmal nicht allein über den Ozean zu fahren.«

»Ihr glaubt –«

»Ich glaube, daß die Familienchronik des hochedlen Hauses Wippoltstein demnächst um einen großen Skandal reicher sein wird. Kalkuliere, das Thema dieses familiengeschichtlichen Kapitels wird Flucht und Entführung sein, und wenn's Euch beliebt, liebe Lore, könnt Ihr mit dem alten Romantiker Frieding zusammen die Historie in eine Ballade bringen, zum Nutzen und Frommen der Nachwelt.«

Er lachte laut über seinen Witz und fügte bei: »Das Eisen ist heiß, kalkulier' ich, sehr heiß, und will ich es schmieden bei guter Zeit. War das, bei Jove! doch 'ne höllisch gescheite Notion, daß ich heute ins Glurital hinaufstieg – transzendental gescheit, glorios, rechne ich. Verabscheuen mich zwar die beiden Leutchen, das ist sicher, aber kalkuliere, sie sind mir zum Dank verpflichtet, und ist diese Verpflichtung ein tüchtiges Leitseil. Will es zu meinem Vorteil regieren und auch zu ihrem. Will ihnen helfen, unter Palmen und Pisangbäumen ein arkadisches Idyll zu etablieren. Wird reizend sein das, rechne ich, und werd' ich am Ende noch allerliebste kleine Papuse auf den Knien schaukeln.«

Die Lore schien, in Gedanken versunken, diese Äußerungen nicht zu beachten.

Nach einer Weile sagte sie:

»Achaz, habt Ihr drüben im Schlosse je das Bild des blutigen Wippo gesehen?«

»Glaube mich zu erinnern, es gesehen zu haben.«

»Und ist Euch nicht aufgefallen, daß dieser Robert dem blutigen Grafen gleichsieht?«

»Bah, was ist das für 'ne Grille?«

»Keine Grille. Die Ähnlichkeit ist merkwürdig. Sie fiel mir im ersten Augenblick auf, jetzt, als ich den Junker nach so langer Zeit wiedersah. Er ist der Wippo auf und eben.«

»Was kümmert das mich?«

»Und sie heißt auch Thekla. Es ist sehr seltsam.«

»Kann darin nicht eben viel Seltsames finden.«

»Aber ich.«

»Bah, liebe Lore, kalkuliere, die alten dummen Geschichten verrücken Euch zuweilen ein bißchen den Kopf.«

Die Einsiedlerin schwieg auf diese ungenierte Unterstellung, aber nach einer Pause lachte sie plötzlich laut auf. »Was habt Ihr, Lore?«

»Ich freue mich, Achaz.«

»Ihr freut Euch? Worüber denn?«

»Darüber, daß meine und, wenn Ihr wollt, auch Eure Zeit gekommen.«

»Wie?«

»Oh, ich wußte es, ich wußte es. Jehova ist ein starker und eifriger Gott, und er ist ein Gott der Rache.«

Twerenbold erschrak fast vor der unheimlichen Glut, welche bei diesen Worten in den Augen seiner Freundin brannte.

»Achaz, sagt mir, Ihr seid heute im Hochgebirge gewesen, habt Ihr nicht beachtet, ob die Pflanze schon blühe, deren geheime Kräfte Euch vorzeiten der Gluricyriak geoffenbart?«

»Wenn mir recht ist, sah ich sie an mehreren Orten blühen, besonders am Klakensee.«

»Am Klakensee? Gut.«

»Was soll's damit, Lore?«

»Ich möchte meine Apotheke vervollständigen. Sie ist etwas in Abgang gekommen, und doch wäre es leicht möglich, daß in Bälde nach diesem oder jenem Nachfrage geschähe. Will daher gleich morgen botanisieren und übermorgen laborieren. – Müßt wissen, Achaz, daß ich mir die Sakristei des Kapellchens zu einem ganz leidlichen Laboratorium hergerichtet habe.«

»So? Will gelegentlich davon Einsicht nehmen. Aber, liebe Lore, tut mir den Gefallen, zu beachten, daß ich die Notion habe, mit den beiden lieben Liebesleuten nach Zentralamerika auszuwandern, und hierzu, kalkulier' ich, bedarf es Eurer Apotheke keineswegs.«

»Ihr glaubt wohl gar, Achaz, ich wollte Euren Püppchen etwas zuleide tun? Im Gegenteil, alles zuliebe. Ja, wahrhaftig. Diese Thekla hat mich ganz für sich eingenommen. – Aber dennoch glaube ich, daß der Gott, zu dem ich bete, mir endlich gnädig sein will. Wenn sein Wink ergeht, soll er mich bereit finden, ihn zu vollziehen.«


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