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IV.

Der Untergrundbahnzug fuhr in die Station Uhlandstraße ein. Hans Peters stand im vordersten Wagen und sprang ungeduldig ab. Sein Blick fiel auf die Bahnhofsuhr am Ausgang – halb zehn!

Mit eiligen Schritten wandte er sich dem Ausgang zu, gab seine Fahrkarte ab und stieg die Treppe hinauf. Den ganzen Tag hatte er mit Carola Schöller verbracht und sich erst vor kurzem von ihr trennen können. Unwillkürlich war zwischen ihnen wieder eine gewisse Annäherung erfolgt, denn sie war klug genug, ihn nichts von ihrer eigentlichen Absicht merken zu lassen.

Als er die Fasanenstraße entlangging, bemerkte er schon von weitem die hell erleuchtete Fassade des Granada-Palastes. Vor dem Portal zögerte er einen Augenblick, aber dann ging er entschlossen hinein. Der Portier trug eine lachsrote, auffallend goldbetreßte Livree und grüßte ihn höflich.

Während Peters in der Garderobe Mantel und Hut abgab, hörte er lauten Beifall. Als er dann durch den Vorraum in den Hauptsaal trat, klatschten die Leute immer noch wie besessen. Er sah, daß Marianne Körber in einem etwas gewagten Kostüm auf der Bühne vortrat, sich verneigte und dann von einem Herrn fortgeführt wurde. Der Mann mit dem fremdländischen Aussehen konnte kein anderer sein als Perqueda.

Obwohl er wußte, daß Carola in ihren Angaben glaubwürdig war, hatte er ihre Mitteilungen doch im stillen bezweifelt. Marianne mochte ehrgeizig sein, aber sicher war sie nicht leichtsinnig und ließ sich nicht durch trügerischen Schein blenden. Aber nun hatte er sie wirklich in dieser Umgebung gesehen. Mit einer Selbstverständlichkeit, die ihm fast wie Entweihung erschien, zeigte sie hier ihre Schönheit und ihre Kunst, und glückstrahlend nahm sie den Beifall der Menge entgegen!

Peters lehnte sich an eine Säule und starrte düster in die Richtung, in der Marianne verschwunden war.

Plötzlich schrak er aus seinen Gedanken auf, als sich eine Hand auf seinen Arm legte.

»So allein?« fragte jemand neben ihm.

Er wandte sich um und sah eine hübsche Frau neben sich. Er war nicht in der Stimmung, neue Bekanntschaften zu machen, aber ihre Worte hatten so freundlich und teilnehmend geklungen, und der Blick ihrer braunen Augen ruhte so warm und gar nicht herausfordernd auf ihm, daß es ihm wohltat. Sie war nicht mehr ganz jung, machte aber einen sehr gepflegten Eindruck. Das Licht spielte auf ihrem goldbraunen Haar, aber in ihrem schmalen, feinen Gesicht hatte sich unverkennbar ein schmerzlicher Zug eingegraben.

Plötzlich erwachte Peters' Interesse. Wahrscheinlich war sie eine der Eintänzerinnen und konnte ihm Auskunft über die Verhältnisse im Tanzpalast Granada geben. Er zwang sich zu einem Lächeln, und da inzwischen der allgemeine Tanz wieder begonnen hatte, schloß er sich mit ihr den anderen Paaren an.

Zuerst unterhielt er sich mit ihr über gleichgültige Dinge. In der Pause führte er sie an einen Tisch auf der Galerie, von dem aus man die Tanzfläche im Hauptsaal übersehen konnte. Durch Fragen hatte er schon festgestellt, daß sie Berufstänzerin war und Elly Hirt hieß, im Granada aber allgemein nur ›Flora‹ genannt wurde.

»Sind Sie jeden Abend hier?« erkundigte er sich freundlich.

»Ja – nachmittags und abends.«

Ein Kellner brachte den bestellten Wein.

Peters war zuvorkommend und liebenswürdig, und nach einer Weile brachte er das Gespräch auf Marianne.

»Sicher kennen Sie auch Fräulein Körber, die eben aufgetreten ist?«

Flora nickte.

»Ja, sehr gut. Sie ist schon seit mehreren Wochen bei uns.«

»Wer war denn der Herr, der sie hinausbegleitete?«

»Wissen Sie das nicht? Juan Perqueda, unser Chef – Inhaber des Tanzpalastes.«

»Das dachte ich mir.«

Flora betrachtete ihn nachdenklich. Sie war erfahren und las in seinen Zügen deutlich, wie die Dinge standen.

Er hob das Glas und trank ihr zu.

Sie war hier angestellt, um die Herren zu unterhalten, und hatte schon viele Männer kennengelernt. Die meisten, die hierherkamen, waren oberflächlich und anmaßend, aber dieser junge Mann hatte ein vornehmes Wesen und behandelte sie so rücksichtsvoll, daß sie sofort Zutrauen zu ihm faßte.

»Marianne Körber ist seine letzte Eroberung –« Flora brach ab, als sie seinem trostlosen Blick begegnete.

Er holte tief Atem.

»Ich sollte eigentlich nicht darüber sprechen, aber Perqueda wechselt häufig –«

Peters nahm sich zusammen, um ruhig zu bleiben. Er durfte sich nicht zu sehr verraten.

»Was wissen Sie denn über ihn? Woher stammt er?«

»Er ist Brasilianer. Sie sehen ihm doch den südlichen Typus sofort an. Vor anderthalb Jahren hat er den Tanzpalast gekauft und erst richtig auf die Höhe gebracht. Die neue, wunderbare Innenausstattung hat ihn viel Geld gekostet. Sehen Sie nur dort hinten die märchenhaften Springbrunnen, deren Farbenspiel sich dauernd ändert.«

Wieder schenkte Peters Flora ein.

»Sie kennen ihn wohl sehr gut?«

»Und ob ich ihn kenne – leider nur zu gut!« sagte sie bitter. »Nach außen hin ist er gewandt und diplomatisch, und fast jeder läßt sich durch seine vollendeten Umgangsformen täuschen.«

Sie sah plötzlich müde und verzweifelt aus.

»Sie glauben nicht, wie gewissenlos und doppelzüngig er ist, und wie kalt berechnend! Obwohl er sich liebenswürdig und harmlos gibt, kann doch niemand so infam lügen wie er.«

Lange verhaltener Groll brach plötzlich aus ihr hervor.

»Ich dachte mir gleich nach Ihren ersten Fragen, daß Sie sich für Fräulein Körber interessieren.«

Er nickte.

Die feindliche Einstellung, die beide gegen Perqueda hatten, brachte sie einander näher, so daß Peters, der im allgemeinen verschlossen war, Flora vertraute und offen mit ihr sprach.

»Sie ist bei derselben Firma wie ich und arbeitet in derselben Abteilung. Früher habe ich sehr gut mit ihr gestanden – jetzt scheint es leider anders geworden zu sein.«

»Das kann ich verstehen. Dieser Perqueda ist ein gefährlicher Verführer. Er hat es von jeher verstanden, Frauen zu umgarnen. Wenn Ihnen etwas an Fräulein Körber liegt, dann versuchen Sie mit allen Mitteln, ihr die Augen zu öffnen. Es nimmt kein gutes Ende mit ihr, wenn es so weiter geht. Sie ist nicht die erste und wird auch nicht die letzte sein, die er unglücklich macht.«

Flora hatte erregt gesprochen.

Peters sah sie verstehend und mitfühlend an. Er ahnte den Sinn ihrer Worte.

»Können Sie mir nicht Näheres über ihn erzählen?«

»Ich bin tagaus, tagein hier und sehe vieles. Mit der Zeit habe ich begriffen, was gespielt wird. Perqueda widmet sich immer besonders einer jungen Dame, die auffallend schön ist, verdreht ihr den Kopf und fesselt sie an sich. Wenn er sie so weit hat, daß sie ihm nicht mehr widerstehen kann, fährt er mit ihr ins Ausland. Er stellt das als eine Art Hochzeitsreise hin, aber bisher hat man keine der Frauen in Berlin wiedergesehen. Einige Zeit verbringt er mit ihr in Paris, manchmal auch in Nizza, Monte Carlo oder Venedig –«

»Er ist doch nicht etwa ein Mädchenhändler?« fragte Peters aufs höchste bestürzt.

»Das kann und will ich nicht behaupten. Aber überlegen Sie doch, was es bedeutet, wenn die Frauen nicht zurückkehren ...«

Er konnte nur mit Mühe seine Aufregung beherrschen.

»Sie wissen mehr über ihn – sagen Sie es mir doch – alles, was Sie wissen!«

»Das ist zu gefährlich für mich. Ich bin nicht mehr jung, und ich weiß nicht, wie ich sonst meinen Unterhalt verdienen soll. Wenn herauskommt, daß ich mit Ihnen über Perqueda spreche und ihn verrate, werde ich sofort entlassen und muß fürchten, daß er sich furchtbar an mir rächt.«

»Sie können sich darauf verlassen, daß ich schweige. Aber bitte, sagen Sie mir alles.«

»Ich hatte eine Freundin – bedeutend jünger als ich. Fanny Schmidthals war ehrgeizig und wollte es weit bringen. Sie hatte auch viel Talent. Aber dann fiel sie Perqueda in die Hände, und es gelang ihm, sie in seine Netze zu ziehen. Damit war ihr Schicksal besiegelt. Ich habe das Elend vorausgesehen, aber Fanny wollte nicht auf mich hören. Der gemeine Mensch ist aber auch zu klug und gerissen. Ich habe Fanny damals alles mitgeteilt, was ich wußte, ich habe sie beschworen – ich habe ihr gesagt, was für ein brutaler und gewissenloser Schuft er ist. Sie hat mit ihm darüber gesprochen, ohne meinen Namen zu nennen, aber er wußte auf alles eine Ausrede, und schließlich kam es doch so weit, daß sie mit ihm nach Paris reiste.«

»Wann war denn das?«

»Vor fünf Monaten.«

»Und Sie haben auch von Ihrer Freundin nichts mehr gehört?«

»Doch, ich habe einen verzweifelten Brief von ihr aus Rio de Janeiro bekommen. Sie bittet und beschwört mich, ihr das Rückreisegeld zu schicken – aber man wird auf uns aufmerksam, ich muß zwischendurch wieder mit Ihnen tanzen. Es geht nicht, daß wir so lange miteinander sprechen.«

Peters trank sein Glas aus, dann ging er mit ihr die breite Treppe hinunter zum Saal. Er fühlte, wie aufgeregt sie war, er merkte es an dem Zittern ihrer Hand. Und er konnte sie nur zu gut verstehen. Was für ein abscheulicher Charakter mußte dieser Perqueda sein!

Während des Tanzes sprachen sie nicht miteinander, aber er war dankbar, daß er in Flora eine wichtige Bundesgenossin gefunden hatte. Was er über ihre Freundin Fanny gehört hatte, bewegte ihn sehr, und er faßte einen Entschluß.

Noch ehe der Tanz zu Ende war, führte er Flora zum Tisch zurück.

»Können Sie mir den Brief von Fanny Schmidthals geben?«

»Nein, das wage ich nicht.«

»Ich möchte Ihnen und Ihrer Freundin gern helfen. Wie hoch ist das Reisegeld?«

»Etwa vierhundert Mark – ich weiß es aber nicht genau. Sie schreibt, sie hat einen Kapitän gefunden, der sie für diese Summe nach Hamburg mitnehmen will.«

»Am besten wendet sie sich doch drüben an den deutschen Konsul.«

»Das ist bei ihrer Lage vielleicht nicht möglich. Wenn ich das Geld auftreiben könnte, würde ich es ihr sofort an die angegebene Deckadresse nach Hamburg senden. Ich habe aber nur einhundertundfünfzig Mark«, sagte Flora bedrückt.

»Die übrigen zweihundertundfünfzig werde ich beisteuern. Wissen Sie eine Adresse, unter der Sie Ihrer Freundin nach Rio Nachricht senden können?«

»Ja«, erwiderte sie und sah ihn groß an, dann traten Tränen in ihre Augen. Schweigend drückte sie seine Hand.

»Es ist merkwürdig, daß ich von Anfang an großes Vertrauen zu Ihnen hatte«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Ich fühlte mich sofort zu Ihnen hingezogen. Ich will Ihnen auch helfen, soviel ich nur kann, damit Sie Marianne Körber vor Perqueda schützen können.«

»Darf ich den Brief Ihrer Freundin wenigstens einmal sehen?«

»Ja.«

»Haben Sie ihn bei sich?«

»Nein, aber morgen zeige ich Ihnen das Schreiben. Wie kann ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen?«

Er nahm eine Visitenkarte heraus und schrieb die Telephonnummer seines Büros darauf.

»Unter dieser Nummer können Sie mich tagsüber bis um vier Uhr erreichen.«

Erstaunt schaute sie ihn an, als er plötzlich aufstand und ins Parkett hinuntersah. Als sie der Richtung seines Blicks folgte, entdeckte sie Marianne, die in dem hinteren Teil des Saals stand. Rasch erhob sie sich auch und legte ihren Arm in den seinen, als er die Treppe hinunterstieg. Sie suchte ihn zu beschwichtigen.

»Herr Peters, Sie müssen unbedingt ruhig bleiben. Ich weiß, wie schwer das ist, aber es darf auf keinen Fall hier einen Skandal geben.«

Er schien sie nicht zu hören.

Erst als sie ihn am Fuß der Treppe am Arm festhielt, wandte er sich nach ihr um.

»Dort hinten steht Marianne. Ich muß mit ihr sprechen!«

»Hier dürfen Sie das nicht, reden Sie lieber im Büro mit ihr. Perqueda könnte jeden Augenblick dazukommen, und es würde einen furchtbaren Auftritt geben.«

»Haben Sie nur keine Sorge, ich werde kein Aufsehen machen.«

Flora gab ihn noch nicht frei.

»Wirklich, Sie können sich darauf verlassen. Ich komme nachher wieder zu Ihnen zurück«, sagte er und machte sich von ihr los.

Ängstlich sah sie ihm nach.

Er verneigte sich vor Marianne und forderte sie zum Tanz auf.

Sie bemerkte ihn erst im letzten Augenblick, so daß sie ihm nicht mehr ausweichen konnte. Zuerst wollte sie ablehnen, aber es kam ihr zum Bewußtsein, daß das nicht gut möglich war. Langsam folgte sie ihm zu dem Parkett in der Mitte des Saales.

»Marianne, warum sind Sie denn heute morgen nicht gekommen?« fragte er mit erzwungener Ruhe. »Ich habe lange auf Sie gewartet.«

»Das tut mir leid. Haben Sie denn meinen Brief nicht erhalten? Ich habe Ihnen gestern mittag noch geschrieben, daß ich leider verhindert wäre. Meiner Meinung nach muß die Nachricht gestern abend mit der letzten Post ausgetragen worden sein.«

»Ach, jetzt verstehe ich.« Er atmete erleichtert auf. »Ich war gestern nachmittag zum Segeln und bin nicht mehr nach Hause gekommen. Aber was hat Sie denn abgehalten?«

»Herr Perqueda hatte den Photographen bestellt, daß er Aufnahmen von meinen neuesten Tänzen machen sollte.«

Seine Züge verdüsterten sich wieder.

»Marianne, Sie müssen sich von dem Einfluß dieses Mannes freimachen!« sagte er erregt. »Sie sind viel zu schade, um sich von einem solchen Menschen ins Unglück bringen zu lassen.«

»Aber, Herr Peters, wie können Sie Herrn Perqueda und mich derartig beleidigen!«

»Marianne, wir standen doch früher so gut miteinander – und als Ihr Freund sorge ich mich um Sie.«

»Sie brauchen sich nicht um mich zu sorgen. Ich werde meinen Weg schon allein finden«, erwiderte sie abweisend.

»Ich hatte mich so sehr auf den heutigen Ausflug mit Ihnen gefreut – ich wollte Ihnen so vieles sagen – Sie haben doch sicher schon gefühlt, daß ich Sie über alles liebe, und daß ich mein Leben mit Ihnen teilen möchte –«

»Warum haben Sie früher nicht gesprochen? Jetzt bin ich nicht mehr frei, ich habe mich für einen anderen entschieden. Lange habe ich darauf gewartet, daß Sie mit mir sprechen würden –«

»Sie wollen also Perqueda heiraten?«

»Das habe ich nicht behauptet. Aber wir werden heiraten, sobald er von seiner Frau geschieden ist.«

»Auf keinen Fall dürfen Sie mit ihm ins Ausland reisen.«

»Sie gehen zu weit, Herr Peters. Ich möchte mich nicht länger mit Ihnen über die Sache unterhalten.«

»Hat er Ihnen schon gesagt, daß er mit Ihnen nach Paris oder nach Nizza fahren will?« fragte er mit mühsam unterdrückter Heftigkeit.

»Bitte, sprechen Sie nicht in diesem Ton mit mir.«

Marianne sah sich im Saal um und entdeckte Perqueda, der nur einige Schritte von ihr entfernt stand.

»Danke«, sagte sie kurz, ließ Peters stehen und wandte sich zu dem Brasilianer.

Peters war betroffen und wollte ihr nacheilen, aber eine Dame trat ihm entgegen, die er nicht kannte. Trotz seiner Erregung machte sie Eindruck auf ihn. Sie hatte schwarze, lebhafte Augen, gelocktes, schwarzes Haar und eine helle, zarte Haut. Ihre Augen leuchteten sonderbar auf, als sie ihn durch ein leichtes Kopfnicken begrüßte.

Peters sah sie verwirrt an.

»Sie möchten sicher weitertanzen? Wollen Sie vorläufig mit mir als Partnerin vorliebnehmen?« fragte sie gewandt.

Obwohl er es eigentlich nicht wollte, tanzte er mit ihr. Es war fast, als ob sie eine seltsame Gewalt über ihn hätte. Im Tanz paßte sie sich ihm vollkommen an, und geschickt wußte sie eine Unterhaltung anzuknüpfen. Peters hielt sie ihrem Äußeren nach für eine Französin.

»Wie gefällt es Ihnen denn im Granada?«

»Ich bin heute zum erstenmal hier. Die Räume sind sehr luxuriös und prachtvoll ausgestattet.«

»Ich habe Sie bisher auch noch nicht getroffen. Aber wenn es Ihnen hier gefällt, werden wir Sie sicher öfter sehen?«

Er gab einsilbige Antworten, und nachdem sie mehrere Runden zusammen getanzt hatten, löste sie sich leicht von ihm.

»Darf ich Ihnen jetzt vielleicht Fräulein Flora vorstellen? Sie ist eine ausgezeichnete Tänzerin, und Sie werden sich gut mit ihr unterhalten.«

Mit einem verbindlichen Lächeln empfahl sie sich.

Peters blieb nichts anderes übrig, als Elly Hirt aufzufordern.

»Herr Peters, um Himmels willen, Sie müssen sich in acht nehmen. Nach diesem Tanz wollen wir uns wieder oben hinsetzen. Ich muß mit Ihnen sprechen. Wissen Sie denn, mit wem Sie eben getanzt haben?«

»Nein«, erwiderte er kurz.

»Das war Eugenie Perault – Perquedas intimste Freundin.«

»Spielt die auch eine Rolle?«

»Hier möchte ich nicht darüber sprechen – es ist zu gefährlich. Kommen Sie mit nach oben.«

In der Nähe der großen Treppe hörten sie auf zu tanzen, und er führte sie wieder an den Tisch.

»Ich habe alles genau beobachtet, Herr Peters. Sie müssen sehr aufpassen. Wie Sie sehen, hat sich aber auch Madame Perault für Sie interessiert. Es ist ein glücklicher Zufall, daß sie mir gleichsam den Auftrag gegeben hat, Sie zu unterhalten. Sie ist eine gefährliche Frau. Nach außen hin spielt sie mit bezaubernder Liebenswürdigkeit die große Dame, aber sie ist schwer zu durchschauen. Eigentlich ist sie die Leiterin des Unternehmens hier, und sie regiert mit großer Energie. Jeden Abend ist sie hier und überwacht uns. Alle fürchten sie, denn sie ist ebenso rücksichtslos und grausam wie Perqueda, außerdem furchtbar streng. Wer es mit ihr verdorben hat, wird sofort entlassen.«

»Aber ich unterstehe ihr doch nicht!« entgegnete Peters heftig.

»Tag, Flora!« sagte plötzlich jemand hinter ihnen.

Hastig drehten sie sich um.

Fritz Rohmer war an den Tisch getreten und reichte beiden die Hand.

»Sie haben sich hier ja anscheinend auch schon glänzend eingelebt!« wandte er sich vergnügt an Peters. »Wenn das so weitergeht, können wir bald die ganze Firma ins Granada verlegen. Na, amüsiert euch gut, Kinder!«

Er winkte ihnen zu und verschwand wieder. Etwas verblüfft schauten sie ihm nach, aber sie waren froh, daß er sie so schnell wieder alleingelassen hatte.

»Sie müssen sich vor der Frau hüten«, fuhr Flora fort. »Sie hat den größten Einfluß auf Perqueda, und was sie sagt, geschieht. Sie hat Sie beobachtet, als Sie mit Marianne tanzten, und sie muß auch gesehen haben, daß sie Sie plötzlich stehen ließ. Deshalb ist sie dazwischengetreten, als Perqueda Marianne in seinen Privatraum führte.«

»Wo ist dieses Zimmer?«

»Die Tür, die in der Achse des großen Saals liegt, führt dorthin. Aber Sie können unmöglich hingehen«, sagte sie erschrocken, als er sich erhob.

»Doch. Ich muß unbedingt noch einmal mit ihr sprechen.«

»Tun Sie das bitte nicht – Sie verderben nur alles.«

Er hörte nicht auf sie, sondern eilte davon. Langsam stand sie auf und folgte ihm vorsichtig.

Am Fuß der Treppe sah Peters sich um, und sein Blick fiel in den Vorraum. Dort stand Marianne, die ein Cape umgelegt hatte, neben Perqueda und sprach mit ihm. Ein Page half dem Brasilianer gerade in den Mantel.

Fast ohne zu wissen, was er tat, eilte Peters in den Vorraum und stürzte auf Marianne zu. Sie bemerkte ihn und trat einen Schritt zurück. Offenbar hatte sie mit ihrem Begleiter eben über ihn gesprochen, denn Perqueda deutete mit dem Kopf auf ihn, und sie nickte.

»Sie sind doch Herr Perqueda?« sagte Peters heftig. »Ich verlange von Ihnen, daß Sie Fräulein Körber in Zukunft in Ruhe lassen. Sie haben es sonst mit mir zu tun!«

»Aber, Herr Peters –«, rief Marianne außer sich.

»Bleibe ruhig, Liebling. Ich werde mit dem Herrn sprechen. Geh bitte inzwischen ins Zimmer zurück.«

Sie folgte zögernd der Aufforderung.

»Wie kommen Sie dazu, die Dame fortzuschicken?« fuhr Peters auf. Seine Augen blitzten gefährlich auf.

»Sie werden doch wohl gestatten, daß ich meiner Verlobten einen guten Rat gebe«, erwiderte Perqueda mit leichter Ironie. »Ich möchte außerdem gern wissen, wie Sie dazu kommen, Fräulein Körber und mich in dieser Weise zu belästigen? Marianne hat mir alles erzählt, und es tut mir ja sehr leid, daß auch Sie die Absicht hatten, sie zu heiraten, aber da sie sich nun einmal für mich entschieden hat, müssen Sie sich eben damit abfinden.«

»Wenn sie einen anderen anständigen, ehrlichen Mann gewählt hätte, würde ich mich selbstverständlich zurückziehen.«

»Wollen Sie damit sagen, daß ich nicht ehrlich und anständig bin, Herr Peters?« Perqueda trat einen Schritt vor.

»Ein Mann mit Ihrem Vorleben sollte sich hüten, solche Fragen zu stellen!« brauste Peters hitzig auf.

»Ich würde an Ihrer Stelle meine Eifersucht nicht so deutlich zeigen«, entgegnete der Brasilianer hämisch.

Das war zuviel für Peters. Er wollte sich auf den Mann stürzen, aber Fritz Rohmer, der den Auftritt von der Tür zum Saal aus beobachtet hatte, trat dazwischen.

Perqueda gab den beiden Portiers, die unauffällig nähergekommen waren, einen Wink. Sie wollten Peters hinausführen, aber Rohmer nahm ihn zur Seite und beruhigte ihn, während einer der Angestellten zur Garderobe ging und Peters' Mantel und Hut holte.

*

Später saß der Personalchef mit Hans Peters in einem Café.

»Warum haben Sie denn plötzlich den wilden Mann gespielt?« fragte er. »Was für Beschwerden haben Sie denn? Warum wollten Sie Perqueda ans Leder?«

»Der verdammte Hund hat mir Marianne gestohlen.«

»Mein Gott, das ist der Lauf der Welt. Man kann die Liebe nicht kommandieren – sie fällt hin, wohin sie will. Das steht seit Anbeginn der Welt in den Sternen geschrieben, mein lieber Peters. Kommen Sie, trinken Sie einen Kognak, dann stoßen wir an und sagen ›Kismet‹. Wie kann sich ein Mann wie Sie mit einem Perqueda herumprügeln!«

»Dieser geschniegelte Affe, der allen Weibern den Hof macht! Zum Donnerwetter, dieser Kerl ist der abgefeimteste Schurke, der mir je begegnet ist!«

»Gut gebrüllt, Löwe. Schimpfen Sie ruhig, das erleichtert. Allmählich werden Sie sich beruhigen, und dann müssen Sie sich sagen, daß an der Geschichte eben nichts mehr zu ändern ist. Marianne Körber hat sich nun einmal in Perqueda verliebt. Sie tun gerade so, als ob es keine anderen Mädchen auf der Welt gäbe!«

»Wenn der Verbrecher seine schmutzigen Pfoten nicht von ihr läßt, drehe ich ihm das Genick um!«

»Aber wie kann man nur einen solchen Blödsinn reden!« Rohmer winkte dem Kellner. »Bringen Sie noch zwei Asbach. – Mein lieber Peters, so häßliche Worte würde ich gar nicht in meinen schönen Mund nehmen. Außerdem wollen wir jetzt aufhören, davon zu reden, sonst regen Sie sich nur noch mehr auf.«

Er klopfte Peters auf die Hand, aber der junge Mann sah zornig auf die Marmorplatte des Tisches.

Eine Weile schwiegen beide. Der Kellner kam und brachte die Getränke.

»Also, auf gute Gesundheit und viel Glück in der Liebe.«

Rohmer hob das Glas.

Auch Peters faßte mechanisch nach dem seinen und trank es aus.

»Ich knalle den Lumpen nieder, sobald ich ihn treffe«, murmelte er.


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