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Versöhnung und Verdacht.

Die Mutter und Walter hatten beide recht gesehen; Olivia hatte es nicht länger ertragen, ihren Gatten zu beleidigen durch ihr Beleidigtsein, sich ein gegenwärtiges Glück durch ein vergangenes Unglück zu verbittern, und nun mit ihrem Kinde dafür vernachlässigt, ja verachtet zu sein, wie es es schien. Im Garten, wo sie sich gefunden, und lange beide schüchtern mit niedergeschlagenen Augen vor einander gestanden, hatte sie selbst, wie die Mutter vorhergesagt, nun Richard für die Leiden, die sie ihm gemacht, für die Kränkung, die sie ihm angethan, um Vergebung gebeten. Er hatte seine Hand wollen zurückziehen, aber umsonst. Sie gehörten sich wieder.

Walter war zuletzt auch in den Garten gegangen, und begegnete der Mutter, die ihn umarmte, und in das Haus eilte. Ihr freudegeröthetes Gesicht, ihr feuchtes, wie geblendetes Auge, bezeugte dem Menschenkenner, daß sie so eben wo in den Aufgang der Sonne der Liebe geschaut. Und der Jasminlaube näher gekommen, hörte er die Zither und Olivia's Stimme. Sie sang vor dem Versöhnten ein Lied, das sie selbst als die Schuldige darstellte; und Walter bewunderte, wie gut ein Weib zu sein vermag; denn er vernahm die Worte:

                   

Laß mich deine Augen trocken küssen!
Hast du denn um mich geweint?
Komm' an meine Brust, laß mich nicht büßen,
Was so bös' nicht war gemeint.

Senkst du immer noch den Blick zur Erde,
Träumest dir ein falsch Geschick?
Schweigend, mit wehmüthiger Geberde
Ziehst du halb die Hand zurück?

Fühlst du nichts für mich in dir sich regen? -
Doch! – ein Lächeln! ach, ein Blick!
Ja, du schenkst mir wieder deinen Segen;
Liebe, der Versöhnung Glück!

Nach einiger Zeit kamen beide aus der Laube auf ihn zu. Olivia's Auge weinte noch heimlich nach, wie nach schon vorübergezogenem Regen noch blaue Kornblumen tröpfeln. Richard konnte ihr jetzt erst Waltern als seinen Bruder vorstellen. Sie erkannten sich von der Scene am Strande her, beide beschämt lächelnd; und durch die ernste, Zutrauen erheischende Gestalt Walters erhielt ihre Versöhnung mit Richard, sonderbar genug, noch größere Festigkeit in ihrem Herzen.

In nicht geringe Verlegenheit setzte sie alle jedoch die Nachhausekunft Petronella's, die sogar in der armenischen Kirche derselben Insel zur Messe gewesen war, um sich nur irgendwo Trost zu holen. Richard gab sie für die zurückgelassene Braut des Bruders Robert aus. Olivia wunderte sich, jetzt nach einander von mehreren Brüdern ihres Gemahls zu vernehmen, da sie sonst nie auch nur von Einem gehört, und blickte schon wieder, selbst Waltern, mißtrauisch an. Auch widersprach der Anblick Petronella's schneidend dem Namen einer Braut. Sie deutete also den Ausdruck: »zurückgelassene,« bei sich verschieden, und Petronella verschloß die Lippen dabei, sahe weg, überblickte das Meer und erblaßte. So gingen die beiden Frauen schweigend neben einander nach dem Hause. Denn wer Schmerzen empfunden, oder noch erträgt, der ehrt die Leiden Anderer, ohne sie auszuforschen.

Lady Esther, bei welcher Petronella nur wenige Augenblicke vor Tische eingeführt ward, empfand dasselbe Befremden wie Olivia. Letzterer wollte sogar der Dämon wieder erscheinen, als Petronella, über ihren Empfang betreten, fortgeeilt auch noch ihren Knaben brachte, der auffallend die Züge der Familie Richards trug, und mit welchem Petronella, von Schmerz überdrängt, der Mutter zu Füßen fiel, und ihr ihn hinhielt. Petronella schien ihr eine jener verhaßten Gestalten, deren Bilder sie in dem kleinen Kästchen gesehen. Aber keiner der übrigen Umstände paßte im Geringsten zu ihrer Einbildung, deren sie sich erröthend schämte. Richard gab Waltern einen Wink, und entschuldigte darauf Robert, daß dieser nicht vor seiner Abreise noch selbst gekommen, der Mutter seine Gattin vorzustellen, denn dies sei Petronella, die sich an sie verrathen, und der kleine Etty sei ihr Enkel. Sie hätten Robert die Freude der Ueberraschung selbst vorbehalten wollen. Die Niedergeschlagenheit der jungen Frau komme nur aus der Sorge um seine glückliche Fahrt und Zurückkunft. Petronella bejahte das Alles mit schwerem Herzen. Walter sprach ihr Hoffnung und Muth ein; die Mutter drückte ihr die Hand, hatte den kleinen Etty schon auf dem Schoße, und befreundete sich mit ihm bei Tisch. Auch Arkot saß, anständig sich betragend, wie er gelehrt war, mit zu Tisch; Löffel, Messer und Gabel fleißig gebrauchend, und schien der Glücklichste von allen, da er wieder unter Menschen war, allerhand leckere Speisen genießen konnte, und bequem bedient ward; der Spaß, das Lachen und Verlachen, welches er den andern abzwang, kümmerte ihn nicht; für ihn war, was er that, und wie er es that, der bitterste Ernst und ein wichtiges Geschäft.

Alles schien nun im Gleise; und zu Ende der erheiternden Tafel, wo Olivia's Gesundheit ausgebracht ward, zog man die Einladung in Betracht: die Abendgesellschaft zu besuchen, welche der Gesandte ausdrücklich veranstaltet, das Geburtsfest Olivia's zu feiern. Die Mutter zeigte aus diesem Grunde die Unerläßlichkeit hinzugehen; denn sie wußte nicht, worüber sie zu weinen hatte. Auch Walter rieth der Olivia, sich zu zerstreuen, und die Pracht und die Kleidung der stolzen, aber vor Schönheit sich gleichsam wie Fruchtbäume herabbeugenden Griechinnen an einem solchen Abende zu sehen, wo sie, wie nirgend sonst, sich in allem ihrem Reichthum und Glanze zeigen. Es sei auch für Frauen ein Anblick des Sehens werth, so viele edle, schöne Frauen zu sehen, und er begleite sie mit Vergnügen. – In Richards Herzen brachte Walter dadurch ein Opfer, obschon Walter unwissend in seinem keines; und Richard ließ ihn zu dem Feste gehen, schon um der Welt zu zeigen, daß die junge Jüdin nicht sein Bruder Robert gewesen, wie in dem erbärmlich-kleinstädtischen Pera verlautet. Petronella ward es nicht zugemuthet, mitzukommen; und Richard selbst, im Nachgefühl des Schmerzes, entschuldigte sich ernst mit nothwendigen Vorbereitungen zu ihrer Einschiffung in die Heimath.



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