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XXIX.

»Ich wundere mich nur, daß Sie diese Perault nicht schärfer angefaßt haben«, sagte Mansfeld vorwurfsvoll. »Die hätten Sie mit Ihrem Material doch zusammenhauen können. Das hätte ein Feuerwerk gegeben!«

»Das kann ja alles noch kommen. Zunächst möchte ich Rohmer wieder einmal vornehmen. Der hat sich inzwischen die Sache überlegen können, und ich glaube, er wird gerade in der richtigen Verfassung sein. Sie kennen ja alle Tatsachen – vielleicht führen Sie jetzt das Verhör durch.«

Kommissar Eisler ließ Fritz Rohmer ins Zimmer bringen. Das Auftreten des Mannes hatte sich vollkommen geändert. Schwere Schatten lagen unter seinen Augen, und sein Gesicht sah hager und eingefallen aus.

Als er hereinkam, schaute er unsicher von einem zum anderen.

»Herr Rohmer«, begann Mansfeld, »wir haben eben Madame Perault verhört und dabei interessante Dinge erfahren. Es hat keinen Zweck, daß Sie noch länger leugnen. Ich frage Sie jetzt noch einmal: Wer hat gestern abend das Telegramm an Sie abgesandt?«

Rohmer antwortete nicht, sondern starrte auf den Fußboden.

»War es Madame Perault?«

»Ja«, sagte Rohmer gebrochen.

»Sie teilte Ihnen darin mit, daß sie nach Paris unterwegs war und Sie von dort aus anrufen wollte?«

»Ja.«

Sie standen also mit ihr auf so vertrautem Fuß, daß Sie ihre Geheimadresse in Paris kannten. Das haben Sie damit zugegeben. Wollen Sie jetzt immer noch bestreiten, daß Sie mit dem José identisch sind, der Perqueda gestern um sechs Uhr fünfundzwanzig in seiner Wohnung anrief?«

Rohmer schwieg.

»Sie sind doch durch die Tatsachen überführt«, warf Eisler ein.

»Also, antworten Sie«, sagte Mansfeld ungeduldig. »Sind Sie derselbe José, der Perqueda gestern nachmittag im Bahnhof Zoo gesprochen und ihn später in seiner Wohnung angerufen hat?«

»Ja«, entgegnete Rohmer leise und bedrückt.

»Dann haben Sie auch gewußt, daß Perqueda ein Mädchenhändler war?«

Rohmer richtete sich noch einmal auf, als ob er Widerstand leisten wollte, aber dann schien er sich in das Unvermeidliche zu fügen. Er stöhnte, dann nickte er.

»Und Sie steckten mit ihm unter einer Decke, waren sein Agent und führten ihm die jungen Mädchen zu?«

Rohmer sank in sich zusammen.

»Sie beziehen bei Ihrer Firma ein Monatsgehalt von vierhundertundfünfundsiebzig Mark, aber das reicht natürlich nicht aus für Ihr luxuriöses Leben. Ihre Wohnung kostet ja allein zweihundertundfünfzig im Monat! Obendrein haben Sie sich einen Diener gehalten! Aber Sie haben ja von Perqueda Geld dafür bekommen, daß Sie ihn mit alleinstehenden, schönen jungen Damen bekannt machten, sie im Granada einführten und später unauffällig Perquedas Entführungsabsichten förderten. Stimmt das?«

»Ja«, sagte Rohmer kaum hörbar, nachdem er lange mit sich gekämpft hatte.

»Und gestern wollten Sie also auch Geld von ihm haben? Er hatte es Ihnen versprochen, wollte sich aber anscheinend um die Zahlung drücken, denn er bestellte Sie zu einem späteren Zug auf den Bahnhof Friedrichstraße.«

Rohmer schwieg wieder.

»Das ist durch Zeugenaussagen einwandfrei festgestellt. Geben Sie es zu?«

»Ja«, erwiderte der Mann gequält.

»Wie kamen Sie dann aber in seine Wohnung, kurz bevor er vom Hause abfahren mußte?«

Wieder entstand eine Pause.

Mansfeld wiederholte die Frage in schärferem Ton.

»Ich traute ihm nicht –«, entgegnete Rohmer stockend. »Ich wollte ihn noch vor der Abreise erreichen, deshalb ging ich zu seinem Haus.«

»Und die tausend Pfund, die oben im Dach gefunden wurden, haben Sie dorthin gelegt. Antworten Sie doch ein wenig rascher!« sagte Mansfeld barsch.

»Aber ich beschwöre Sie, Herr Kommissar, ich habe Perqueda nicht ermordet!« erwiderte Rohmer fast schluchzend. Er war dem Zusammenbruch nahe.

»Davon war im Augenblick noch nicht die Rede. Sie sollen mir sagen, ob Sie die tausend Pfund im Dachboden versteckt haben.«

»Nein«, entgegnete Rohmer kleinlaut.

»Das ist schon wieder gelogen.«

Mansfeld zog eine Schublade auf und nahm einen Stoß englischer Banknoten und mehrere photographische Abzüge heraus.

»Inzwischen sind Ihre Fingerabdrücke entwickelt worden. Das Papier, das Sie anfaßten, war besonders präpariert. Hier können Sie sich überzeugen, daß Ihre Fingerabdrücke auf den Scheinen sind. Es ist doch ein starkes Stück, angesichts dieser Beweise noch leugnen zu wollen! Also – haben Sie die Scheine im Dachboden versteckt?«

»Ja!« Rohmer brach in ein krampfhaftes Schluchzen aus.

»Nehmen Sie sich doch zusammen«, sagte Eisler nach einiger Zeit. »An Tatsachen läßt sich nichts mehr ändern.«

Diesem freundlicheren Ton war Rohmer sofort zugänglich. Er richtete sich auf und sah Eisler an.

»Herr Kommissar, ich will alles gestehen.«

»Gut, dann beantworten Sie jetzt meine einzelnen Fragen.«

Eisler hatte seinem Kollegen einen Wink gegeben, ihm die weitere Verhandlung zu überlassen.

»Diese tausend Pfund stammen aus der Brieftasche, die auf Perquedas Schreibtisch lag?«

»Ja«, entgegnete Rohmer, aber es kostete ihn große Überwindung, es zuzugeben.

»Wie sind Sie denn zu dem Geld gekommen?«

»Ich habe es aus der Brieftasche genommen.«

»Zuerst gaben Sie bei Ihrer Vernehmung an, Sie wären ins Haus gegangen, weil Sie verhindern wollten, daß Perqueda Fräulein Körber entführte. In Wirklichkeit war aber Ihre Geldforderung die Veranlassung Ihres Besuches.«

»Aber was ich sonst sagte, stimmt. Ich kam ins Haus, fand die Tür angelehnt und stieg hinauf. Dann klopfte ich an die beiden Türen in der Diele. Als ich keine Antwort erhielt, ging ich ins Arbeitszimmer und entdeckte, daß Perqueda tot am Boden lag. Ich erschrak entsetzlich, aber dann sah ich die Banknoten auf dem Tisch. Er war mir Geld schuldig, und ich brauchte dringend Mittel. So nahm ich mir in aller Eile zwei Päckchen gebündelte englische Scheine. Das dritte ließ ich in der Brieftasche, damit es nicht auffallen sollte.«

»Und dann hörten Sie Schritte auf dem Kiesweg vor dem Haus?«

»Ja.«

»Sie sagten damals, dem Gang nach müßte es eine Frau gewesen sein. Das stimmt aber mit allem anderen nicht überein, was wir festgestellt haben. Hatten Sie wirklich den Eindruck, daß es eine Frau war?«

»Sagen Sie jetzt aber die Wahrheit!« fuhr Mansfeld den Mann an.

»Nein, es waren feste, energische Schritte.«

»Dann haben Sie diese falsche Angabe nur gemacht, um uns die Untersuchung zu erschweren?« Mansfeld warf ihm einen bösen Blick zu.

Rohmer schwieg und senkte den Kopf.

»Wann sind Sie denn ins Haus gekommen? Zuerst konnten Sie sich nicht darauf besinnen. Ist es Ihnen vielleicht inzwischen eingefallen?«

»Es war kurz vor sieben. Als ich oben auf dem Dachboden war, hörte ich, daß eine Uhr in der Nähe schlug.«

»Nun werde ich Ihnen einmal sagen, wie sich die Sache zugetragen hat.« Mansfeld sah den Mann drohend an. »Sie hatten vorher Perqueda dringend um Geld gemahnt, und er hatte Ihnen auch eine Summe versprochen. Dann erfuhren Sie irgendwie, daß er Sie hintergehen und Ihnen das Geld nicht zahlen wollte. Sie wurden argwöhnisch, gingen zu seinem Haus, und als Sie sahen, daß er Sie wirklich betrügen wollte, kamen Sie mit ihm in Streit. Sie standen am Schreibtisch, Perqueda ging im Zimmer auf und ab, und als er Ihnen den Rücken wandte, griffen Sie nach dem Dolchmesser, das auf dem Schreibtisch lag, stießen ihn nieder, nahmen das Geld und wollten fliehen. In dem Augenblick, als Sie in die Diele traten, hörten Sie aber Schritte vor dem Haus und flohen nach oben auf den Dachboden.«

Rohmer hatte Mansfeld mehrmals unterbrechen wollen, aber es war ihm nicht gelungen.

»Nein, ich habe ihn nicht ermordet – Sie müssen mir das glauben!« beteuerte er nun unter Tränen.

Mansfeld klingelte und ließ Rohmer abführen, der sich noch immer nicht beruhigen konnte.

»Er kann jetzt wieder eine Weile nachdenken. Mit der Zeit wird er schon klein werden.«


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