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Petronella's Glück.

Petronella, unwissend, über welchem treulosen Unterfangen sie ihren Geliebten verloren, genoß den unschätzbaren Vortheil, einen reinen Schmerz zu empfinden, und gernfließende Thränen zu weinen. Denn das Unglück ist zweierlei: das Eine, welches mit Liebe, Sehnsucht und Unschuld besteht; und dieses ist fast nur ein schöneres, verklärtes und sich verklärendes Glück zu nennen: das Andere, wo Gram, Reue, Hoffnungslosigkeit das Herz verzehren; das einzige wahre Unglück in seiner fürchterlichen Gestalt.

Der Morgen nach der leidvoll durchwachten Nacht war schön; es hatte sanft geregnet, die Wolken sprengten noch warme Tropfen, und ein Regenbogen stand auf dem Meere in aller seiner Pracht, auf dem krystallenen Spiegel fußend. Er schien nicht halb, nur ein Bogen, nur in die Höhe gewölbt, wie ihn diejenigen erblicken, welchen er über dem Lande sich baut; nein, er wölbte sich auch hinunter in das zauberische Reich der Fluten, und bildete einen geschlossenen, blendenden Kreis, wie aus bunten Blumen; und die Schiffe segelten mitten durch den schönen Kranz des Himmels und des Meeres in die blauduftige Ferne, den Propontis hinab.

Petronella saß am Strande, schaute in die prächtigen Wogen, die in der durchbrechenden Sonne glitzerten, und suchte und forschte nach Robert, umsonst, wie sie es wußte; aber er konnte ihr wirklich erscheinen. Doch die grüne Fläche war leer und spiegelrein, und nur ein schwarzer Delphin tauchte gespenstisch zuweilen empor, daß sie erschrak. Der kleine Etty saß neben ihr, und Thränen im Auge sang sie mit wehmüthiger Stimme tiefbewegt:

                   

Rolle deine Wogen,
Meer! dahinbetrogen
Segelt' Er im Schiffe fort,
Nach der fernen Küste Port,
Ohne Wiederkehren.

In den grünen Hallen
Liegt er auf Korallen,
Und die Sonnensäule ruht
Silberleuchtend auf der Flut,
Wie ihn nie gesehen!

O mein holder Knabe,
In dem ich Ihn habe –
Wie das klare Aug' ihm rollt!
Und die Härchen sind wie Gold –
Süßer, lieber Knabe!

Auf den blauen Wogen
Steht der Regenbogen;
Ach, nach ihm, der flammt und brennt
An dem schönen Firmament,
Langt sein Kind mit Händchen.

Seh' ich auf den Wogen
Dich, o Regenbogen,
Todtes Herz, so denk' ich dein;
Ewig, ewig bist du mein,
Liebe lebt unsterblich!

Sie verhüllte sich mit dem Kinde in ihr Gewand, saß ruhig und merkte nicht, wie der Schaum und die Tropfen der heraufspritzenden Wellen der Brandung sie benetzten.

Richard sah das mit an. Sie hatte Waltern Roberts Tod nicht verrathen; sie hatte keinen Trieb, es freiwillig zu thun, und wer sieht den Grund unserer Leiden in unserem Gesicht, wenn er auch merkt und weiß, daß wir nicht glücklich sind? Auch erschien sie noch nicht.

Lady Esther fragte nur einmal über Tisch: »Nun? Robert ist nicht gekommen! Er ist gut, und will mir seinen Anblick ersparen. Gewiß ist er sogar abgereist! Zu Wasser oder zu Lande? –«

Richard wurde blaß und roth, und Walter faßte sich ein Herz und vertraute ihr unwissend an: »Zu Wasser!«



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