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Dreizehntes Kapitel.

In Banden.


Liebe bringt kein Erbarmen.
Weh dem Mann, der Rettung begehrt
Vom Weib –

Maler Müller.

Als der Sack von Leons Haupte fiel, lag er auf dem weichen Teppich eines mit üppigem Luxus eingerichteten Gemaches und vor ihm stand das majestätische Weib, das er am Waldrande erblickt hatte. Der schwarze Anzug, die Vermummung gaben ihr etwas Satanisches. Sie hatte die Arme auf der Brust gekreuzt und ihre Augen blitzten aus der Kappe unheimlich auf ihn.

Jetzt lachte sie. Er kannte dieses Lachen.

Sie warf die Kappe ab.

Es war Aspasia.

»Nun, Ihr Wunsch ist erfüllt, Leon,« sprach sie, ihn ruhig betrachtend. »Sie sind ganz in der Gewalt eines Weibes, eines Weibes, das ohne Erbarmen mißhandelt und ohne Reue tötet – in meiner Gewalt.«

Leon bewegte sich.

»Wie unschuldig Sie sich mit dem Knebel ausnehmen, wie ein Kind mit dem Zummel im Munde.«

Frau von Bärneck beugte sich zu ihm und befreite ihn von dem Knebel, dann ließ sie ihre düsteren Hüllen herabgleiten und zeigte sich in einem prachtvollen dunkelroten Sammetkleide, das sich ihren Formen weich und zärtlich anschmiegte.

»Soll ich Sie von Ihren Banden befreien?«

»Wie es Ihnen gefällt.«

»Diese Gefangenschaft ist also nach Ihrem Geschmacke?«

Leon lächelte.

Aspasia kniete bei ihm nieder und zog einen verborgenen Dolch hervor, mit dem sie langsam seine Fesseln zerschnitt.

»Sie sind mir auf Gnade oder Ungnade in die Hand gegeben,« sprach sie, »ich kann mit Ihnen anfangen, was ich will. Sie sind mein willenloses Eigentum, mit dem ich mich wie mit einem Spielzeug unterhalten, das ich wie ein Spielzeug zerbrechen kann. Nun stehen Sie auf.«

Leon erhob sich. »Sie werden mich mißhandeln. Sie werden mich töten,« sagte er leise, wie phantasierend.

»Und Sie werden mich lieben,« lachte Aspasia. »Und das will ich. Sie haben bis jetzt ein Phantasiegebilde geliebt, aber das Weib Ihrer Lieblingsbücher soll vor Ihnen stehen, Ihre Träume sollen sich plastisch zusammenballen, zu Ihnen reden, Ihre Lippen küssen. Ich liebe Sie nicht, aber es unterhält mich, Ihre Phantasien zu erfüllen, zu beobachten, wie Sie sich gegen die Magie meines Wesens verzweifelt wehren und nach und nach unterliegen, und ich freue mich darauf, wenn ich Sie mir ganz unterworfen habe, Sie mit Füßen zu treten, Sie von mir zu stoßen und zu sehen, wie Sie schmerzhaft zucken, leiden und vergehen. Das regt mich vielleicht durch ein paar Tage auf und Aufregung ist Genuß.

Leon überlief es kalt, er sah das schöne Weib scheu an und zitterte, in dieses öde, verblühte Antlitz war die Grausamkeit des Lebensekels deutlich genug hineingezeichnet. Diese weltmüden Augen kannten kein Erbarmen. Dieses grauenhafte Weib hatte er gesucht und gefunden.

Jetzt zitterte er vor ihr.

Aspasia bemerkte es, schritt zu der prächtigen Ottomane, sah ihn über die Schulter an und ließ sich mit einer unnachahmlichen Sorglosigkeit auf derselben nieder.

»Wir wollen recht vertraut werden, Leon,« begann sie. »Komm hierher zu meinen Füßen.« Als er halb vor ihr kniete, halb saß, ließ sie seine Locken durch ihre Finger gleiten und streichelte ihn. »Denke nicht an Ketten, Folterwerkzeuge, eiserne Jungfrauen,« fuhr sie fort, »man kann mit Küssen furchtbarer quälen als mit glühenden Zangen, und mit Augen langsamer und grausamer morden als mit Dolchen. Du denkst, ich scherze. Lache nicht, Du sollst mit mir zufrieden sein.« Sie betrachtete ihn mit einem wahrhaft teuflischen Vergnügen, und ihr magisches Auge langsam in das seine versenkend, legte sie ihm langsam die Arme um den Nacken, zog sie wie eine Schlinge immer fester zusammen und ihre Lippen senkten sich wie ein leiser Hauch auf die seinen herab. Und der Hauch wuchs schnell zu verzehrender Glut und nahm ihm den Atem und versengte seine Seele, und immer mehr und mehr sog sie sich fest, er rang wie ein Ertrinkender nach Luft, und als sie ihn losließ, sank er zu ihren Füßen und preßte die Stirne gegen die Erde.

Dann raffte er sich auf und wollte sie umfangen, aber sie stieß ihn zurück, legte ihm mit übermenschlicher Kraft die Hände auf den Rücken und küßte ihn wieder. Er schloß die Augen, sein Herz stand still, er schien im Kusse zu sterben, während sie plötzlich eine wilde Lache aufschlug.

Noch einmal küßte sie ihn, dann umfaßte er flehend ihre Knie.

»Du liebst mich?« rief sie jauchzend.

Er warf sich stumm vor ihr nieder, nahm ihren Fuß und stellte ihn auf seinen Nacken.


Im Hochwald, in einem einsamen Jagdschlosse, hielt Aspasia Leon gefangen und küßte ihm langsam, wie ein Vampyr, sein Blut, sein Leben, seine Seele von den Lippen.

Kaum eine Woche war vergangen, und je tiefer sie ihn in Wahnsinn verstrickte, je höher sie seine Fieberglut anfachte, um so mehr begann er sie zu ermüden, zu langweilen.

Der Abwechselung wegen hatte sie ihn in ein dunkles Turmloch geworfen und ließ ihn da einen Tag ohne Speise und Trank liegen.

Am Abend empfing sie den Jesuiten, welcher geräuschlos in ihr Boudoir trat, ihre Hand küßte und dann ihr gegenüber im Fauteuil Platz nahm.

»Ich komme, Ihnen Bericht zu erstatten,« begann Pater Loyola, »und Sie zu fragen, wieweit Sie mit Ihrer Aufgabe gekommen sind.«

»Sie ist erfüllt.«

»Gehört Leon Ihnen?«

»Mit Leib und Seele. Aber ehe wir von solchen Bagatellen reden, wollen wir etwas nehmen. Ich habe Appetit wie immer, wenn ich mich langweile.« Sie klingelte. Die vertraute Zofe erschien und knixte grinsend.

»Das Souper.«

Florette stellte ein kleines Tischchen mit zwei Gedecken zwischen die beiden, servierte und verließ dann leise das Gemach.

»Ich bringe Ihnen mehr als Bagatellen,« sprach der Jesuit, »ich bringe Ihnen den vollständigen Triumph.«

Aspasia richtete sich auf, ihre Augen leuchteten. »Ich bin so nahe dem Ziele,« fuhr der Pater fort, »daß ich Ihnen, die meine treueste Alliierte ist, daß ich, der Jesuit, der Jesuitin meinen Plan endlich vollkommen darlegen darf.«

»Ich bin neugierig.«

»Meine Aufgabe ist, hier ein Ordenshaus zu gründen.«

Frau von Bärneck sah den Jesuiten frappiert an.

»Haben Sie dies nicht geahnt, gnädige Frau.«

»Nein.«

»Um so besser.«

»Fahren Sie fort.«

»Ich habe diesen großen Zweck mit scheinbar verächtlichen Mitteln verfolgt, aber um so näher stehe ich jetzt der Erfüllung. Mein Plan war zugleich auf Ihren Gemahl, auf Moldawetz, Leon, auf Goldbach und die Gemeinde gerichtet! Ich täuschte mich nur in einer Richtung, ich dachte in Ihnen nicht mehr als ein Werkzeug zu finden und fand eine ebenbürtige Genossin. Ich gab Ihren Gemahl auf und warf meine Netze um so sicherer nach den andern aus. Zuerst in Moldawa. Ich benutzte den schwermütigen Hang der jungen Frau und machte sie zur Pietistin, ich trieb den Gemahl aus ihren Armen in die einer hübschen Bauerndirne, und diese Entdeckung soll Violantha in das Kloster und ihr Vermögen in unsere Hände liefern. Goldbach habe ich mit seinen Projekten und einem Orden geködert, der giebt gutwillig her. Sie liefern mir Leon. Haben Sie ihn erst ganz toll gemacht, dann wird es auch nicht schwer sein, ihn dafür auszugeben und sein Besitztum an uns zu reißen. Auch der Jude wird mir seine Frechheit büßen. Seine Grundstücke stoßen an jene des Barons. Wir wollen uns arrondieren.«

»Wie erreichen Sie das?«

»Durch eine kleine Judenhetze,« erwiderte Pater Loyola, dann schlürfte er ein Glas Champagner und streichelte Aspasias Hand.

»Die Bauern, diese Wilden, werde ich bald zahm gemacht haben. Die Adamiten habe ich dem Gericht überliefert. Die ganze Gegend zittert vor mir. Nun gilt es einen bessern Fang.«

»Wie?«

»Wollen Sie mit mir die Angel werfen, schöne Frau? Sie gilt den Hussiten.«

»Hussiten? Es giebt noch –«

»Hussiten, allerdings.«

»Und Sie sind ihnen auf der Ferse?«

Der Jesuit nickte.

»Darf ich dieses edle Wild mit Ihnen jagen?« fragte Frau von Bärneck erregt.

»Unter einer Bedingung.«

»Diese wäre?«

»Daß ich bei der Schlußscene Ihrer Komödie mit Monsieur Leon als Statist auftreten darf; ich bin auf die Grimassen neugierig, die der Junge schneiden wird.«

Frau von Bärneck reichte ihm die Hand über den Tisch, der Jesuit schlug ein und hielt sie dann fest.

»Und meine Wünsche, schöne Frau, vergessen Sie dieselben ganz?«

Aspasia zuckte die Achseln und erhob sich.

»Sie ahnen nicht, welches Vergnügen Sie mir damit machen, daß ich auch über Sie einige Macht habe; ich werde mich hüten, dieselbe auf das Spiel zu setzen.«

»Wirklich?«

»Wirklich. Und dazu haben Sie mich recht zur Unzeit an Leon erinnert.«

Sie klingelte. Florette erschien an der Thür. »Die Blendlaterne,« rief sie, nachdem sie sich graziös mit der Serviette die Fingerspitzen gewischt hatte, »ich will sehen, was mein Gefangener macht. Gute Nacht, Pater Loyola.«


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