Paul Scheerbart
Der Kaiser von Utopia
Paul Scheerbart

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15. Der Kaiser kommt

Der Hofzug des Kaisers fuhr in den dreieckigen Bahnhof von Schilda, und der Kaiser quartierte sich mit seinem Gefolge im dreieckigen Bahnhofsgebäude ein; das Gefolge des Kaisers bestand nur aus Beamten zweiten Grades, die aber sämtlich ihre Galauniform trugen; feierlicher Empfang von Seiten des Rates war verbeten worden, da der Kaiser gleich die einfacheren Leute von Schilda kennen lernen wollte.

Die einfacheren Leute von Schilda gehörten natürlich ebenso gut wie die Ratsherren zu denen, die im Leben »mehr« erstrebt hatten – Erfinder, Gelegenheitsdichter, Journalisten, Wunderdoktoren, phantastische Geschäftsleute und ähnliche Leute bildeten das einfache Volk in Schilda. Der Kaiser bemerkte sogleich das komische Gemisch von Aufgeblasenheit und Verworrenheit, wie es die Priester nannten, in einem anderen Lichte; er sah zunächst nur Hilflosigkeit und ausschweifende Gedanken, die naturgemäß Alles ein bißchen verkehrt erscheinen ließen.

Und dann kam der Kaiser am nächsten Tage ins Rathaus und tat sehr zornig, mußte aber hören, daß sich die Schildbürger durchaus für treue Staatsbürger hielten, die durch die Uniformen und Titel bloß dick und fett werden wollten. Diese durchaus simple Art der Schildbürger machte dem Kaiser scheinbar vielen Spaß, und er fragte die Ratsherren, ob sie auch ihre Frauen uniformieren könnten, und als sie das bejahten, fragte er sie, ob sie auch ihre neugeborenen Kinder uniformieren könnten – und als sie auch das bejahten, fragte er sie, ob sie auch ihren Himmel uniformieren könnten. Da waren die Ratsherren erschrocken und verstummten. Und der Kaiser erklärte nun, daß er furchtbar in Schilda hausen würde, wenn die Schildaer nicht in acht Tagen wüßten, wie ihr Himmel zu uniformieren sei.

In scheinbar grimmigster Laune verließ der Kaiser das dreieckige Rathaus und speiste zu Abendbrot im goldenen Löwen, allwo er sich nebenbei nach dem Flugtechniker Sebastian erkundigte.

Der Herr Sebastian war da.


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