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Trotz der Sonne wurde es kälter.

Eisige Luft begann zu wehen; nicht sehr heftig, doch schneidend.

Des Nachts froren Geno und Gurri bitter.

Geno jammerte; Gurri lachte.

»Es ist als Abwechslung eigentlich spannend«, lautete ihr Urteil.

Faline hielt es mit Geno.

Noch andere Bundesgenossen hatte Geno. Das waren Boso und Lana, die sehr über die Kälte räsonierten.

Boso schimpfte geradezu: »Das ist niederträchtig! So was darf man einem gar nicht zumuten!«

Lana weinte sogar: »Erbärmlich, wie ich friere! Wer weiß, ob ich das aushalte ...«

Gurri schlug vor: »Rennen wir tüchtig ... da wird uns warm ...«

Sie stob im Nu über die Wiese, sauste durch das Buschwerk, kam wieder hervor und ermunterte die anderen: »Rührt euch doch!« Sie wurde nicht müde.

Aber die anderen standen nach ein paar Hopsern wieder still.

»Recht habt ihr, Kinder«, lobte Rolla, »ihr könnt euch nur eine Krankheit holen.«

Rolla war gefaßt. Sie richtete mit ihrem Zuspruch nicht bloß Boso und Lana, sondern auch Faline auf.

»Wie oft haben wir diese schwere Zeit schon mitgemacht«, redete sie, »und jedesmal ist alles gut abgelaufen. Also heißt es mutig bleiben!«

»Mir ist es um die Kinder ...«, sagte Faline.

»Ach was, die Kinder«, Rolla schüttelte das Haupt, »sind wir nicht gleichfalls Kinder gewesen? So wie wir das überstanden haben, genau so werden's unsere Kinder überstehen.«

»Wenn aber der große Schrecken kommt ...«

»Wer weiß, ob er überhaupt kommt, Faline!«

»Der große Schrecken ist noch jedes Jahr gekommen. Einmal früher, ein anderes Mal später. Der bleibt nicht aus!«

»Na, man muß sich eben auf sein Glück verlassen!«

»Das sagst du, Rolla?«

»Es ist wahr«, meinte Rolla leichthin, »du erinnerst mich, daß ich meinen Gatten verloren habe. Das war aber nicht beim großen Schrecken. Und man darf nicht immer über die Toten trauern. Es wäre unrecht an meinem zweiten Mann ...«

»Ja ... entschuldige ...«, antwortete Faline.

Der Wind, der stärker geworden war, hatte tiefgraue Wolken herbeigeschoben. Düster hingen sie über dem Wald.

Jetzt regte sich kein Lüftchen mehr.

Am Morgen, während der frühesten Dämmerung, fing es zu schneien an.

Erst fielen einzelne Flocken. Dann stöberte es.

Spielend haschte Gurri nach ihnen. Sie blieb heiter.

»Huch!« rief sie, »huch, sind die kalt! Und wie lustig ist das; sie zergehen im Mund ...«

Noch einigen sprang Gurri entgegen und schnappte sie. Das war ihr erfrischende Unterhaltung.

Bald wurde der Flockentanz so rege, so lebhaft und dicht gedrängt, daß Gurri ihr Spiel aufgab.

Tagelang, nächtelang stöberte es ohne Pause.

Der Schnee lag fast einen Meter hoch am Boden. Wirklicher Frost setzte ein.

Den Rehen wurde jeder Schritt mühsam.

Sie mußten die Läufe höher heben als sonst, mußten sie schwer aus der weißen Masse ziehen.

Langsam gingen sie oder sprangen, nach einem Entschluß.

Die Kinder jedoch versanken beinahe gänzlich im Weißen.

Geno entsetzte sich darüber.

Gurri nahm es heiter auf.

Als sie sich eng aneinandergeschmiegt im Schnee betteten, fühlten sie sich warm wie lange nicht.

Jetzt begannen die Nahrungssorgen.

Faline scharrte an den Stellen, wo die Schicht dünner lag, und sie freuten sich alle drei, wenn sie etwas Eßbares fanden. Mochte es noch so kalt, noch so bitter oder sauer schmecken, sie kehrten sich in ihrer Gier gar nicht daran.

Oft hungerten sie einen ganzen Tag.

Der Jäger hatte dem Wild duftendes Kleeheu in Raufen gelegt, hatte ihm Kastanien geschüttet.

Aber nur selten wagten sich die Rehe heran, denn die Könige und Königinnen umdrängten die Futterstellen.

Nicht einmal Gurri traute sich hin.

Aber sie erspähte die Frist, zu welcher die guten Plätze frei blieben. Das war meistens, wenn es ganz hell war, wenn das Hochwild niedergetan lag oder umherspazierte und die Baumrinden schälte.

Dann hielten Faline und die Kinder eine hastige Mahlzeit.

Ruhe hatten nur die Fasane, denen unter schrägen Schutzdächern reichlich Hirse gestreut war.

Jetzt wurde Er nicht mehr so arg gefürchtet.

Sie flohen wohl noch alle vor Ihm, wenn Er in den Wald kam; sie begriffen jedoch rasch, daß Er ihnen Nahrung brachte und ihnen derart über die äußerste Not hinweghalf.

Einmal sauste das Eichhörnchen seinen großen Wohnbaum herunter, raste den nächsten Baum hinauf, quiekte im Vorbeijagen: »Man ist seines Lebens nicht sicher!«

Bevor noch Geno und Gurri recht verstanden, was vorging, flitzte ein Geschöpf daher, das sie noch nie erblickt hatten.

Es schien ein wenig kleiner als der Fuchs, war grau, mit dunklen Tigerstreifen, schien von außerordentlicher Wildheit, denn in den grünen Augen blitzte die Mordlust.

Faline und Geno entsetzten sich.

Sogar Gurri erschrak über die wildernde Katze.

Die schickte sich an, den Baum zu erklettern, auf den das Eichhörnchen sich geflüchtet hatte.

Aber das Eichhörnchen zeigte sich flinker; es vollführte Meistersprünge von den dünnsten Astspitzen, von Wipfel zu Wipfel und ließ sich nicht erwischen.

Die Katze hockte zwischen den Zweigen.

Eine ganze Weile kauerte sie dort oben, als ob sie sich etwas überlegen würde.

Das Eichhörnchen saß wieder in seinem Nest, guckte ängstlich hervor und beobachtete diesen neuen, fremden Feind, der rücksichtsloser, brutaler angriff als Marder oder Fuchs.

Plötzlich war die Katze fort.

»Unerhört!« rief das Eichhörnchen, »unerhört! Dieser Räuber überfällt mich hinterrücks! Wäre ich nicht hurtig davon, er hätte mich zerrissen! In mir zittert noch alles! Ich sage ja, man ist im Winter seines Lebens noch weniger sicher als sonst!«

»Finden Sie?« fragte Gurri zweifelnd.

Geno erkundigte sich: »Wissen Sie, wer das ist?«

»Keine Ahnung hab ich«, das Eichhörnchen legte beteuernd die kurzen Vorderpfoten auf die Brust, »zum erstenmal sehe ich ihn heute! Kennen Sie ihn?«

»Nein«, erklärte Gurri, »wir wissen nicht, woher dieser Bursche kommt! Uns ist er ganz fremd. Ich denke, wir sind mit Ihnen einig, wenn wir sagen, er ist grauenhaft!«

»Ich weiß gar nicht recht, wie er ausschaut. Aber grauenhaft ist er jedenfalls.«

»Glauben Sie«, Geno fürchtete sich, »glauben Sie, er wird auch uns ...?«

»Wenn Sie allein sind, wäre das schon möglich«, meinte das Eichhörnchen.

»Die Kinder werden von nun an nie allein sein«, erklärte Faline.

»Hoffentlich kommt er nicht wieder ...«, äußerte Gurri.

»Man muß sich immer hüten«, erinnerte die Mutter.

»Gewiß!« gab Gurri zu, »aber man muß immer hoffen!«

Der Tag und die Nacht verstrichen ruhig.

Da, bei anbrechendem Morgen, fetzte der Todesschrei eines Vogels die Rehe aus dem Schlaf.

Kurz, röchelnd, schmerzdurchdrungen war dieser Schrei, der jedoch schnell wie ausgelöscht schwieg.

Heftiges Flügelklatschen, dann Stille.

Das Eichhörnchen vermochte seine Neugierde nicht zu bändigen; sprang und wirbelte über Zweige und Wipfelspitzen davon.

Geno enthielt sich nicht des Tadels: »Wie kann man nur der Gefahr so mutwillig entgegenlaufen!«

Gurri entschuldigte dieses Beginnen: »Wenn man sehen will, was geschehen ist ... am liebsten würde auch ich ...«

»Untersteh dich!« sagte Faline, »wundern darf sich dieses kleine Ding kaum, wenn es überfallen wird.«

»Dieses kleine Ding«, verteidigte Gurri, »hat eine Behendigkeit, die kein Räuber erreicht!«

Die drei warteten.

Bald kehrte das Eichhörnchen zurück, kam tief herunter, setzte sich mit hochgepflanzter Fahne, war atemlos vor Erregung und berichtete: »Gräßlich! Was dieser fremde Mörder anrichtet ... Gräßlich! Einen Fasan hat er getötet, einen schönen, sanften Fasan! Dort, wo sie immer zusammenkommen und ihre Mahlzeiten halten, dort, wo Er ihnen unter einer Schutzdecke Nahrung hinstreut, wo sie glauben, daß sie sicher sind, dort hat der Fremde den Fasan erwürgt, hat ihm die Kehle zerbissen!«

»Und weiter ...?« verlangte Geno.

»Weiter? Alles ist voll Blut und voll Federn ...«

»Weiter?« Geno wollte immer mehr wissen.

»Der Mörder zerfleischt den Fasan; reißt ihm Stücke aus der Brust, wühlt in seinen Eingeweiden ... er knackt die Knochen wie nichts ... oh! Es ist furchtbar, wie er den unglücklichen Fasan zurichtet.«

»Du hast das mit angesehen?« Gurri entsetzte sich.

»Alles! Alles!« antwortete das Eichhörnchen arglos, »ganz genau hab ich alles beobachtet. Der Fremde kümmerte sich in seiner Gier um nichts und niemanden. Da hätte ich mich ruhig ihm gegenübersetzen dürfen.«

»Na, na!« ließ sich Faline vernehmen.

»Aber natürlich ging ich ihm nicht in die Nähe! Ich werde mich hüten! Noch nie hab ich solch einem wütenden Mörder zugeschaut!«

Die Nacht darauf schlug die wildernde Katze einen Hasen.

Sein rasches Sterbejammern, sein klägliches, war zu hören.

»Ich will hoffen«, sagte Faline, »daß nicht unser Freund Hase das Opfer ist ...«

Da kam Freund Hase schon herbeigehoppelt. Entnervt hingen ihm die Löffel herab. Er machte den Eindruck eines Verzweifelten.

»Mein Bruder!!« jammerte er, »mein großer, lieber Bruder ... neben mir ... umgebracht!«

»Warum ist er nicht geflüchtet?« Geno war außer sich.

»Flüchten?« Freund Hase staunte: »Können Sie in diesem Schnee flüchten? Unsereins noch weniger. Man sinkt ja mit dem ganzen Körper ein.«

Geno fühlte sich schwer geängstigt, weil ihm jetzt erst die Unmöglichkeit der Flucht klar wurde.

»Mein armer Bruder«, fuhr Freund Hase fort, »der hat sich gar nicht vom Fleck gerührt und war gleich tot. Ich selbst blieb eine Sekunde wie erstarrt, ohne Bewegung, und so mußte ich ihn sterben sehen.«

Er schauderte.

»Dieser grausame Biß! Dieses leise Krachen des Genicks! Dieses hervorspritzende Blut! Nie! Nie werde ich's vergessen!«

»Sind Sie nicht froh, daß Sie verschont blieben?« meldete sich Genos Selbstsucht naiv und ohne Arg.

Freund Hase warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. »Dann hätte ich's eben überstanden! Was ist das für ein Leben! Immer bedroht sein! Immer das qualvolle Ende erwarten! Man wird müde! Ich merke jetzt, daß ich alle meine Feinde noch gar nicht kenne. Den Mörder, der meinen Bruder getötet hat, den hab ich nie vorher gesehen! Er ist nicht größer als ich! Aber man sollte gar nicht glauben, was für eine wilde Gewalt er besitzt!«

Es war selbstverständlich, wenn die Geschöpfe des Waldes einer Katze fremd gegenüberstanden. Sie kamen niemals aus dem Wald, und Katzen blieben dem Revier fern, weil sie darin vom Jäger nicht geduldet wurden, was sie übrigens sehr genau wußten. Der Kater, der nun mordend solchen Schrecken verbreitete, bildete eine seltene Ausnahme. Er kam vom Dorf her, wo er hungerte, lernte die volle Freiheit, lernte die Wonne des Fangens kennen; seine ursprüngliche Raubtiernatur brach ungehemmt hervor, und nun wütete er schlimmer, wurde kühner als Fuchs, Marder oder Iltis und Wiesel.

Eine Weile später schlich Gurri zu der Stelle, an der jener Hase gestorben war. Behutsam, nach allen Seiten witternd, näherte sie sich dem Unglücksplatz.

Sie fand eine breite Blutlache, halb gefroren; fand verraufte Flocken Wolle, Stücke vom Fell, und sie sah die Läufe, abgebissen, angenagt umherliegen. Voll Mitleid gewahrte sie den Kopf des Ermordeten, dessen Antlitz, von Schmerz entstellt, die Pein seiner letzten Minute zu spiegeln schien.

Abscheu jagte sie eilends fort.

Sie suchte die Nähe der Mutter, die Nähe Genos, hielt sich bei ihnen und schwieg über das Geschaute.

Das Eichhörnchen, das später gleichfalls den Tatort aufgesucht hatte, enthob durch seine Schilderung Gurri des Redens. Diese Schilderungen konnten alle fesseln.

Am anderen Morgen gellte wieder der Schrei, klang wieder das ohnmächtige Flügelklatschen.

Wieder stürmte das Eichhörnchen hin, kehrte zurück und erzählte, daß wieder ein Fasan dem Fremden zur Beute gefallen wäre.

Die Fasane mieden die Futterstelle.

Doch es half ihnen wenig.

Der Kater hatte sich nun auf Fasane und Hasen eingerichtet.

Er schlug die Hasen im Schneebett, Tag für Tag.

Die Fasane holte er von den Schlafbäumen, wo er sie erwürgte, ohne daß sie einen Muckser laut werden lassen konnten.

Das Entsetzen im Wald stieg immer höher.

Da mordete ein Ungeheuer, blutrünstiger, schändlich offener, weit häufiger, als man es jemals erlebt hatte.

»Ist denn keine Hilfe da?« klagte das Eichhörnchen.

»Gibt es keine Hilfe?« fragten die Rehe, jammerten die Fasane, weinten die Hasen, schakerten die Elstern, kreischte der Häher.

»Der Fuchs ist tot«, sprachen sie untereinander, »den Marder hat die Feuerhand niedergestreckt; viele Iltisse sind gefangen, sind unschädlich gemacht worden. Warum bleiben wir vor diesem Furchtbarsten der Furchtbaren schutzlos?«

Sie sprachen: »Den Habicht, die Weihe zwingt Er zu Boden ... wahrscheinlich ist dieser Mörder mächtiger als Er!«

In dem Zustand, in dem sie sich befanden, dachten sie nun alle an Ihn, war Er ihnen eine Hoffnung, der sie entgegensahen.

Jetzt fingen sie aber an, allgemein zu verzagen.

»Es gibt keine Hilfe ...«, schlossen sie ganz traurig.

Aber dennoch gab es Hilfe. Und sie war im Anzug.

Der Jäger hatte an den Futterstellen die Reste der Hingemordeten, hatte in den Betten die Ueberbleibsel der Erwürgten gefunden. Und der Schnee, den er den weißen Spürhund nannte, wies ihm die Fährte des wildernden Katers.

Er ging rasch nach Hause, kam, von Hektor, dem Hunde, begleitet, zurück in den Wald.

An der Futterstelle, an den blutigen Hasenbetten setzte er Hektor an.

»Such! Such!«

Hektor nahm die Katzenfährte auf, suchte eifrig, lief alle Gänge und Widergänge immer hitziger; er schleifte den Jäger hinter sich her.

Unermüdlich waren die beiden, Jäger und Hund. Einige Stunden lang.

Der Kater fühlte sich verfolgt.

Listig trat er auf der eigenen Spur in entgegengesetzter Richtung; erkletterte bald diesen Baum, bald jenen; glaubte die Täuschung vollkommen.

Noch hatten ihn Jäger und Hektor nicht erblickt. Der Kater hatte von ihnen noch nichts gesehen.

Er wußte durch den Hauch einer Witterung, daß man ihm jagend nachstellte.

Scheu geworden, beklommen, unterließ er jeden Angriff, verging ihm die Mordlust.

Er flüchtete, flüchtete und flüchtete.

Schließlich flüchtete er nicht mehr, sondern erkletterte einen hohen Baum, barg sich in dessen kahlen, wirr verzweigten Wipfel und meinte, die Gefahr werde vorübergehen.

Plötzlich gab Hektor gepreßt und quietschend Laut. Er wußte nun, wo der Kater saß.

Sofort ließ ihn der Jäger von der Leine los, und wütend rannte der Hund pfeilschnell durch den Schnee, vorbei an Bäumen und Büschen zu dem richtigen Baum.

Dort stemmte er die Vorderpfoten an die Rinde, sprang auch im Eifer empor, bellte aus vollem Hals.

Der Jäger vernahm den echten Standlaut, pirschend kam er näher, machte einen weiten Bogen um den Baum der Katze, damit ihn diese nicht erspähte.

Unterdessen wurde der Kater vom Hund abgelenkt und beschäftigte sich nur mit ihm. Hektor bellte unablässig.

Sein ehrlicher Zorn schimpfte den nicht Erreichbaren.

»Feig bist du! Erbärmlicher! Wenn du Mut hast, komm herunter! Kämpfe mit mir! Schäme dich, nur über Hasen und Fasane herzufallen!«

Boshaft fauchte der Kater: »Du zerspringst vor Aerger, weil du mir nicht an den Leib kommst! Streng' dich nur an, bis dir die Zunge heraushängt! Es ist umsonst!«

Hektor wurde immer wütender. »Ich werde nicht müde! Ich ruhe nicht! Nicht von der Stelle weiche ich! Du wirst schon herunterkommen, oder du wirst dort oben verhungern, du niederträchtiger Hasentöter!«

Gehässig zischte der Kater: »Wünsch dir nur, daß ich komme, du elender Bedienter! Du armseliger Angeber! Ich schlag dir deine Augen aus, daß du blind sein wirst und ohnmächtig heulen mußt! Du sollst mich noch kennenlernen!«

Die beiden waren ganz vertieft in ihr Rasereiduell. Sie gewahrten den Jäger gar nicht, der sacht heranschlich. Hektor hatte ihn anfangs erwartet; doch ihn fast vergessen, hingerissen von der Wildheit seines Zornes, herausgefordert und schier besinnungslos von den giftigen Antworten, die er immer wieder erhielt.

Jetzt stand der Jäger da; jetzt sichtete er den Kater.

Jetzt legte er die Flinte an und zielte.

Der Schuß krachte.

Getroffen zuckte der Kater, taumelte von seinem Sitz, krallte sich im Sturz an einen Zweig und blieb dort hocken. Leise entfuhr ihm schmerzliches Miauen.

Die Schrotladung hatte ihn schwer verwundet, doch zum Teil war sie in das Holz der deckenden Zweige geschlagen.

Kampfunfähig war der Kater freilich; doch sein zähes Leben verlöschte nicht so bald.

Er spürte nun, daß es an den Tod ging.

Aber bis zuletzt blieb er tapfer, blieb feindselig und fauchte den Jäger grimmig an.

Als der zweite Schuß knallte, überschlug sich der Kater im Niederfallen und plumpte in den Schnee.

Hektor packte den Sterbenden beim Genick, schüttelte ihm den letzten Atem aus dem blutenden Maul, warf ihn hin und kümmerte sich nicht mehr um den Leblosen.

Zeichnung: Hans Bertle

 

* * *

 


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