Maurice Renard
Ein Mensch unter den Mikroben
Maurice Renard

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Zweites Kapitel

Vom »Pompon« und andern nicht minder bewunderungswürdigen Seltsamkeiten

Du mußt dich nicht darüber ärgern, lieber Pons, daß andern meine Stabilisierung gelang. In der Wissenschaft sind uns die Mandarinen weit überlegen. Wie du weißt, habe ich von Chemie keine blasse Ahnung. Ich hätte mir daher auch nicht die Formel merken können, die es dem alten Agathos ermöglichte, meinem rasenden Lauf quer durch die Welt der Mikroben Einhalt zu tun. Aber dank einem Auskunftsmittel, von dem ich dir später berichten werde, hoffe ich, daß du in den Besitz dieser Formel gelangen wirst.

Agathos fuhr in seiner Erzählung fort, und jedesmal, wenn ich im Geiste eine Frage stellte oder wenn ich nicht recht begriff, merkte es Agathos, erwiderte darauf und klärte mich durch einfache Gedankenübertragung auf.

Oh, welch nicht zu beschreibendes Zwiegespräch! An diesem ersten Tage stellte er an mich nur wenig Fragen und ließ mir immer Zeit zu überlegen, wenn er mir etwas mitgeteilt hatte.

Es fiel mir der bekannte Ausspruch von Leibnitz ein, den er Bernouilli gegenüber tat, und den du mir einmal zitiertest.

»Was mich anbelangt, trage ich keinen Augenblick Bedenken, zu behaupten, daß es im All Tiere gibt, die an Größe unsere so überragen, als die unsern an Kleinheit die Aufgußtierchen, die wir nur durch das Mikroskop wahrnehmen können, denn in der Natur gibt es keine Grenzen. Demgemäß ist es möglich und sogar sicher, daß in den Sonnenstäubchen, in den winzigsten Atomen, Welten enthalten sind, die der unsrigen an Schönheit und Mannigfaltigkeit in keiner Weise nachstehen.«

So war ich denn zweifelsohne in meiner Lethargie, doch ohne in meinem Kleinerwerden innezuhalten, unbewußt durch das Reich der uns bekannten Kleinlebewesen hindurchgegangen und in die Welt noch viel winzigerer Mikroben eingegangen, für die jene ebenso ungeheuer groß waren, als für sie selbst unsichtbar klein. Und diese unbekannten Kleinwesen, die Mikroben der Mikroben, wiesen menschliche Art auf. Mit Schrecken grübelte ich darüber nach, welche Geschöpfe wohl, welche Welten, eine immer größer als die andere, das unermeßliche All erfüllen, und von heiligem Schauer ergriffen, betrachtete ich die winzigen Stäubchen, die in den herrlichen violetten Strahlen der Liliputsonne rhythmisch auf und ab wogten.

Und ich dachte an dich, Pons, an dich und Olga, die Ihr vielleicht da wäret, ganz nahe bei mir, während ich im proportionellen Maßstabe weit, weit weg war, weiter entfernt, als der Nebelfleck im Orion von den Bewohnern der Erde.

Mein Größenverhältnis? Wie hätte ich es mit Zahlen ausdrücken können, mit welch phantastischem Meßinstrumente bestimmen können? In welchem in Milliarden von Mikromillimetern berechneten Abstande befand sich mein Kopf von meinen Füßen?

Und doch war ich bei den Mandarinen wie ein Mensch unter Menschen. Und dieses schwindelerregend mikroskopische Zimmer erschien mir geräumig und das rote Hemd (besser gesagt, mein Hemd, das mir unter der Einwirkung des violetten Lichtes einen roten Eindruck machte), dieses Hemd, womit ich bekleidet war, bestand aus dem feinsten Gewebe, das man sich vorstellen kann.

Mein Grübeln machte jedenfalls auf meine freundlichen Wirte einen ehrfurchtgebietenden Eindruck, denn sie verhielten sich absolut stumm. Nicht nur, daß sich ihre Lippen nicht bewegten, auch ihre Pompons regten und rührten sich nicht. So dachte ich mindestens zu Anfang meines Séjours, denn ich wußte noch nicht, daß eine gegenseitige Verständigung der Mandarinen keinerlei Bewegung dieses Organs bedingte, daß sich die Mandarinen durch den Pompon wie durch eine Art Radiopathie unterhalten können und die »Fleisch-Chrysantheme« nur bewegen, um sich zu orientieren oder ihrer Radiorede mehr Ausdruck durch Gesten zu verleihen und Wichtiges besser zu unterstreichen.

Später lernte ich Mandarinen kennen, die sich in solch unnötigen Grimassen nicht genug tun konnten. Man lachte darüber und sie machten die verzweifeltsten Anstrengungen, sich diese Unart abzugewöhnen. Sie erinnerten mich an den Präsidenten Monempoix, der auch im Gestikulieren schwelgte, so wie schlechte Redner den Eindruck erwecken, als übten sie rekrutenhaft die Zeichen der optischen Telegraphie.

Agathos, Kalos und die zwei grünen Neger waren nicht so. Und in der Folgezeit schätzte ich alle Vier um so mehr, denn ich sagte mir immer: Wer viel gestikuliert und Gesichter schneidet, wird wohl kaum reden, noch weniger schreiben können, denn in einem Briefe kann man weder die Nase rümpfen, noch die Lippen spitzen, noch sonst die geringste Pantomine vom Stapel lassen. Ich habe zwar nicht die Ehre, Mitglieder der Akademie persönlich zu kennen, aber ich bin fest überzeugt, daß sie alle ebenso kühl und vornehm sich benehmen, wie Agathos und Kalos, ja selbst wie die beiden grünen Neger.

Auf ein unsichtbares Zeichen, das ihnen jedenfalls ihr Herr gab, ging dies Dienerpaar rasch an meine Toilette.

Man rasierte, duschte, frottierte mich in Gegenwart von Agathos und Kalos, schnitt mir die Haare »à la Jeanne d'Arc« mittels Instrumenten, die ich dir, so Gott will, im »Anhang« näher beschreiben werde, und legte mir eine sehr schön gearbeitete und gut passende russische Bluse von wundervoller rosa Farbe an und einen schottischen »Kilt«, der etwas von einer griechischen »Fustanella« an sich hatte. Dies eigelbe Röckchen reichte mir bis zu den Knien. Es war, glaube ich, aus feinster Surah-Seide gewebt. An die nackten Füße steckte man mir Pantoffeln, aus was, weiß ich nicht, aber sie waren weich und kostbar, ähnlich russischem, mit »Crème Simon« eingefettetem Leder.

Als sie mich auf »mandarinisch« angezogen erblickten, umspielten die schmalen Lippen von Agathos und Kalos das erste schwache Lächeln, das ich an ihnen bemerkte. Und sie taten etwas, was mich verblüffte ... Jeder schleuderte mit dem linken Bein seinen Pantoffel in die Luft und fing ihn sehr geschickt mit dem Fuße wieder auf. Darin besteht ihr Gruß. Wegen des Pompons kennen sie keinen Hut. Eine Mütze aufzusetzen wäre bei ihnen gleichbedeutend mit dem Tragen eines Knebels im Munde oder undurchsichtiger Brillen vor den Augen. Statt also, wie wir, um zu grüßen, das Haupt zu entblößen, entblößen sie einen Fuß. Ich fand das praktisch.

Auch Stühle gibt es bei den Mandarinen, weil diese Wesen in vieler Beziehung Menschen ähnlich sind. Agathos ließ mich auf einem tatsächlich wundervollen Sessel Platz nehmen, den man je nach Bedarf einstellen konnte. Dann montierte er mir wieder den Gedankenübertrager auf und hielt mir folgende »Strom«-Rede:

»Jetzt sind Sie präsentabel, mein Freund. Wir können Sie also der Gesellschaft vorstellen und Ihnen die Honneurs der ‹Ourrh› erweisen. Meine Frau sehnt sich danach, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ehe ich Sie aber einführe, ist es unumgänglich notwendig, daß Sie einiges wissen und daß wir gewisse Vorsichtsmaßregeln treffen.

Sie sind nicht ganz so wie wir organisiert. Sie besitzen nur 10 Finger und haben keinen Pompon.

Es ist nun höchst wünschenswert, daß Sie nicht als ›Wundertier‹ auftreten. Es würde Ihnen dies wohl viele Unannehmlichkeiten eintragen und Sie sogar Gefahren aussetzen, auf die ich später zurückkommen werde.

Obwohl ich durch die Gnade des ersten Ministers Sie rasch der allgemeinen Neugierde entziehen konnte, bemerkten doch meine Mitbürger, daß Sie nur 10 Finger besitzen. Wir brauchen uns wohl darüber nicht allzusehr aufzuregen, denn es gibt unter uns arme Teufel, die an dem gleichen Mangel leiden, und zwar von Geburt aus, und diese Anomalie ruft lediglich ein Gefühl von Mitleid, gemischt mit etwas Ekel, hervor, ohne daß man weiter darüber erstaunt ist, in Schrecken gerät oder gar eine ungesunde Neugierde an den Tag legt.

Anders verhält es sich aber mit dem Pompon, der Ihnen fehlt und der unser Hauptsinnesorgan darstellt. Es gibt natürlich auch auf der ‹Ourrh› beklagenswerte Mandarinen, deren Pompon seinen Zweck nicht erfüllt oder nicht mehr erfüllt, mit dem sie nichts wahrnehmen und nichts zum Ausdrucke bringen können. Mißbildung, Krankheit oder Unfall beraubte sie des Organs, das Sie überhaupt nicht haben. (Ebenso gibt es unter uns Individuen, die den Geruchsinn und das Sehvermögen einbüßten und daher stumm oder taub sind.) Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß zu ihrem Gebrauche jener Gedankenübertragungsapparat erfunden wurde, dessen ich mich jetzt bei der Unterhaltung mit Ihnen bediene.«

»Verzeihen Sie,« dachte ich. »Leistet der Pompon auch die gleichen Dienste zwischen Fremden, die verschiedene Sprachen reden?«

»Das gibt es bei uns nicht,« dachte Agathos zurück. »Unser Pompon übermittelt die reinen Gedanken eines Individuums einem oder mehreren andern, ohne sichtbare, lautliche oder andere Zwischenhilfe, genau so wie der Gedankenübertragungsapparat. Die reinen Gedanken und, wohlgemerkt, auch die Gefühle, kurzum alle Regungen des Gedanken- und Seelenlebens. Ich sehe, daß man sich in der Welt, aus der Sie kommen, um miteinander in Verbindung zu treten, der Lippenlaute und des Schallempfängers der Ohren bedient. Sie müssen mir gestatten, an Ihnen diese sonderbare Art des Miteinander-in-Verbindung-tretens studieren zu dürfen. Doch kommen wir, bitte, auf das Notwendigste zurück: Ich sagte also, daß einige unter uns, wenn Sie diesen Ausdruck verstehen, Pompon-blind und Pompon-stumm sind. Immerhin, merken Sie wohl auf, haben sie einen Pompon, aber einen leblosen, gelähmten, einen Pompon, der zuweilen zum Stengel zusammenschrumpft oder nurmehr aus dem Stiele besteht. Mag aber auch der Zustand ihres Pompons noch so erbärmlich sein, sie besitzen davon doch noch immer eine Spur. Aber Sie haben gar nichts! Sie sind für mich wie ein Gesicht ohne die Spur von Augen, oder ohne das geringste Stümpfchen von Nase, oder ohne die leiseste Andeutung eines Mundes.

So können Sie nicht ausgehen!

Infolgedessen beschlossen Kalos und ich folgendes: Niemand außer uns Vieren, die wir absolut diskret sind, weiß, daß Sie keinen Pompon haben. Sie können darüber beruhigt sein. Ich bemerkte es als erster, und sofort umwickelte ich Ihnen das Haupt mit Bettüchern unter dem Vorwande, Ihnen Kompressen zu machen. Wir werden Ihnen also einen falschen Pompon verschaffen, so wie ihn die traurigen Mandarinen zu tragen pflegen, die den ihrigen, sei es durch eine Katastrophe oder infolge einer notwendigen Operation einbüßten und aus leicht begreiflicher und verzeihlicher Eitelkeit auf dem Stengel des verlorenen Pompons einen künstlichen aufsetzen.

Bitte, hier ist das Ding! Es hat eine himmelblaue Farbe, die, wie es die Natur erfordert, zu Ihren Augen paßt. Dieses Ersatzstück wurde eigens für Sie bei mir angefertigt und auf einen sehr sauber nachgemachten Stiel aufmontiert, der an seinem Fußende mit einem Saugringe versehen ist.

Man wird Ihnen auf dem Scheitel eine kleine Tonsur ausrasieren, damit sich der Saugring gut anpressen kann, und das Ganze wird tadellos sitzen. Ich schwöre es Ihnen. So wird man Sie für einen Kranken halten, der den Schein wahren will, nicht aber für eine unannehmbare Mißgeburt. Man wird Sie überall empfangen und Ihnen jede Rücksicht angedeihen lassen. Nur dürfen Sie ja nicht Ihren Gedankenübertragungsapparat zu Hause vergessen, sonst wären Sie auf der ‹Ourrh› wie auf einem von lauter Taubstummen bevölkerten Planeten.«

Gern hätte ich Agathos über die weiteren Eigenschaften dieses sechsten Sinnes befragt, um noch tiefer in die Geheimnisse des Pompons einzudringen, denn es entging mir nicht, daß der Pompon eine ganz außerordentliche Wahrnehmungsschärfe besaß. Wieso? Welcher Kraft verdankte er diese Eigenschaft? Kannte ich sie, wie ich z. B. das Licht, den Schall, Geschmack oder Geruchsinn kannte? Oder, auf indirektem Wege, die Elektrizität oder die Radio-Energie?

Später erfuhr ich, daß ich sie nicht kannte, auch niemals kennenlernen könnte und daß mir der Sinn für dieselbe fehlte, so wie dem Blindgeborenen der Begriff des Lichtes. Und wie der ohne Augen Blindgeborene, der sich durch Tasten davon überzeugen würde, daß gewisse Geschöpfe unerklärliche Organe, die Augen, besitzen, die unter dem Einflusse irgendeiner ihm unbegreiflichen Kraft reagieren, immer nur auf armselige Vorstellungen angewiesen bleibt, also erging es auch mir angesichts des Rätsels des sechsten Sinnes.

Agathos fühlte sich gedrängt, mich jener vorzustellen, die ich irdisch »Frau Agathos« nannte.

Man beeilte sich daher, aus mir einen richtigen Mandarin zu machen, indem man mir den falschen Pompon aufsetzte. Während dieser Prozedur bemerkte ich, daß das violette Licht abflaute. Es trat keine Abenddämmerung ein, sondern es hatte eher den Anschein, als menge es sich mit einer gelblichen Beleuchtung und fließe mit einer solchen zusammen.

War es eine Halluzination? Lebewesen und Gegenstände hatten jetzt zwei Schatten statt eines. Und nach und nach verdrängte das gelbe das violette Licht.

»Was bedeutet das?« fragte ich Agathos mittels des Gedankenübertragers.

»Wie? Das nimmt Sie wunder? Die violette Sonne geht unter, die gelbe geht auf.«

»In entgegengesetzten Himmelsrichtungen!« dachte ich ganz baff.

»Natürlich. Ein Vorgang, der sich täglich wiederholt.«

»Was ist's denn mit der Nacht? ... wann ist es Nacht? ... nie?«

»Ich werde Ihnen das erklären,« bedeutete mir Agathos wohlwollend.

Der künstliche Pompon genierte mich gar nicht. Übrigens war es eine echt mandarinische Bewegung, zuweilen nach der Kopfquaste zu greifen, bei welcher Gelegenheit ich mich durch die allgemein übliche und instinktive Geste überzeugen konnte, ob das Ding noch festsitze.

Wir begaben uns in einen andern Raum, der nichts Laboratoriumartiges hatte. Man hatte das Gefühl eines gewissen Luxus'. Die Luft war diskret parfümiert. Die Wandbespannung jedoch zeigte – was mir sofort beim Eintreten auffiel – ein reizloses Muster.

Sie bestand aus Zement oder Beton, welche Masse mit Eisenfeilspänen bespickt war. Von der Decke herab hingen an Knotenstricken halbkugelförmige Gegenstände herab, mit der offenen Seite nach oben, mit der gerundeten nach abwärts, die ebenfalls wahllos und ohne Harmonie in den Farben oder der Zeichnung mit Metallteilchen inkrustiert waren. Es gewährte einen barbarischen, unangenehmen, peinlichen unverständlichen Anblick.

Die zwei grünen Neger waren uns nicht gefolgt. Nur Agathos und Kalos leisteten mir Gesellschaft. Ich blickte mich in einemfort im Saale um und stellte fest, daß alles in diesem Salon in der Dreizahl auftrat. Die hängenden Halbkugeln sowohl als die Wandbespannungen und die verschiedenen Gegenstände, die auf den Tabletten und dem Kälteerzeuger (er vertritt die Stelle unseres Ofens) herumstanden und lagen. Es waren teils kleine Statuen, teils Objekte, deren Bedeutung nicht recht erfindlich schien, deren Flächen, Rundungen, Kanten und Winkel das Auge aber durch ihre vollendete Grazie entzückten. Andere wiederum stellten nur Stücke von verschiedener Masse dar, die fein poliert oder gestrichelt waren. Aber alles, alles folgte dem System von Drei.

Bei den Chinesen geht alles nach fünf, erinnerte ich mich. Im übrigen ist »12« durch »3« teilbar. Die Mandarinen, die, wie alle Menschenarten, sicherlich auch bei ihren Fingern zu zählen anfingen, nahmen sicher das Duodezimalsystem an, was mich darauf schließen läßt, daß auch die Engländer in der Urzeit 12 Finger besaßen.

Gerade wollte ich diesbezüglich und wegen der hängenden Halbkugeln einige Fragen an Agathos richten, als aus einer Bodenfalltüre zwei neue Mandarinen auftauchten.

Sie trugen, wie alle, das kurze Röckchen und die russische Bluse und ihr Haar war ein ganz klein wenig kürzer als das von Kalos, der es seinerseits wieder nicht so lang trug wie Agathos und ich. An ihren nackten Armen, dem Busenausschnitte der Bluse und ihren entzückenden Beinen erkannte ich, daß ich es mit Mandarininnen zu tun hatte.

Agathos und Kalos ließen den Pantoffel ihres rechten Fußes (bei Begrüßung von Damen immer des rechten Fußes) emporsausen. Voller Eifer versuchte ich dasselbe, aber ich bin kein Jongleur, namentlich kein Fußjongleur, und verlegen lächelnd verfehlte ich mein Ziel.

Frau Agathos und ihre Freundin, die goldblond war, ließen ihre Pompons – das eine leuchtete korallenrot, das andere violett – einen frenetischen und lustigen Revolutionsreigen vollführen. Frau Agathos marschierte hinter einer riesigen Nase einher, die andere, die ich Fräulein Kala nennen will, hatte aber – so wie Olga – ein entzückendes, zum Anbeißen niedliches Stumpfnäschen, weshalb sie sicherlich in der Mandarinenwelt für häßlich galt.

Beide hielten in ihren Händen ein paar jener Gegenstände, deren unförmiges Äußere ich eben erwähnte, und streichelten sie in einem fort.

Ich glaube daher, daß es auf »Ourrh« eine Wohllust des Anrührens und sachverständigen Antastens gibt.

Obwohl ich etwas verblüfft darüber war, die beiden Damen aus einer Klapptüre auftauchen zu sehen – eine recht banale Art des Eintretens, die aber hier letzte Mode war –, tat ich doch das Möglichste, um den »verfluchten Kerl« zu spielen und entfaltete, wie Kalos, dieser strahlende Cherub, dieser russisch-schottische Raphael Sanzio, meine Bluse und blähte die Bauschen meines Röckchens auf, das in der gelben Beleuchtung seine Farbe gewechselt hatte.

Es ist galant, mit Damen von Toiletten zu sprechen.

Mittels des Gedankenübertragers sagte ich also zu Frau Agathos: »Meine Gnädigste, ich komme aus einem Lande, das nur über eine einzige Sonne verfügt. Es muß für Sie recht umständlich sein, Stoff zu finden, der sich sowohl in violettem als safrangelbem Lichte gut ausnimmt?«

»Oh,« meinte sie mit etwas verächtlichem Schmunzeln. »Das Umkleiden macht nicht viel Nachdenken. Toiletten für verschiedene Gelegenheiten sind sehr selten.«

Ich glaubte jetzt zu verstehen, warum die Damen nicht ein bißchen geschminkt waren.

»Die Farbe ...,« wollte ich fortfahren. Aber Frau Agathos unterbrach mich, indem sie sagte:

»Oh, die Farbe, mein Herr, spielt gar keine Rolle. Die Hauptsache ist der ...«

Ich begriff, daß sie vom Pompon sprechen wollte und dem Reize, der von ihm ausging, den ich aber zu erfassen außerstande war. Ich will ihn »Dounn« nennen nach dem Gestammel Agathos', wenn er sich mit mir in rudimentären Sprachversuchen unterhalten wollte. Er glich bei diesen Redeversuchen jenem Professor, der die Sprache der Affen erlernen wollte, nur waren hier die Verhältnisse umgekehrt gelagert, denn die Mandarinen laborieren an einer ungelenken Kehle und einer schweren Zunge und können höchstens ein Gemurmel, Gekreisch und Gegluckse hervorbringen. Das tun denn auch die Mandarinen oft so ausgiebig, daß ich von fern oft glaubte, irgendwelche Pariser Lautäußerungen zu vernehmen ... zum Beispiel, mich im »Jardin des Plantes«, dem großen Tiergarten, zu befinden.


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