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IV.

Die Trauung war in der Frederiksberger Kirche, die wir gewählt hatten, weil sie so freundlich inmitten grüner Bäume liegt. Gamling, der mit Emmy aus Jütland gekommen war, traute uns; er sprach innig und liebevoll zu uns, aber ich muß gestehen, daß ich nur wenig davon verstand, weil die verschiedenen Gedanken und Gefühle, die mein Gemüt erregten, mich zu sehr beschäftigten. Estrid war wunderbar schön, Tränen füllten ihre großen, glänzenden Augen, und sie erschien mir in ihrem weißen Brautkleide wie eine Fee aus einem fernen Wunderlande. Und wie ich ihr dann den Arm bot und sie als meine Frau aus der Kirche führte, während die vielen neugierigen Zuschauerköpfe auf beiden Seiten gleichsam eine Ehrenwache bildeten, verschwamm mir alles vor den Augen, und mir war beinahe zumute, als träumte ich.

Erst als wir zu Hause bei den Eltern anlangten, kam mir zum Bewußtsein, daß dies Wirklichkeit und kein Traum war, denn dort strömten Glückwünsche und herzliche Worte uns entgegen. Die Gesellschaft war nur klein, aber in der gehobensten Stimmung, und wir feierten eine vergnügte Hochzeit. Sowohl Gamling wie Corpus Juris hatten Lieder auf uns gedichtet, und jeder von uns hielt eine Rede, sogar Onkel, der ein mystisches Hoch auf das Dreieck des Lebens, das wir drei Brüder vorstellen sollten, ausbrachte. Was er eigentlich meinte, verstand keiner von uns, aber wir leerten dennoch die Gläser mit stürmischem Jubel, der noch größer wurde, als Schwiegervater gleich darauf Onkel hoch leben ließ, weil er nicht so drei-kantig sei, wie man bei der ersten Bekanntschaft mit ihm glauben könnte. Und so ging es weiter, mit Lachen und Singen, Gläserklang und außerordentlicher Freude.

Es ging gegen Mitternacht. Der Wagen hielt vor der Tür, Estrid und ich stiegen hinein und fuhren schnell nach unserem neuen Heim. Unbeschreiblich waren die Gefühle, mit welchen ich an Estrids Seite die Treppen hinaufstieg: ich ging mit meiner eigenen Gattin in mein eigenes Heim, es war mir, als hörte ich die Flügeltüren des Lebens auffliegen, damit wir beide eintreten könnten. Die Zimmer waren festlich erleuchtet, liebe Hände hatten sie reich mit Geschenken geschmückt. Wir traten ans Fenster, wo uns der Halbmond begrüßte; wie vor einem Jahre nickte er mir zu, doch diesmal sagte er: »Das hast du recht gemacht, Nicolai, das hast du recht gemacht!« – Wir schlossen die Fenster und betrachteten die dunklen Baumwipfel, über denen die tiefste Ruhe und Stille lag. Doch hoch über ihnen funkelten die ewigen Sterne am schweigenden Himmel; die Größe der Ewigkeit erfüllte unsere Herzen mit unaussprechlichen Ahnungen, wir beugten das Haupt, falteten die Hände und beteten zu unserem Vater, der im Himmel ist.

Glückliche, friedliche, gesegnete Tage durchlebten wir! Solch friedliche Ruhe, solch innerliche Zufriedenheit und Fröhlichkeit hatte ich noch nie empfunden. Das ganze Leben war in Goldglanz getaucht, selbst die geringsten Kleinigkeiten wurden mir lieb und teuer, weil Estrid und ich sie gemeinschaftlich besaßen. Alles sah zierlich und festlich aus, Blumen schmückten unsere Vasen und Paul Veroneses »Hochzeit zu Kana« nahm einen imponierenden Platz über dem Sofa ein, wo sie fast die ganze Wand, die nicht sehr hoch war, bedeckte. Ich konnte gar nicht müde werden, all diese Herrlichkeit zu betrachten, nie glaubte ich so hübsche Zimmer und so feine Möbel gesehen zu haben, – und dann der Gedanke, daß dies alles mein sei, meine Zimmer, meine Möbel – – – Und wenn ich dann Estrid, meine liebe, süße Frau, ansah – nein, es war zu wunderbar! Bisweilen fürchtete ich beinahe, alles sei nur ein Traum, es werde mich jemand wecken und ich säße dann wieder allein in meiner alten Dachstube.

Freunde und Verwandte kamen, um uns zu gratulieren; sie fanden es reizend bei uns, – mir erschien der Ausdruck zu schwach, sie hätten zum mindesten »himmlisch« sagen müssen. Estrid setzte ihnen Wein und Kuchen vor; sie sah so anmutig als Hausfrau aus, daß ich ihr unausgesetzt mit den Augen folgen mußte und darüber ganz vergaß, eine Bewillkommnungsrede an meine Gäste zu richten. Gamling tat es statt meiner, und ich fand es ganz in der Ordnung, daß er es tat; es wollte mir gar nicht in den Kopf, daß ich Wirt und er und die anderen wirklich meine Gäste waren.

»Hast du dir die Tische, die Stühle und die übrigen Möbel nun ordentlich angesehen?« fragte ich Gamling, als er später in tiefen Gedanken aus dem Fenster starrte.

»Jawohl«, antwortete er, seinen Blick abwesend durch die Stube gleiten lassend.

»Findest du es nicht merkwürdig, daß dies alles mein, nein, unser ist, und daß wir so viele hübsche Sachen haben?«

»Ich würde es viel merkwürdiger finden, wenn ihr sie nicht hättet und hier zwischen vier kahlen Wänden säßet«, antwortete Gamling trocken.

Nein, mit Gamling ist nichts anzufangen, er lebt in seinen theologischen Spekulationen und kümmert sich nicht um das, was auf Erden geschieht. Da machte uns Corpus Juris mehr Freude, er unterwarf alles einer aufmerksamen Untersuchung, setzte sich auf alle Stühle, um zu probieren, ob sie weich genug seien, und streckte sich auf dem Sofa aus, um sich zu überzeugen, daß es sich darauf bequem lag, während Onkel ihm die ganze Zeit über auf dem Fuße folgte, es ebenso machte und an diesen körperlichen Übungen großes Wohlgefallen zu finden schien. Diese hätten jedoch beinahe ein unglückliches Ende genommen, denn da zu großen Schritten kein Raum war, stieß Onkel in seinem Eifer einen kleinen Tisch mit einer hübschen Blumenvase um, welche rettungslos verloren gewesen wäre, wenn Andrea Margarete, die mit scharfem Blicke die drohende Gefahr erkannt, sie nicht im Fallen noch gehalten Hütte. Onkel war so erschrocken über das Unglück, das leicht hätte geschehen können, daß er sich in einem Schaukelstuhle niederließ, dort mäuschenstill sitzen blieb und aus Furcht, wieder Unheil anzurichten, nicht einmal zu schaukeln wagte.

Am meisten Vergnügen machten mir die Schwägerinnen, die alles erstaunt und bewundernd betrachteten, es »unvergleichlich, bezaubernd und feenhaft« fanden und dies in andauerndem Chore wiederholten, welchem ich mit Befriedigung zuhörte, während ich mit Würde im Zimmer auf und nieder schritt und dabei mit taktfestem Gewichte, das ihnen sagen sollte, hier sei ich der Hausherr, auftrat. Auch Estrids Eltern sprachen beim Anblicke unseres gemütlichen Heims ihre Freude und Befriedigung darüber aus; doch merkte ich, daß Schwiegermutter leise seufzte, als ihr Blick auf die große »Hochzeit zu Kana« fiel; sie sagte aber nichts.

Einige Tage darauf reisten Gamling und Emmi wieder nach Jütland zurück. Emmi und Estrid versprachen einander fleißig zu schreiben, Gamling und ich gelobten nichts dieser Art, da wir unsere beiderseitige Schreibfaulheit kannten. Wir meinten auch, die Familienkorrespondenz müsse hauptsächlich auf den Frauen ruhen, während wir Männer die ernsten Pflichten des Lebens auf uns zu nehmen hätten.

Nun mußte ich auch wieder an diese denken und nach den festlichen Unterbrechungen mein Leben wieder in seinen gleichmäßigen Arbeitsgang bringen. Damit will ich aber nicht sagen, daß die Flitterwochen jetzt schon zu Ende gewesen, – durchaus nicht, es war nur insofern eine Veränderung eingetreten, als die äußerlichen Festlichkeiten der Hochzeitstage sich in ein innerliches Fest in unseren Herzen verwandelt hatten. Die Baumgruppen vor unseren Fenstern waren nun ganz grün geworden und bildeten ein wogendes Meer von schwankenden, winkenden Zweigen, über die hinweg man das Frederiksbergerschloß im Hintergrunde weiß schimmern sah. Lenzesduft, Sonnenschein und Licht drangen in unsere Fenster, Buchfinken, Stare, Drosseln vereinten ihre zwitschernden, flötenden und singenden Stimmen zu einem gut besetzten Chore und der Basilisk und ich sangen mit ihnen um die Wette.

Der Basilisk ist – Estrid. Als sie meine Frau geworden war, mußte ich ihr notgedrungen einen Zärtlichkeitsnamen geben, wie ich ja seinerzeit meine Brüder Gamling und Corpus Juris getauft hatte. Denn ist mir etwas wirklich lieb, habe ich etwas ins Herz geschlossen, dann muß ich ihm auch einen besonderen Namen geben. Hier aber suchte ich den Namen nicht aus, weil er paßte, sondern verfiel auf ihn, weil er durchaus nicht paßte. Denn etwas Süßeres, Reizenderes und Fröhlicheres als meine Estrid kann ich mir nicht denken, und da ich gar keinen Namen weiß, der alles dieses vollkommen auszudrücken vermöchte, habe ich es für das beste gehalten, einen zu wählen, der gerade das Gegenteil bezeichnete. Estrid aber gefiel dieser Name nicht.

»Wenn du durchaus einen neuen Namen für mich ausfindig machen mußt und mich nicht mit meinem Taufnamen nennen kannst, hättest du wenigstens einen hübscheren aufstöbern können«, sagte sie.

»Weißt du denn, was ein Basilisk ist, und hast du je einen gesehen?«

»Nein, das habe ich nicht, aber ich weiß, daß er ein häßliches, greuliches Tier ist, von dem es in einem Gesangbuchliede heißt:

»Tritt mutig entzwei
Des Basilisken Ei –«

O, du lieber, süßer Basilisk! Du sahst in diesem Augenblicke mit deinen frommen, unschuldigen Augen so entzückend aus, daß ich dich erst auf das eine, dann auf das andere küssen und dir schließlich ganz leise ins Ohr flüstern mußte: »Basilisk!«

»Pfui, Nicolai!« sagte sie. »Weißt du denn gar keinen hübscheren Namen?«

»Soll ich dich denn meine Balsambüchse, – meinen Honigkuchen – oder meine Zuckertonne nennen?«

»O nein, das sind ja lauter alberne Namen!«

»Wenn ich dich Basilisk nenne, so ist das ebenso wie lucus a non lucendo; man benennt etwas nach seinem Gegensätze, um seine Vortrefflichkeit noch mehr hervorzuheben. Opposita juxta so posita magis illucescunt.«

»Ich verstehe kein Latein.«

»Das bedeutet, daß man gerade durch Nebeneinanderstellung der Gegensätze die Vorzüge der Dinge besser erkennt.«

»Dann könnte ich dich ja auch Schafskopf nennen oder dir einen ähnlichen häßlichen Spitznamen geben, um deine Vortrefflichkeit zu bezeichnen.«

»Wenn es dir Spaß macht, kannst du mich gern Schafskopf nennen.«

»Das kann mir keinen Spaß machen, und ich begreife gar nicht, was für ein Vergnügen du daran finden kannst, mich Basilisk zu nennen.«

Estrid sah in diesem Augenblicke so unvergleichlich reizend aus, daß ich größere Lust als je verspürte, sie Basilisk zu nennen, aber ich hatte alle meine Gründe erschöpft und wußte nicht, was ich noch sagen sollte. Da kam mir auf einmal ein schlauer Gedanke.

»Du bist aber gründlich im Irrtum«, sagte ich. »Das Wort bedeutet etwas ganz anderes als du glaubst. Es kommt von dem griechischen Worte βασιλισσα, welches Königin bedeutet.«

»Jetzt willst du mir etwas weismachen, Nicolai!«

»Nein, das will ich nicht; ich werde es dir im griechischen Lexikon zeigen.«

»Ich kenne die griechischen Buchstaben ja nicht.«

»Soviel Griechisch kannst du gleich lernen. Sieh«, (hierbei holte ich das Wörterbuch und schlug das von ihr angefochtene Wort auf) »der erste Buchstabe ist ein B –, der nächste ist ein A, – das kannst du doch gleich sehen«, – und so nahm ich alle Buchstaben mit ihr durch. »Und nun, sieh selbst, hier steht: Königin, Herrscherin, – kannst du noch mehr verlangen?«

Estrid sah noch ein wenig ungläubig aus, doch da ich das ehrlichste Gesicht von der Welt machte und sie nicht leugnen konnte, daß im Lexikon wirklich »Königin« stand, mußte sie nachgeben und erhob keine weiteren Einwendungen gegen den Namen.

– O, Friede und Freude und stilles Glück im Herzen, ihr vergoldet jene sonnenhellen Sommertage! Ein Tag nach dem andern verrann, wie Perlen von einer Schnur rollen; ich merkte es kaum, mir erschien die Zeit nur als ein einziger Sommertag mit Waldesduft, Vogelgezwitscher und beständigem Sonnenschein.

Wenn ich am Morgen in die Wohnstube trat, fand ich Estrid bei der Teemaschine beschäftigt. Wir mußten dann zuerst beide ans offene Fenster treten und einen Blick auf den hellgrünen Teppich von schwankenden Linden- und Kastanienkronen und das strahlende Himmelsgewölbe werfen, ein wahrer Äthertrunk, der Gesundheit und Kraft in alle Glieder goß.

Darauf zog Estrid mich nach dem Teetische hin, damit wir frühstücken könnten, bevor die Maschine erlosch. Nach dem Tee hielten wir zusammen Morgenandacht, das hatte ich von Gamling übernommen. Denn als wir drei Brüder noch zusammen wohnten, war dies stets sein Amt, – nun aber war ich der Ansicht, daß ich, als Hausherr, es selber ausüben müsse. Wir lasen Abschnitte aus dem Alten und aus dem Neuen Testament; daß wir sie stets verstanden, möchte ich nicht behaupten, und mehr als einmal wünschte ich, daß ich meine theologischen Studien nicht so früh abgebrochen hätte, da ich uns dann vielleicht besser über die Schwierigkeiten hätte hinweghelfen können. Nun aber mußten wir uns helfen, wie wir konnten; Estrid und ich steckten unsere klugen Köpfe zusammen und brachten dann immerhin irgend etwas für uns Passendes heraus, obwohl ich allerdings fürchte, daß Gamling, wenn er unsere Weisheit gehört hätte, ihr ohne weiteres ihren Platz unter den »verkehrten Auslegungen«, und zwar unter denen, welche man nicht auswendig lernen braucht, angewiesen haben würde. Besser ging es uns mit Luthers vortrefflichen Schriften, in denen wir auch oft lasen, denn diese konnten wir beinahe immer verstehen.

Dann sollte es eigentlich an die Arbeit gehen, aber die Sonne schien so schön und Estrid warf so sehnsüchtige Blicke aus dem Fenster, daß wir es für notwendig hielten, erst noch einen kleinen Morgenspaziergang in dem Frederiksberger Schloßgarten zu machen. Um diese Tageszeit hatten wir den Garten beinahe ganz für uns allein; wir begegneten nur dann und wann einem Gartenarbeiter, der den Rasen mähte, oder einer Bauernfrau, die den Richtweg durch den Schloßgarten eingeschlagen hatte. Wir pflegten nicht durch das Hauptportal einzutreten, sondern gingen erst durch das Dorf Frederiksberg, dessen niedrige Häuschen einen freundlichen, sauberen Eindruck machten, und gelangten dann durch eine kleine Hinterpforte in den Garten. Hierdurch erreichten wir, daß wir plötzlich mitten in dem grünen Laubsaale, der infolgedessen um so überwältigender auf uns wirkte, standen. Die dichten, laubreichen Zweige berührten fast das klare Wasser der Kanäle, und die Sonnenstrahlen brachen sich dort in seltsamem Lichterspiele. Wir schlugen gewöhnlich den Weg nach rechts ein und setzten uns auf eine Bank, von welcher aus wir nach dem anderen Ufer des Kanals hinübersehen konnten, wo das Sonnenlicht in den dunklen Baumgruppen spielte und eine mystische Stimmung erzeugte, welche der Phantasie freien Lauf ließ. Ich erzählte Estrid, drüben liege ein schöner Zaubergarten mit einem Zauberschlosse. Sie ging sofort auf meinen Gedanken ein, und nun malten wir einander aus, welch wunderbare Blumen mit goldenen Kelchen auf silbernen Stielen und mit allerfeinstem Glöckchenklange dort wüchsen. Einer der Schwäne schwamm vorbei, mit brausenden Federn und stolz gebogenem Halse teilte er das klare Wasser: er kam gleich in das Märchen hinein und wurde ein verzauberter Prinz, der durch eine böse Fee gezwungen war, bei Tage um die Insel herumzuschwimmen, nachts aber seine natürliche Gestalt wiedererhielt und in fürstlicher Herrlichkeit auf dem Zauberschlosse herrschte. Kurz darauf kam der zweite Schwan vorbei, und Estrid meinte nun, dies müsse die Prinzessin sein, die das Schicksal des Prinzen teile. Die Märchen wurden durch den in tausendstimmigem Chore um uns her erschallenden Vogelgesang unterbrochen. Estrid meinte, der so süß über unseren Köpfen flötende Vogel müsse eine Drossel sein; ich behauptete, es sei ein Buchfink, worauf Estrid bemerkte, daß der Buchfink ja gar nicht flöte, – doch da ertönte auf einmal munteres Gezwitscher von dem großen Kastanienbaume, und das, meinte sie, sei ein Buchfink. Und dann gab es dort Stare, Dompfaffen, Zeisige und Rotkehlchen, – es war ein unendlicher Jubel von flötenden, zwitschernden, hellen Vogelstimmen, – man konnte auf alle möglichen Vögel raten, besonders wenn man in der Naturgeschichte nicht besser Bescheid wußte als Estrid und ich. Endlich standen wir auf und gingen weiter, den süßen kleinen Singvögeln, die gleichsam uns zu Ehren ein Konzert gaben, lauschend. Dies war ein sehr unschuldiges Vergnügen, nicht so löblich aber war Estrids Verhalten den vielen, im Grase stehenden, niedlichen Blümchen gegenüber. Ehe ich sie hindern konnte, stand sie mitten auf dem Rasen und pflückte Blumen. Ich blieb auf dem Wege stehen und rief ihr von dort aus zu, es sei streng verboten, was sie auf allen Plakaten lesen könne. Doch Estrid litt leider an demselben Mangel an juridischem Rechtsgefühl, der sich, wie ich glaube, von unserer Stammutter Eva her auf die meisten Frauen vererbt hat. Sie beachtete meine Rufe und Warnungen nicht, sondern antwortete, ich möge nur kommen und sehen, welch eine Menge der schönsten Ranunkeln und Vergißmeinnicht dort wachse. Schließlich wurde ich des Stehenbleibens auf dem festgestampften Kieswege überdrüssig und folgte ihr, und als ich erst bei ihr auf dem Rasen stand, überredete sie mich schnell, ihr Blumen pflücken zu helfen. Und nun wetteiferten wir, die schönsten Blumen zu finden und den hübschesten Strauß zusammenzustellen. Wenn wir dann fertig waren und uns auf den Heimweg machten, begann ich Gewissensbisse über unseren Raub zu spüren, zu denen sich noch die Furcht vor einem Zusammentreffen mit dem Aufseher gesellte. Ich trieb zur Eile an und fühlte mich erst sicher, wenn wir glücklich aus dem Garten heraus und wieder auf der Dorfstraße waren.


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