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Als sie heimkamen, fanden sie die Mutter besonders aufgeräumt und zärtlich.

Ein paar Tage betrachtete Faline die Kinder mit deutlichem Erwarten.

Sie schwieg jedoch, weil die Kinder nicht redeten.

Faline wußte schon alles.

Bambi war unsichtbar bei dem Zusammenstoß anwesend gewesen, hatte Faline das Ganze erzählt.

»Nun ist die Sache in Ordnung ...«, atmete Faline auf.

»Immer ist diese Sache in Ordnung gewesen«, korrigierte Bambi.

»Daß Geno davonlief, war in Ordnung?« staunte Faline.

»Du hast deinen Sohn nicht verstanden«, antwortete Bambi, entschwand und ließ sie ratlos zurück.

Ein paar Tage zogen vorüber.

Nello und Membo erfuhren den Ablauf des Kampfes durch Perri.

»Schön muß das gewesen sein«, sprach Nello vor Faline zu Geno, »schön hast du den Boso überrannt!«

»Dr...dr...drei...drei ... Mal!« stotterte Membo.

»Warum sagst du mir nichts davon?«, fragte Faline.

»Ich dachte, Mutter, du solltest mir auch so vertrauen, auch ohne Beweise!«

Faline erinnerte sich der Worte Bambis, wurde ein wenig befangen und half sich, indem sie lächelnd sprach: »Ich weiß längst alles! Von deinem Vater!«

Geno fuhr auf: »Vom Vater? War er ...?«

»Ja«, nickte Faline, »er war dabei! Er ist gleich zu mir gekommen und hat mir die Geschichte erzählt.«

»Was sagt der Vater?« Geno geriet in Erregung.

»Nichts, mein Kind; er findet dein Verhalten selbstverständlich ...«

Jetzt erst fühlte Geno volle Genugtuung.

Er nahm die einsamen Spaziergänge wieder auf, schlenderte umher, plauderte mit den Bewohnern des Waldes.

Zuweilen ging er mit Gurri, mit Nello und Membo. Einmal, er war allein, gelangte er bis zum Fluß.

Der Reiher stand dort am Rand des Schilfs, fing Frösche und kleine Fische.

Enten tummelten sich im Wasser; ihre frisch ausgefallenen Küchlein umwimmelten sie, ein ganzes Geschwader.

Die Mütter erteilten Unterricht; warnten, verboten, befahlen, und die Kleinen gehorchten ohne Widerrede.

»Bleibt hübsch beisammen!«

Da rückten sie zueinander.

»Nicht so weit hinausschwimmen!«

Da kehrten ein paar Vorwitzige um.

»Versteckt euch!«

Da ruderte die ganze Flotte eilfertig ins Schilf. »Zum Ufer!«

Da kamen sie alle ans Land gewackelt.

Geno erkundigte sich bei einem der winzigen Entlein: »Wie viele Geschwister hast du?«

Das Entlein piepte: »Ich weiß nicht ... denn ich kann sie noch nicht zählen ...«

Die alte Ente quarrte: »Sieben Kinder hab ich ...«

»So viele?« wunderte sich Geno.

»Das ist doch nicht viel ... meine Freundin hat neun und eine andere Freundin gar zehn!«

Geno staunte: »Kennst du alle deine Kinder?« Er verbesserte sich unter den entrüsteten Blicken der Alten: »Ich meine, verwechselst du sie nicht manchmal?«

»Dumme Frage!« klang die quarrende Antwort, »jede Mutter kennt ihre Kinder!«

»Verzeih ... ich wollte dich nicht beleidigen ...«

»Das ist wieder dumm!« Die alte Ente bewegte stolz ihren Bürzel, »wer so albern fragt wie du, der beleidigt nicht, sondern macht nur sich selber lächerlich!«

»Das ist wahr ...«, gab Geno bescheiden zu, »du bist sehr klug ...«

»Gewiß!« sagte die Ente, »klug bin ich!« Sie watschelte hochmütig davon.

»Hätte sie sich nicht selbst gelobt«, Geno blickte ihr nach, »ich würde sie wirklich für klug halten ...«

Plötzlich spürte er eine starke Witterung, und ehe er noch entweichen konnte, schlich der Fuchs aus dem Gebüsch, ohne Geno zu beachten.

Es war ein ganz junger Fuchs, schmal, mager, auf schwachen Läufen, mit einer schütter behaarten Rute; auch sein Fell schien zausig und wies einige lückenhafte Stellen.

Der Fuchs schnürte geradeaus auf den Reiher los und sprang ihn an.

Blitzschnell hatte sich der Reiher ihm zugewendet und stach nach seinem Auge. Fast hätte er getroffen.

Unterdrückt knurrend prallte der Fuchs zurück: »Was bist denn du für einer?«

»Du Neuling«, spottete der Reiher, »du bist nicht der erste, dem ich Respekt vor mir beibringe!«

Wieder sprang der Fuchs auf ihn los, und wieder wurde er von dem Stoß des dolchartigen Schnabels abgewiesen.

Verdutzt stand er da.

»Beinahe hätte es dich ein Auge gekostet ...«, war die sachliche Anmerkung des Reihers.

»Beinahe ...«, bekannte der Fuchs.

»Hüte dich vor mir!« drohte der Reiher, »du wirst mich nie erwischen! Du setzest nur deine Augen aufs Spiel! Nach mir hat es schon andere gelüstet, die älter waren und erfahrener als du!«

Unerwartet vollführte der Fuchs den dritten Sprung, fiel aber aufheulend in das Schilfrohr und raste drinnen schmerzlich jaulend umher.

Unter den Enten erhob sich Alarm.

Doch der Fuchs war jetzt nicht gefährlich. Aus einem Auge tropfte ihm Blut.

»Ich habe dich gewarnt«, sprach der Reiher gelassen. Dann zu Geno, der hervortrat: »Der kommt mir nicht mehr! Der richtet mit einem Auge noch genug Schaden an!«

»So wehrhaft wie du sollte man sein!« bewunderte ihn Geno.

Der Fuchs hatte sich verzogen; man hörte ihn von ferne wimmern, leise und immer leiser.

»Großen Hunger dürfte er haben ...«, der Reiher schaute listig drein, »was für ein Tölpel! Er will essen, der Arme, und verliert ein Auge! Jetzt ist er hungrig und leidet arge Schmerzen obendrein ...«

Stumm ging Geno fort. »Räuberschicksal«, dachte er.

Und er dachte: »Ich bin wehrlos! Alle die Meinen sind wehrlos! Soll ich darüber traurig sein? Darüber klagen? Nein! Wir leben trotzdem! Wir haben ein gutes, friedliches Gewissen!«

Ihm fiel ein: »Auch die Räuber würgen mit gutem Gewissen.«

Ferner besann er sich: »Da hilft doch nichts! Vor der Feuerhand des Mächtigen sind wir alle wehrlos, Mörder und Unschuldige ...«

Getrost schritt er weiter.

Ein Fink rief ihn an: »Mein Prinz, wollen Sie etwas Wunderbares sehen?«

»Gerne ...«, entgegnete Geno.

»Dann schauen Sie hier herauf zu mir ...«

Geno hob den Blick.

Am Rand des Finkennestes saß ein junger Vogel. Doppelt so groß wie der Fink, sperrte er den Schnabel auf, heischte Nahrung.

»Das ist unser Kind!!« sagte der Fink voll Stolz, »seinesgleichen gibt es nicht!«

»Nein«, gab Geno sofort zu, »das ist allerdings zum Staunen und hat nicht seinesgleichen.«

Das Finkenweibchen flog herbei, brachte Atzung, doch der junge Vogel wurde nicht satt, sperrte gebieterisch weiter den Schnabel auf.

»Spute dich, mein Lieber«, forderte sie ihren Gatten auf, »unser Kind muß essen!«

Zeichnung: Hans Bertle

»Unser Kind soll nicht darben!« rief der und strich eilig weg.

»Wir haben ungeheuer viel Mühe, den Sohn zu ernähren ...« Auch das Finkenweibchen gebärdete sich sehr stolz.

»Das glaub ich«, sagte Geno, »er ist ja schon fast größer als beide Eltern zusammen.«

»Nicht wahr?« Die eitle Mutter strahlte vor Glück.

»Gedulde dich nur ein wenig«, sagte sie liebreich zu dem ungeduldig herrischen Jungen, »der Vater wird sofort da sein ...«

Der Junge hatte gar keine Geduld, er schien nur Ansprüche zu haben, riß den Schnabel auf, als wäre er am Verhungern.

Da kam der Fink angeflogen und brachte soviel er fassen konnte. Im Nu hatte der Junge alles geschluckt.

Die Mutter machte sich ohne Säumen fort, um frisches Essen zu holen.

»Du bist gewiß schon müde«, Geno sah den kleinen Fink teilnehmend an.

»Freilich bin ich müde«, antwortete der, »meine Frau ist jeden Tag erschöpft! Was sollen wir denn anfangen?«

»So ein Kind wird eine Qual ...«, entrüstete sich Geno.

Doch der Fink entrüstete sich noch mehr: »Eine Qual? Wie kann man nur derart lästern? Eine Seligkeit ist so ein Kind! Eine der herrlichsten Freuden!«

»Wann gelangst denn du selbst zum Essen?« fragte Geno.

»Rede nicht davon!« bat der Fink, »wir tun alles für diesen Sohn! Alles! Wir denken nie an uns! Doch wenn du mich fragst, wann ich selber esse, spüre ich erst, wie mich der Hunger peinigt ...«

»Iß doch selbst etwas«, riet Geno, »du mußt doch bei Kräften bleiben ...«

»Das ist richtig«, erwiderte der Fink trübselig, »hie und da schlucke ich ja einen Bissen, ohne es zu wollen. Das scheint mir immer wie ein Diebstahl!«

Der dicke Junge hatte den Schnabel in sein flaumiges Gefieder versenkt und döste ein wenig.

Geno schaute zu ihm hinauf, er vermochte sich nicht zu helfen ... dieser Nesthocker war ihm sehr zuwider.

»Wir hatten noch drei andere Kinder« erzählte indessen der Fink, »sie sind alle von ihm verdrängt worden ...«

»Das ist doch schrecklich«, meinte Geno.

»Oh, es hat nichts zu sagen«, antwortete der Fink, »wir, meine Frau und ich, haben jetzt auch keinen Platz im Nest. Wenn man das Glück hat, solch einen wunderbaren Sohn zu besitzen, muß man jedes Opfer bringen! Er wird der Hervorragendste unter uns allen sein!«

In der Stimme des Finken mengten sich Hilflosigkeit und zuversichtliche Ueberhebung.

»Gehen wir!«

Ate stand neben Geno und forderte ihn lächelnd dazu auf.

Weiterschreitend sagte Geno: »Ich kann diesen Dicken weder begreifen noch bewundern ...«

»Die armen Eltern sind getäuscht«, erklärte Ate, »sie füttern den Sohn eines Kuckucks und halten ihn für ihr eigenes Kind ...«

»Und der Kuckuck?«

Ate lachte. »Der? Der legt sein Ei regelmäßig in fremde Nester, kümmert sich nicht um seine Brut, hat keine Plage mit den Jungen, braucht nur für sich selber zu sorgen.«

»Schändlich!« rief Geno, »man sollte es den betrogenen kleinen Finken sagen! Die haben so viel Arbeit und ...«

»Wozu?« unterbrach ihn Ate, »es nützt nichts, ihnen das jetzt mitzuteilen. Sie würden niemandem glauben, denn sie lieben den Fremdling, tun sich was zugute und meinen, sie erziehen einen Wunderfinken. Lassen wir sie bei ihrem Glauben! In der Täuschung liegt oft viel Glück und in der Wahrheit viel Bitternis.«

Plötzlich krachte ein Schuß. Ein dünner, heller Knall.

Erschrocken zuckte Geno zusammen: »Jetzt schon?«

Ate hob das Haupt. »Unverständlich! Das kann doch nicht unsereinem gelten! Es wäre zu früh!«

»Was wissen wir darüber?« Geno wurde von Bangigkeit ergriffen, »ob es Zeit ist oder nicht, bestimmt Er allein!«

Ate sagte: »Wir müssen uns jedenfalls hüten ...«

»Damit hat die köstliche Ruhe ein Ende ...«, stellte Geno wehmütig fest.

Er hatte recht.

Immer wieder knallten Schüsse.

Der Wald geriet in Aufruhr.

Aber kein einziger Bock fiel, kein einziger wurde auch nur bedroht.

Trotzdem verbreitete sich nicht bloß unter den Rehen, sondern unter allen Geschöpfen Unruhe. Niemand hatte mehr das Gefühl, sicher zu sein.

Mit den Kindern stand Faline sorgenvoll beisammen, und alle überlegten, was denn vorgehe.

Perri sprang zu ihnen und erzählte: »Ein paar Tauben sind von der Feuerhand heruntergeholt worden. Eine andere Taube sitzt verwundet auf dem Eschenbaum; schwer krank ist die Aermste; sie dürfte nicht lange mehr leben, denn sie hat den Schnabel weit offen, sie keucht, und ihre Flügel hängen ihr schlaff vom Leib.«

Die kleine Perri war merkwürdig erregt. »Denkt euch nur, was mir widerfahren ist!« Sie schämte sich; zögerte: »Er hat die Feuerhand nach mir geschleudert! Nach mir! Nach mir!«

»Nach dir?« rief Geno, »du warst so gewiß, daß Er dich schont!«

»Ich bin auch ganz hin!« klagte Perri, »noch nie hat Er das getan! Wirklich noch nie!«

»Du bist doch nicht verwundet?« fragte Gurri.

»Nein! Zum Glück hat mich die Feuerhand nicht getroffen! Ein wahres Wunder! Aber daß Er es tut!«

Faline meinte: »Das alles ist unbegreiflich ...«

»Jetzt bin ich am schlimmsten dran!« jammerte Perri, »der Marder ... der Fuchs ... nun gar die Feuerhand ... wohin soll ich mich retten?«

»Wir können dir keinen Rat geben«, antwortete Geno, »unsere Lebensweise ist von deiner zu sehr verschieden.«

»Rat hab ich nicht erwartet!« Perri huschte hoch in die Wipfel hinauf.

Ebenso seltsam hörten sich die Neuigkeiten an, die der Specht meldete. Er kam sonst fast niemals, warf dann nur ein oder zwei Worte hin und ließ sich nie in Gespräche ein. Diesmal wußte er zu berichten. »Mit der Feuerhand hat Er nach mir geworfen!« Der Specht lachte gellend auf: »Aber ich bin heil! Die Kugeln, die Er nach mir geschleudert hat, sind neben mir ins Holz geprasselt! Ich möchte wissen, was das heißen soll!« Er lachte wieder: »Am Ende ist Er närrisch!«

Bevor jemand erwidern konnte, flog der Specht davon.

Am anderen Morgen eilte Perri herbei mit frischen Nachrichten: »Drei Elstern hat Er nun geschlagen! Drei! Eine davon ist gefallen, die zwei anderen sind verletzt! Nicht gar arg!«

Gurri vermutete: »Daß die Feuerhand so oft daneben trifft, mag ein gutes Zeichen sein; Er beherrscht sie nicht mehr!«

Nello und Membo hatten zu allem geschwiegen und keine Ansicht gewagt.

Am Abend tauchte Bambi auf; er wirkte wie immer als Beruhigung.

»Seid ohne Angst«, klang seine Rede, »ein junger Er treibt sich im Wald herum; Er hat eine junge Feuerhand, die Er nicht gegen uns und unseresgleichen hebt.«

Faline, Nello und Membo atmeten auf.

»Wenn Er auch nur die Kleinen töten will«, sagte Gurri, »die sind doch unsere Freunde!«

»Richtig, meine Tochter, mir tun sie leid, ebenso wie dir! Man muß es eben dulden.«

»Verfolgt Er vielleicht unsere Wächter?« wollte Geno erraten.

»Nein, mein Sohn, der Iltis ist wohl kein Wächter. Der Marder gleichfalls nicht.«

»Hat er diesen Marder umgeworfen?« fragte Gurri.

»Der Iltis, der ist hin«, gab Bambi Auskunft, »der Marder konnte entwischen, wenigstens glaube ich das.«

Die Unterhaltung zwischen Bambi und seinen Kindern wurde wie zwischen Erwachsenen geführt; nur hatten Geno wie Gurri einen Ton verehrender Liebe, und Bambi zeichnete die beiden aus, indem er das Gespräch von gleich zu gleich als etwas Selbstverständliches behandelte.

Einzig Faline konnte in ihrer demütigen Ergebenheit die Vertraulichkeit der Kinder Bambi gegenüber nicht recht billigen.

Nello und Membo verharrten schüchtern, stumm.

»Wie denkst du darüber, Nello?« wendete sich Bambi zu ihm.

»Genau wie Geno und Gurri«, flüsterte Nello, und auf einen fragenden Blick Bambis an Membo würgte der hervor: »Ge...ge...genau...so...so!«

Bambi, der wieder einmal plötzlich unsichtbar wurde, hatte die tatsächliche Ursache des Schießens erkannt.

Der Jäger wollte einen ganz jungen Menschen zum Weidwerk erziehen. Er gab ihm zunächst die Schrotflinte nebst der Erlaubnis, Raubzeug, kleine Vögel wie Elstern, auch Eichhörnchen abzuknallen. Erst hatte ihn der Jäger begleitet, hatte ihn unterwiesen; später ließ er ihn allein, damit er durch Uebung lerne.

Im Uebereifer des Anfängers jedoch schoß der Jüngling auf alles, was ihm gestattet war und zu Gesicht kam.

Weil er noch nicht treffsicher war und zu hastig verfuhr, fehlte er oft, weshalb einige seiner Opfer »angeflickt« leiden mußten.

Wie nun jeder Neuling am Spieltisch Glück hat, so wird auf der Jagd jeder Anfänger von einem gewissen Glück begünstigt.

Der junge Mensch erlegte einen Iltis, der am Fleck liegen blieb.

Nicht ganz gelang dem Hitzigen derselbe Erfolg bei dem Marder.

Immerhin, er hatte einen Marder vor der Flinte gehabt, was zur Sommerszeit als seltener Glücksfall gilt.

Als der Marder bei anbrechendem Morgen durch die Wipfel strich, schoß der junge Mensch sofort. Er wußte im Moment nicht sicher, was für ein Tier eigentlich dort oben halb und halb sichtbar wurde.

Das dichte Laub deckte den Marder, so daß er nur einige wenige Schrotkörner in die Weichen erhielt und rasch flüchtete.

Deshalb glaubte der Jüngling, gefehlt zu haben, und ging seines Weges, ohne sich weiter um sein Opfer zu kümmern.

Dem Verwundeten aber wurde bald sehr übel.

Ihm fehlte die Kraft, am Baum abwärts zu klettern, die gewohnte Heimstätte zu suchen.

Furchtbare Schmerzen durchzuckten seinen Leib; er krümmte sich, blieb auf dem Wipfel, wo er getroffen worden war, preßte sich eng an den Stamm. Schwindelgefühle schleierten verwirrend vor seinen Augen. Er dämmerte so dahin und wurde später vom ausbrechenden Wundfieber geschüttelt.

Der Marder war einem langsamen Sterben verfallen; indessen die Fasane, die Eichhörnchen und alle Vögel in Furcht vor ihm zitterten.

Nach kaum zwei Tagen stürzte er vom Baum, auf dem er sich nicht mehr halten konnte, an den er sich vergebens klammerte; er lag zuckend im Gras, und dort fand ihn der Jäger tot.

»Gut, daß er tot ist«, sagte er, »aber sein Sommerfell hat keinen Wert. Na, er hätte bis zum Winter noch manchen schönen Fasan gekostet.«

Perri zerbrach sich ihr hübsches kleines Köpfchen, wohin denn der grimme Feind verschwunden wäre. »Nirgendwo ist er mehr zu sehen oder zu spüren ... und niemand ist ihm zum Opfer gefallen ...«

»Vielleicht hat ihn die Feuerhand erschlagen«, äußerte Geno.

»Ich warte noch eine Zeit«, entschloß sich Perri, »wenn sich nichts rührt, hat sicherlich Er ihm den Garaus gemacht. Dann bin ich frei und froh ...«

»Da ist also doch wieder Er der Retter ...«, lächelte Gurri.

»Oh!« erwiderte Perri, »hätte Er mich in Ruhe gelassen, ich würde wie früher zu Ihm stehen!«

Die Schüsse hörten auf.

Der Jäger hatte seinem Lehrling das Pirschen verboten, weil die Rehe nicht beunruhigt werden sollten, ehe man sie wieder zum Ziel der Schützen machte.

Im Wald herrschte wohlige Ruhe. Alle freuten sich.

Allein es war die Ruhe vor dem Angriff. Kurz, leider.

 

* * *

 


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