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Die Schafhürde.

(1901)

Papa hatte von seiner Reise kein Fräulein mitgebracht. Er erzählte: die Fräulein wollten nicht in die Einsamkeit; wenn sie nur das Wort »Pußta« hörten, zögen sie schon ein Mäulchen.

Und eine Gouvernante müßte ich haben, meinte Papa – jetzt dringender denn je. – Da war guter Rat teuer.

Wir kriegten ihn umsonst. Eben zur rechten Zeit kam ein Brief von Fräulein Valeska Wunderlich, der Poetischen: sie habe großes Leid in der Welt erfahren, herbe Enttäuschungen, und möchte Wunden des Herzens auf dem fernsten Land verharschen lassen. Ob Papa das Fräulein nicht zurücknehmen wolle?

Die? Die Dichterin mit dem falschen Zopf? Ich wehrte mich nach Kräften. Hatte Papa nicht auf der Schmiede damals geschworen, Fräulein Valeska wegzuschicken?

Er gabs zu; ich hätte recht; doch wenn ich ihm den Gefallen täte, auf meinem Recht nicht zu bestehen, dann werde er mir dafür eine große Freude machen: er werde den jungen Kolinsky zu uns laden.

Giulio? Oder Attila? – Ich schüttelte den Kopf.

»Nein,« sagte Papa, »den mittlern, Artur.«

Na, unter der verheißenen »großen Freude« hatte ich mir was andres vorgestellt als einen Vetter – immerhin, von den Kolinskys war mir Artur immer noch der liebste.

Und er kam. Mit ihm Fräulein Valeska Wunderlich.

Artur war immer noch Kavalleriekadettenschüler in Weißkirchen und bildete sich, weiß Gott, was, darauf ein. Wenn Papa mal zufällig von seinen Feldzügen erzählte, da kam auch Artur gleich mit irgendeinem Abenteuer aus Weißkirchen daher; wollte man nach seinen Reden urteilen, dann war Weißkirchen ein Raubnest mit unzähligen bodenlosen Gruben, in die man jeden Augenblick mitsamt dem Pferd hineinfiel.

Seit Artur da war, regnete es – fünf Tage in einem Strich – und jeden Tag brachen sich ein paar seiner Kameraden das Rückgrat. Als er den neunten Kadettenschüler umgebracht hatte, und wieder durch einen Sturz, da wurde es mir zu dumm. Ich bat Papa, Artur das Aufschneiden zu verbieten. Aber Papa wollte nichts davon hören – aus Gastfreundschaft.

Am sechsten Tag hellte es sich ob der Dugamedjer Kirche auf. Das Aneroid zeigte auf Schön, ein frischer Wind bog die Pappeln krumm, die Meute der Wolken jagte am Himmel dahin. Nachmittag kam gar die liebe Sonne.

»Marius,« sagte Papa, als sich die ersten Lichter und Schatten zeigten, »Marius, du wirst deinen Vetter spazieren führen.«

»Den Vetter spazieren führen? An der Hand, Papa?«

»Dummkopf! Zu Pferd natürlich.«

Papa schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, als wollte er sagen:

»Wie kommt so was in meine Familie?«

»Zu Pferd, Papa? Ich habe doch nur ein Pferd? Uns beide soll der arme Jani tragen?«

»Favorite hat jetzt schon lang genug gestanden. Sie geht heute mit hinaus.«

Ich riß erstaunt die Augen auf. Seit Menschengedenken hatte Papa nicht erlaubt, daß jemand seine Favorite reite.

»Gut, ich werde satteln lassen,« sagte ich und wollte rasch davon, damit sichs Papa nicht am Ende überlegte.

»Halt,« rief er mir nach, »Favorite reitet natürlich ...«

»Marius,« vollendete ich sehr sicher.

Papa wußte nicht, sollte er sich ärgern oder lachen.

»Du? Die haut dich ja in den nächsten Graben, mein Sohn, und nur ein nasser Fleck bleibt von dir übrig.«

Da war das Lachen an mir.

»Papa, glaubst du wirklich, ich hätte noch nie auf Favorite gesessen? Wenn du auf der Wirtschaft warst? Ich wollt, ich bekäme jedesmal eine Handvoll Dukaten dafür. Das ganze Komitat könnt ich mir kaufen. Und vielleicht noch das Paar Stiefel, das du mir vor drei Monaten versprochen hast.«

Papa nannte den Pferdewärter einen Vagabunden, mich einen kecken Frosch und erlaubte endlich, daß ich seine Stute reite und Artur Kolinsky meinen Rappen.


»Wohin eigentlich?« fragte Artur, als wir durch den tiefen Dreck der Landstraße quatschten. Er tat sehr feindselig, weil er ein Pony hatte und ich ein richtiges Pferd.

»Ich denke, nach Gradina.«

»Was fällt dir ein, Marius? In diesem Boden? Warum nicht nach Gutta?«

»Ah, damit der Herr Cousin der Lore Ferkel ...«

»Völker – bitte,« erwiderte er bissig.

»Damit der Herr Cousin der Lore Fensterpromenaden reiten kann?«

Er fragte lauernd:

»Bist du eifersüchtig?«

»Ich – eifersüchtig? Auf wen? Auf Lore? Und deinetwegen? Wenns auf mich ankommt, kannst du dich vor einem ganzen Dorf Mädel auf den Kopf stellen.«

»Na also. Dann nach Gutta.«

»Nein,« sagte ich und stützte herausfordernd die Gerte auf den Schenkel. »Justament nicht. Verstehst du? Justament nicht. Das ist mein Jani, auf dem du sitzt, und du wirst gehen, wohin ich will.«

»Du bist also doch eifersüchtig?«

»Nein. Aber es schickt sich nicht, daß Kadetten Fensterpromenaden reiten. Überhaupt ist Lore Ferkel ...«

»Völker!«

»... also Völker – nicht standesgemäß.«

»Standesgemäß? Schickt sich nicht? Was verstehst denn du davon?«

»Ich bin kein Kind mehr, mein lieber Artur! Willst du genau erfahren, was sich ziemt, so frage nur bei edeln Frauen an.«

Er schüttelte sich vor Vergnügen, bloß um mich zu kränken.

»Du?« höhnte er, »du? Eine edle Frau? Da könnt ja nächstens Schweinehirts Stefan daherkommen, mit Glacéhandschuhen, und könnt behaupten, er ist Tanzlehrer.«

»Na, na, faß dich nur wieder! Sonst fällst du am Ende runter und bist mausetot.«

»Ist das dein Ernst, Kusinchen? Ich – herunterfallen?«

»Bitterer Ernst. Mein Jani ist kein Gaul wie eure dort in Weißkirchen. Die verhungern bei vier Kilo Hafer täglich und lassen sich von jedem Erstbesten auf dem Buckel herumtorkeln.«

»Du wirst frech, Marius.«

»Im Gegenteil, ich bin freundlich. Ich möchte dich nur warnen, damit dir in deiner Unerfahrenheit nicht etwas zustößt. Wenn Jani ungemütlich wird, pack ihn an der Mähne, rat ich dir, und halt dich fest.«

Das war zu viel, zu viel für Artur Kolinsky, Kavalleriekadettenschüler aus Weißkirchen. Er wurde bleich vor Wut und beschimpfte mich – kein Zigeunerhund hätte Brot von mir genommen. Als er mich genug beschimpft hatte, versicherte er mir:

»Ich schweige jetzt – aus Galanterie. Zu Haus wirst du von Papa das Weitere hören.«

»Traben wir?«

»Los!«

Und wir trabten. Favorite hatte sich in den fünf Regentagen ein lebhaftes Stallfeuer angemästet, und Jani wollte natürlich nicht zurückbleiben. Wir hatten beide genug mit dem Abtätscheln und Beruhigen der Tiere zu tun.

Als Jani seinem Reiter allzu arg die Hand nahm, begann Artur:

»Das Biest ist steif wie ein Bock.«

Favorite mit ihrer wahnsinnigen Bewegung verschlug mir den Atem. Die Stirn perlte mir. Aber ich lächelte.

»Siehst, Artur? Der kleine Jani weiß eben, daß er einen kühnen Reiter trägt.«

»Wieso?«

»Der Herr Pfarrer von Gradina sagt immer: die wahrhaft kühnen Reiter sind die, die nichts können und sich doch aufs Pferd setzen. Denn wenn einer reiten kann und reitet, ists keine Kunst mehr.«

»Warte nur, zu Haus!« preßte Artur hervor – und wurde nicht müde, dem Jani mit »Ho–hoj!« und »He–he, mein Ferdl!« schön zu tun.

Favorite ging wie aus der Pistole geschossen und kratzte sich in ihrer prächtigen Aktion mit den Hufen die Nase aus. Doch ehe Artur nicht um Gnade bat, wollte ich nicht parieren.

Janis Schulter glänzte schon von Schweiß, aber noch immer ging er davon.

Da sagte Artur endlich:

»Müssen wir denn rasen wie die tobsüchtigen Scherenschleifer?«

»Wie – ist dir das auch schon zu viel Tempo? Wir schleichen doch wie die Galoschen eines Patriarchen.«

Dabei flatterten mir die Haare aus der Mütze.

Und ich hatte einen prächtigen Einfall.

»Weißt du was, Artur? Wir fallen jetzt in Schritt und halten langsam auf Gutta zu.«

Er war gleich dabei. Mit langen Hälsen verschnauften sich die Gäule. Artur klappte seine Zigarettendose auf, ich tat die Gerte unter den Arm und richtete das Haar.

»Entschuldige, Artur,« sagte ich heimtückisch, »entschuldige, wenn ich dich vorhin verletzt haben sollte. Ich glaube übrigens kaum, etwas Beleidigendes gesagt zu haben ...«

»Laß es gut sein, Marius. Du bist eben ein Bosnickel – wie alle Mädels in ihren Flegeljahren. Ich wollte nur, du fielest so oft vom Pferd, wie du mirs wünschst.«

»Fängst du schon wieder an, Artur? Vergiß nicht, daß ich eine Dame bin.«

»Also sei in Gottes Namen eine – um des lieben Friedens willen.«

»Ich glaube, Lore Völker ...« (Vö–l–ker betonte ich) »wird sich freuen, dich zu sehen. Ich gönn ihrs. Ich hab Lore nämlich recht gern, und sie tut mir außerordentlich leid.«

»Warum?«

»Aber, Artur! Wenn man nur einen einzigen Verehrer hat! Und zwar dich!«

»Marius!« rief er drohend und sann auf Vergeltung.

Er übte sie ausgiebig, als wir wieder einen Trab riskierten. Jani hätte nicht genug Haltung, behauptete er, wäre nicht am Zügel, undurchlässig wie ein Gummimantel und steif wie ein Kommißstrohsack.

Wenn Artur aber meinte, ich würde mich über seine Reden ärgern, so irrte er sich. Ich freute mich viel zu sehr auf Gutta.

Bald schlugen die Hufeisen unsrer Pferde klingend auf das Pflaster. Die Hunde kläfften, die Leute blieben stehen und blickten uns nach. Lore hatte das Getrappel von weit her gehört, fuhr hastig mit dem Kopf durchs Guckfensterchen und dankte selig lächelnd für Arturs Gruß. Mit stolz abgebrochenem Hals schritt Jani unter dem versammelnden Schenkeldruck seines Reiters einher und kaute an den Gebissen.

Da, als Artur in den Anblick seiner Ferienflamme so ganz versunken war, stopfte ich mein Taschentuch in die Kammer zwischen Janis Sattel und Rücken. Eh ich noch recht Zeit hatte, mich mit Favorite wegzudrücken, feuerte mein lieber Rappe schon pünktlich aus. Artur, der Entzückte, verlor das kokette Zigarettchen, fiel auf Janis Mähne, und – wer weiß, wies ihm ergangen wäre, hätte er nicht rechtzeitig mit beiden Händen das rettende Langhaar Janis erwischt.

»Was hat der Racker?« rief Artur, während Jani auf den Vorderbeinen turnte.

»Sitz ab und sieh nach. Vielleicht ist ihm ein Taschentuch in die Sattelkammer geraten.«

Artur gab ein paar Eisen und bohrte mit dem Finger hinten in die Sattelkammer.

»Richtig,« sagte er und schwenkte das Tuch. Dann biß er sich auf die Lippen und schwieg.

»Siehst du jetzt ein, Artur, daß ich es gut mit dir meine? Vorhin habe ich dir geraten, dich an die Mähne zu klammern – da bist du grob geworden. Und wie ist es dir jetzt zu paß gekommen!«

»Du in meiner Lage ...«

»Oh, ich hätte mir nicht so viel daraus gemacht. Ich hätte den Oberleib zurückgenommen. Hat man euch das in Weißkirchen nicht gelehrt?«

Artur nickte mit einem wütenden Seitenblick auf mich, stellte die Fäuste auf und begann, seinen Rappen zu schrauben.

»Du mußt Jani nicht um die Hälfte kürzer machen wollen, Artur. Du mußt ihn auch nicht aufrichten wollen – er ist keine Flaggenstange, sondern ein sanftmütiges Pferdchen, und hat nur den Fehler, sich von jedem Alltagsreiter alles gefallen zu lassen.«

Er tat, als hörte er nicht.

»An Lore Völker gefällt mir am besten ihre Bescheidenheit. Man kann ihr die Fensterpromenaden auf den Pferdeohren reiten – es schmeichelt ihr dennoch. General Geyers Volontär hat mir erzählt: an Regentagen hüpft er bei Lore immer nur auf der Peitsche vorbei. So schont er seinen Schecken, und Lore hat ihre Huldigung.«

»Artur,« begann ich nach einer Weile, »nicht wahr, wir schweigen über die Geschichte? Papa würde sich sehr schämen, daß sein Neffe aus dem Sitz gekommen ist. Wenn in der Familie etwas Peinliches passiert, ist am besten, man vertuscht es.«

Artur schwieg.

Hinter Gutta fängt die Heide an, wo die gräflichen Schafe weiden. Es ist ein einladender Boden zum Galoppieren. Die Pferde drängten.

»Machen wir?« fragte Artur und streckte die Ellenbogen von sich. Er liebte es, Taral nachzuahmen – den hatte er einmal auf der Wiener Freudenau gesehen.

»Gut, einen kleinen Spritzer. Du führst.«

»Bitte, gib du Tempo an, du bist die Dame.«

»Wie galant du sein kannst! Du willst dich wohl bei deiner Kusine lieb Kind machen, weil du dich vor Lores Fenster nicht mehr traust?«

»Laß das! Ich glaube mich immer kavaliersmäßig gegen dich benommen zu haben, Marius. Ein gut erzogener Mensch ist auch gegen sehr schnippische Damen artig.«

Und fort gings.

»Gib acht, Marius, es gibt hier Maulwurfshügel. Wenn du dich totschlägst – ich habe keinen Tschako mit fürs Leichenbegängnis.«

»Ruhig Blut, Artur! Ich lasse mich im Trab auf den Friedhof fahren – da kommst du ja doch nicht mit.«

»Links, Marius, am Schafeingang vorbei! Solche Hürden nehmen Weiber nicht.«

»Möcht ich sehen! Für Weiber wie du ist die Hürde freilich ...«

»Nein, keine Späße, Marius – die Hürde ist zu hoch.«

»So hoch, wie Favorite springt, hat noch keines Reiters Courage gereicht.«

»Ich wette, du nimmst die Hürde nicht.«

»Doch, Artur – um eine Reitpeitsche.«

»Gilt. Aber ich warne dich.«

»Danke.«

Ein Jagdhieb klatscht in Favorites Flanke.

»Ich bin voriges Jahr gesprungen ...«

»In Weißkirchen, wo sich deine neun Kameraden den Hals gebrochen haben?«

»Unsinn. Marius, wenn du gleich zwischen den zwei Büschen in den Eingang springst, dann ...«

»Dann?«

Und schon wende ich Favorite dahin.

»Dann glaub ich dir, daß du was kannst.«

Ein Preis, der mir hoch genug scheint, noch ganz andre Dinge zu wagen.

»Marius ...,« höre ich noch – – Favorite hat den Hals gestreckt – setzt an – und stolz in hohem Bogen sause ich ...

Aber, mein Gott ...!

»Artur!« schreie ich gellend. Es ist ein Hilferuf.

Es knackt – es bricht – ich falle kopfüber vorwärts – kein Boden – und unter mir versinkt das Pferd, pfeilschnell zuerst, dann langsam immer tiefer, in schwarze Finsternis.

Ich weiß noch nicht, wie mir geschehen ist, und ich stehe schon in einer schlammigen Grube. Neben mir liegt Favorite auf der Nase im Morast. Oben aber am Rand der Grube, durch die gebrochene Reisigdecke sichtbar, grinst Artur zu mir herab. Er ist zu Fuß und hat Janis Zügel über den Arm geworfen.

»Das ist für das Taschentuch, Kusinchen,« höhnt er und führt einen Indianertanz auf.

»So hilf mir doch, Artur!«

»Herzlich gern – aber rühr mich nicht an!«

Unterdessen sind drei Schäfer herbeigekommen.

»Aber, Junker! Wie kommen Sie in unsre Mistgrube?«

Sie räumen schnell die Äste weg – das Geflecht hat vorher das Loch verdeckt gehabt – und helfen mir hinaus. Favorite springt so rasch nach, daß ich geschwind zur Seite weichen muß, um ihr nicht in die Quere zu kommen.

»Pfui,« ruft Artur und hält sich die Nase zu.

Ich besehe mein Kleid. Bis zu den Knien ists dreckig. Und wie dreckig! Favorite trabt herrenlos im Schafeingang herum, hinter den Lämmern her – die Lämmer flüchten in verrückten Rudeln von einer Hürde zur andern. Schäfers Esel brüllt und fetzt, was er kann. Die Hunde bellen, als wäre Favorite eine Tigerin. Zu alldem aber lacht Artur aus vollem Hals.

Endlich hat Favorite ausgetobt und kommt stechend näher. Sie blickt mich an und ich sie.

»Marius, wie tief sind wir gesunken!« sagt sie mir in der Pferdesprache und bläst sich den Unrat aus den Nüstern. Ich erfasse sie am Backenstück.

»Fräulein, kommen Sie zum Bach, wir werden Sie abwaschen,« schlägt des Schäfers Gehilfe vor.

Artur läßt die Finger nicht von der Nase.

»Hast du uten dachgeseh, Barius?« fragt er. »Ich habe voriges Jahr bei Taschetuch uten vergesse.«

»Geh nur und suchs! Vielleicht findest du auch die Reitpeitsche dort, die du mir von der Wette her schuldig bist.«

»O bitte. Ei Sprug gilt dur bit Laden.«

»Mit Landen? Ich bin ja gelandet. Bloß nachher bin ich aus dem Bügel raus, um hinauf zu können.«

»Das ka jeder sage. So gilt ei Sprug dicht.«

»Frag doch mal Schäfers Esel! Er wird dir erklären, was man unter dem Landen nach dem Sprung versteht.«

Wir kommen an den Bach, und ich muß samt meiner Stute mitten hineintreten. Zwei Schäfer nehmen das Pferd in Arbeit, der Gehilfe wäscht an meinem Rocksaum herum. Er kniet ins Wasser nieder, und im eifrigen Putzen sieht er mich mit glänzenden Augen an.

»So, jetzt ists gut,« sage ich. »Nun geht und laßt mich allein. Das Übrige besorge ich selbst.«


Drei Stunden hats gedauert. Die Sonne ist im Sinken, doch ehe sie nicht untergegangen ist, wage ich mich nicht unter Menschen.

Mein nasses Kleid prackt um die Stiefel, als wir durch Gutta heimreiten. Wenn Leute uns begegnen, ziehen sie schnüffelnd die Nase hoch und staunen uns nach. Artur hält sich gewissenhaft auf der Windseite im Straßengraben.

In Gutta guckt Lore Völker eben durchs Fensterchen. Als wir dicht bei ihr sind, fährt sie erschrocken zurück, schlägt die Scheibe zu und bleibt mit aufgerissenen Augen stehen. Boshaft zeigt Artur auf mich und macht wieder seine häßliche Gebärde.

Endlich sind wir zu Hause. So hungrig ich bin – ich stürze mich schnurstracks ins Bad.

»Was hat Marius?« fragt Papa.

Ich höre durch die Tür Artur antworten:

»Marius? Ich weiß nicht. Sie hat nur eben gesagt, sie wolle meinem Pferd nie mehr ein Taschentuch in die Sattelkammer stopfen.«


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