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Achtes Kapitel

Hotelzimmer

In der Halle meldete der Pförtner Georg, sein Vater warte bereits seit drei Stunden auf ihn.

Mama! durchzuckte es Georg, doch das war ja Unsinn; dann wäre sein Vater nicht hier, aber hundert ängstliche Erwartungen im Gehirn lief er die Halbtreppe hinauf. Im Zimmer saß sein Vater und rauchte, halb verhüllt von den grauen und blauen Rauchschwaden. Georg sah, als er auf ihn zutrat, daß sein Gesicht grau und verfallen war; um so wunderlicher schien ein Ausdruck von Kühnheit und Hoffärtigkeit, der die schiefe Nase schiefer und hakiger bog; die Augen funkelten einen Augenblick mit unverkennbarem Sarkasmus, und der verwilderte Schnurrbart sah wie ein entsetztes Gespenst aus. Das bärtige Kinn hebend, Atem schöpfend, sagte er:

»Setz dich. Es ist eine verfluchte Sache, mein Sohn, da zu sein und noch drei Stunden warten zu müssen. Setz dich und mach dich stark. Ich gäbe dir am liebsten eine einfache Erklärung, jawohl einfache Erklärung – ab, aber aus gewissen Gründen ist das unmöglich.«

Der Herzog wehrte, die Augen zusammenkneifend, eine Qualmwolke ab, legte das Ende seiner Zigarre in die Aschenschale und ergriff eine schwarzlederne Aktentasche, die neben ihm im Sessel stand. Er nahm zusammengeheftete Aktenbogen heraus, bog eine Ecke um, als ob er zauderte, stieß dann die Blätter gegen Georg hin und sagte: »Da! Selber lesen!«

Georg nahm. »Kennst du die Handschrift?« hörte er fragen.

Er las:

Promemoria

An seine Durchlaucht, Woldemar August Emanuel, Herzog in Trassenberg, Fürsten ... folgten sämtliche Titel. Darunter stand ein Datum: 9. Dezember. »Ich glaube,« antwortete Georg, »Chalybäus ...«

»Ja. Also lies.« Georg las.

»Am Nachmittage des 30. Juli des Jahres 18... um sechs Uhr traf, wie Euer Durchlaucht bekannt sein dürfte, die Depesche ein, welche den schrecklichen Unfall Euer Durchlaucht vermeldete und, da ich zu spät von derselben erfuhr, ohne daß ich es hätte verhindern können, in die Hände Ihrer Durchlaucht der Frau Herzogin gelangte, deren Entbindung, wie mir selber noch am Morgen dieses Tages von Herrn Geheimrat Professor Dr. Schröder mitgeteilt worden war, am nächsten, ja vielleicht schon am selben Tage noch zu erwarten war. Herr Geheimrat Schröder war, da sein Aufenthalt in Helenenruh in Böhne bekannt geworden war, von einer Familie dorthin gebeten worden. Ich geriet daher in begreifliche Aufregung, als mir durch den Diener (Suttner) der Auftrag Ihrer herzoglichen Durchlaucht erteilt wurde, sofort den Opelwagen unter Verdeck vorfahren zu lassen. Die Willensfestigkeit Ihrer herzoglichen Durchlaucht ist Euer Durchlaucht zu bekannt, um Euer Durchlaucht nicht einsehn zu machen, daß jeder Widerstand meinerseits nichts bedeuten konnte.« Die langen Sätze, das barbarische Deutsch und die vielen Durchlauchten wimmelten Georg vor den Augen, aber als er den Blick erhob, traf er auf seinen steif dasitzenden Vater, und Georg begriff, daß gelesen werden mußte.

»Ein Zug nach Altenrepen ging, wie Euer Durchlaucht bekannt, erst am späten Abend durch Böhne. Zu allem Überfluß hatte ich den Chauffeur Mielke zu einem Besuch seiner Mutter beurlaubt, da derselbe seit Wochen keinen Dienst hatte zu tun brauchen, und war zu vermuten, daß dies auch in den folgenden Tagen der Fall sein werde. So begann denn in der Tat gleich darauf jene, uns allen als ein Wahnsinn erschienene Fahrt mit mir selber als Lenker.

»Im Schreiben wird mir bewußt, daß die meisten dieser Tatsachen Euer Durchlaucht längst bekannt geworden sind; gleichwohl scheint es mir notwendig, von dem Verlauf des Ganzen eine Schilderung zu geben, wie sie sich mir selber in jenen Stunden ergab.« Georg, in Verzweiflung über das schauderhafte Sprachgewächse, las verbissen weiter.

»Nach Zurücklegung kaum eines Kilometers stellte es sich, wie zu vermuten gewesen, heraus, daß die Erschütterung des Wagens eine Unmöglichkeit für den Zustand Ihrer Durchlaucht bedeutete. Ihre Durchlaucht selbst, die dasselbe bemerkten, befahlen mir daher, die höchste Geschwindigkeit anzuschlagen, in der Tat, so unglaublich es klingen mag, die einzige Möglichkeit, da mit zunehmender Geschwindigkeit, wie Euer Durchlaucht bekannt, die Erschütterungen sowohl geringfügiger als auch ebenmäßiger werden. Ich schaltete also schaudernden Herzens die höchste Geschwindigkeit ein, – genug! Ich war nie ein sicherer Fahrer und nur Amateur. Gott allein ist es zu danken, daß nicht das Furchtbarste passierte.« Georg empfand ein leise schauderndes Staunen über diese, unbewußt von ihm zurückgelegte Fahrt und las weiter.

»Der Witterung nach hätte man den Tag als einen zum November gehörigen bezeichnen können; derselbe war grau, naßkalt, die Landschaft mit Nebel verdeckt, es dunkelte bereits um sieben ein halb Uhr so stark, daß es unmöglich schien, ohne Laternen weiter zu lenken, und hielt ich einen diesbezüglichen Aufenthalt von zwei Minuten für geboten. Dann ging es mit ungeminderter Geschwindigkeit weiter, um acht Uhr zwölf Minuten jedoch mußte ich zugeben, mich verirrt zu haben. Wir befanden uns in den fürstlich allendorffschen Kiefernwaldungen. Einige Minuten später blieb der Wagen stehn; der Ölbehälter war versiegt; in meiner Aufregung mußte ich ihn vergessen haben. Ohne Ahnung, wo wir uns befanden, in Finsternis unbekannter Wälder, hörte ich aus dem Wagen das Stöhnen der hohen Wöchnerin. Die neben mir sitzende Kammerfrau Biedenweiler eilte, einen Schwächeanfall infolge der rasenden Fahrt nur mühsam zurückhaltend, sofort ihrer Durchlaucht zuhülfe. Was war zu tun? Konnte ich die hohe Frau schutzlos im Walde zurücklassen? Zweifellos, wie das immer heftigere Stöhnen verriet, hatten die ersten Wehen bereits begonnen. Selber von der Fahrt auf das äußerste angegriffen, getraute ich mich nicht von der Stelle, wenn nicht plötzlich ein junges Mädchen, eine Magd, im Licht der Wagenlaternen aufgetaucht wäre, welches fragte, ob uns mit irgend etwas zu dienen sei. Auf meine sofort eingezogenen Erkundigungen erfuhr ich, daß wir uns kaum zehn Minuten von dem, nur aus wenigen Häusern bestehenden Kurort Meysensang befanden, und sollte, keine zwölf Schritte von unserm unfreiwilligen Halteplatz entfernt, an der Straße die Villa einer Frau Müsing stehen, zu deren Haushalt das Mädchen gehörte. – Welches alles Euer Durchlaucht gewiß in Erinnerung ist.

»Ich ließ nun die hohe Dulderin im Schutze der Kammerfrau zurück und begab mich unter der Führung des Mädchens oder der Magd nach dem Hause, das alsbald zu entdecken war, und hatte dasselbe in der Richtung unserer Fahrt keine Fenster, weshalb ich es nicht hatte erblicken können. In der Haustür traf ich auf eine große, grobgebaute Frauensperson; es leuchtete ihr weißes Gesicht auf eine seltsame Weise aus dem Dunkel des Hausflurs. Auf meine Frage, ob sie die Eigentümerin bzw. Besitzerin des Hauses sei, gab sie mir mit einer tiefen, fast männlichen Stimme zur Antwort, sie wäre die Hebamme. Die Seltsamkeit dieses Zusammentreffens klärte sich alsbald dahin auf, daß im Hause eine Geburt erwartet wurde; die bald herbeigeeilte Besitzerin des Hauses, eine jüdisch oder polnisch aussehende ältere Dame, sprach in unvollkommenem Deutsch von einer Verwandten, die ihrer Entbindung entgegensehe. Aus Gründen, für die ich späterhin keine Erklärung in meinem Innern auffinden konnte – Durchlaucht mögen die Situation, die Erregung etz. bedenken –, hielt ich es zur Wahrung der Diskretion vorläufig für das beste, Namen und Titel Ihrer Durchlaucht zu verschweigen, zumal eine Kenntnis derselben nicht gefordert wurde. Ein Zimmer wurde der hohen Wöchnerin zur Verfügung gestellt, in welches dieselbe unerachtet ihres gefahrvollen Zustandes sich zu Fuße, auf mich und die Kammerfrau gestützt, begab. Bei einer Ruhepause vernahm ich aus dem Munde der edlen Dulderin die mir unvergeßlichen Worte, die ich Euer Durchlaucht zu berichten nicht unterlassen habe, indem sie stehenbleibend und leise schaudernd zuerst flüsterte: Wald – Nacht – und Sterne ... Darauf: Seid mir gnädig! – Später fragte sie mich noch, ob man telegraphieren könne. Ich habe zu diesem Zweck das dienstfertige Mädchen in den Ort geschickt, es konnte aber das vom Befinden Euer Durchlaucht Auskunft gebende Antworttelegramm nicht mehr zu Ihrer Durchlaucht gelangen.

»Zu bemerken ist noch, daß das Haus, ein Neubau, erst wenige Tage zuvor bezogen worden war, und füllten die Möbel noch unordentlich einige wenige Zimmer, während andre ganz leer geblieben waren. Es war kalt und naß, jedoch fand Ihre Durchlaucht im eigenen Schlafzimmer der Besitzerin Unterkunft. Im Erdgeschoß befand sich eine Art bäuerlicher Diele mit einem Alkoven, der von Vorhängen verschlossen war; neben demselben führte eine Treppe in das obere Stockwerk. Als Ihre Durchlaucht vernahmen, daß sich im Alkoven eine Frau befand, die wie Ihre Durchlaucht jeden Augenblick ihre schwere Stunde erwartete, sagte sie nur mit einem Lächeln auf uns, das uns das Herz zerriß: Dann ist es leicht. –

»Es war zuerst still im Hause. Nun kann ich nicht umhin, zu sagen, daß mein eigener Zustand infolge der ausgestandenen Ängste der Fahrt, der Verirrung, sowie der ganzen schrecklichen Situation ein unbeschreiblich erregter war. Wohl war ich ferne davon, mich zu beklagen, daß es nirgend einen Platz für mich gab; das Pflichtgefühl hielt mich, wie ich Euer Durchlaucht nicht erst zu versichern brauche, davon ab, ein Nachtquartier im Dorfe zu suchen. So verbrachte ich wohl eine Stunde in einem der, mit Möbeln angefüllten Zimmer auf einem Stuhl, dann jedoch wurde ich völlig aus dem Hause vertrieben, da es mir unmöglich war, das nun beginnende Geschrei und Jammern anzuhören, indem sowohl bei Ihrer Durchlaucht als bei der Fremden die Wehen begannen. Hier wäre auch wohl eines stärkeren Mannes Herz verzagt geworden.

»Euer Durchlaucht mögen sich meinen Zustand vergegenwärtigen. Aufs höchste abgespannt von den mannigfachsten Schrecknissen, vom Unfall Eurer Durchlaucht, von dem Unternehmen, von dem Zustand Ihrer herzoglichen Durchlaucht, von der bevorstehenden Geburt, von der wahrhaft entsetzlichen Fahrt, der beständigen Angst um das gleichsam in meine Hände gelegte Leben des zu erwartenden Kindes, zuletzt durch das Geschrei der Schwangeren, das mich gellend tief in den Wald hinein verfolgte, das ich noch heute zu hören glaube, fieberte ich und zitterte an allen Gliedern. Ich irrte zwischen Stämmen und Wurzeln umher, bis ich infolge meiner unglückseligen Verwirrung das erleuchtete Fenster aus den Augen verlor, und zu spät mußte mir in diesem Augenblick noch einfallen, daß es meine Pflicht gewesen wäre, aus dem Kurhaus einen richtigen Arzt zu holen. Verzweifelt suchte ich zwar umher, doch war kein Weg zu finden, und ward ich am Ende von Müdigkeit dermaßen überwältigt, daß selbst der Abscheu vor Schlangen und sonstigem Getier mich nicht abhalten konnte, meinen Mantel auf die Erde zu breiten und in dieser Lage den Morgen zu erwarten. Gleich darauf muß ich des Schlafes unwiderstehlicher Magie anheimgefallen sein.

»Die Kälte des Morgengrauens erweckte mich, und ich fand mich bis auf die Haut durchnäßt im Nebel. Steif an allen Gliedern erhob ich mich, und gelang es mir nach einigem Suchen wirklich, das Haus nun ganz in meiner Nähe zu entdecken. In einem Fenster war noch Licht. Beim Betreten der Diele bot sich mir ein eigentümlicher Anblick. Hinter dem Tisch, auf einem schwarzen Ledersofa saß bei einer Kerze die vorerwähnte Hebeamme und las in einem Buch, das mir ein Gebetbuch zu sein schien. Was mich vor allem erschreckte, war bei der ganzen Strenge ihrer Züge der Schatten eines T-förmigen Kreuzes, das zwischen ihren Augen stand, und wurde dasselbe durch den Schatten der Nase und die gleich einem Balken darüber liegenden Brauen gebildet, und erinnere ich mich noch heute, daß ich mich unbewußt bekreuzte. Wie erschrak ich aber erst, als ich aus dem Hintergrunde den Schein zweier Kerzen bemerkte. Dieselben brannten im Alkoven, dessen Vorhänge geöffnet waren; zwischen denselben hing ein kleines, buntes Heiligenbild. Die Frau am Tische streifte mich nur mit einem mir unverständlichen Blick und las weiter. Ich näherte mich leise dem Alkoven und fand, wie ich nach allem erwarten mußte, eine Tote darin, von einem Anblick, der mich wie sonst nichts betroffen hat. Noch heute weiß ich nicht, was es war, das mich nach allem bereits Vorangegangenen nun fast in Tränen hinschmelzen ließ beim Anblick dieser schlafenden Züge vom reinsten Ebenmaß; das ein wenig auf die Seite gesunkene Antlitz von unbeschreiblicher kindlicher Sanftmut, blaß wie eine weiße Rose, von schwarzem Haar lieblich umflossen, aus dem wie zwei Wellen noch immer der Schlaf des Lebens und des Todes sich vermischten, ergriff mich mit namenlosem Schauder, und ich betete lange und inbrünstig.

»Von der Hebamme, die mich alsdann an den Tisch rief, wurden mir nun die folgenden Mitteilungen gemacht. Ihre herzogliche Durchlaucht hätten einem gesunden Knaben das Leben gegeben, der oben neben der tief erschöpften Mutter den ersten Schlaf auf Erden schliefe. Ihre Durchlaucht seien zwar äußerst angegriffen, doch bestehe keinerlei Besorgnis um ihr Leben. Auf mein Befragen nach ihrer Kenntnis vom Range Ihrer Durchlaucht, sagte die Frau kurz: sie hat mirs selber gesagt. Die andre Mutter hatte leider das Leben ihres Kindes mit dem ihren erkaufen müssen, und auch das des Kindes schwebte in Gefahr, zu erlöschen. Sie selbst, so sagte mir die Frau, habe es nach dem in der Nähe liegenden Sanatorium des Doktors Sartorius tragen müssen, wo zum Glück gewisse Apparate vorhanden gewesen seien, die eine Erhaltung des Kindes immerhin als möglich erscheinen ließen.

»Dies, gnädiger Herr, sind die genauen Vorgänge jener Nacht, sofern ich selber sie beobachten konnte, von mir wahrheitsgetreu aufgezeichnet. Doch ahnte ich damals nicht, was mich viel später erst zwingen würde, diese Aufzeichnungen zu machen, nicht aus irgendeinem Euer Durchlaucht betreffenden Grunde, sondern zur Entlastung meines Gewissens und im Fall eines plötzlichen Todes. Ich habe nun folgendes hinzuzufügen.«

An dieser Stelle endete das Manuskript. Auf der leeren Hälfte der Seiten standen noch, mit Bleistift von Chalybäus' Hand geschrieben, die Worte: »Nun Brief der B. Dann Anlage.«

Georg, auf das heftigste beklommen und innerlich erschreckt, ohne irgendeinen Grund dafür erkennen zu können, dachte: Ja, was denn? Wo will denn das hinaus? – legte das Manuskript auf den Tisch und blickte zu seinem Vater hinüber, der verschleiert dasaß, seltsam in sich zusammengesunken. Bei Georgs Bewegung richtete er sich auf, strich mit der Linken über die Stirn, tastete nach seinen Stöcken, die neben ihm standen, sagte dann: »Ja, nun also der Reihe nach, – wenn du gelesen hast.«

In diesem Augenblick, als sollte die Pause ausgefüllt werden, klingelte das Telephon auf dem Schreibtisch. Georg ging hin, nahm den Hörer auf und hörte Cora Bogners Stimme entfernt und schwach seinen Namen sagen. Dann begann sie – der Nebenanschluß machte wohl ihre Stimme so leise – eine lange Erzählung, sie telephoniere aus dem Hotel, wo die Herzbruchsche Hochzeit sei, und bei der Hochzeit werde Georg vermißt; ein Prinz fehle, jawohl, und er müßte also durchaus kommen, und sie habe mit Josef Montfort gewettet, er werde kommen, wenn sie riefe, und der Brautvater habe unter Georgs Großvater bei Beaune la Rolande 1870 –, und er müßte also durchaus kommen, wenn er noch eine Scheibe Ananas aus ihren Fingern ... Georg aber hatte einen Anfall von Brutalität, sagte: »Tut mir leid, ich kann nicht. Adieu!« und legte den Hörer hin.

Wie sonderbar ängstlich sah sein Vater auf einmal zu ihm auf! Angstvoll, verstört, ärgerlich, verwirrt, gedankenlos, im Gehör noch einige der verrückten Floskeln, die ›hohe Dulderin‹ und ›vom reinsten Ebenmaß‹, hörte er seinen Vater sprechen.

»Was du gelesen hast, klingt ja alles wie ein furchtbarer Schwindel. Das heißt –« unterbrach er sich, »du weißt ja noch gar nichts. Immerhin, du hast jedenfalls das eine bemerkt: Er redet von Automobilen. Damals, als du geboren wurdest. Na, und so weiter. Er war immer ein großes Lügenmaul, so groß, daß er sich selbst verschluckte. Ja, nun also. Entschuldige, mein Junge, aber ich muß noch einiges vorausschicken.

»Ostern bekam ich einen Brief von Mackensen, dem Helenenruher Gärtner. Chalybäus hatte ihn wegen irgendeiner Unregelmäßigkeit Knall und Fall entlassen, übrigens wird ihm nur sein Recht geschehen sein, er war ein großer Hurenweibel, verstand sein Metier zwar aus dem Grunde, war aber gedankenlos und nachlässig bis zum Tezett. Infolgedessen war auch sein Brief nur ein allgemeiner Schwulst, ein Ausfluß der Rache natürlich, und statt sein Recht und eine Untersuchung zu verlangen, klagte und weimerte er herum und verklagte Chalybäus; er sei ein hochgradiger Säufer, jedes Kind in Helenenruh und Böhne wisse das und frage, wohin das führen solle, außerdem sei es bekannt, daß er spiele und Summen verliere, von denen kein Mensch wisse, woher, – na und so weiter. Darauf packe ich gestern nachmittag ein und fahre nach Helenenruh; du weißt –, sehe immer selber nach.

»Wie ich komme, hat er sich grade von einem kleinen Schlaganfall erholt, empfängt mich im Lehnstuhl und sieht aus, als wär ihm sein Todesurteil verlesen und nun käme die Exekution; blaurot im Gesicht, gedunsen, – und auf dem Tisch drei leere Burgunderflaschen; Numero vier trank er grade an, als ich wie der böse Feind über ihn kam. Kaum daß ich die Bücher verlange, fängt er wie ein Kind zu weinen an und um Gnade zu wimmern, – es war eklig, – na kurz, ich revidierte, was zu revidieren war, das heißt, Bestände waren keine da. Die Bücher in Ordnung bis ungefähr Weihnachten; dann fehlten eine Menge Bestände, vom Obstverkauf will ich gar nicht reden, aber die Mahlgelder, – vor allem vom Gestüt ... Na, das ist ja gleichgültig. Unterdessen jammert er nun herum, er sei leichtsinnig, verschwenderisch und hier nicht am rechten Platze. Wie ich ihm aber kurz und bündig seine Entlassung erkläre und Aufnahme in Frankenhöhe anbiete, da fängt er an, ganz gottverlassenes Zeug zu reden, macht die wunderlichsten Anspielungen, woher seine Gicht –, und wieso er zum Trinker – –, und das Gewissen und der Tod vor der Tür, kurzum, er bringt dies hier zum Vorschein, was du eben gelesen hast. Beschwört mich aber noch vorm Lesen hoch und teuer, ich dürfte nicht gemein von ihm denken, er hätte dies einzig und allein aufgesetzt, um sein Gewissen zu erleichtern, – na und dergleichen. Ich lese also, und –«

Der Herzog brach ab, griff in die Aktentasche, schüttelte den Kopf, besann sich und sprach weiter, nach wie vor seine abgerissenen Sätze wie Fetzen, die ihn widerten, ins Zimmer schleudernd:

»Ich muß dir erklären. Die Vorgänge in jener Nacht, die du gelesen hast, hab ich natürlich oft genug von – von Helene erzählen hören, und es war alles so, wie da steht, bloß daß sie erst nach sieben Uhr abgefahren sind und nicht im Automobil, und daß Chalybäus sehr gegen den Willen meiner Frau darauf bestand, selber zu kutschieren, und schließlich, daß sie, wie du denken kannst, nicht nach Altenrepen, sondern nach Hanfurt gefahren sind, um den Schnellzug zu erreichen – um halb neun – der bis Böhne nicht ging, – damals. Wieso und warum diese Konfusion in Chalybäus' Gehirn, kann man sich bei seiner ganzen schwindelhaften Veranlagung und seinem jetzigen Zustand schließlich erklären. Also das merkwürdige Haus in Meysensang und die Verirrung und die Frau im Alkoven, all das stimmt bis auf das T-förmige Kreuz im Gesicht der Hebamme, von dem ich Helene mehrfach mit Schrecken habe sprechen hören.«

Georg sah seinen Vater wieder in die Tasche greifen und diesmal einen Brief hervorholen. Er sagte:

»Neun Jahre später, im Herbst, bekam Chalybäus einen Brief von jener Kammerfrau Biedenweiler, Helenes Ida, von der du vielleicht noch hast sprechen hören. Sie war schon anderthalb Jahre nach deiner Geburt außer Diensten gegangen, was damals kein Mensch recht begriffen hatte, denn sie war zwar lungenkrank, aber das ließ sich reparieren. Diesen Brief schrieb sie aus Christinendorf, der Lungenheilstätte, – übrigens kann ich hier gleich hinzufügen, daß sie keineswegs eine so schwächliche Person war, wie es nach Chalybäus' Darstellung scheint; vor allem hing sie mit einer ganz fanatischen Liebe an Helene und war unglaublich diensteifrig. Ihren Brief hab ich hier; es steht drin, Chalybäus möchte um Gottes willen sofort zu ihr kommen, sie läge im Sterben, sie müsse vor ihrem Tode etwas von ihm wissen, sie könne sonst nicht ruhig einschlafen. Was Chalybäus mit ihr verhandelt hat, das –« der Herzog brachte einige Zettel aus der Tasche zum Vorschein –, »das steht auf diesen Bogen, die ein Konzept darstellen sollen zu der fehlenden Hälfte seines ›Promemoria‹, wie er das nennt. Die Lektüre kann ich dir sparen, denn die Sache ist die ...«

Georg sah seinen Vater tief Atem schöpfen und ein Stück Bart in den Mund ziehn; er holte sein Taschentuch hervor, trocknete sich die Stirn, stopfte es wieder fort und fing von neuem an. Vor den Fenstern lag der Lärm der Stadt, der zuweilen anschwellend seine Worte übertönte; Georg hörte alles und folgte, eiskalt an allen Gliedern, mühsam.

»Die Biedenweiler ist damals nicht gestorben, lebt vielmehr noch immer, wenn auch kümmerlich; sie hat Zucker, na – also ich bin nach der Lektüre dieser Zettel und nach Chalybäus' weiteren Aufklärungen – und nach telephonischer Anfrage in Christinendorf – sofort hingefahren, habe die Frau leider in den Tod erschreckt, dann aber doch herausbekommen, daß seine Aufzeichnungen, die ich ihr vorlas, Wort für Wort stimmten, und ich kann dir das Ganze nun folgendermaßen auf– ja, aufsagen.

»In der Nacht deiner Geburt hatte sich die Eigentümerin jenes Hauses, kränklich und müde, wie sie gewesen sei, in ihr Zimmer zurückgezogen. Die Kammerfrau war neben der Herzogin in Schlaf gefallen, nachdem die ersten Wehen vorüber waren, war wieder erwacht, als das Letzte bevorstand, hatte ins Haus hinunter die Hebamme gerufen, und unter Beider Beistand ist dann ein Kind zur Welt gekommen. Ja, ein Kind, ein – Mädchen.«

Georg zuckte zusammen; sein Blick fiel ab. Was war das?

Drüben vom Tisch, vor seinem Vater, stieg aus der letzten Zigarrenleiche der dünne blaue Rauchfaden, schlank und anmutig, oben leicht sich kräuselnd, leuchtend blau im breiten Streifen des Nachmittagsgoldes, das das Fenster durchströmte. Georg sah gierig hin, als sei dies das Haltbare. Draußen schrie eine Trambahn in der Gleisbiegung, dann wurde es still, aber nahe von unten herauf rasselte, stampfte und stöhnte der Motor eines Automobils. Georg, entleert von Gedanken, wartete unendliche Zeit auf das Aufhören dieses Geräuschs; jetzt setzte es aus, jetzt raffte es sich zu neuen Stößen auf, jetzt lärmte es noch einmal so laut, ein Wagenschlag fiel zu, eine Huppe dröhnte, es zischte, klirrte und brauste, langsam begann es sich zu entfernen, hörte endlich ganz auf.

»Wir müssen weiter,« hörte er eine weit ferne Stimme, die er kannte. »Das Kind, das geboren war, schien dem Sterben nah, und die Hebamme schickte die Kammerfrau eilends damit zum Sanatorium; dem verschlafenen und verärgerten Assistenzarzt, der dort auf ihren Weckruf erschien, drückte sie es nur in die Hände, um, in Todesangst um das Leben ihrer Herrin, wieder zurückzulaufen. Wie sie wieder ins Haus kommt, ist alles still. In der Diele wird sie von der Hebamme empfangen, die ihr mitteilt, die Herzogin sei eingeschlafen, sie solle sich auch zur Ruhe legen, um andern Tags bei Kräften zu sein. Sie habe aber nicht abgelassen, in das Zimmer der Herzogin zu dringen, und da habe die fremde Frau ihr denn gesagt, sie müsse sich nicht wundern, wenn sie ein andres Kind bei der Herzogin finde; es sei schon vor Stunden im Alkoven zur Welt gekommen – die Kammerfrau, die nicht von Helenes Seite gewichen war, wußte nicht, daß jemand darin sei –, und dies Kind, einen Knaben, habe die Hebamme der Herzogin gegeben, die nach ihrem Kinde verlangt hätte, was übrigens der guten Biedenweiler ganz natürlich und sehr richtig erschien. Später ist Helene denn erwacht und sehr glücklich gewesen; leider aber meldete sich damals nun der entsetzliche Kopfschmerz zuerst, der sie für die nächstfolgenden Monate fast der Besinnung beraubte ...«

Nach einer kleinen Pause fuhr der Herzog eilig fort.

»Am Morgen jenes Tages wurde die Kammerfrau, die in irgendeinem Zimmer die Nacht verbracht hatte, von der Hebamme geweckt. Die Mutter des fremden Knaben, sagte die, sei gestorben, das Kind noch bei der Herzogin. Es müsse vorläufig alles so bleiben, das meine auch Chalybäus, dem sie Mitteilung davon gemacht habe.

»Ja, das ist wohl nun alles,« sagte der Herzog. »Daß die Frau mich betrogen hat, ist sinnlos und so ausgeschlossen, wie etwas auf der Welt ausgeschlossen sein kann. Chalybäus beschwört mich hoch und heilig, ihm zu glauben, daß ihm die Hebamme nichts gesagt, sondern daß er das Kind, das er gesehn hat, für das Kind der Herzogin gehalten hat und noch immer halten würde, wenn nicht ... Die arme Biedenweiler ist nun nach einiger Zeit damals in die schrecklichsten Ängste geraten, da sie sah, daß der Knabe bei Helene blieb; sie behauptet, Chalybäus einen Brief geschrieben zu haben, den er auch bekommen, aber nicht verstanden haben will, – jedenfalls war sie ratlos darüber, ob ich von dem Ganzen wußte oder nicht, ob auch Helene, die ihr freilich allzusehr das Kind wie ein eigenes zu liebkosen schien in den seltenen Augenblicken, wo sie es sehen durfte. Dies aber, so sagte sie, diesen Irrtum mit anzusehn, das habe sie auf die Dauer nicht ertragen und deshalb den Dienst verlassen. Jahrelang ist sie dann der Meinung gewesen, ich wisse von allem Bescheid, bis dann die Todesfurcht ... Das ist wohl endlich alles.

»Ja, auch dies noch. Die Frau – Müsing, oder wie sie heißt, ist, wie ich auf telegraphische Anfrage erfuhr, schon lange tot. Antwort auf meine Erkundigungen nach dem Verbleib des Kindes, des – Kindes meiner –« Er ließ den Kopf sinken.

Georg sprang auf und lief ans Fenster: er schlug die Gardine zurück, setzte die gespreizten Finger auf die kalte Scheibe, lehnte die Stirn daran. Er fühlte, wie sie brannte. Es schüttelte ihn, ein-, zweimal. Dann überfiel ihn ein siedender Zorn auf sich selbst. Wie hatte er diese Tage, diese Nacht verbracht! Er krümmte sich. Und sein Vater ...

Der sagte hinter ihm mit erschöpfter Stimme, es gäbe wohl noch dies und jenes aufzuklären, zu erläutern, – Chalybäus ... aber das könnte auch wohl unterbleiben. »Zu ändern,« sagte er hart und ruhig, »ist nichts. Man hats im Gefühl.«

Georg glaubte, den Verstand verloren zu haben. Er suchte in völliger Betäubung nach einem Gedanken. Nichts ...

Nicht der Sohn meines Vaters ...? Was – was heißt das? – Und meiner Mutter – zuckte es nach. Wie? – Also darum – darum die Fremdheit ... Wie er aber spürte, daß an seinem linken Mundwinkel ein Lächeln der Befriedigung zuckte, durchglühte es ihn siedendheiß. O du Schurke! sagte er zu sich.

Er wurde etwas ruhiger danach. Er hörte ein Geräusch, sein Vater stand mühsam auf, dann hörte er die Stöcke hinfallen, sah auf und sah seinen Vater dastehn jämmerlich, einen Arm auf die Tischplatte stützend, den andern ausstreckend, zu ihm hin, da er nicht von der Stelle konnte. Und er stürzte sich an die Brust des Mannes, der ihn an sich preßte, als wäre alles an ihm eisern.

»Das ist ja Unsinn!« schrie Georg empört, »das ist ja alles Unsinn!«

»Ja, ja,« hörte er über sich seinen Vater, »so ist es, es geht uns nichts an, das ändert ja nichts, du bist ja mein Sohn.«

Er faßte ihn an den Schultern, hielt ihn von sich ab mit zärtlichen Augen und sagte:

»Gut, daß du's selber gesagt hast. Zwischen uns bleibt alles beim alten.«

Er mußte sich nun wieder hinsetzen, winkte Georg zu, es auch zu tun, und sagte dann eilfertig:

»Mein lieber Junge, eins brauche ich dir doch nicht erst zu versichern, wie ich dir nicht erst meine Ansichten von Welt, Stand und Geburt und dergleichen zu erklären brauche, – eins sollst du wissen und glauben: so schmerzlich, ja so bitter schmerzlich dies Ereignis für mich ist, nein, Junge, nicht einmal dies Ereignis, das ist es ja gar nicht, sondern nur der Gedanke an Mama und – und diesen jahrelangen Irrtum, der natürlich für eine Mutter etwas ganz andres bedeutet als für unsereinen, – nun, was wollte ich sagen?«

Ach, war er nicht himmlisch, dachte Georg. Mama sagte er wieder und ›unsereins‹. Ja, so war er, so war er! – Der Herzog fuhr fort:

»Ich wollte sagen, zwanzig Jahre für ein Wesen wie für einen Sohn fühlen, sorgen, denken, das macht alles andre, alles zunichte. Zwischen uns bleibt alles unverändert. Nicht wahr, Junge, ich brauche nicht zu allem andern noch zu denken, daß es dich womöglich peinigt, dein Leben lang Gefühle in Anspruch genommen zu haben, – das ist ja Unsinn, wir alle haben es nie anders gewußt, und das waren die Gefühle, und andre hätten es nicht sein können, und nun bist du mein Sohn und basta!«

Georg blickte ihn verklärt an, aber in solcher Dumpfheit, daß ihn fror, als er sie deutlich empfand.

»Zu bedenken,« hörte er seinen Vater sagen, »ist nun die Welt. Ich will dich damit nicht überrumpeln. Es hat Zeit, wir müssen ja auch erst noch alles sichten und prüfen, – und freilich, mit Mama wird das schwer –, denn sie darf natürlich nichts, nicht das geringste erfahren, und da mußt du nun zusehn ... Ach, du lieber Gott, woher kommen denn wir alle, wo ist unser Anfang, wo der Tag unsrer Geburt, wer sind unsre rechten Eltern? Was waren sie alle für sanfte Gestalten, die Trassenberge, und da sieh mich, was bin ich für ein Kerl! Ich will mich nicht belügen, ja, ich will sogar denken, ich würde vielleicht andrer Meinung hiervon sein, wenn ich nicht Herzog wäre. Aber all dies ist nun einmal so, und darum sind diejenigen Gefühle und Meinungen, die erregt werden, die richtigen. Du mußt nun versuchen, es ebenso auf deine Weise abzumachen. Die Sache gewissermaßen mit Luft durchsetzen, bis sie Auftrieb kriegt und schwimmt.«

Georg, der alle Worte mit dem einzigen Wunsche aufgenommen hatte, ihren Sinn genau zu begreifen, sah ihn jetzt mit sanft abirrendem Blick lächeln und nach einer Weile sagen:

»Ich hab einen alten Freund, den Geheimrat Michaelis in Berlin, der sprach von seiner Frau nie anders als von ›unsrer Mutter‹, obgleich er nur zwölf Jahre lang eine einzige Tochter gehabt hat. So –«

Der Herzog brach ab, als starre er in eine völlige Wirrnis, legte die Schläfen in die Fäuste und rief zornig:

»Herr Gott im Himmel, es ist, es ist, es ist doch so, so, und nicht anders! Sie hat ihn mir gegeben, und ich hab ihn genommen, wer schwätzt mir denn nun immer dazwischen, das ist ja zum Verrücktwerden!«

Georg saß steif da und wagte nicht, sich zu rühren. Sein Vater hob die Stöcke auf, stützte sich und erhob sich. Aufrecht stehend sagte er:

»Tu mir nun den Gefallen und laß mich eine Stunde allein. Ich möchte auch etwas essen. Und du selbst mußt nun anfangen, dir klar zu werden, wie wir Beide es vor der Welt halten wollen. Hoffentlich habe ich dich nicht schon überrumpelt. Geh, mein Sohn, geh durch Gottes frische, freie Natur, und dann komm noch einmal, komm aus der Natur und dir selbst zu mir und sage: So und so, und das ist meine Ansicht von der Sache, und das ist mein Entschluß. Um mich hast du dich nicht zu kümmern. Bloß zu wissen, daß ich jeden Augenblick und vor der ganzen Welt bereit bin zu tun, was mir beliebt!«

Er wehrte hastig ab, jetzt wieder jenen Ausdruck von Hoffart und Überlegenheit auf dem Gesicht, den Georg im Anfang bemerkt hatte. »Geh,« sagte er, »ich erwarte dich in einer Stunde.«

Georg nahm Überzieher und Hut und ging.

 

Hingang

Georgs gereizte Augenlider empfanden die abgekühlte Abendluft angenehm, während er, ohne die Richtung viel zu bedenken, durch die Menschen ging, besinnungslos zwischen Wänden der elektrischen Bahnen, zwischen Radfahrern und Automobilen über den Platz, und weiter mit geblendeten Augen gegen das letzte Feuer der untergehenden Sonne, die alles überflutete. Einmal kam es ihm dumpf: Ihr schönen Träume! Nun alle dahin! – Es fiel ihm ein, was er am Nachmittag Benno von Napoleon erzählt, was er sich selbst erzählt hatte; sein Zimmer erschien ihm, das noch geträumte, dann das wirklich gesehene, das leuchtende Spinnennetz oben ... Ja, soll nun wirklich auf einmal alles unmöglich geworden sein? Giebt man Ideale auf für einen Faustschlag? O nun könnte ich Vater hassen, daß er nicht regierender Herzog geworden ist, nun, wo ich es nicht werden kann! Freilich war es seine Art so, – künstlerische Dinge liegen ihm fern, und alle andern Pflichten gegen die Menschheit liebt er namenlos zu erfüllen. Dies aber sollte nicht sein. Ach, etwa um seinet-, um meinetwillen? Um des Beispiels willen doch allein, damit es einen Fürsten in Deutschland gebe, der sich sichtbarlich für alle großen und erhabenen Dinge einsetzt. Was ist denn geschehn? Was ist denn nun überhaupt geschehn?

Georg merkte, daß er die Lindenallee nach Herrenhausen hinunterging; es dämmerte, die Sonne war verschwunden, der Himmel noch hell über den kahl nach oben strebenden Zweigen; Menschen, zu zweien gesellt, schlenderten zärtlich umher, schweigsam. Frühling wars. Wie weit der Himmel doch ist, wenn man sich beengt fühlt, dachte er wehmütig. Da sah er die eine von Bogners drei Fresken vor sich, den Genesenden in der Landschaft, den großen magern Mann auf der Bank, in schweren violetten Falten, mit den, zwischen den Knien herunterhängenden, noch ganz mit Tod gefüllten Händen, unter der Fichte, die den stärksten Zweig mit zum Staunen priesterlicher Gebärde über ihn hinreckt, und vor ihm, der sein Antlitz der Tiefe des Bildes zuwendet – Land, Land und Land, Tiefe, Unendlichkeit der in den Horizont entschweifenden Dämmerebenen, aber darüber des Abendhimmels unsterblich leuchtende, reine, triumphierende Vision.

Georg, sich aufrichtend, bog zur Linken in die Anlagen ab, ging an der kleinen Kapelle vorüber, von deren Zifferblatt er fünf Minuten nach acht ablas, und fand sich vor dem kleinen Palais in die Betrachtung des schönen Rasenrunds versunken. Der widerscheinende Nordhimmel über den Wipfeln war rosig und hell. Sich umwendend sah er den Efeumantel der Sternwarte hinter seinem Rücken und sagte: » Ce n'est pas contre ...«

Das also war gemeint? Seine Gedanken überstürzten sich jählings, Scham, Entrüstung, Betäubtheit flammten und waren schon in Hochmut und Begierde hinüber. Gegen meine Sterne? Oh nein! Auf diesen Thron soll ich, obgleich ... Da sprang ein Wort blitzschnell auf und lief wie eine Kugel fort; er tastete nach einem andern, fand keins, – da sah er das erste liegen, still, beflissen, oder geduckt, wie ein listiges Tier, und er griff es und sagte: ja, obwohl ich ein Bastard bin. Laut, hell und deutlich sagte eine schneidende Mädchenstimme: »Bastard von Orleans!« und: »Du willst Gott versuchen!« vollendete er die Verszeile. Gott versuchen, Gott versuchen ... was heißt das? Unsinn, er war ja keiner! Ein Bastard war eines Fürsten natürlicher Sohn, er aber war gar nichts, sondern war – Nun hab ichs, schrie er erbost, nun hab ich das ganze Mittelalter und alle Hintertreppen in der Faust! – Er lief aufgeregt am Palais vorbei, dann den Weg hinunter, den Graben hin, der aus dem Park hinterm Schlößchen kam. Ich weigere mich, sagte er, ich weigere mich, dies zu verstehn. Kann ich vielleicht jetzt auf einmal Erziehung und Gewohnheiten, alle Gedanken und Empfindungen, mit einem Wort mein ganzes Ich abstreifen und ein Andrer werden? Nein, es ist ja anders! Ich soll der ja sein, der ich bin, das aber ist eben ein Andrer, ein ganz Fremder, den ich weder kenne, noch irgendwo entdecken kann. Das ist eine unlösbare Verwirrung. Innerlich, Herrgott, innerlich ist doch nichts verändert, warum soll man denn da seine ganzen Kleider ausziehn!

Er kreuzte Wege, ging über eine Brücke, gelangte an den Teich, stieg abbiegend den Weg hinan und lief gegen eine breite Gittertür. Richtig! der französische Park! Da war die Geländerbrücke, über welche die Gittertür gespannt war; dunkel lag das Wasser der Gracht, fern, zwischen den Heckengängen war ein Fontänenbecken sichtbar; weit zur Linken stand der Säulenpavillon, schön und einsam, sehr still. Wie bin ich hierhergekommen? fragte er. Antwort gab eine seltsame, erst unverständliche, geheimnisvolle Stimme aus der Tiefe der Gärten, lang flötend, noch prüfend, schon brünstig, die erste, viel verfrühte Nachtigall. Oh Gott, Renate!

Ja, Benno, und was wird nun aus dir? Oh verfluchtes Gitter, schrie er und packte einen der Stäbe, bin ich denn nun ganz närrisch geworden? – Er ging ein wenig beschämt die Chaussee nach Westen weiter, während die Gedanken in ihm sich nun unaufhörlich jagten und umschlangen und zuweilen die Redensart ›Bastard von Orleans‹ an die Oberfläche brachten. Was würde Bogner wohl an seiner Stelle tun? Ach, das war ja klar! Aber erstlich war er ein Maler, er hatte etwas, hatte sich selbst voll in der Hand, und – und wenn ihm so etwas vor fünfzehn Jahren passiert wäre? Was tat er vor fünfzehn Jahren? O Pech und Schwefel! er ging auf und davon. War es denn überhaupt möglich, sein ganzes Dasein auf eine Lüge zu setzen? Georg sah die Lüge alsbald deutlich in Gestalt einer großen Schildkröte, auf deren Rücken er einen genau gehauenen Würfel von Granit setzte, empfindlich fühlend, daß die Kröte sich bewegte und nicht standhielt. Ja, auf eine Lüge, sagte er, nun wollen wir der Sache wenigstens ins Auge sehn. Was ist das für ein Schornstein da rechts?

Die Chaussee hatte ein Ende genommen; er stand auf einem Wege, der vorüberführte, der rechts nach zwanzig Schritten zwischen Bäumen und Gebäuden verlief, aus denen sich der riesige Schornstein erhob, – ah, es war die Wasserkunst für die Herrenhäuser Springbrunnen! – links in die Ferne zog, wo das Schlößchen unsichtbar liegen mußte. Grad ihm gegenüber dehnte sich das niedrige Dickicht der Laubenkolonien, aus dem Türmchen und Wimpelstangen ragten, und Georg entzifferte auf einem großen Schild über einem Torbogen ungeduldig in verschlungenen Buchstaben: Draht–wurm–hausen. Dann blickte er über die unregelmäßigen Wiesenflächen hin, über denen es dämmerte; fern dahinter standen Häuserreihn, noch vom Abendhimmel angeschienen, dazwischen schon die stechenden Lichter der Laternen, – die Fabrikstadt. Wo war denn nun der Fluß? Georg ging auf den Schornstein zu, an der gelben Mauer hinunter und stand gleich darauf über dem Fluß auf steilem Ufer; schön abendklar lag die Fläche, auch dunkel und still; rosenfarbene Abendwolken schwammen zwischen den schwarzen Ufersilhouetten; drei Wellenbrecher standen schwarz und still darinnen, und jenseit war der westliche Himmel, pfirsichfarben, rosenfarben und silbergrün und bläulich und hellgolden mit schwarzer Schattenlandschaft eines in Baumwipfel gebetteten Dorfes. Georg stand ergriffen davor, schwieg sich minutenlang aus, hörte es endlich murmeln irgendwo: O wie hängt mein Dasein an allem diesem! Dies bin doch ich, diesem gehör ich, dies kann ich immer haben! Hier kann ich meine liebe Seele von mir gehn heißen, kann sie vor mir wandeln sehn ungebunden, über Fluß und über Flächen, schwinden sehn im Dunkel dort unter Bäumen, unter Dächern, in aller Friedfertigkeit, aufgelöst und wunderbar getrost. Und wenn ich winke, so kehrt sie zurück, tritt gerne bei mir ein, bringt mir, was sie hat, legt mir Wipfel und Sterne, Ströme und Nachtigallen in die Brust und sagt: Wir sind zu Hause ...

Seufzend wandte Georg sich endlich ab, kehrte sich um, blickte über die dunklen Wiesen hin und dachte: Was soll ich tun? Meine Seele wird immer mein sein, immer mein die Plätze, wo sie untrüglich redet und schön, da mag ich vor der Welt sein, was ich bin. Welche Veränderung soll denn nun mit mir vorgegangen sein? Ja, eine ist vor sich gegangen! Denn Mutter, – sie entglitt mir nun ganz – Vater aber, – ihn liebe ich nach wie vor, mehr sogar vielleicht, ja mehr, denn – – seine Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, er schwankte blindlings, fühlte einen Pfahl im Wege, und über ihn gelehnt, weinte er wild und lange, hin und wieder stammelnd: Vater! oh Vater! bis er sich ausgeweint hatte und, sein Gesicht trocknend, mit schmerzendem Kopf und brennenden Augen weiterging.

Nichts, sagte er zu mir, habe sich gewandelt. Mich empfinde ich nicht um Haaresbreite anders als früher, warum sollte ich dies Dasein aufgeben, unbekannter, längst verstorbener Personen wegen, die es mir gaben? nein, die es mir nicht gaben, sondern die gabens mir, die um mich leben und ich selber. Plötzlich fiel ihm ein, daß er bei alledem noch mit keinem Herzensschlage an jene gedacht hatte, die seine wirkliche Mutter war. ›Von reinstem Ebenmaß ...‹ Fremd, fremd, fremd ...

Was steigt denn da über die Häuser empor? Der Mond? der sieht ja sonderbar entfremdet aus! Eine ungeheure, blaßrote Blase ... Als würde dahinten von einem Marktplatz ein Ballon hochgelassen. Wie bange und zaudernd er in den rauchigen grauen Himmel steigt! ›Seht ihr den Mond dort stehen?‹ Oh, flüsterte er sanftmütig vor sich hin: »Er ist nur halb zu sehen, und ist doch rund und schön. So sind gar manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn ...« Getrost belachen, – getrost, – wie schön! Zitate beweisen nie etwas, durchfuhrs ihn zornig. Und er floh verstört den Anblick jenes trübseligen Mondes, der sich nicht getraute, Himmelsgestirn zu scheinen, und lief, von Abscheu und heftigem Angstgefühl bedrückt, am Ufer fort.

Gleich darauf hörte er ein Geschrei und heftiges Lärmen, das aus der Erde zu quellen schien, wilde Rufe eines unterirdischen Kampfes, unheimlich bei der tiefen, abendlichen Stille umher. Da sah er, daß der Fluß ein wenig aufwärts sich krümmte, so daß er selber in die Biegung hineinging; am hohen Ufer standen ein paar dunkle Gestalten still da, die sich beim Näherkommen verwandelten: in einen Straßenbahnschaffner mit seiner Frau, einen Jüngling mit seinem Rade, einen Fleischergesellen mit seinem Mädchen, die alle sechs zur Tiefe des Flusses hinunterblickten. Ja, welch ein Schauspiel! welche Aufregung! Vier mächtige, äußerst schmale Ruderboote lagen in Abständen voneinander da, bemannt je mit vier nacktbeinigen Kerlen in weißen Sweatern, die je einen der riesigen, schaufelnden Riemen in Händen hielten, und am Ende hockten die dunkelblauen Steurer klein; von links her aber schossen zwei stürmisch heran, die langen Riemen griffen ungestüm weit aus und schlitterten beim Zurückschwingen über die metallische Fläche, vom Steuer her jedoch schrien die beiden Lenker, als ob sie wie der böse Feind hinter den Mannschaften säßen: »Hee – äh! hee – äh! hee– äh! ... Los! ... Los! ... Los! ... So ists recht! ... So ists recht! ... Müller flacher einschlagen! So ists recht! Hee – äh! ... Halt!« Die Ruderblätter schlitterten härter in die Flut, die Boote glitten, lagen augenblicks still. Zwischen all dem aber bewegte sich fremd und blind die Fähre, ein großes, fußloses Tier, quer über den Strom, ein roter, eiserner Kahn mit ein paar Menschen darin, langsam und vorsichtig wie eine tastende Schnecke. Georg folgte ihr eine Weile mit den Augen, sah sie jenseits anlegen, und plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Schnitt: daß er in einer ungeheuren Einsamkeit stand, daß er mit einem Schlage fremd geworden war in der vertrauten Welt. Hier stand er in seinem grenzenlosen Taumel allein, und dies hier, dies leichte Leben tummelte sich vor seinen Augen, ja redete ihm ins Gesicht hinein, so wie – wie einmal, als er ein Junge war, bei einer Kindergesellschaft, wo er nicht mitspielen wollte und in Leideswollust beiseitestand und zusah, wie die Andern ihm zum Tort um so lustiger schrien und tobten ohne ihn. – Er lachte wütend auf. Ja, so war es, nur – Ernst wars heute.

Georg ging den Wiesenweg neben einer hohen Hecke hinunter, in der Richtung der Stadt. Nachträglich kam es ihm, wie einfach, wie unbedenklich sich dies vollzogen hatte, wie still die Zuschauer oben sich verhielten, innerlich scheinbar völlig abgeneigt gegen das erregte Spiel, und dazwischen die Fähre so gutmütig. – Ist ein Weg zu diesem für mich? fragte er sich dumpf.

Er kam nun durch ein Gartenrestaurant, wo ihm der Fluß wieder zur Rechten sichtbar wurde; am eingefriedigten Ufer saßen im Dunkel unter spärlichen Lampen stille Menschen an Tischen und tranken Bier. Beim Herauskommen aus dem Wirtsgarten sah Georg den Mond wieder, jetzt eine gelbrote, feurig glühende Scheibe. Es dunkelte tiefer. Er kam an der Rückseite der Laubenkolonien vorüber, wo Fahnenstangen leer und still gegen den wehmütig aussehenden Himmel standen; dahinter, ganz fern und blaß war die Rückfront des Schlößchens zu erkennen; friedlich schimmerten ihn weiße Lattengiebel der Lauben an. Er kam an einem schwarzen Sportplatz vorüber, wo ein paar junge Menschen mit bloßen Beinen still und emsig in der Dunkelheit noch ein Wettgehen übten, während andre Burschen in Anzügen zusahen und sie verhöhnten. Schließlich mußte er durch eine gebogene und enge Straße voll stiller Feierabendleute und verhaltener Kinder und erreichte den Platz am Anfange der Allee, hell von Laternen und schwebenden Kugeln, und in allen Fenstern der grauen Kaserne lagen Rekruten in Drillich und machten Musik, ganz leise.

Was aber mag es sein, das Papa von mir erwartet? fragte er sich. Er muß doch eine Meinung, einen Wunsch haben, obwohl er alles mir zu überlassen schien. – Da spaltete es ihn mit siedender Hitze, daß er die lange Stunde seither nur gedacht hatte. – Da habe ich über den Sinn dieser Dinge mich zergrübelt und keinen Augenblick lang versucht, mir eine Vorstellung zu machen, wie es etwa sein wird, wenn ich der Prinz bleibe, das heißt, wenn ich eine Maske vornehme. Das genügt, dies Wort genügt. Es ist gut, es ist ja gut, dachte er, sich beschwichtigend, ergeben, ich werde das nie können. Warum sollte ich auch? Mein Leben behalt ich, alle Kräfte, die guten und die bösen Triebe, nur – o Renate, Renate! Schönes, göttliches Wesen, was würde es dir verschlagen, wer ich bin, wenn dein Herz sich zu mir neigen müßte? Ach, auch das wird nie geschehn! Es wird das beste sein, ich gehe auf eine Zeitlang fort, in irgendeine schöne Wald- und Wassereinsamkeit, in der sich alles klärt; vielleicht nach Insel Wight oder nach Sylt. – Ihm fielen ein paar Sätze und Wendungen des Briefes ein, den er von dort an seinen Vater schreiben würde. Vielleicht, sagte er zu sich als wie zu einem, der zu müde ist, um sich zu wehren, bist du ein weicher, unbrauchbarer Mensch nur, der dies und jenes tun kann, und eins wie das andre wird auf das gleiche hinauslaufen. Aber man soll keine Äußerlichkeiten überschätzen. Es kommt nur und nur darauf an, etwas zu sein; auf den Inhalt kommt es an, nicht auf die Form. Aber jegliche Form, blitzte es hinwieder, ist ein Erzeugnis ihres Inhalts. Nun, so würde ich eben, ja würde ich eben meine Form von innen heraus schaffen, meine ganz eigene und ganz allein. Das müßte denn doch nicht mit rechten Dingen zugehn, wenn ich nicht imstande wäre, diese scheinbare, diese äußere Unwahrheit meines Daseins mit Echtheit, mit Wahrheit zu durchsetzen und auszulöschen. Sollte am Ende dies über mich kommen, beschlossen, mein Gott, von den Sternen, als Prüfung, ob ich ihrer würdig sei, ob ich auch recht bestehe? Und die Wahrheit scheint, sie scheint links zu liegen, im Einfachen, im Gefühl; und sich nicht verführen zu lassen, das wäre die Kunst, die Leistung. Lieber Gott, es wäre doch im Grunde abscheulich simpel, einfach einen Strich unter alles zu machen und schnurstracks in die Bastarderie hineinzulaufen. Augen auf, Georg! Dies ist deine Prüfung, deine Versuchung, den Schein der Lüge auf dich zu nehmen, da du ja nun die rechten Werte erkannt hast, nun weißt, wie verlogen, wie unwahr im Grunde alles ist, denn – wenn sich die Wahrheit – sie hing doch am zufälligsten Zufall – nun nicht herausgestellt hätte, was dann? Laufen sie nicht zu Dutzenden herum, wirkliche, blutechte Prinzen oder Fürsten, dargestellt aber durch Lakaien, Wüstlinge, Krämer und Faulenzer, und ich, ich soll alles Wahre und Schöne, all meine echten, strahlenden Ideen aufgeben wegen einer Kammerfrau? Wird es nicht schön, wird es nicht unendlich heilsam sein, dies Dunkle unter der Oberfläche zu tragen wie ein Büßerhemd unter der Rüstung? Wird es mir nicht immer untrüglicher, immer sichrer und königlicher zu dem einen Wissen verhelfen: daß der Schein nichts gilt, daß der Glanz fragwürdig ist, daß in jedem Innern Leiden und Scham wohnen? Nichts ist echt, triumphierte er, so wenig der Grünspan hier an der Normaluhr Metall ist, denn er ist Ölfarbe; nichts ist wahr ...

Überdem gingen alle Gedanken ihm völlig aus; er stand in einer Leere, immerfort wiederholend: Nichts ist wahr ... Nichts ist wahr ... bis er fühlte, wie diese Leere sich langsam mit einem gräßlichen Angstgefühl füllte. Blinden Auges, zusammengepreßt von einer schaurigen Last, plötzlich in Leere wieder, dann aufglühend in siedender Scham, sah er Gestalten von Menschen vor sich ab und zu gehn, lautlos scheinbar, eine Dame mit einem Kinde, das von ihr abhing, einen kleinen Strohhut in der Hand, – einen gebückten Mann, der an die Normaluhr trat und das Gesicht mit einem welken braunen Bart längere Zeit nahe daran hielt, – und hinter diesem toste etwas und rauschte, – er starrte eine Weile in Gesichter über ihm, erkannte den Hinterperron eines Straßenbahnwagens und blieb, als der sich fortbewegte, mit den Augen daran haften, nachfolgend in die Ferne ... Da raffte er sich zusammen, es kam ihm vor, als stünde er ganz krumm da. Langsam, gedankenlos über sich selbst hinweg murmelte er: Es wird eine schwere Aufgabe sein, den Menschen diese Maske vorzuhalten und im Innern ...

Er stockte. Schon einmal dachte ich eben: Maske, und erinnerte mich dabei – –, woran doch? An ein Gespräch! jawohl, heute nacht, wo war das noch? Ah Lenusch! In der Bar! Montfort und dieser – Saint-Georges sprachen über das Problem der vertauschten Seelen. Wie, schon neun Uhr durch? erschrak er angesichts des leuchtenden Zifferblatts, das er schon lange betrachtete, Vater wird warten, aber nun muß ich doch noch einmal ... Wie ist die Stadt verwandelt? Ja, es ist Nacht geworden, aber nicht dunkel. Oh freilich, sprang es hell auf in ihm, Nacht geworden, aber nicht dunkel! Nichts ist verändert, nur das Licht. Es ist künstlich, aber tief drinnen im ewigen Dunkel der Brust brennt die geheiligte Lampe! –

Er entschloß sich, ins Café zu gehn, hungrig ohne Appetit etwas Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen und das Nachtgespräch zu bedenken.

Paßt das Ganze eigentlich auf mich? fragte er sich, langsam seinen Apfelkuchen vertilgend. Eine Maske – über deren tragische oder jedenfalls erniedrigende Wirkung auf ihren Träger sie ja wohl einig wurden –, eine Maske nehme ich freilich vor. Ich würde, gesetzt ich bleibe der Prinz, in einen Andern versetzt werden, eine Hülle, eine Maske, jawohl. Schließlich, fällt mir ein, stellten sie fest, daß alles beim alten bleiben würde, daß keiner auf keine Weise aus seiner Haut herauskäme, und Bogner sprach von Bestimmung. Theorien, Theorien! Da haben sie nun herumgeschwatzt, und ich muß es leiden. Und dann das von der Vernichtung des Schamgefühls. Und von ›gewissermaßen anständigen‹ Menschen sprachen sie. Habe ich eine Maske, oder habe ich keine? schrie er sich innerlich wutentbrannt an. Nun ist mir alles durcheinandergekommen! Hier sitze ich und bin, der ich bin, was gehn mich zum Henker diese herumsitzenden Menschen an mit ihren Gesichtern, die auseinanderfallen wie Bündel Karpfen und mit stummen Augen wie die Fische! Es ist gut! ich bin entschlossen. Nun zu Vater. Er rief: »Zahlen!«

»Durchlaucht hatten –« fing der Kellner – Frithjof – nun erkannte er ihn erst! – seine Berechnung an, und während Georg sich hütete, ihm ein besonders großes Trinkgeld zu geben – denn das würde nach Josefs Beweisführung so viel bedeutet haben wie Unsicherheit und Selbstbetrug –, fiel mit einem sanften Geräusch das ganze Gebäude in ihm zusammen. Er zog den Mantel über und ging ganz zerdrückt und in entsetzlichem Angstgefühl wieder ins Hotel hinüber, um seinem Vater zu sagen ... zu sagen? – zu sagen ...

 

Hochzeit

Als Georg im Hotel das Zimmer seines Vaters betrat, war es dunkel darin, aber im einfallenden Laternenschein erkannte er den Schatten seines Vaters, der im Sessel saß, als habe er sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt. Nun saß er hier allein und wartete ... Georg fragte, bedrückt und ängstlich, ob er Licht machen solle, hörte das Ja seines Vaters und drehte die Kurbel. Das Blenden der grellen Lampen unter der Decke überwindend, suchte er noch nach Worten, als er seinen Vater sagen hörte, es sei gut, daß Georg gekommen sei, er habe ein Telegramm aus Helenenruh erhalten: Chalybäus sei tatsächlich von einem neuen Schlaganfall betroffen; im Montfortschen Hause, wo er gleich angerufen habe, sei ihm gesagt worden, daß Magda sich auf einer Hochzeit befinde, doch habe niemand gewußt wo. Ob Georg ...

Den durchzuckte es: Da, Cora, nun bekommst du doch deinen Willen. Oh, und Renate war dort! – Da hörte er nur seinen Vater noch sagen, daß er sehr müde sei und sich gleich niederlegen wolle; dann morgen mit dem Frühzug nach Trassenberg zurück, – drückte ihm die Hand, zauderte noch und stand.

»Geh nur, Junge!« sagte der Herzog, »morgen ist auch ein Tag. Sei so gut und klingle zwei Mal.« Und ganz flüchtig setzte er hinzu: »Nur nichts überstürzen, nur nichts überstürzen.«

Georg ging. –

Wie? fragte sich Georg, schüttelte langsam den Kopf und fragte noch einmal: Wie? – –

Was war das nun gewesen? Er hatte nichts gesagt, ja, wie sollte er etwas sagen? – Nein, Papa hat recht: dies braucht längere Zeit ... Papa – sagte ich eben, – ja, und ich empfinde: Papa. – Nein, nun kann ich nicht mehr, murmelte er zu Tode verdrossen und dachte: Muß ich den Frack anziehn? Ich werde Bogner herausrufen lassen, denn wenn sie mich erst drinnen haben, wird es schwer sein, die Worte für Magda zu finden. Armes Kind, armes, armes Kind! – Er klingelte, befahl dem blassen Egon, den Frack und alles Nötige herauszulegen, schickte ihn dann fort, verlor aber in plötzlichem Ekel alle Lust und geriet, haltlos in Qualen umherstreichend, vor den Spiegel. Der zeigte ihm sonderbarerweise nichts andres als die alten, gutherzigen braunen Augen, spärlichen Brauen, das alte schwärzliche Haar, die dunkle Haut, – freilich die war neu, für ihn immerhin, der nun wußte, woher sie stammte. Gleichwohl ließ sich nicht leugnen, daß Wuchs und Haltung und der ganze Schnitt des Gesichts Adelsart waren. Er wandte sich ab und trat ans Fenster. Ohne etwas wahrzunehmen von draußen dachte er:

Es ist so sonderbar! Wenn irgendeinem guten Menschen eines Tages mitgeteilt würde, daß er in Wirklichkeit ein König sei, wie stolz würde er auf ein solches Geheimnis sein, wie zärtlich würde ers hüten, wie durchaus keine Gewissensbisse würde er sich machen, solch ein Geheimnis zu haben. Warum denn nur, warum machen wir diesen rätselhaften Unterschied zwischen Gut und Böse? Warum darf Gutes immer, Böses nie verheimlicht werden? O und warum, warum überhaupt sind wir immer und immer so nach außen gewandt, als wäre auch keine Spur Inneres in uns vorhanden? Habe ich hier nicht meine Seele, Träume und Triebe, Gutes und Schlechtes im Gemisch, und niemand weiß darum, fragt danach, scheint es überhaupt zu ahnen, aber dies, dies eine, das ich zufällig genau weiß, und das mir irgendeinen festen Bezug zur Außenwelt zu haben scheint, das glaube ich ausschreien zu müssen, als wär es das einzige, was ich besäße, und als wäre es gleichwohl nicht mein, sondern ganz allein Eigentum der Welt. Niemand hilft mir, niemand denkt an mich, in allen Ängsten, in allen Folterungen, herumgewälzt zwischen Gut und Böse bin ich sterbensallein, und nach diesem schreien sie, darauf zeigen sie, dies wollen sie alle, alle haben! Verflucht sollt ihr sein, und ich gebe es nicht! –

Eine Viertelstunde später übergab er seine Karte einem Kellner mit dem Auftrag, den Maler Bogner aus der Herzbruchschen Hochzeitsgesellschaft zu rufen. Er befand sich in einem Korridor mit Türen, der gegen eine Flügeltür verlief; die andern führten wohl zu den Garderoberäumen, denn aus einer kamen ein paar junge Mädchen in Weiß und Rosa, kicherten, erzählten sich was und schlüpften durch die Flügeltür, aus der ein Schein von Damenkleidern und Fräcken, Kronleuchtern, auch Stimmgeräusch und Musik herausdrangen. Alsbald kam der Maler, der in einem fameusen Frack aussah wie ein amerikanischer Geschäftsträger. Cora also hatte Georgs Karte gesehn, und infolgedessen sitze die ganze Hochzeit in Erwartung der Durchlaucht. Georg erklärte den Grund seines Kommens, und nun meinte Bogner, das Beste werde sein, mit Renate zu sprechen, und er wolle es übernehmen, weil Georg umringt werden würde. Damit gingen sie in den Saal, und auf Georg stürzte sich das alabasterne und himmelfarbene Meer mit Okeaniden und Tritonen, Muschelwagen und brausenden Hörnern.

Renate trug ihr königliches Haupt dahin auf dem Wunder ihres Nackens, fließend in meergrüner Seide, Brüsseler Kanten am Ausschnitt von Hals und Ärmeln, die Füße meergrün umrieselt. O wie sanft lächelten ihre Lippen Seligkeit über die Welt! O wie berauschte ihr Haar! Und auf der atmenden Fläche der marmornen Brust schwebte ein drittes Auge, ein großer dunkelblauer Edelstein in einem Kranz von Perlen, schön und unendlich seelenlos gegen die darüber schwebenden Juwelen, die gebadeten in Seele und Traum, aus denen es blickte, blickte wunderbar, und Mund und Augen, Brust und Haar hatten sich zusammengetan zu einem Bunde der Göttlichkeit, der herrschte und verwarf, der wie ein Reigen elysischer Wesen, in sich selbst versunken wie der Schwan, aufstieg in sich selbst, hinschwebend durch diese kahle Erde wie die Gloriole einer Heiligen, die sie von sich löste, als sie gen Himmel schied, damit aller Augen einmal ein Wunder sähen. –

Es giebt nur schöne Dinge auf Erden, dachte Georg voll Inbrunst und mit allem versöhnt. Ein alter Herr sprach von Großvätern und Beaune la Rolande. Alte Damen standen überall und lächelten augenblicks, wenn er sie ansah. Ulrika Tregiorni wandelte vorüber in Mattgelb mit weißem Überwurf und weißen Fichus, Antlitz wie Chinaporzellan, edelstes, schwarze Holunderbeeren in dunkelrotem Haar, welch unerhörte Erfindung! Josef Montfort schritt nachlässig herum und wehrte alles von sich. War das Anna, die dort tanzte, wie groß sie war? wie schmal in Hellblau, wie ernsthaft sah sie beim Tanzen vor sich hin. Männer und Frauen. Cora drang auf Georg ein mit flattrigem Haar, in bronzefarbenem, dünnem Samt, herbstlicher, lockerer, vergehnder als je. Wo war Renate? Cora redete unaufhörlich, Bogner trat herzu und sagte, daß Renate mit Magda gegangen sei; Magda habe darauf bestanden, noch mit dem Nachtzug nach Helenenruh zu fahren. Georg sank das Herz. Cora zwang ihn, mit ihr zu tanzen. Danach tanzte er unaufhörlich. Viele Mädchen waren da, für die er eine Erlesenheit bedeutete. Plötzlich löste sich die Gesellschaft auf; Georg entlief.

 

Nachtgarten

Er stürmte in die Nacht; Straßen flogen vorüber, Lampen schwebten über ihm still hinweg, er flog über einen Platz, hinein unter die schwärzlichen Hallen der Allee. Er wollte an dem Gitter hinter der Brücke am verschlossenen Garten stehn; was zog ihn nur dorthin? Er lief. Oh nun war es kein Palais und war kaum eine Natur, die ihn draußen im Weiten erwarteten, diesmal war er selber es allein. Er, er, er, der Mensch, der wahre, der nichts als Mensch, stand dort irgendwo angebunden zwischen Bäumen, unter Sternen, in der Nacht, ein Schwankendes im Nachtwind, ein Gefäß aller Düfte, ein Nachtspiegel der Gestirne, ein Auge göttlich, ein Ohr empfindlich wie Tieresohr, eine schluchzende Brust, ein Herz, oh, eine flutende Seele! Hin sich zu werfen an Erdboden, in Gras, anzubeten, wie eine Quelle Bluts von Ewigkeit oder Vergänglichkeit verschluckt zu werden, o mein Gott! Den dort Wartenden mußte er finden, ihn fassen, ihn umschlingen, in ihn schmelzen, ach das würde eine Wiederfindung sein, ein Tod, eine Auflösung und eine Auferstehung, von der die Dichter nichts ahnten. Oh Geliebte, Geliebte! Sanft werden, schluchzte er, Kind werden, wie du werden, dir ähnlich, dir nahe sein, in deiner Brust eine Musik, in deinem Herzen ein einziger Schlag, in deinen Augen ein Splitter von Gottesglanz, all dies nur einmal, nur einmal! – Nachtigallwirbel flogen schon zwischen Sternen, eine ungeheure Stille kam ihm riesig entgegen, eine Wasserfläche glänzte dunkel auf, er rüstete sich, darüber hinzuströmen wie ein Schwanenschwarm, aber eine Festigkeit unter den Füßen schwenkte ihn herum, da stand er Sternen gegenüber, die ihn alle anblickten. Gott, seid ihr viele! schrie er entsetzt. Wars hier, o mein Gott, war es hier? Wo war die einsamste Stelle, wo war der Platz der Erde, allein gemacht für ihn, seit Ewigkeit bestimmt und stark genug, die Unendlichkeit seines Gefühles zu tragen? Er eilte weiter, keuchend, stammelnd, reimend, zuckend von einem unaussprechlichen Namen. Was sind alle Kronen der Erde vor dir, und doch bricht unermeßliches Verlocken aus deinem Blick, sie alle zu erobern! Und Verlockung unermeßlich aus deinem Mund, meinen Namen fortzuwerfen wie eine Scherbe! – Da war das Gitter; es schüttelte ihn, er krümmte sich, hing an den Stäben, und aus der verschlossenen Mondestiefe des Parks, unsäglich fern, scholl der Liebesvogelton und klagte um ihn. Da weinte er um sich, da hatte er einen Schmerz gefunden, da ward es wunderbar still, und leise wagte er eine Silbe und sagte: Renate. – –

Georg ging in einer dunklen Straße der Altstadt. Hier gehe ich, dachte er, hier ist jenes Stück Weg, jener Brückensteg, zu dem keine Wege hinführen, auf dem man sich so findet, nachts, allein, von nirgendwo hergekommen. Irgendwo ist die andre Stelle, wo alles abriß, wohin es kein Zurück giebt, wo das Brett über das Bodenlose ragt, von dem ich hierher hinuntergestürzt bin. Nun gehe ich nachhause. Ich war wohl eben recht aufgeregt, nun bin ich kühl, ach, das kommt vor, später werde ich mich daran erinnern. Nachhause? Ich denke nicht daran! Ich will fort! Ich muß fort von ihr, wie könnte ich mich entschließen angesichts ihrer Unsäglichkeit. O du tausendmal verdammte Vergänglichkeit! Was soll mir denn der Rausch, die Erglühung, die Hingabe, wenn da keiner ist, der sie nimmt und für Ewigkeit verwahrt. Ich will sie nicht zurück haben, aber ich will einen wissen, der ewiger ist als ich, und der es alles erbt, dem alles zufällt, der es nimmt wie ein Stern oder eine der lauen, vorüberfließenden Wellen in der Luft, die allein für sich den noch unbekannten Frühling durch die Nächte trägt, aber ich bin hier unten, ewig hundertmal verdammt, mich zu überleben! Mit süßen Leichnamen behangen ziehn wir unseres Weges, o Allmacht, nach Hause, wie der drüben, der Einsame, der aussieht wie Benno. Er schwingt die Arme, es ist Benno.

»Benno,« rief Georg »wie kommst du hierher?«

Ach, Benno war entzückt, ihn zu sehn, er sprach noch leiser, noch unterirdischer als sonst vor stiller Freude.

»Ich konnte nicht schlafen, Georg, ich mußte in die Nacht! Ich mußte so viel an meine Mutter denken, und wie gut ich es nun bekommen soll. Es ist zuviel, es ist fast zuviel! Und ich dachte an dich – warum kamst du nicht zum Figaro? – und all deine Güte, und so lief ich dahin! Und nun kommst du selber gar, es ist fast nicht zu glauben!«

»Höre, Benno,« sagte Georg, »ich muß noch diese Nacht auf einen Stern verreisen, und du sollst mit mir kommen. Es ist unumgänglich. Ich bringe dich jetzt nach Hause, du schreibst drei Worte für deinen Vater auf, daß du mit mir fort in die Gegend wärest, dann nimmst du eine Handtasche – du hast eine Handtasche! – legst eine Zahnbürste und ein Nachthemd hinein, und dann gehn wir in mein Hotel, schlafen womöglich noch zwei Stunden und fahren um drei mit dem Vlissinger Zuge.«

So schwach Benno sich widersetzte – denn der Gedanke schien preiswürdig, mitten in der Nacht zu paradiesischen Ländern aufzubrechen, fing Georg fast an zu weinen vor Angst, er könne ihn wirklich allein fahren lassen, und begann vor Verzweiflung so zu bitten, zu flehen: nur diesen Freundschaftsdienst und – er hielt inne, vor Bennos erschrockenen Augen seine Raserei bemerkend, aus der er ihm ums Haar goldenen Hafer aus marmorner Krippe versprochen hätte.

»Ja, was ist denn nur? was ist denn geschehen?« fragte Benno verstört. Er beschwichtigte ihn wieder, er würde ihm alles später erzählen, wenn er nur erst verspräche, mitzukommen. – Da gab Benno nach, Georg atmete auf und drängte ihn eilig von dannen.


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