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Saliane.

Lange nach Mitternacht erwachte Walter zuerst aus seinem Schlafe, müde und matt, störrisch und dumpf sich dehnend und gähnend, aber gesund und wohl. Er wußte nicht, was mit ihm geschehen sei und wo er gewesen, und beschrieb, auf Befragen des Arztes, einen zauberhaften Ort, voll Gesang und Tanz durcheinander schwirrender schöner Gebilde, im lustigsten und ausgelassensten Schwarm. Er besann sich dann, indem er jedoch noch immer seinen Zustand im Schlafe mit jenem unmittelbar vor dem Entschlafen vermischte, den wirklichen in den geträumten hinüberzog, und die Erscheinungen seiner gereizten Seele in die Augenblicke des letzten Wachens zurücktrug, wo ihm Rosengebüsch, Saliane, Kinder und Zwerg, Alles berauscht erschienen, Cypressen und Grabsteine: lustige Gegenstände, und selbst der Tod nur ein Scherz, ein Schwank auf eine Minute, die Andern zu schrecken.

Der Schimmer der Kerzen im Zimmer überraschte ihn, noch mehr aber die wie todt vor ihm liegende Saliane. Die Mutter, welche bei ihnen gewacht, erklärte ihm den Verlauf der Begebenheit, führte ihn an Salianens Lager, und begründete in ihm so zuverlässiger dadurch die Hoffnung ihres baldigen Erwachens, daß er selbst schon erwacht sei, und nur früher, bei seinen stärkeren Nerven. Sein Leben sei Bürge des ihren!

Diese letzten Worte faßte er besonders mit Rührung auf. Seine reizende Mitschläferin Saliane erschien ihm jetzt noch liebenswürdiger; und ihr jetziges gemeinsames Schicksal schien ihm auch ein künftiges immer gemeinsames, bis zu dem letzten unerwecklichen Schlaf, zu erheischen und anzudeuten. Die Furcht, sie zu verlieren, stieg in ihm erst recht mit der Gefahr auf, in welcher er sie zu verlieren gestanden; aber sein Entschluß, während seines stillen Anblickens der Stillen gefaßt, verscheuchte die weit in die Zukunft hinaus sich dehnenden Schatten der Furcht mit kräftigem Licht. Der Schein ihres Todes hatte in seinen bezauberten Augen die Kraft, sie ihm reiner, ja achtungswerther darzustellen durch sein eigenthümliches, wie aus einer andern Welt auf ihr ruhendes und sie verklärendes Licht, das alles Kleine, alles Einzelne und Mittlere in ihrem Leben wie Mondglanz aufhob, sie ihm ursprünglich als eine Sterbliche zeigte, und somit als ein Wesen, der alten heiligen Erde gehörig, und einst dem Himmel, dessen Sterne so eben klar und doch unerforscht wie um den Katafalk eines Gottes brannten. »Mein Leben sei Bürge für deines, du Holde! « wiederholte er still in sich; du bist nicht so bös wie dies Land dich gemacht, und das Ewigmenschliche und Natürliche, das Gute und Treue des Weibes schläft auch in dir, wie du jetzt selbst; aber es lebt auch still in dir, wie du selbst hier still lebendig bist! Ich will es wecken, wie eines Gottes Hand dich mir erweckt, wie ich erwacht bin! Zweimal erwacht, will ich nun ewig munter bleiben.

In dem erhebenden Vorgefühl dessen, was Er ihr zu sein hoffte, faßte er ihre Hand, und gelobte es ihr. Die Mutter aber sahe darin nur einen Händedruck.

Da schlug Saliane die Augen auf; und Sohn und Mutter weinten, beide vor edler Freude, aber Walter weinte länger.



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