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13. Kapitel.
Die Folter

Die Hauptsache war getan. Es handelte sich jetzt nur noch darum, den Gefangenen zum Sprechen zu bringen, keine leichte Sache, da die Indier hartnäckiger als die Rothäute Amerikas sind. Die beiden Schlangenjäger besaßen jedoch wirksame Mittel, um die Zunge auch einem Stummen zu lösen.

Nachdem sie den Gefangenen in die Mitte der Hütte gelegt hatten, zündeten sie, wenig von seinen Füßen entfernt, ein Feuer an und warteten geduldig, daß er zu sich komme, um die Probe zu beginnen.

Nach kurzer Zeit gab der Indier Lebenszeichen. Die Brust hob sich ungestüm, er bewegte die Glieder, schüttelte sich und öffnete endlich die Augen, die er auf den Schlangenjäger richtete, der sich über ihn gebeugt hatte.

Bald malte sich tiefe Verwunderung auf seinem Gesicht, dann zeigten seine erregten Gesichtszüge Verachtung, Schrecken und Zorn. Seine Finger spreizten sich und wühlten im Boden. Ein tierisches Hohnlächeln zuckte um seine Lippen, die zwei Reihen scharfer Zähne, wie die eines Tigers, durchblicken ließen.

»Wo bin ich?« fragte er mit dumpfer Stimme.

Tremal-Naik näherte sein Gesicht dem seinen.

»Erkennst du mich wieder?« fragte er, mit Mühe den Zorn haltend, der in ihm kochte. »Erkennst du mich?«

»Wenn ich mich nicht täusche, bist du der Mensch, den ich erdrosseln sollte,« sagte er. »Der Einfältige, der ich war, mich fangen zu lassen.«

»Scheint dir nicht, daß die Falle gut gelungen ist?«

»Ich leugne es nicht.«

»Zitterst du vor mir?«

»Ich zittern!« rief der Würger lachend. »Mantschadi hat nur vor Kali Furcht.«

»Wer ist diese Gottheit, die du Kali nennst und die so viel Opfer verlangt?«

»Ich werde nicht sprechen.«

»Du beginnst schlecht, Mantschadi. Du zwingst mich, dich zu martern.«

»Mantschadi ist stark.«

»Gehen wir zu anderem über. Mir liegt daran, zu wissen, wieviel Menschen sich auf Raimangal befinden.«

»Das weiß ich selbst nicht. Ich weiß, daß es viele sind und daß alle Suyodhana, unserem Häuptlinge, gehorchen.«

»Mantschadi, kennst du die Tempeljungfrau?«

»Und wer kennt sie nicht?«

»Gut, sprich mir von Ada Corisanth.«

Ein grausamer Freudenblitz schoß aus Mantschadis Augen.

»Dir von Ada Corisanth sprechen!« rief er grinsend. »Niemals!«

»Mantschadi!« sagte Tremal-Naik rasend. »Gib acht, ich lasse dich tausend Qualen erdulden, wenn du halsstarrig schweigst. Wo befindet sich Ada Corisanth?«

»Wer weiß! Vielleicht in Raimangal, vielleicht im Norden Bengalens, vielleicht im Meere. Vielleicht lebt sie noch, vielleicht liegt sie im Sterben.«

Tremal-Naik stieß einen Wutschrei aus.

»Vielleicht liegt sie im Sterben!« rief er. »Du weißt etwas. Oh! du wirst reden, ja, du wirst reden und müßte ich dir die Beine verbrennen.«

»Verbrenne mir auch die Arme bis an die Schultern, Mantschadi wird nicht sprechen. Ich schwöre es bei meiner Göttin!«

»Mantschadi!« rief Tremal-Naik außer sich, »ich werde dir die Freiheit lassen, dir die letzte Rupie geben, die ich besitze, meine ganzen Waffen überlassen und wenn du willst, dein Sklave sein; aber sag mir, wo sich die arme Ada befindet, ob sie lebt oder tot ist. Sag mir, ob Hoffnung vorhanden ist, sie zu retten. Ich habe furchtbar gelitten, Mantschadi, laß mich nicht mehr leiden, töte mich nicht. Sprich, oder ich zerreiße dich mit meinen Zähnen zu Stücken!«

»Nein!« rief der Indier mit unerschütterlicher Festigkeit. »Kein Wort wird über meinen Mund kommen.«

Tremal-Naik drückte ihm die Handgelenke zusammen.

»Elender!« schrie er ihm in die Ohren. »Ich töte dich!«

»Töte mich, aber ich werde nicht sprechen.«

»Kammamurri, hierher!«

Er packte den Gefangenen bei den Armen und schleuderte ihn heftig zur Erde. Der Maharatt nahm die Füße und näherte sie der Flamme. Ein widerlicher Brandgeruch verbreitete sich in der Hütte.

Mantschadi warf sich herum, knurrend wie ein Tiger, und seine Augen unterliefen mit Blut.

»Halt fest, Kammamurri,« sagte Tremal-Naik.

Ein gellender Schrei brach aus der Brust des Gemarterten.

»Genug – – genug,« wiederholte er mit halb erstickter Stimme.

»Wirst du sprechen?« fragte Tremal-Naik.

Mantschadi knirschte mit den Zähnen, biß sich auf die Lippen und verneinte hartnäckig, obgleich das Feuer fortwährend sein Fleisch zerfraß und verbrannte.

Es vergingen noch zwei bis drei Sekunden. Ein zweiter Schrei, noch durchdringender als der erste, kam über seine Lippen.

»Genug!« – röchelte er, »das ist zuviel.«

»Wirst du jetzt reden?«

»Ja – – ich werde reden – – genug – – Hilfe.«

Mit einem heftigen Rucke entfernte ihn Tremal-Naik von der Glut.

»Sprich, Elender!« schrie er ihm zu.

Mantschadi schaute ihn mit zwei Augen an, die Furcht einflößten. Mit verzweifelter Anstrengung richtete er sich zum Sitzen auf. Aber er fiel zurück, stieß einen heiseren Schrei aus und blieb unbeweglich, mit krampfhaft verzerrtem Gesicht und verdrehtem Mund liegen.

»Ist er tot?« fragte Kammamurri erschrocken.

»Nein, nur ohnmächtig,« antwortete Tremal-Naik.

»Man muß vorsichtig zu Werke gehen, Herr. Wenn er uns stirbt, bevor er gebeichtet hat, ist es ein großes Unglück.«

»Er wird nicht so schnell sterben. Hast du gehört, daß Ada vielleicht im Sterben liegt? Es ist nötig, daß ich alles weiß, und müßte ich ihm sein Blut Tropfen für Tropfen herauspressen.«

»Glaub es nicht, Herr. Der Elende kann gelogen haben.«

»Möchte Siwa, daß es so sei. Wenn meine Ada stirbt, fühle ich, daß ich sie nicht überleben werde. Sieh, welch grausame Bestimmung! Sie lieben, wieder geliebt werden und sie nicht für immer haben können. Oh! aber es wird sein, ich schwöre es bei allen Gottheiten Indiens.«

»Ruhig, Herr. Da, unser Mann beginnt Lebenszeichen zu geben.«

Der Würger kam zu sich. Ein Zittern durchlief seine Glieder, die starr geworden zu sein schienen. Langsam erhob er den Kopf. Sein schweißbedecktes Gesicht, vor kurzem noch schrecklich verzerrt, glättete sich. Endlich schlug er die Augen auf und richtete sie auf den Schlangenjäger. Er öffnete den Mund, als wenn er sprechen wollte, aber seine Zunge brachte keinen Ton hervor. Nur ein dumpfes Gemurmel, eine Art unterdrücktes Seufzen, tönte im Grunde der Kehle.

»Mantschadi, sprich!« sagte Tremal-Naik.

Der Gefolterte antwortete nicht.

»Siehst du jenes Feuer? Wenn du die Zunge nicht lösen willst, beginne ich die Martern wieder.«

»Sprechen?« röchelte Mantschadi. »Töte mich, wenn du willst, aber ich werde nicht sprechen.«

»Mantschadi, reize mich nicht, denn ich werde keinerlei Mitleid haben.«

»Ich hasse dich – aber deine Ada – das Weib, das du liebst – wird sterben! – Mir ist es, als wenn ich schon ihr Stöhnen hörte – schau, dort – ist sie auf den brennenden Scheiterhaufen gebunden – Suyodhana hohnlächelt – die Thugs tanzen rundum – Kali lächelt. – Da, die Flammen umzüngeln sie – Ah! Ah!«

Der Elende brach in ein satanisches Lachen aus, das den ersten Gewitterdonner zum Echo hatte, der die Hütte bis in den Grund erschütterte.

Wie ein Wahnsinniger stürzte sich Tremal-Naik auf den Indier.

»Du lügst,« schrie er. »Es ist nicht möglich! Es ist nicht möglich!«

»Es ist wahr – deine Ada wird verbrannt werden – –«

»Sag mir alles! Ich will es, ich befehle dir's!«

»Nie!«

Tremal-Naik, außer sich vor Zorn und Verzweiflung, packte ihn wieder, um ihn ans Feuer zu schleifen.

Kammamurri kam dazwischen.

»Herr,« sagte er, indem er ihn zurückhielt, »dieser Mensch kann ein zweites Mal diese Marter nicht aushalten, er wird sterben. Das Feuer taugt nicht, ihn zum Sprechen zu bringen; versuchen wir das Eisen.«

»Was meinst du?«

»Überlaß das mir; er wird sprechen, du wirst sehen.«

Der Maharatt ging ins Nebenzimmer. Kurz danach brachte er eine Art Drillbohrer, an dessen Ende zwei gegenüberliegende Stahlspitzen angebracht waren, ungefähr ein Zentimeter voneinander entfernt.

»Was ist das für ein Ding?« fragte Tremal-Naik.

»Ein Folterinstrument,« antwortete der Maharatt. »Du wirst jetzt sehen, wie ich es anwende, und ich schwöre dir, daß kein Mensch, sei er auch noch so stark und eigensinnig, einem derartigen Versuche widerstehen kann. Die Maharatt verstehen sich darauf.«

Er packte den rechten Fuß des Gefangenen und brachte die große Zehe zwischen die beiden Stahlspitzen.

»Gib acht, Mantschadi, ich beginne.«

Die beiden Spitzen gruben sich in das Fleisch. Der Maharatt schaute dem Gemarterten ins Antlitz, das ganz mit kaltem Schweiße bedeckt war.

»Soll ich fortfahren?« fragte er.

Mantschadi durchlief ein Zittern.

Der Gemarterte, halb wahnsinnig vor Schmerz, stieß einen verzweifelten Schrei aus.

»Beichte oder ich fahre fort,« sagte der Maharatt.

»Nein – nicht fortfahren – ich beichte alles.«

»Ich wußte, daß du sprechen würdest. Beeile dich, wenn du nicht willst, daß ich am anderen Fuße von neuem beginne. – Wo ist die ›Jungfrau der heiligen Pagode‹?«

»In den – unterirdischen Gängen,« murmelte Mantschadi mit halb erstickter Stimme.

»Schwöre mir bei deiner Gottheit, daß du uns nicht betrügst.«

»Ich – schwöre es – bei – Kali.«

»Vorwärts denn. Welche Gefahr bedroht sie? Erzähle alles.«

»Ein Urteil ist über – Ada verhängt. – Kali hat sie zum Tode verurteilt. – Dein Herr liebt sie – sie liebt ihn wieder. – Also muß – einer – von beiden – sterben. – Sie hatten mich – hierher gesandt, um ihn zu töten. – Der Anschlag mißglückte mir. Ada aber ist – in – ihrer – Hand – sie wird sterben –«

»Ich werde sie retten!«

Ein ironisches Lächeln zuckte um die Lippen des Gemarterten.

»Die Thugs sind – mächtig,« stammelte er.

»Tremal-Naik wird mächtiger sein als sie. Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich breche auf!«

»Heute nacht noch?«

»Hast du nicht gehört? – Morgen könnte es schon zu spät sein.«

»Die Nacht ist dunkel und stürmisch.«

»Um so besser, so kann ich dort landen, ohne gesehen zu werden.«

»Herr, nach Raimangal gehen, heißt dem Tode in die Arme laufen.«

»In dieser Nacht, Kammamurri, werden mich nicht einmal die Blitze des Himmels halten. Darma!«

Der Tiger, der im Nebenzimmer lag, erhob sich knurrend und stellte sich neben seinen Herrn.

»Gehen wir zum Boote, treues Tier, und bereite deine Pranken vor.«

»Und ich, Herr, was tue ich?« fragte Kammamurri.

Tremal-Naik dachte einige Augenblicke nach, dann sagte er:

»Mantschadi lebt noch und wird wahrscheinlich nicht sterben. Du wirst über ihn wachen. Wer weiß, vielleicht könnte er uns noch dienlich sein.«

»Und du willst ohne mich gehen?«

»Du siehst ja, du kannst mir nicht folgen. Wenn wir ihn allein lassen, wird er morgen tot sein. Ich erwarte dich am Boote.«

Tremal-Naik bewaffnete sich mit Karabiner, Pistolen und dem Messer, versah sich mit genügendem Pulver- und Kugelvorrat und ging rasch aus der Hütte. Der Tiger folgte ihm, indem sich sein Brüllen in das Rollen des Donners mischte.

»Die Nacht ist nicht günstig,« sagte Tremal-Naik, indem er die Gewitterwolken betrachtete, »aber nichts soll mich aufhalten.«

Plötzlich schlug ein scharfer Ton an seine Ohren, der vom Bellen Punthys begleitet wurde.

»Was ist das?« fragte sich Tremal-Naik überrascht.

Er blickte nach der Hütte und entdeckte Kammamurri, der ihm entgegengelaufen kam. Er war bis an die Zähne bewaffnet und auf den Schultern trug er die Ruder des Bootes.

»Was ist geschehen?« fragte der Schlangenjäger.

»Kammamurri hat Aghur gerächt,« antwortete der Maharatt.

»Hast du Mantschadi getötet?«

»Ja, Herr, mit einem Pistolenschuß. Der Verräter war uns hinderlich; jetzt kann ich dir wenigstens folgen.«

»Kammamurri, weißt du, daß wir vielleicht nie wieder in die Dschungel zurückkehren?«

»Ich weiß es, Herr.«

»Weißt du, daß uns in Raimangal der Tod erwartet?«

»Ich weiß es, Herr. Du gehst, um ihn herauszufordern und das Weib zu retten, das du liebst, und ich folge dir. Lieber an deiner Seite sterben, als allein in der Dschungel.«

»Wohlan, mein tapferer Kammamurri, folge mir! Punthy wird über unsere Hütte wachen.«


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