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Wenn ȧȧns gar ze gut is.

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Der Geierschmärtel is ȧ Seel vun ȧn'n Menschen. Iech glȧȧb vun den könnt ȧȧns verlange, wos's wott, er teets. Ner Geld derfets net gerod sei, den is er selber ze gut. Ober sinst, wie gesogt, kȧȧ Handgriff wär ne zeviel und kȧȧ Weeg ze weit, wenn er dermiet ȧn'n Menschen ȧn'n Gefalln ta könnt. Er braucht ȧȧ, gerod wos de Zeit ahbetrifft, net su sparsam dermiet ümzegiehe, denn er hot ere genungk, hot su wie su nix ze ta. Er hot draußen be Zwicke rüm ȧ Bauerschzeig gehatten, hots, wie de Stoodt grässer und grässer wur, teier verkȧȧft und lebbt nu mit seiner Frȧȧ – Kinner ham se net – in der Stoodt, schaut vun' frühe Morng ah zen Fenster naus, gieht spaziern und schaut ne Tog über annern Leiten be ihrer Ȧrwet zu und trinkt omst seine paar Glos Bier und spielt sȧn'n Schofkopf bis 's Zeit is zen Hȧmgiehe. Su giehts heit und morng und übermorng.

Er is de Liebeteet selber und gleich freindlich geeng gruß und klȧȧ und gleich hilfsbereit geeng Mensch und Viehlich. Sei Frȧȧ klogt freilich oft amol, wenn er ȧ Vügele miet hȧmbringt, dös aus ne Nest gefalln war, und dös verhungert oder verkümmert oder vun 'er Katz gefangt und gefressen wur'n wär ahne ihn, und dös er ätzt und ohpuddelt bis's flieng kah, wu ersch noochert zen Fenster nausläßt: »Wenn er ner geeng mir ȧȧ asu voller Liebeteet wär!« Derbei lacht se ober mit ne ganzen Gesicht, se wȧß gar wuhl, aß er sche in ne Hȧrzen und af ne Händen trägt. Ober se muß doch wos soong, aß se net zeletzt de ganze Stum voller kranks Viehlich kriegt. Sie is gu ȧȧ ȧ gute Frȧȧ und hot ȧ warms Hȧrz fer alles, wos Nut leiden muß, ober af dere Art und Weis' war er doch ball ȧ weng zu olber.

Aß ȧȧns ober be sötten Getah ȧȧ amol de gräßten Uahnehmlichkȧȧten hom kah, dös wȧß er erscht seit vurigter Woch, und is nu ȧ weng vursichtiger wur’n.

Be tüchting Reengwetter gieht er wie gewöhnlich vun Wertshaus hȧm. 's is ȧ weng speeter wie sinst, eem weils su gereengt und er immer gedacht hatt, 's müsset amol aufhärn. Vur seiner Haustür leit ȧ Hund, ȧ grußer gunger Leonberger, ȧ guts, teiersch Tier, wie der Märtel ben erschten Hieschaue weiskriegt. Der Hund hot siech verloffen gehatten, oder was sinst mit ihn gepassiert war, winselt und bettelt und will durchaus miet zer Haustür nei. Er weist'n ȧ paarmol zerück. Ober wie der Hund siech immer zutraulicher an ihn nahschmiert und zeletzt siech af de Hinnerfüß setzt und »schöne« macht, als wie wenn er bitte, bitte! soong wött, do dauert ihn 's arme verloßene Viech und er nimmt ne Hund miet nei's Haus und miet de Trepp nauf und miet nei ne Vursaal. Dorte schmeißt er 'n ȧ alte Deck hie, af die siech der Hund leeng söll und ȧȧ gern hiestrahnt, su lang der Märtel dorte rümhantiert. Wie er ober nei de Schlofstum gieht, do will der Hund partuh ȧȧ miet nei und winselt und beilt und kratzt drah der Tür rüm, bis de Frȧȧ, die sinst ȧn'n ganz gesunden Schlof hot, munter werd und fregt, wos er wieder amol mietgebracht hätt. Er derziehlt ihr fix alles und aßs ȧ guter und ȧ teirer Hund wär, üm den 's schod wär, wenn wos nahkȧm. Er könnt, wenn er 'n net reigeloßen hätt, leicht gemaust oder be den Sauwetter krank wer'n, dereweeng hätt er siech drüber derbarmt.

»Ach, du alter olbrer –! Wenn de ner geeng mir suviel Derbarme ham söttst!« sogt se, wie ses be sötten Geleengeten in der Mode hot. Er ober drückt ihr voller Lieb de Händ und sogt: »Bie gut, de wȧßts doch, wos iech af diech halt.«

Und se sogt ȧȧ nix mehr, und hätt wuhl überhaupt heit nix mehr gesogt, wenn ner 's alte Hundsluder Ruh gehalten hätt. Ober der Hund kratzt drah der Tür rüm, winselt und heilt zeletzt zen Gottderbarme. Der Märtel weist 'n zer Ruh, er druht ne: »Wart ner, wenn iech ner nauskumm!« Ober 's Viech härt net, und nu werds der Frȧȧ doch ze arg und se fängt ah ze zanne und ze reseniern, aß doch 's ganze Haus rebellisch wür vun den Hundsviech. Wos denn de Leit ner denken müßten!

»Wöll' m'r'n ost miet reinemme,« schlegt er vür, »noochert werd gleich Ruh wer'n.«

»Nu, du kämst m'r! Su ȧ fremms Viech! Wer wȧß, wos er fer Kranket an siech hot, aß se'n fortgegogt ham! Su ȧ Fluhluder rei de Schlofkammer loßen! Bist'n du gar olber wur'n! Emende hot er gar Läus'! Nȧȧ, nȧȧ, wenn de dös Luder reiläßt, do reiß iech aus.«

Der Märtel wȧß net, wos er ahgeem söll. Reiloßen derf er'n also net; draußen bleim, dös will der Hund net; de ganze Nacht krawalln loßen, dös gieht ne annern Hausleiten weng net; er wȧß net, wos er machen söll. Endlich findt er ȧn'n Ausweeg, su kunnts giehe. Er stieht auf, macht Licht und führt ne Hund hinner in ne Abort. Dorte kunnt er stecken bis früh. Dorte gahngs hinten naus, do kunnt er heiln, do stäret er kȧn'n Menschen in' Schlof. Ober der Märtel hatt wieder net ganz richtig gekalkeliert. Verneh warsch Vieh ȧ ganze Weile ruhig bis der Märtel nei 's Bett und benah zen Eischlofen war. Do af ȧȧmol, warsch net, wie wenn eechahl ȧȧns mit ne Stiefeln nah de Haustür puschen teet! Hatt ȧȧns ne Haustürnschlüssel vergessen und kunnt net rei? Er horcht und lauscht, und af ȧȧmol wȧß er, wos's is. Der Hund hot siech hinten allȧȧne gefercht' und springt in ȧn’n fort nah de Abtrittstür. Dodervah mußt doch de ganze Nachberschaft rebellisch wer'n! »Üm Gotteswillen, su kahs net fortgiehe de ganze Nacht!« denkt der Märtel. Und de Frȧȧ auttert ball noch merner wie der Hund. Und der Märtel stieht auf und will ne Hund aus sȧn'n Gefängnis rausloßen.

Ober pfeifele! Suviel er siech ȧȧ Müh geem mog, er brängt de Tür net auf. Der Hund, der itze vur Frȧȧden beilt und an de Tür poltert, is be sȧn'n Ahspringe nah ne Riegel kumme, hot ne plumperweis' vürgeschuhm und kah nu su weng raus wie der Märtel nei. »Gottvertambur!« fängt der Märtel ah ze fluhng. Wos söll itze wer'n! »Pui, pui!« tuts immer wieder, wenn der ugeduldige Hund nah de Tür springt. Rutlus stieht der Märtel und überlegt ȧ ganze Weil, wos er machen söll, und sogt zeletzt fer siech: »Iech alter Jesel! Su kahs net fortgiehe, iech muß wuhl lȧȧfen und sehe, aß iech ȧn'n Schlosser rahbräng, der de Tür aufmacht.«

Und er lȧȧft zerück zer Kammer, zeiht siech unner ne Geschimpf und ne Gezeeter vun der Frȧȧ ah und lȧȧft fort, zwȧȧ Gassen nüber zen Schlosser Kolbel. Der leit in' erschten Schlof, er war ȧȧ naht lang hȧȧm, und lang, lang hots gedauert, eh ne der Märtel munter brängt. Endlich ober glückts doch, und der Schlosser nimmt sei Handwȧrkszeig und gieht miet. Er brängt ȧȧ de Tür nooch langer Müh auf, hot ober 's Schloß derbei kaput machen müssen, dös er ost lusschraubt und mietnimmt, und fer welle Ȧrwet, wos iech ost vuraus miet verroten will, er siech zwȧȧ Märkle hot bezohln loßen ne annern Tog. Der Hund ober is außer siech und rennt ne Märtel und ne Schlosser ball üm ver Frȧȧd.

Ober wos nu? 's Viech nausgoong? Dös dauert unnern guten Märtel wieder. »Ach wos,« denkt er, »iech kah itze su wie su net schlofen vur Aufreging, iech kah gu ȧȧ morng wos länger lieng bleim, will iech ner ost 's Luder, aß net noch wos nahkimmt, af de Pulezeiwach schaffen!« Und er macht ne Hund ȧn'n Bindfaden nah's Halsband und gieht dermiet af de Pulezeiwach zu. Kȧȧm is er ȧ paar Gassen hiegeloffen, do begeengt ihn drah ne Stroßeneck ȧ Schutzmann. Der stutzt ȧ weng, schaut ne Märtel und ne Hund neigierig ah und sogt: »Milan!« Und wie der Hund af ne Name härt und mit ne Schwanz wedelt, fregt er ne Märtel: »Wo wollen sie denn mit dem Hund hin?«

»Af de Pulezeiwach,« sogt der Märtel.

»So! Ist der Hund ihre?«

»Nȧȧ, iech ho miech ner seiner ahgenumme.«

»Wo haben sie ihn denn her?«

»Er log vur meiner Haustür, wie iech hȧmkam und wott durchaus miet nei. Der hot m'r schiene Menkenke gemacht. Genne se epper af de Wach?

»Ja. Warum?«

»Do könne se'n ost miet hienemme.«

»So!« Dermiet lacht der Schutzmann pflȧȧmisch auf. »Das könnte ihnen passen! Nein, kommen sie nur selber mit.«

»Dös brauchts doch net, wenn sie hiegenne. Iech bie der –«

»Kommen sie nur,« schnadt ihn der Schutzmann fix 's Wort oh, »wir brauchen sie auch dort. So einfach geht das nicht!«

»Nu, wenn se mȧȧne!« sogt der Märtel und tratscht miet fort und derziehlt treihȧrzig, wos ihn alles mit den Hund gepassiert is de Nacht, siehts ober net, wie der Schutzmann ugleibig und pflȧȧmisch derbei vur siech hielacht.

Wie se af der Wach ahkumme, läßt der Schutzmann ne Märtel mit ne Hund vurahne nei, und sogt, wie er ȧȧ drinne is: »Hier, Herr Wachtmeister, bringe ich den Hundedieb.«

Fix dreht siech der Märtel nooch ihn üm, wos hatt der gesogt?

Der Schutzmann macht sei Melding wȧtter, wie und wu er den Mah mit ne Hund ahgetroffen und wos der ihn alles hätt weismachen wölln.

»Wos? Nu, Gottvertambur!« denkt der Märtel. »Wos denkt denn der Mah vun mir?«

»Nȧ, da hatten wir ja mal Glück!« sogt der Wachmȧȧster und wendt siech noochert zen Schutzmann: »Führen sie den Mann hinter. Nummer acht ist frei.«

Itze werds mȧn'n Märtel doch ze arg. Ohführn! Nummer achte! Er wȧß wuhl net recht, wos gemȧȧnt is, sogt ober: »Nu Gottvertambur, wos wölln se denn?«

»Tun sie nicht noch dumm!« sogt der Wachmȧȧster streng. »Sie haben den Hund gestohlen. Gestehn sies nur gleich!«

»Nu, Gottvertambur! Gestuhln? Iech? Wissen se denn, wer iech bie?«

»Das erfahren wir schon morgen früh. Abführen!« kummandiert er ne Schutzmann.

»Nu, Gottvertambur! Strof miech, bien iech! wos bilden se siech denn ei! Iech den Hund gemaust! Wu iech –«

»Halten sie den Rand!« herrscht ihn der Wachmȧȧster ah. »Der Besitzer war schon um 10 Uhr hier und hats gemeldet, daß man ihm seinen Hund gestohlen hat. Machen sie nur keine Ausflüchte. Sind sie nicht der Eckstein von der Waldmühle?« Er hot werklich mit den Lumpes ȧ weng Ähnlichkȧȧt.

»Nu, Gottvertambur! Iech bie doch der Geier, Martin Geier vun der Langstroß. Iech bie doch epper kȧȧ Spitzbuh net!«

»Na, ja! Unschuldig wie immer!« sogt der Wachmȧȧster spöttisch. »Morgen früh wird sich die Sache schon aufklären. Jetzt abführen!« kummandiert er noch amol. Und der Schutzmann faßt 'n Märtel ben Ȧrwel ah. Der Märtel will siechs net gefalln loßen und verdefentiert siech afs äußerschte. Ober do greift der Schutzmann dȧrber zu und sogt: »Wolln sie siech wehren etwa? Damit machen sie die Sache nur schlimmer. Jetzt nur vorwärts!«

»Nu, Gottvertambur!« Der Märtel ist außer siech und wehrt siech mit aller Gewalt. Ober do greift der Wachmȧȧster selber miet zu, packt ihn ben annern Arm und mei Märtel mog soong und machen, wos er will, er muß eem hinner in Nummer achte. Der Schutzmann schleißt zu und der Märtel is fer die Nacht eem ȧ Spitzbuh.

Ganz betöppert und ahne Oten setzt er siech hie de Pritsch und simpeliert und molt siechs aus, wos sei Frȧȧ denken wür, wenn er net wieder kam. Er, der Geierschmartin ȧ Spitzbuh, ȧ ordenärer! Und ȧ orntliche Wut kimmt über ihn. Er vischperiert mit ne Händen nooch der Tür und klopft und pocht und dahnert mit ne Fäusten nah.

»Ruhe!« rieft ȧ annerer Schutzmann vun draußen, denn der erschte war wieder af sei Revier gange. »Ruhig jetzt, sonst kriegen sie die Zwangsjacke!«

Und nu is er stiller, 's war nix ze machen, er muß siech drei dergeem. Ȧ Ȧȧg tut er freilich net zu die Nacht. Doch früh mußt siechs doch aufklärn! Er hatt doch sei Frȧȧ als Zeig und ȧȧ ne Schlosser! Dene wurn se doch glȧȧm! Und wenn net? Ach, wos er die Nacht z'samm ausgestanne und z'sammgetiftelt hot, dös läßt siech kȧȧm beschreim.

Doch alles vergieht in der Welt, ȧȧ ȧ Nacht in Nummer achte. Und früh hot siech gar ball alles aufgeklärt. Der Eckstein vun der Waldmühl hatt werklich ne Hund gemaust gehatten, hatt ne schlachten wölln, ober 's Viech war ne ausgerissen. Noch geeng' Morng hatten se den Eckstein be 'er annern Mauserei derwischt und eigeliefert. Der Märtel war werklich uschullig und kunnt hȧm giehe.

»Mei Frȧȧ, mei Frȧȧ!« bangelt er unnerwegs, und net ahne Grund. Er könnt miech verkloong, wenn iech alles wieder derziehln wott, wos se gesogt und wie se'n alles gehissen hot. Und auslachen, dös muß er siech heit noch gefalln loßen, und heit noch spott' se, wenn er amol ȧ weng speeter hȧmkimmt: »Nu, warscht'e epper wieder amol in Nummer achte?«

Ȧ guter, seelnsguter Mensch ist der Märtel heit noch, ober ȧn'n fremme Hund, iech glȧȧb und wenn ȧ Kält draußen wär, aß m'r de Neegel blitzen häret, ȧn'n fremme Hund teet er net wieder miet nei's Haus nemme.

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