Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 2
Friedrich von Raumer

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Zweites Hauptstück.

{1162} Nach Balduins III kinderlosem Tode wurden Zweifel erhoben über die Thronfolge; indem einige nochmals Jerusalem für ein Wahlreich erklären wollten, andere an das Recht des Papstes auf die Beherrschung des heiligen Landes erinnerten. Beide, für die äußere und innere Sicherheit gefährliche Neuerungen, wurden indeß durch Mitwirkung des Patriarchen Aimerich und der Johanniter beseitigtWilh. Tyr. 956.  Vertot I, 138.  Hist. des Templiers I, 81.  Afflig. auctar zu 1162. und Amalrich Graf von Joppe Balduins Bruder im 27sten Jahre seines Alters am 18ten Februar 1162 gekrönt und geweiht.

Amalrich war blond und im Verhältniß seiner Größe ein starker Mann. Da er sich mäßig im Gebrauche der Nahrungsmittel, als Feind des Spiels und von keiner bösen Leidenschaft beherrscht zeigte, so gönnte man ihm gern die Liebhaberei der Falkenjagd und ging leicht über das Bedenken hinweg, er möge wohl seiner Frau nicht immer treu gewesen seyn. An Tapferkeit und Kühnheit glich er 340 {1162} seinem Bruder, stand ihm aber an Fleiß und Kenntnissen nach, und besaß keineswegs die Herablassung, welche jenem die Herzen gewann. Auch ängstigte er bisweilen die Geistlichen mit schwierigen Fragen, welche sich dann nicht immer so geschickt zu helfen wußten, als der Erzbischof Wilhelm von Tyrus bei der Aufgabe: die Unsterblichkeit der Seele unabhängig von der christlichen Lehre zu beweisenEr half sich auf kantische Weise.. – Seine übertriebene Liebe zum Gelde entschuldigte Amalrich damit: daß der Unterthan am sichersten sey, wenn der Herrscher nicht darbe und für außerordentliche Bedürfnisse ein Schatz bereit liege. Doch verwendete er kaum in dringenden Fällen alle ihm zu Gebote stehenden Geldmittel für das Beste des Reiches, und konnte das nach schweren Steuern übrig bleibende Besitzthum seiner Unterthanen damit um so weniger hinreichend sichern, als er gegen seine Beamten ein so unbedingtes Zutrauen zeigte, daß sie es nicht selten mißbrauchten.

Bei der Krönung mußte Amalrich, besonders auf den Andrang der Geistlichen versprechen, sich von seinem Weibe Agnes von Courtenay zu trennen. Die Ältermütter beider Gatten, Melusine die Mutter König Balduins II und Elisabeth, die Mutter Graf Joscelins I von Edessa, waren nämlich Schwestern gewesen; und eine solche Verwandtschaft galt in jener Zeit für zu nah. Zwei in dieser Ehe erzeugte Kinder, Sibylle und Balduin wurden jedoch für rechtmäßig erklärtAgnes verheirathete sich nachher noch zweimal.  Wilh. Tyr. 957.  Sicardi chron. 599..

Die äußere Thätigkeit des neuen Königs richtete sich zunächst gegen die Ägypter, welche den seit mehren Jahren nach Jerusalem entrichteten Zins nicht länger bezahlen wolltenÄgypten bezahlte jährlich 30,000 Goldstücke nach Jerusalem.  Chronica Norm. zu 1162 p. 999.. Diese Weigerung war aber um so 341 {1162} unverständiger, da stete Unruhen die Macht der Fatimiden dergestalt schwächten, daß sich in den morgenländischen Christen der Wunsch erneute, dieses für sie höchst wichtige Land zu erobern, welchem Plane sich aber Nureddin ganz natürlich auf jede Weise widersetzte. Die Erzählung dieser wechselseitigen Bestrebungen bildet den Hauptinhalt der Geschichte König Amalrichs.

Nach dem Tode des Chalifen Fajez erhob der Vezier Saleh im Jahre 1160 dessen Bruderssohn Aded auf den Thron und gab ihm seine reich ausgestattete Tochter zum WeibeAbulfeda.  Bohadia 30.  Abulfar. 263.. Zornig über den sich hieran reihenden, fast unumschränkten Einfluß eines bloßen Dieners, ließ Adeds Tante den Vezier durch Meuchelmörder umbringen, ward aber dann von ihrem Neffen den Anverwandten des Ermordeten preis gegeben. Adel, Salehs Sohn und Nachfolger, wurde von Schaver dem Statthalter Oberägyptens bezwungen; Schaver, von seinem Nebenbuhler Dargam durch List und Gewalt vertrieben. {1163} Nach einer kurzen Fehde über den verweigerten Zins schloß dieser ein Bündniß mit Amalrich: denn er bedurfte des Beistandes gegen Schaver, welchem Nureddin ein Hülfsheer bewilligt hatte. An der Spitze dieses Heeres stand Asadeddin Schirkuh, ein Kurde aus dem angesehenen Stamme der Ravadianer, der zwar alt und mißgestaltet, sonst aber ein Mann von rastloser Thätigkeit, großem Muthe und festem Willen war. Nach kurzem Glücke wurde Dargam im Jahre 1164 von einem der seinigen erschossen, Schaver zog wiederum in Kairo ein und wüthete auf grausame Weise gegen die Anhänger und Verwandten seines Gegners. Als er aber Schwierigkeiten machte, den versprochenen dritten Theil der Einkünfte Ägyptens an Schirkuh auszuzahlen, setzte sich dieser mit einem Heere in Belbeis festAn 30,000 Mann. Epist. ad Ludov. VII, 356 und 366.  Amalrich brach im Julius nach Ägypten auf.  ibid. 357.  Ebn-al-Athir in den Notices et extraits I, 565.. Drei Monate lang ward er hier von den Ägyptern und dem mit ihnen 342 {1164} von neuem verbündeten König Amalrich belagert, bis ihm Nureddins Einfälle in die östlichen Besitzungen der Christen, einen freien Abzug verschafften.

Bei einem früheren Anfalle war Nureddin nicht allein von den Christen zurückgeschlagen worden, sondern selbst in solche Gefahr gerathen, daß ihm nur die heldenmüthige Aufopferung eines Kurden das Leben erhielt. Im Angedenken an dieses Glück verbanden sich, als die Türken im August 1164 wiederum mit Heeresmacht naheten, Boemund III von Antiochien, Raimund von Tripolis, Kalaman der Statthalter Ciliciens und Toros der Armenier; sie hofften zuversichtlich auf den Sieg. Allein Nureddin war vorsichtiger geworden und eilte scheinbar fliehend nach Artasia zurück; während die Christen übermüthig und ohne Ordnung nachsetzten, bis sie sich von den umkehrenden Feinden plötzlich zwischen Sümpfen eingeschlossen sahen und nach geringem Widerstande gänzlich geschlagen wurdenDie Zeitrechnung ist nicht im klaren. Abulfeda erzählt die Niederlage Nureddins auf ein Jahr, welches mit dem 29sten November 1163 zu Ende geht, die Niederlage der Christen zu 1164. Damit würde stimmen, wenn Wilh. Tyr. 961 vom zweiten Regierungsjahre Amalrichs spricht und Aquicinct. auct. zu 1164. Dagegen haben Robert. de Monte und Olivier Scholast. histor. reg. 1375 das Jahr 1165; Pagi endlich zu 1164 c. 26 reducirt auf 1163. Das Mittlere schien das Wahrscheinlichere. Siehe noch: Posaune des heiligen Kriegs 73.  Math. Paris 73.  Epistol. regum 15, 24.  Epist. ad Ludov. VII, 356, 370.  Cinnamus 101.  Funk Gemälde II, 132.  Von 600 Rittern und 12000 Fußgängern entkamen nicht viel.  Cod. epist. Reg. Christinae. 179, p. 199.. Sie verloren mehre Tausend Todte und unter den Gefangenen befanden sich Boemund III, Raimund von Tripolis, Kalaman, Hugo von Lusignan, Joscelin III und andere bedeutende Männer. Schon drangen die Türken, nachdem sie Harem und Paneas erobert hatten, bis Antiochien vor, 343 {1165} als Amalrich aus Ägypten zurückkehrte. Er ordnete mit Verstand das Nöthige in Antiochien, und suchte schon um die Belehnung über das Fürstenthum bei dem griechischen Kaiser nach; da wurde Boemund aus der Gefangenschaft entlassenDeguign. XIII, 1, 505.  Guil. Neubr. II, 23.  Cinnamus 107., entweder weil sein Schwager Kaiser Emanuel für ihn große Lösung bezahlt hatte, oder weil Nureddin lieber wollte, daß in Antiochien ein an Macht und Geist schwacher Fürst herrsche, als daß man einen tüchtigen Reichsverweser ernenne oder die feste Stadt gar den Griechen übergebe.

Um dieselbe Zeit, im Jahre 1165, eilten Gesandte König Amalrichs und des Patriarchen nach Europa und stellten die, durch obige Niederlage sehr verschlimmerten, Umstände der morgenländischen Christen mit großem Nachdrucke vor; worauf der König von Frankreich mit päpstlicher Bewilligung ein Zwanzigstel von den Einnahmen der Geistlichen und des Adels aus vier Jahre anwiesEpist. ad Ludov. VII, 346-352.  Hist. des Templ. I, 87.  Concil. XIII, 325, 343. und der König von England seinem Beispiele folgte. Allein ehe diese Hülfe anlangte, drängten schon neue Gefahren.

Schirkuh hatte nämlich, den Zug der Christen nach den nördlichen Gegenden benutzend, ihnen nicht allein mehre Schlösser auf dem linken Ufer des Jordan abgenommen; sondern auch Nureddin überzeugt, daß Ägypten bei dem Mangel an Kraft in den Fürsten und an Tugend unter dem Volke, für jeden Angreifenden eine leichte Beute sey. Auch forderten der sunnitische Chalif in Bagdad und der seldschukische Großsultan, nach Schirkuhs Ansuchen, alle von ihnen abhängige Fürsten auf, ihm Hülfe in dem heiligen Kriege gegen die ketzerischen Fatimiden zu leisten. – Der König von Jerusalem erkannte die Größe dieser neuen Gefahr: denn sobald ein Fürst die Länder von Edessa bis Kairo beherrschte, mußten die Franken mit 344 {1166} ihren schmalen Küstenbesitzungen nothwendig erdrückt werden. Deshalb beschloß man im Jahre 1166 auf einem Reichstage in Neapolis den Zehnten, selbst vom beweglichen Gute, für den Krieg einzufordern und mit aller Macht die Eroberung Ägyptens zu hindern. Das christliche Heer brach gen BelbeisEtwa ein Dritte1 des alten Umfangs von Belbeis ist itzt noch bebaut.  Memoires sur l'Égypte I, 45. auf und Schaver, von der größern Gefahr noch nicht hinlänglich unterrichtet, glaubte, es erscheine in feindlicher Absicht; {1167} bis Hugo von Cäsarea, ein so tüchtiger als verständiger Jüngling, welcher als Gesandter voraneilte, ihm ein Bündniß unter folgenden Bedingungen anbot: »die Christen verlassen Ägypten nicht eher, als bis Schirkuh zurückgeschlagen und sein Heer vertilgt ist; dagegen werden ihnen zur Bestreitung der Kriegskosten gleich nach der Vollziehung des Vertrages 200,000 Goldstücke ausgezahlt und abermals 200,000 in näher zu verabredenden Fristen«Bohadin. 31 zu 1166.  Wilh. Tyr. 964.  Oliv. Schol. histor. regum 1376.. Schaver willigte in diese Vorschläge; doch schien es ihm oder dem Gesandten, oder beiden unangemessen, wenn man den Chalifen in diesem Augenblicke eben so wie bisher ganz überginge. Aded bewilligte deshalb dem Gesandten ein feierliches GehörEbn. ak.athir in den Notices I, 566..

Von Leibwächtern begleitet gelangte dieser zuerst in enge dunkele Gänge, wo die ausstehenden Posten ihn und Schaver mit kriegerischen Ehrenbezeigungen empfingen. Dann kam er zu offenen Höfen, welche rings mit marmornen Säulen eingefaßt waren, zwischen denen goldene Seile und Prachtgewinde herabhingen. Künstliches Schnitzwerk zierte die Wände, bunte Steinmalerei schmückte den Fußboden, und Springbrunnen, welche in Fischbehälter voll des klarsten Wassers hinabfielen, verbreiteten eine angenehme Kühlung. Nicht minder ergötzte sich das Auge und 345 {1167} das Ohr an Thieren von wunderbarer Gestalt, Vögeln mit glänzendem Gefieder und nie gehörten Stimmen. Und doch war dies alles nur die Vorbereitung zu der größeren Pracht des innern Palastes, wohin itzt die Häupter der Verschnittenen den Gesandten führten. Gern hätte dieser in jedem Zimmer bei jedem Kunstwerke länger verweilt: allein ohne Aufenthalt ging der Zug bis in den Hauptsaal. Golddurchwirkte, mit Perlen besetzte Vorhänge verhüllten zwar noch den Thron; dennoch warf sich der Vezier dreimal zur Erde nieder und legte alsdann sein Schwert, welches er demüthig am Halse festgebunden hatte, ganz zur Seite. Jetzt ward plötzlich der Vorhang hinweggezogen, man erblickte den Chalifen auf goldenem Throne, umgeben von den Verschnittenen und den zu seinem Hofstaate gehörigen Personen. Schaver nahte sich jenem, küßte ihm die Füße und erzählte den Grund der Gesandtschaft und die Bedingungen des Vertrages. Ob nun gleich Aded seine Zufriedenheit mit dem Verhandelten zeigte, so genügte dies dem Ritter doch nicht: er verlangte, der Chalif möge durch Handschlag das Bündniß bekräftigen. Unerhört und anstößig nannte das Hofgesinde diese Forderung: allein der Vezier, den Nutzen des Staates und seinen Vortheil wohl erwägend, beredete den Chalifen zur Einwilligung. Schon streckte dieser die Hand aus, als Hugo zum Erstaunen aller Ägypter nochmals anhub: »Herr, die Treue selbst hat zwar niemals Winkelzüge: allein wenn Fürsten sich gegenseitig verpflichten, muß auch jedes äußere offenbar seyn, offen die Verhandlung und Vollziehung. Deine Hand ist verhüllt, gieb mir die entblößte Hand zum Handschlage, damit wir nicht einen verdeckten Rückhalt argwöhnen mögen.« Lächelnd über solche Genauigkeit bewilligte der Chalif das Verlangte und ließ dem rückkehrenden Gesandten ansehnliche Geschenke überreichen; allein weder diese Geschenke, noch jene prachtvollen Einrichtungen, welche aus einer größeren Zeit herrührten, konnten die jetzige Auflösung des Reiches schärferen Augen verdecken.

346 {1167} Mittlerweile war das christliche Heer bereits in der Gegend von Kairo angelangtJerusalem liegt neun bis zehn Tagereisen von Kairo. Paulus Reisen I, 259. und erst jetzt beschloß man das Klügere: nämlich den Feinden bis an die Gränze des Reiches entgegen zu ziehen und sie nicht bei der Hauptstadt zu erwarten. Kaum waren jedoch die Franken und Ägypter aufgebrochen, als die erfreuliche Nachricht eintraf: Schirkuh sey in der baum- und wasserlosen Wüste jenseits Suez von einem Wirbelsturm überfallen und ein Theil seines Heeres so wie der größere Theil des Gepäckes durch Wogen beweglichen Flugsandes verschüttet wordenVergleiche Ritters Erdbeschr. II, 238.. Deshalb hielt man schon den Krieg für beendet, als noch unerwarteter eine zweite Botschaft anlangte: »Schirkuh habe rastlos voreilend das fränkisch-ägyptische Heer gänzlich umgangen und stehe schon mit seiner Macht auf der anderen Seite des Niles.« Schnell kehrten die Verbündeten nach Kairo zurück und begannen sogleich den Bau einer Brücke, deren erste Hälfte leicht zu Stande kam, deren Vollendung aber durch die gegenüber lagernden Türken verhindert wurde. Da faßte Amalrich seinerseits den Vorsatz, diese zu umgehen und ihnen in den Rücken zu kommen. In dunkler Nacht zog sein Heer begleitet von der Flotte stromabwärts und setzte zunächst auf eine Insel über, welche in der Gegend lag, wo der Nil sich in zwei Arme theilt.Ueber die Lage dieser Insel, Wilken III, 2, 102. Der Nil ist bei Memphis so breit wie der Rhein bei Mainz, oder die Donau bei Wien. Paulus Reisen II, 39.. Die Hoffnung von dieser Insel aus leicht das linke Ufer zu erreichen, schlug aber fehl: theils weil sich ein gewaltiger Sturm erhob, theils weil die Türken dem christlichen Heere, sobald sie dessen Abzug bemerkt hatten, eiligst gefolgt waren und abermals ihm gegenüber lagerten. Ungeachtet dieses bedenklichen Umstandes beschlossen die Christen den 347 {1167} Übergang auf das linke Ufer des Stromes zu erzwingen; als sie zu ihrem Erstaunen beim Anbruche des Tages nirgend mehr Feinde erblickten. Diese waren in der nicht ungegründeten Hoffnung nach Kairo zurückgeeilt, sich der angefangenen, jetzt schwach besetzten Brücke, ja vielleicht der Stadt selbst zu bemächtigen. Dennoch beharrte Amalrich kühn auf dem früheren Beschlusse. Er setzte mit der Hauptmacht auf das linke Ufer des Nils über und sandte nur den geringern Theil seines Heeres auf das rechte zur Deckung jener Brücke zurück.

Als die Türken dies hörten, erschraken sie sehr, und in einem gehaltenen Kriegsrathe waren viele der Meinung: man müsse auf alle Weise eine Schlacht vermeiden und das zu schwache Heer möglichst unbeschädigt nach der Heimath zurückführen: aber Scharfeddin Bargusch, ein Emir Nureddins, ermuthigte die Besorgteren durch kräftige Reden und Schirkuh stellte, alle Bedenken verachtend, sein Heer nicht weit von Beben oder LamoniaDeguignes XIII, 1, 512. Beben ist etwa fünf Meilen von Lamonia in der Nähe des alten Hermopolis.  Wilh. Tyr. 970.  Abulfeda III, 602 nennt die Schlacht bei Abvana. Siehe noch Guil. Neubrig. II, 23.  Vitriac. historia hieros. 1116.  Oliv. scholast hist. regum 1378. auf drei Hügeln in Schlachtordnung. Er selbst befehligte das Mitteltreffen, Saladin sein Neffe den ersten, ein anderer Emir den zweiten Flügel. Ob nun gleich das Fußvolk der Verbündeten noch nicht zur Hand war, griff Amalrich dennoch kühn mit der Reiterei an und schlug das Mitteltreffen der TürkenNach Ibn Alatsyr 425 hatte Schirkuh den Rückzug des Mitteltreffens anbefohlen, um die Franken zum übereilten Nachsetzen zu verführen und mit den Flügeln besser einschließen zu können., während ihre beiden Flügel siegten und sich des Gepäckes der Christen bemächtigten. Des unebenen Bodens wegen konnte man aber das Schlachtfeld nicht übersehen, und Amalrich erwartete seine Genossen, bis er auf beiden Seiten 348 {1167} siegreiche Feinde erblickte, die ihn jedoch ungestört nach Kairo zurückziehen ließen.

Hiemit war aber freilich für den Augenblick die abendliche Seite des Landes ganz preis gegeben, und während Schirkuh sich nach Oberägypten wandte, zog Saladin gen Alexandrien und besetzte diese Stadt ohne Widerstand. Sobald die Verbündeten ihre Streitkräfte wieder gesammelt hatten, setzten sie zuerst jenem nach; überlegten aber dann, daß er in Oberägypten zwar manche Orte brandschatzen, jedoch keinen festen Punkt gewinnen könne; daß hingegen die Wiedereinnahme Alexandriens besonders für die Christen von der größten Wichtigkeit sey. Die Stadt ward umlagert und gerieth durch ununterbrochene AngriffeÜber pisanische Hülfe vor Alexandrien siehe Chron. Pisana 181. und Mangel an Lebensmitteln in solche Noth, daß Schirkuh, weil er zu ihrem Entsatz keine zweite Schlacht wagen wollte, den Antrag machte: er wolle die gefangenen Christen und Ägypter entlassen und das Land meiden, wenn man ebenfalls den türkischen Gefangenen und der Besatzung Alexandriens freien Abzug gestatte und ihm eine gewisse Summe Geldes auszahle. Diese Bedingungen wurden angenommen und Saladin erhielt im Lager Amalrichs eine Ehrenwache, damit niemand sich in blinder Wuth an ihm vergreife. Natürlich waren die Bewohner von Alexandrien froh, daß die ungewohnten Beschwerlichkeiten ein Ende nahmen und ihre eigenthümlichste Beschäftigung, der Handel, neuen Fortgang gewann; aber sie klagten doch laut, daß man mit unnützer Grausamkeit die umliegende Gegend verwüstet und alle Fruchtbäume niedergehauen habe.

Aded, der Chalif, ließ itzt an Vornehme und Geringe im fränkischen Heere Geschenke austheilen, bewilligte die jährliche Zahlung eines Zinses von 100,000 Goldstücken und erlaubte, daß die Christen nicht allein einen Handelsbeamten in Alexandrien hielten, sondern auch gemeinsam mit den Ägyptern die Thore besetztenBohadia 32.  Abulfeda III, 602.  Wilh. Tyr. 974.. Im August 1167 349 kehrte Amalrich in sein Reich zurück, und die Gefahr einer Eroberung Ägyptens durch die Türken schien auf lange Zeit glücklich beseitigt.

Desto lebhafter aber wurde, nach den gemachten Erfahrungen, der Wunsch Amalrichs sich des gesegneten Landes zu bemächtigen, und er schloß zu diesem Zweck ein Bündniß mit dem Kaiser Emanuel, dessen Nichte Maria er geheirathet hatteCinnamus 114. – Nach Ibn Alatsyr 427 rührte der Plan Ägypten anzugreifen nicht vom Könige, sondern von den Rittern her, und jener widersprach anfangs aus sehr vernünftigen Gründen.. Um die Bundbrüchigkeit, welche in diesem Benehmen gegen die Ägypter lag, zu beschönigen, wurde behauptet aber selbst von Christen nicht geglaubt, daß sich Schaver der Vezier treulos mit Nureddin vereinigt habeWilh. Tyr. 978.  Vertot I, 150.  Bohadin, 33.  Roger Hoveden 512..

Die nächste Hülfe suchte und fand Amalrich bei dem Großmeister der Johanniter Gilbert von Sailly. Dieser, ein tapferer aber unbeständiger und von Hoffnungen leicht fortgerissener, Mann stellte den versammelten Rittern vor: »der König wolle dem Orden Belbeis überlassen, und Belbeis sey eine treffliche sichere Besitzung, ein Zufluchtsort im Unglück, ein Grundstein zu ächter und neuer Begründung morgenländisch-christlicher Macht.« Nur die alten Ritter widersprachen diesem Plane, weil er den Vorschriften des Ordens nicht gemäß sey und mit einer Bundbrüchigkeit beginne; wogegen die jüngeren ruhmbegierig dem Großmeister beitraten und zur gemeinsamen Entschuldigung ohne weitere Beweise behaupteten: »die Saracenen hielten ebenfalls die Verträge nicht!« Gilbert verpfändete itzt mehre Güter des Ordens und borgte viel Geld besonders bei den Florentinern und Genuesern; woraus sich nun auch diejenigen um ihn sammelten, welche nicht sowohl erobern als von seiner Freigebigkeit Vortheil ziehen wollten. In dem 350 {1168} Maaße als sich hiebei die Johanniter vordrängten, zogen sich die Tempelherren zurück; obgleich neben dem Verdrusse, daß sie an Macht und Einfluß nachstanden, auch wohl die Überzeugung wirkte, das Unternehmen sey ungerecht und, – bei der Schwäche Jerusalems und den noch übleren Verhältnissen von Antiochien und Tripolis –, nicht minder unklug.

Im Herbste des Jahres 1168 brach der König mit dem Heere nach Ägypten auf, eroberte Belbeis am dritten November und übergab es den Johannitern, nachdem man geplündert und mit wilder Grausamkeit gegen die Einwohner gewüthet hatte. Sobald die Ägypter in Kairo hievon Nachricht erhielten, verwandelte sich ihr früheres Vertrauen zu den Christen in bitteren Haß, sie verjagten die fränkische BesatzungIbn Alatsyr 428. welche noch in der Stadt lag, und gleichzeitig schrieb Schaver an Amalrich: »er für seine Person sey ihm günstig, keineswegs aber das Volk; deshalb dürfte es besser seyn, wenn die Franken so wie früher große Geldsummen nähmen und nicht als Feinde Ägyptens, sondern als Feinde Nureddins aufträten.« – In dieser Lage standen nur zwei Wege offen: entweder unverzüglich das engste Bündniß mit Ägypten zu erneuen, oder rasch auf das unbefestigte und unbesetzte Kairo loszugehn und die Herrschaft der Fatimiden zu zerstören. Das Heer stimmte für die letzte Maaßregel, nicht sowohl aus verständigem Zutrauen in seine Kräfte, als weil es bei der Plünderung Kairos zu gewinnen hoffte: der König hingegen neigte sich zu Unterhandlungen, nicht aus Mißtrauen in seine Macht oder aus Haß gegen grausame Plünderungen; sondern weil er im Falle gewaltsamer Eroberung mit allen theilen mußte, die von Schaver dargebotenen Summen aber allein würde erhalten haben. Während man um dieser verschiedenen Ansichten willen unentschlossen die kostbare Zeit verlor, ließ der Chalif Misr den offenen Theil KairosAbulfeda zu 1168 und III, 618.  Marai 394.  Brocardus descript. 26.  Deguignes XIII, 1, 250.  Vitriac. histor. hieros. 1074.  Michaud II, 230.  Alberic. zu 1168. Das Nähere über die Lage der Stadt bei Wilken III, 2, 118.  Hammer Gesch. der Assassinen 157. in 351 {1168} Brand stecken, damit sich die Christen daselbst nicht festsetzen könnten, und übersandte nach morgenländischer Sitte und als Zeichen der höchsten Hülfsbedürftigkeit, die abgeschnittenen Haare seiner Weiber an Nureddin. Unverzüglich befahl dieser, obgleich ein Theil seiner Macht im inneren Asien beschäftigt war: Schirkuh solle nach Ägypten ziehen, und dieser verlangte daß sein Neffe ihn begleite. Saladin antwortete aber in Gegenwart Nureddins: »bei Gott, wenn mir auch ganz Ägypten zu Theil würde, so möchte ich doch nicht hingehen: denn ich erduldete solch Ungemach in Alexandrien, daß ich es im Leben nie vergessen werde!« Demungeachtet mußte er gehorchen, und Nureddin ließ dem, damals Unvermögenden eine Summe zur Bestreitung der Kosten auszahlen. Später äußerte indeß Saladin oft: »ich ging wie zum Tode.«

Schirkuh eilte itzt mit ungemeiner Schnelligkeit nach Ägypten und hatte, als endlich Amalrich gen Pelusium zog, um ihm in der Wüste zu begegnen, die Christen bereits umgangen. Schon im vorigen Feldzuge brachte diese geschickte Maaßregel den Türken großen Vortheil, diesmal ward sie schlechthin entscheidend: denn Amalrich konnte der hiedurch vereinigten Macht der Türken und Ägypter keineswegs die Spitze bieten, sondern mußte ohne allen Erfolg im December 1168 nach Palästina zurückkehren.

{1169} Der Christen entledigt mußte aber Schaver in den Türken, welche sich vor Kairo lagerten, bald Feinde und in Schirkuh einen gefährlichen Nebenbuhler erblicken; deshalb kam er dem Versprechen nicht nach, jenen ein Drittel der Landeseinkünfte auszuzahlen, und soll diesem, den der Chalif sehr begünstigte, nach dem Leben getrachtet haben. Saladin, welcher in Schirkuhs Abwesenheit von diesem 352 {1169} wahrhaften oder erdichteten Plane Nachricht erhielt, nahm den Vezier, sobald er ins türkische Lager kam, gefangen; und der feige Chalif, weit entfernt seinen ersten Beamten gegen die angethane Gewalt zu schützen, verlangte selbst dessen Hinrichtung und erhob Schirkuh mit noch größern Rechten, als jemals einer besessen hatte, zum Vezier. Aber schon nach wenigen Monaten, im Mai 1169Abulfeda zu 1169.  Deguignes XIII, 1, 521.  Histor. hieros. 1052.  Sanutus 190., starb Schirkuh und Saladin wurde sein Nachfolger; theils in Rücksicht auf Verwandtschaft und Macht, theils aber auch weil viele meinten: der junge lebenslustige Mann werde am wenigsten sein Haupt über die ältern erfahrneren Anführer erheben. Auch nannte sich Saladin demüthig einen Diener Nureddins, und indem dieser erlaubte, daß der Vater und die Verwandten des neuen Veziers ihm nach Ägypten folgten, zeigte er allerdings das größte Vertrauen; verlor aber zugleich das im Morgenlande so gewöhnliche Mittel, durch Geißeln dieser Art Abfall und Empörung zu unterdrücken.

Zu spät erkannten die Christen: daß sie auf das Bündniß mit den Griechen, welche fast immer Hülfe bedurften aber nicht gaben, übermäßig vertraut und sehr irrig gehofft hatten, man könne gleichzeitig Nureddin und die Fatimiden besiegen. Im Gegentheil trat itzt in Ägypten an die Stelle einer ohnmächtigen aufgelöseten Regierung ein thätiger kühner Mann, ohne dessen Wissen und Willen weder im Palaste noch im Reiche etwas Erhebliches geschehen durfte. Seine täglich anwachsende Macht je eher je lieber zu brechen, verabredeten Kaiser Emanuel und König Amalrich, ungeschreckt durch die vorhandenen Schwierigkeiten, einen dritten Zug nach Ägypten, und der Kontostephanos Andronikus langte mit einer griechischen Hülfsflotte wirklich bei Cypern an. Allein ungeachtet der überkühnen Hoffnungen des KönigsAmalrich wies am 16ten September 1169 den Pisanern schon Kirchen, Backöfen, Mühlen, Bäder in Kairo, Rosette u. s. w. und jährlich 1000 Byzantiner auf seine ägyptischen Domainen an!  Murat. antiq. Ital. II, 907. war selbst das Nöthige noch nicht 353 {1169} vorbereitet, der Sommer verstrich ungenutzt, und erst im Oktober 1169 brach das Landheer von Askalon gen Pharamia auf, ließ Tapnis links liegen und erreichte Damiette. Drei Tage später erschien die, durch widrige Winde aufgehaltene, Flotte und nochmals verflossen drei wichtige Tage, ohne daß man die Stadt angriff. Mittlerweile hatte Saladin Lebensmittel und Soldaten nach Damiette bringen können, und während er von außen die Franken beunruhigte, widerstanden die Belagerten muthig und das Wurfzeug that ihnen nur geringen Schaden, weil man es thöricht dem festesten Theile der Stadt, nicht dem weniger befestigten und leicht zugänglichen genähert hatte. Die Griechen zogen hierauf, um Damiette enger einzuschließen, ihre Schiffe in den Nil; aber ehe diese wirksam werden konnten, sandten die Belagerten mit günstigem Winde einen Brander den Strom hinab, welcher, ungeachtet aller Bemühungen das ausbrechende Feuer aufs eiligste zu löschen, sechs Galeeren zerstörte. Ungünstige Witterung, Regengüsse und anwachsende Wasserfluthen waren für Franken und Griechen gleich verderblich, und die zwischen beiden schon ausgebrochene Uneinigkeit erhöhte sich immer mehr. Andronikus nämlich zürnte, daß Amalrich den Oberbefehl führe; die Franken klagten, daß der Kaiser nicht den versprochenen Sold auszahlen lasse; die Griechen schalten, daß jene ihnen nicht aus ihren größeren Vorräthen Lebensmittel überließen: alle endlich suchten sich wechselseitig die Gefahren und Anstrengungen zuzuschieben, weil das Eroberte, einem Vertrage gemäß, zwischen Franken und Griechen gleich getheilt werden sollte. Erst als es so weit gekommen war, daß die Griechen aus Hunger Baumrinden essen mußten, wagte Andronikus einen heftigen Angriff auf DamietteDie Nachrichten der Griechen und Lateiner weichen über diesen Zug sehr von einander ab, gewiß hatten beide Schuld am Mißlingen.  Nicet. Chon. Manuel V, 107.Cinnamus behauptet, die Ägypter hätten Zins geboten, Emanuel aber von einem zweiten Angriff mehr erwartet. Vergl. Math. Paris zu 1229.  Wilh. Tyr. 984.  Bohadin 36.  Abulf. zu 1169., welcher jedoch erfolglos 354 {1169} blieb, da Amalrich im Vertrauen auf heimlich begonnene Unterhandlungen, keine Unterstützung leistete und, wie einige behaupten, für große Geldsummen einen Vertrag mit den Ägyptern schloßOb wirklich ein solcher Vertrag zu Stande kam, bleibt zweifelhaft., welcher ihnen vortheilhafter war, als den Griechen. Da empörten sich diese, ihrer Leiden überdrüssig, verbrannten eigenmächtig alle Belagerungswerkzeuge und segelten davon; aber ein Sturm zerstörte den größeren Theil ihrer Flotte und Andronikus, bei dem nur wenige ausharrten, kehrte über Jerusalem und Ikonium nach Konstantinopel zurück. Natürlich mußte nun auch Amalrich Ägypten verlassen, und erreichte am 21sten December 1169 Akkon. Das Mißlingen des Unternehmens zog ihm jedoch harten Tadel zu, und Gilbert von Sailly mußte sein Großmeisterthum niederlegenVertot I, 160., weil man ihn als Haupturheber aller dieser Unglücksfälle betrachtete und bezeichnete.

Unter der Zeit hatte auch Nureddin die christlichen Besitzungen angefallen, und die Gefahr wuchs von Tage zu Tage; als alle menschlichen Plane vor der Macht der Natur weichen mußten. Furchtbare ErdbebenDas Haupterdbeben fällt auf den 29sten Junius 1170.  Pagi zu 1170, c. 8.  Hist des Templiers I, 99.  Deguignes XIII, 1, 527.  Oliv. Scholast. 1379.  Pipin 45., die während des Jahres 1170, in Zwischenräumen von Wochen und Monaten, mit entsetzlicher Gewalt eintraten, zerstörten nicht bloß die Wohnhäuser, sondern stürzten auch die Kirchen, Stadtmauern und die festesten Thürme nieder. Es litten Aleppo, Cäsarea, Emesa, Gabala, Laodicea, Tripolis, Tyrus, vor allen aber Antiochien. Der Fleiß vieler Jahre 355 {1170} konnte einen so großen Verlust nicht ersetzen, und die ehemalige Größe und Pracht erstand nie wieder.

Während die Herstellung des Zerstörten und Schlichtung der Streitigkeiten seiner NeffenAbulfeda zu 1170.  Deguivnes XIII, 1, 528. Nureddin in Mosul beschäftigte, griff Saladin die Burg Darum und die Stadt Gaza anWilh. Tyr. 987.. Jene wurde zwar mit Erfolg vertheidigt und diese von den Siegern wiederum verlassen, weil wichtige Gründe den Vezier nach Ägypten zurückriefen: doch konnte diese fast zufällige Rettung in den Christen das Gefühl der inneren Schwäche und des Abnehmens aller Kräfte nicht vertilgen, und auf einem allgemeinen, vom Könige berufenen Reichstage, war man einstimmig der Meinung: daß sich die christlichen Staaten in Syrien und Palästina ohne abendländische oder griechische Hülfe nicht länger erhalten könnten. Gesandte wurden daher in die lateinischen Reiche geschickt, und den griechischen Kaiser Emanuel wollte Amalrich in eigener Person zu thätiger Unterstützung bewegen. Vergeblich stellten ihm seine Lehnsmannen vor, daß die Abwesenheit des Herrschers dem Reiche Gefahr und Unglück bringen könne. Er erwiederte: »mein Vorsatz steht fest; Gott, dessen Diener ich bin, wird während dessen sein Reich regieren. – {1171} Mit ansehnlicher Begleitung erreichte Amalrich KonstantinopelCinnamus 127 und Dufresne zu Joinville 319., wo ihm Emanuel die größte Ehre erzeigte, ihn aber auch fühlen ließ, er selbst sey der Höhere, der König dagegen nur ein abhängiger Schützling. Über Festlichkeiten, Musik, Schauspiele und andere Vergnügungen wurden die Geschäfte nicht vergessen, und am 15ten Junius 1171 langte Amalrich wieder in Sidon an, nachdem er vom Kaiser ansehnliche Geschenke, und durch Brief und Siegel bekräftigte, Versprechungen künftiges Beistandes erhalten hatteSchreiben Amalrichs des Patriarchen, des Großmeisters der Templer an den König von Frankreich.  Cod. epist. Reginae Christinae 179, p. 185-190.. Im Abendlande gewannen hingegen die 356 {1171} Bemühungen des Erzbischofs Friedrich von Tyrus auch nicht einmal den Schein des Erfolges: denn Kaiser Friedrich lebte noch mit Päpsten und Lombarden in Fehde, und zwischen England und Frankreich war öfter Krieg als Friede.– Anstatt durch das Fehlschlagen dieser Hoffnungen zu größerer Tugend und Einigkeit angefeuert zu werden, schwächten sich die morgenländischen Christen noch immer durch kleinliche innere Fehden; bis merkwürdige Ereignisse in Ägypten alle aufs neue in Schrecken setzten.

Schon öfter hatte Nureddin, als ein eifriger Sunnit, verlangt, daß Saladin die Anerkennung des Chalifen von Bagdad in Ägypten durchsetze; stets aber hatte dieser geantwortet: es würden hieraus große Unruhen entstehen. Endlich wagten es einige, von Eifer fortgerissene Geistliche öffentlich für jenen sunnitischen Chalifen zu beten, und hieran reihte sich unerwartet und ohne die geringste Widersetzlichkeit eine Vertauschung des geistlichen Oberhauptes. Aded, der schon längst keine weltliche Bedeutung mehr hatte, lag damals krank; seine Diener verschwiegen ihm diesen zweiten Verlust kirchlicher Macht, und er starb wenige Tage nachher, am 15ten September 1171. Einige christliche Schriftsteller beschuldigen Saladin, er habe jenen eigenhändig ermordet. Allein diese, von keinem angesehenen arabischen Geschichtschreiber bestätigte, von mehren geleugnete, Beschuldigung stimmt durchaus nicht mit dessen Charakter. Auch hätte der Frevel nicht einmal Nutzen gebracht: denn so gewiß der Sturz der fatimidischen Herrschaft planmäßig bezweckt warWilh. Tyr. 981.  Vitriac. hist. hieros. 1061, 1115.  Ebn-al-Athir in den Notices I, 570.  Abulfeda zu 1171. Vielleicht gingen aus wechselseitiger Sorge, doch wechselseitige Nachstellungen hervor.  Michaud II, 239.  Bohadin 36.  Abulfar. 266.  Aquic. auct. zu 1164. Über die großen Schätze, Hammer Assass. 181.  Aded naturae concessit. Regium funus Salahedinus pedes, vesteque abscissa comitatur.  al Khattib chron bei Gregorio collect. 101., so wenig war es entscheidend, ob der, 357 {1171} eigentlich schon seit Jahren beseitigte Chalif, lebe oder nicht lebe. Große Schätze und eine treffliche Büchersammlung kamen in Saladins Gewalt: jene sandte er an Nureddin oder vertheilte sie, ohne etwas für sich zu behalten, an seine Freunde; für die Aufbewahrung der letzten trug er Sorge.

Nach diesem völligen Sturze der Fatimiden verlangte Nureddin entscheidendere Unterstützung von Saladin gegen die Franken; allein dieser mußte im Fall einer gänzlichen Besiegung der letzten, für sich fürchten und {1172} nahm bald seines Vaters Krankheit, bald Unruhen in Ägypten zum Vorwande geringerer Thätigkeit. Deshalb, und weil Nureddin mit dem griechischen Kaiser und mit dem Sultane von Ikonium in Fehde geriethCinnamus 132.  Abulfeda zu 1172., genossen die Christen zwar keiner völligen Ruhe; bloße Anfälle von vereinzelten türkischen Reiterschaaren brachten indeß dem Ganzen keine erhebliche Gefahr.

Auch lösete sich Graf Raimund von TripolisWilh. Tyr. 994. mit Hülfe Amalrichs für 80,000 Goldstücke aus seiner schon achtjährigen Gefangenschaft und übernahm die Regierung seines Landes, welche der König bisher so verständig geführt hatte, als er sie jetzt uneigennützig wieder abtrat. – In dasselbe Jahr 1172 fällt die, in kriegerischer Hinsicht zwar unbedeutende, durch manche Geschenke an Kirchen und Geistliche aber erfreuliche Anwesenheit Heinrichs des Löwen in JerusalemSiehe Böttiger 279..

Desto unangenehmer war die Wendung, welche in diesem Augenblicke ein, anfangs sehr günstig scheinendes, Ereigniß nahm. Die Assassinen nämlich, lange die strengsten Bekenner der muhamedanischen Lehre, hierauf willkürlichen Deuteleien nachhangend, gaben itzt vor durch die heiligen 358 {1172} Bücher der Christen von der Wahrheit und Trefflichkeit ihrer Religion überzeugt zu seyn. Ein Gesandter des Alten vom Berge, Namens Behaeddewlet, versprach dem Könige Amalrich den Übertritt des ganzen Stammes zum Christenthume, wenn man ihnen den Zins von 2000 Goldstücken erließe, den sie seit Jahren an die Tempelherren entrichteten. Diese aber, welche sich den sonst allgemein gefürchteten Assassinen furchtbar gemacht hatten, behaupteten: jene Anträge seyen heuchlerisch und nur durch Eigennutz herbeigeführt. Amalrich hingegen gab dem Gesandten beifällige Antwort, weil man durch freundschaftliche Verhältnisse mit den Assassinen für die innere und äußere Sicherheit viel gewänne, auch versprach er den Verlust des Ordens aus seinen Mitteln zu ersetzen. Schon hatte jener Gesandte die Heimath fast wieder erreicht, als der einäugige Tempelritter Walter von MaisnilAlberic. 369.  Sanut. 172.  Wilh. Tyr. 995.  Die Histoire des Templiers I, 1144 sucht darzuthun, daß der Gesandte zufällig erschlagen sey.  Vitriac. hist. hier. 1142.  Oliver. Dam. 1417. Das Nähere bei Hammer Assass. 199. mit einigen Begleitern aus einem Hinterhalte auf den Arglosen hervorstürzte und ihn gegen alle Sitte und Recht, nach assassinischer Weise ermordete. Hierüber war Amalrich äußerst erzürnt und beschloß mit den Lehnsmannen des Reiches: der Großmeister der Tempelherren, Odo von St. Amand, solle den Verbrecher streng bestrafen. Odo antwortete: »er habe dem Ritter eine Buße und die Wanderung nach Rom aufgelegt, wo das weitere entschieden werde; hier dürfe niemand wegen der That gewaltsame Hand an ihn legen, und des Königs Gerichtsbarkeit erstrecke sich nicht auf Ordensbrüder.« Ungeduldig über so anmaaßlichen Widerspruch ließ aber Amalrich Waltern in Sidon ergreifen und nach Tyrus ins Gefängniß bringen; er bewies dem Alten vom Berge seine Unschuld, und forderte den Rath und das Urtheil aller christlichen Fürsten über die Bestrafung jenes Frevels. Weil aber, der 359 {1172} nächsten Ereignisse wegen, die Sache unbeendet blieb, so stieg der Haß der Assassinen gegen die Christen, von nun an aufs höchste.

Glücklicherweise wuchs gleichzeitig auch die Spannung zwischen Saladin und Nureddin; der letzte wollte selbst nach Ägypten ziehen, um seine Oberherrschaft sicherer zu begründen. Da berief Saladin seine Verwandten und alle EmirnAbulf. zu 1171., damit man überlege und beschließe, was auf den Fall eines Angriffes zu thun sey. Einige riethen zur Gewalt und sogar Saladin zeigte offenbar, daß er diese Ansicht theile; allein Eyub, sein Vater, stand auf und sprach: »wenn Nureddin naht, so werde ich vor ihm niederfallen und den Boden küssen und auch du, mein Sohn, wirst ihm unbedingt gehorchen und seine Befehle vollziehen.« Als die Versammlung aber auseinander gegangen und Eyub mit Saladin allein war, fuhr er fort: »wenn Nureddin mit feindlichen Absichten nahen sollte, bin ich der erste welcher ihn bekämpft, obgleich der Ausgang noch ungewiß erscheint. Lassen wir aber diese Gesinnung kund werden, so zieht Nureddin unfehlbar mit aller Macht und großer Eile nach Ägypten; während demüthige Erklärungen ihn beruhigen und uns Zeit verschaffen unsere Streitkräfte so zu vermehren, daß wir im Felde ihm künftig gewachsen, ja wohl überlegen sind.« – Hiedurch ließ sich indeß Nureddin nicht täuschen, sondern verstärkte seine Macht, indem er mit den Seldschuken von Ikonium und den Christen Friede oder Waffenstillstand abschloßHistoire des Templiers I, 109.. In dem Augenblick aber, wo ein entscheidender Kampf nicht mehr zu vermeiden schien, starb Nureddin am 22sten Mai 1173 im siebenundfunfzigsten Jahre seines AltersAbulfeda und Abulfar. 267.  Pagi c. 4.  Wenn das Andegav. chr. Amalrichs Tod auf 1175 setzt, so ist dieß ein bloßer Irrthum.. Das änderte alle Verhältnisse. Die günstigen Anerbietungen der Wittwe Nureddins 360 über die Fortdauer des Friedens, wies Amalrich (minder edel als der Verstorbene, nach dem Tode König Balduins) sogleich zurück und umlagerte Paneas. Aber die Tapferkeit der Besatzung hemmte den Erfolg, und während einer Krankheit des Königes wurde seine Mannschaft so lässig, daß man zuletzt für die Freilassung von zwanzig christlichen Rittern und eine Summe Geldes gern die Belagerung aufhob. Amalrich ward über Tiberias nach Jerusalem gebracht und alles Bemühen der Ärzte, ihn von einer, mit Fieber begleiteten Ruhr herzustellen, hatte um so weniger Erfolg, da er ihre Vorschriften nicht beobachtete. Er starb am 11ten Julius 1173, im achtunddreißigsten Jahre seines Alters, im zwölften seiner Regierung. – Jetzt standen seine und Nureddins Kinder einander hülflos gegenüber, und diese wechselseitige Schwäche ließ, wo nicht ruhige, doch thatenlose Zeiten erwarten, – als Saladin für sich mit entscheidender Thätigkeit dazwischentrat. 361

 


 


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