Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 2
Friedrich von Raumer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Hauptstück.

{1156} Sobald die Unbilden und Anmaaßungen der Lombarden in Deutschland bekannt wurden, erließ der Kaiser Schreiben an alle geistliche und weltliche Fürsten. »Die GriechenÜber einen Zug gegen die Griechen ward auf mehren Reichstagen verhandelt.  Dodechin zu 1157.  Günther V, 452.  Otton. Fris. II, 31.  Wibaldi epist. 423., die wir in Apulien bekämpfen wollten, sind bereits entflohen: dagegen hat Mailand sein Haupt erhoben wider das römische Reich. Es sucht, unbekümmert um die Ehrfurcht welche Unterthanen selbst ihrem entfernten Herrscher schuldig sind, ganz Italien zu verwirren, ja seiner Herrschaft zu unterwerfen; es verachtet uns als feige und ausgeartet und möchte, um seinen Ruhm zu erhöhen, den Ruhm der Deutschen mit Füßen treten. Auf daß nun in unseren Tagen solch ein Frevel nicht gelinge und in Zukunft nie wieder versucht werde, müssen wir ihn mit der gesammten Macht des Reiches bekämpfen, und das faule Glied abschneiden, bevor der ganze Körper vom Übel ergriffen wird und verdirbt.«

Obgleich der Kaiser mit Recht die Beschleunigung eines zweiten Heerzuges nach Italien wünschte, konnte er doch aus manchen Gründen den Aufbruch nicht vor dem Sommer 1158 ansetzen, und mußte sich begnügen den Kanzler 85 {1158} Rainald, einen gebornen Grafen von Dassel, und den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach mit dem Befehle vorauszusenden: sie sollten alle irgend nöthigen Vorbereitungen treffen, seine Anhänger möglichst ermuthigen und ihre Zahl verstärken. – Jene beiden Männer, die einander an vornehmer Geburt, Jugend, Edelsinn, Ruhmbegierde, Thätigkeit und Ruhm glichen, unterschieden sich andererseits nicht minder auffallend. OttoRadev. I, 18.  Acerbus Morena 1117.  Camici zu 1162, S. 2 und.25. war groß und fest gebaut, von länglichem, braunem Gesichte und langen schwarzen Haaren: Rainald hingegen kleiner, zarter und blond. Jener neigte sich mit großer Leidenschaftlichkeit zu Krieg, Strenge und Gewalt: dieser erschien heiter, mittheilend, freundlich und dennoch von hohem Gemüth und jeder Ausdauer fähig. Den Vortheil seines Kaisers, dem er unbedingt ergeben war, wußte Rainald durch Redlichkeit, Vorsicht, BeredsamkeitRainald habe famam Ciceronis, sagt Caffari 279.  Northof catal. episcop., Kenntnisse und Scharfsinn nicht minder zu befördern, als Otto im Kampfe; und indem beide, der Geistliche wie der Ritter, eben in diesen Verschiedenheiten ihren eigentlichen Beruf festhielten, schienen sie, zu gemeiner Wirksamkeit auf kluge Weise verbunden, einen Inbegriff der trefflichsten Eigenschaften zu bilden. Sie wurden in Verona und den nächstbelegenen Städten mit großen Ehren aufgenommen, gingen dann über Mantua nach Cremona, hielten hier eine große Tagsatzung, wo die Erzbischöfe von Mailand und RavennaGünther VII, 50-70. nebst funfzehn Bischöfen und vielen Abgeordneten von Städten erschienen, wandten sich hierauf durch Romagniola nach Ravenna, endlich über Rimini nach Ankona. Hier verweilten damals noch immer Gesandte des Kaisers Emanuel, dem Vorgeben nach, um Söldner gegen König Wilhelm von Sicilien zu werben; in der That aber, um die italischen Seestädte mit Gewalt oder mit List unter 86 {1158} die Herrschaft der Byzantiner zu bringen. Auch begegneten Rainald und Otto in der Gegend von Ravenna bereits vielen Vornehmen des Landes, welche jene Griechen besucht und freundschaftliche Gespräche mit ihnen geführt hatten; wozu sie nach Ottos Meinung nur Liebe des Geldes oder Nichtachtung der Deutschen konnte bewogen haben. Deshalb eilte er ihnen, ohne Furcht vor ihrer zahlreichen Begleitung, mit gezogenem Schwerte entgegen und drohte, die Edelsten und Angesehensten gefangen mit sich zu führen. Alle erschraken so sehr, daß sie nicht zu widerstehen wagten, ihr Benehmen entschuldigten und Summen für ihre Lösung zahlten; die Griechen aber wurden in Ankona eingeschlossen, und ohne Rücksicht auf Geschenke und vielfache Ausreden, endlich gezwungen die Stadt zu verlassen. Geißeln, welche man wegen zweifelhafter Gesinnungen aus Ravenna mitgenommen hatte, erhielten ihre Freiheit wiederRadevic. I, 19, 20.  Colon. chron. 937., sobald die Bürger dem Kaiser huldigten, und der Eid, welchen sie und alle durch Otto und Rainald mit Güte oder Gewalt für den Kaiser gewonnene Italiener ablegten, lautete: »ich schwöre treu zu seyn meinem Herrn und Kaiser Friedrich gegen jedermann; ich werde ihm beistehen, daß seiner Krone und seinen Rechten in Italien kein Eintrag geschehe, und er das etwa Entrissene wieder erlange. Ich will weder durch Rath noch That etwas gegen seinen Leib, Leben, Freiheit und Ehre unternehmen; ich will jeden von ihm selbst, oder durch Schreiben, oder durch Gesandte ertheilten Befehl treu befolgen, und dabei ohne Falsch und Hinterlist verfahren.«

Im Julius des Jahres 1158 drangen die Heeresabtheilungen der Deutschen von allen Seiten nach ItalienRadev. I, 25.  Günther VII, 220.  Alberic. zu 1157.  Colon. chron. S. Pantal. zu 1158.  Dodechin und Robert. de Monte zu 1159.: die erste unter den Herzögen von Österreich und Kärnthen 87 {1158} über Canale und Friaul; die zweite unter Herzog Friedrich, dem Neffen des Kaisers, über Chiavenna und den Comersee; die dritte unter Herzog Bertold von Zäringen über den großen Bernhard; der Kaiser endlich zog an der Spitze der vierten Abtheilung über Trident. Mit ihm waren die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, die Bischöfe von Eichstädt, Prag, Verden, Würzburg, der König von Böhmen, der Pfalzgraf Konrad und überhaupt die meisten deutschen Fürsten. Trotz dieser Übermacht (denn auch Heinrich der Löwe nebst seinem Vetter Welf folgten bald nachNach dem Monach. Weingart. 792, folgte Heinrich erst Pfingsten 1159 mit 1200; Welf um Michaelis mit 300 Geharnischten – Chron. mont. sereni zu 1159. überfielen und plünderten die Brescianer, im Vertrauen auf die starken Befestigungen ihrer Stadt, einige Böhmen: allein die Verwüstung der umliegenden Gegend und der hiedurch entstehende Mangel an Lebensmitteln zwang die Bürger bald zur Unterwerfung und zur Zahlung von großen Summen. – Schon hier machte Friedrich die Erfahrung, wie schwer es sey in einem, aus so vielen Theilen zusammengesetzten Heere Ordnung zu erhalten, und erließ deshalb Kriegsgesetze von solcher StrengeRadev. I, 26., daß selbst die, in großer Zahl sich einfindenden italienischen Lehnsmannen überzeugt wurden, er komme keineswegs um Unordnung und Willkür zu dulden oder zu begünstigen. Manche von ihnen und noch mehr die Deutschen waren aber bange: der Zug möge nicht allein Mailand und den widerspenstigen Lombarden, sondern auch dem fernen Apulien gelten; weshalb der Kaiser öffentlich zu den Versammelten über die Ursachen und den Zweck der Unternehmung sprach, das Verfahren Mailands darlegte und dann hinzufügteRadev. I, 27.: »die Übel des Krieges sind mir nur zu bekannt, und ich beginne ihn nicht aus Herrschsucht, Übermuth oder Grausamkeit; sondern um noch ärgeres Übel abzuhalten, um Ordnung, Zucht und Frieden 88 {1158} herzustellen. Wollten wir die, uns von Mailand angethane Schmach ruhig erdulden, so würde man nicht unsere Milde und Geduld loben dürfen, sondern unsere Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit tadeln müssen. Wir erweisen kein Unrecht, sondern wehren es nur von uns ab, und euch gebührt es mich bei diesem Bemühen aus allen Kräften zu unterstützen. Jede Beleidigung eures Kaisers trifft auch euch, und was man mir entreißt, wird euch mit entrissen; daher werdet ihr, ich weiß es, lieber jede Anstrengung übernehmen, jede Entbehrung erdulden, als daß diese empörerische Stadt sich rühmen dürfe: sie habe uns entartet gefunden und ungestraft der Rechte und Ehren beraubt, welche unsere großen Vorfahren muthig erwarben und siegreich behaupteten!«

Diese Worte beruhigten und befeuerten die Gemüther, und schon war man im Begriff gegen Mailand feindlich zu verfahren, als die gegenwärtigen Rechtsgelehrten vorstellten: man dürfe eine solche Stadt nicht ungehört verdammen. – Um diese Zeit wo sehr viel gegen, weniger für die Mailänder gesprochen wurde, befragte man den Markgrafen Malaspina, dessen Anhänglichkeit an die Städte ihn verdächtig machte, an der kaiserlichen Tafel um seine Meinung. Vor ihm stand eine, durch passenden Deckel wohl verschlossene Torte und er antwortete, zum Kaiser gewendet, mit kluger ZweideutigkeitChronic. Mscr. 1707.: »so lange der Deckel auf der Torte liegt, kannst du nicht davon essen: Mailand aber ist Italiens Deckel und Schutz.«

Mittlerweile erschienen auf ergangene Vorladung mailändische Gesandte, und suchten durch künstliche Auslegung der Gesetze, geschickte Umdeutung des Herkommens, Entwickelung der angeblich dringenden Verhältnisse u. s. w. das Verfahren ihrer Vaterstadt zu rechtfertigen; sie hofften die Fürsten durch Schmeichelreden, den Kaiser durch Versprechungen zu gewinnen. Aber alle ihre Rechtfertigungen 89 {1158} erschienen vor dem strengen Richter ungenügend, ihre Versprechen mehr ehrenrührig als annehmbar, ihre Reue ohne Aufrichtigkeit und Buße: – deshalb wurde die Acht mir allgemeiner Beistimmung über Mailand ausgesprochen.

Rasch zogen nunmehr die Deutschen zur Adda, fanden sie aber angeschwollen und die Brücke bei Cassano stark von den Mailändern besetztColon. chron.  Bohem. chron. c. 65.  Günther VII, 415.  Otto Morena 1007.. Um den Übergang hier nicht mit großen Aufopferungen erzwingen zu müssen, suchten und fanden die BöhmenNach dem Chron. Bohem. in Ludwig reliq. IV, 276 ging Odolemus filius Zris de Chypse zuerst über die Adda, und wurde dafür von Wladislav zum Ritter geschlagen. – Die Nachricht des Textes im Chron. S. Pantal. Würdtw. mit Hülfe eines gefangenen Bauern eine Fuhrt bei Corneliano. Während sie von hier aus den Mailändern in den Rücken kamen, setzte auch der Kaiser auf einem in Eil zusammengebundenen Floß über den StromTrabe quadam lignea, hastis hinc inde sustentatis, fluvium transivit.  Burchardi vita 43.  Ursperg. chr. 298.. Nach tapferem Kampfe wichen die Mailänder und würden noch weit größeren Verlust erlitten haben, wenn nicht die Brücke von Cassano jetzt, beim Hinüberziehen des kaiserlichen Heeres, gebrochen und dadurch großer Aufenthalt und Schaden entstanden wäre.

Als nun in Mailand fast gleichzeitig die Nachrichten eintrafen von der ausgesprochenen Acht, dem Übergange der Deutschen über die Adda, der Eroberung des festen Trezzo, der feierlichen Gründung von Neulodi und der Ankunft großer Verstärkungen aus Pavia und Cremona: da erschraken die, zeither in ihrer willkürlich unabhängigen Lebensweise UnbesorgtenRadev. I, 28. gar sehr vor den nothwendigen Übeln des Krieges; andere, die ihr Vermögen durchgebracht hatten, wünschten Neuerungen; noch andere hofften in der Noth größere persönliche Bedeutung zu erhalten und auf Kosten 90 {1158} des Staates zu gewinnen; die Tüchtigsten endlich wurden durch die Gefahr zum Heldenmuthe gestählt und waren auf alles Leiden gefaßt. Sie hatten an Friedrichs erstem Auftreten in Italien richtig erkannt, was von ihm für die Zukunft zu besorgen sey, und deshalb, trotz aller Widersprüche von Gleichgültigen, Unbesorgten, Geizigen und Lässigen durchgesetzt: daß unter Leitung des geschickten Baumeisters GuintellinoVicende 6-8.  Antichità Longob. Milan. II, Diss. 11. die Mauern erweitert und verstärkt und die Gräben vertieft wurden. Dieser neuen, gewaltigen, durch die größte Anstrengung vollendeten Befestigung konnten sie allerdings sehr vertrauen; doch beschloß man (damit der Vorwurf ausbleibe, es sey etwas zur Abwendung der nahenden Gefahr Dienliches versäumt worden) nochmals Gesandte an den Kaiser zu schicken. Sie kamen am vierten August in dessen Lager bei Lodi an, wo der Jammer verjagter Bürger und der Anblick wilder vorsätzlicher Zerstörung, selbst Unempfindliche wider Mailand einnehmen mußte. Auch erhielten die Gesandten durch den Erzbischof Anselmus von Ravenna nur folgenden Bescheid: »eure Worte sind zwar süß und demüthig, aber ihr tragt den Fuchs im Busen. Ihr habt Gottes Kirchen und des Kaisers Städte zerstörtVincent. Prag. 49.  Pulkava 173., und mit dem Maaße, mit dem ihr messet, soll euch wieder gemessen werden.« – Am nächsten Tage erhöhte indeß ein glückliches Ereigniß den Muth der bedrohten Mailänder.

Graf Ekbert von ButenEkbert Graf von Neuburg und Formbach.  Sprenger Gesch. von Banz, 209.  Cognatus imperatoris.  Vincent. Prag. 54.  Orig. guelf. II, praef. 15.. – Comes Butinensis an der Gränze von Österreich und Steiermark, sagt die Edit. Blas. von Otto S. Blas.Comes Austriae genannt, sagt S. Pantal. Chron. Würdtw. – Es ist Pitten an der ungerischen Gränze, in der Nibelungen-Klage Püten genannt. Anmerk. von Hagens., so vornehm von Geschlecht als tapfer, wagte sich mit mehren Edeln und etwa tausend 91 {1158} Begleitern in die Nähe von Mailand. Aber die Unkunde der Gegend, die Überzahl der unerwartet hervordringenden Feinde, die einbrechende Nacht zogen ihnen, aller Tapferkeit ungeachtet, eine schwere Niederlage zu, und Ekbert ward entweder durch die Lanze eines mailändischen Jünglings getödtet, oder, wie andere erzählen, gefangen und mit grausamen Martern umgebracht. Noch lange nachher sang man in den deutschen Städten Klaglieder über sein bitteres Schicksal. – Als Friedrich von diesen Unfällen hörte, zürnte er sehr und äußerte: »mit Überlegung und Klugheit entwerfen die Mailänder ihre Plane, darum begünstigt sie das Glück: die Deutschen dagegen, ob ihrer Zucht und Folgsamkeit sonst unwiderstehlich, gehen unbedachtsam und vereinzelt ins Verderben. Es giebt keine größere Schuld als wider den Willen des Feldherrn zu kämpfen, und selbst ein Sieg, wenn so gewonnen, ist schändlichOmnium pessimum est, praesente imperatore sine rectore dimicare; cum etiam vincere sine praecepto ducis, infamia est.  Radev. I, 31.  Günther VII, 480.  Colon. chron. 937.; deshalb soll die Übertreter der Gesetze sogleich die gebührende Strafe treffen.« Kaum konnten die Fürbitten vieler Fürsten, welche an den raschen Eifer junger Krieger und an die bisher nie täuschende Hoffnung günstigen Erfolges erinnerten, für diesmal den Kaiser zur Nachsicht bewegen.

Am nächsten Tage (es war der sechste August 1158Daß dies die richtige Angabe sey, beweiset Giulini 93.) erreichte das Heer die Gegend von Mailand. Es zählte, der Angabe nach, 15,000 Reiter und bis 100,000 FußgängerJohann de Mussis. Ein näheres Verzeichniß der Fürsten und Prälaten hat Vincent. Prag. 37., worunter sich auch Hülfsmannschaft befand aus Verona, Brescia, Cremona, Vicenza, Pavia, Novara, Asti, Vercelli, Como, Reggio u. s. w. Die Lagermeister eröffneten den wohl geordneten Zug; ihnen zunächst folgten die Träger der kaiserlichen Adler, rings umgeben von kriegerischer 92 {1158} MusikCarmine belligero, longe sonantibus hymnis.  Günther VII, 516. – Der Kaiser lagerte bei der Kirche der Templer zwischen der porta Tosa und Romana.  Vicende 17., welcher das Heer mit lautem Gesange beistimmte; hierauf der schönste Theil der Mannschaft; dann das Gepäck und die Kriegswerkzeuge; endlich die übrigen Söldner. Schweigend, aber von den mannigfaltigsten, widersprechendsten Gefühlen ergriffen, betrachteten die Mailänder von der Mauer herab den Zug ihrer Feinde, und störten sie nicht, als sie ein Lager aufschlugen und zur eigenen Sicherung mit Damm, Graben und Pfahlwerk umgaben. Der Kaiser nämlich hatte, in Rücksicht der starken Befestigung Mailands, beschlossen die Stadt nicht sowohl durch heftige, viele Menschen kostende Angriffe, als vielmehr durch eine langwierige, Hungersnoth erzeugende Einschließung zu erobern. Die ersten Tage verflossen ohne ein erhebliches Ereigniß; sobald aber die Mailänder des Heeres Vertheilung genau beobachtet und gewahrt hatten, daß Pfalzgraf Konrad und Herzog Friedrich von Schwaben (beide noch minder erfahrne Jünglinge) am äußersten Ende des Lagers und von den Übrigen getrennt standen: so überfielen sie die Vereinzelten in dunkeler Nacht. Bevor diese, aus dem Schlafe aufgeschreckt, sich ordnen und rüsten konnten, entstand die höchste Verwirrung und erst als der König von Böhmen, das furchtbare Geschrei hörend, herbeieilte und den mailändischen Fahnenträger tödteteBohem. chron. c. 55.  Radev. I, 30., zogen sich diese, jedoch nicht ohne tapferen Widerstand und nur um deswillen zurück, weil sie irrig wähnten, das ganze Heer nahe zur Unterstützung der Angegriffenen. Diesen Unfall zu vergelten, schlich sich Otto von Wittelsbach mit seinen beiden Brüdern und anderen Soldaten in der Nacht bis an eins der mailändischen Thore und steckte einige hölzerne Werke in Brand, konnte aber, wegen des heftigen Widerstandes der Belagerten, keinen wesentlichen Vortheil gewinnen. Empfindlicher war es für 93 {1158} diese, als in einem andern Gefechte mit Herzog Heinrich von Österreich einer ihrer Führer, Namens Statius, umkam, den sie so sehr verehrten, daß ein Gerücht entstand, sie wollten ihn zu ihrem Könige erwählen. Itzt lösten sie seinen Leichnam für große Summen und gegen Freilassung einiger Gefangenen, und begruben ihn mit der höchsten Pracht. – Auf diese und ähnliche Weise wechselte das Glück; und zwar nicht ohne großen Verlust an Menschen, weil jeder Einzelne, der sich kühn hervorwagte, von den Scharfschützen beider Theile erlegt wurde. Selbst Zweikämpfe fanden statt: so nahte z. B. ein ligurischer Ritter dem Lager des Kaisers, mit ungemeiner Kunst sein Streitroß lenkend und tummelnd und kühn jeden Feind herausfordernd. Da eilte ihm Graf Albert von Andechs und TirolGünther VII, 680.  Adlzreiter annal. 570.  v. Hormayr Werke II, 53. auf einem kleinen Pferde entgegen, ohne Helm, Beinschienen und Brustharnisch, nur mit Schild und Lanze bewaffnet; er stürzte den Stolzen zu Boden, ließ ihm aber Leben und Waffen und kehrte ohne Ruhmredigkeit zu seinen Genossen zurück.

Viel schien von dem Besitze eines großen, einzeln stehenden, die Gegend beherrschenden Thurmes abzuhangen, welchen, der Sage nach, Römer zum Andenken der Eroberung von Mailand erbaut hatten. So fest war noch jetzt das Werk und die gewaltigen Steine so wohl in einander gepaßt, daß man nirgends Fugen entdecken konnte, und alles wider ihn gerichtete Geschütz keine Wirkung hervorbrachteGünther VIII, 30.  Radulph. Mediol. 1181.  Otto Morena 1013.  Er stand nahe bei der Kirche des heiligen Nazarius.  Giulini 109.  Antichità Longob. Milanesi I, 200.. Da tödtete man allmählich durch Scharfschützen jeden von der Besatzung, welcher über die Zinnen hervorzuschauen wagte, bis endlich die geringe Zahl der noch Lebenden sich zur Übergabe verstehen mußte. Aber auch dieser Gewinn blieb unentscheidend: denn als die Deutschen 94 {1158} Kriegszeug auf den Thurm hinauszogen und von hier aus die Stadt beschossen, wurden sie von den Mailändern durch noch kräftigere Gegenmittel wiederum vertrieben und brachten nur die niederschlagende Kunde mit hinab: sie hätten auf dem Stadtmarkte noch über tausend Säcke Getreide zum Verkaufe ausbieten sehen. Hiebei waltete aber eine List ob: jene Säcke waren mit Sand angefülltAnton. Astens. III, 1037., und der Wahrheit nach wuchs der Mangel in Mailand von Tage zu Tage: theils, weil der Bedarf durch die große Zahl der, in die Stadt geflüchteten Landleute sehr zugenommen hatte; theils, weil die Zufuhr allmählich ganz abgeschnitten und die Gegend ringsum ausgeplündert wurde. Vor allen thätig zeigten sich in dieser Hinsicht die Cremoneser und Pavienser: sie zerstörten die Weinberge und Ölpflanzungen bis auf den Grund, sengten und brannten und tödteten grausam alle mailändischen GefangenenAuch die Böhmen raubten viele Jungfrauen, welche der Bischof Daniel von Prag theils mit Bitten, theils für Geld befreite und zurückschickte.  Vincent. Pragens. 58., unbekümmert daß den ihrigen hiedurch ein gleiches Schicksal bereitet werde.

Schon damals hatten sich also die Verhältnisse von Italienern zu Italienern so gestaltet, daß sie keinen mittleren Zustand kannten oder duldeten: auf einer Seite zeigt sich die treuste, ausdauerndste Freundschaft, auf der anderen gränzenloser, bis zur Wuth gesteigerter Haß.

Mittlerweile beugte GeldmangelUm diese Zeit fand eine Münzherabsetzung und Ausprägung geringhaltiger Terzoli in Mailand statt.  Vicende 37., Hungersnoth und Krankheit allmählich den Muth der Belagerten so sehr, daß mehre schon an Flucht oder Übergabe dachten und nur die Eifrigsten, nach wie vor, den rühmlichen Tod für das Vaterland anpriesen. Noch war der maliändische Freistaat zu jung und die Erinnerung an die so lange ertragene Abhängigkeit zu neu, noch stimmten die Einrichtungen nicht zu einem Ganzen und überhaupt fehlte jene Haltung, 95 {1158} welche auch die tüchtigsten Naturen erst durch eine umfassende durchgreifende Gesetzgebung erlangen. Unter diesen Umständen trat in Mailand Graf Guido von Blandrate auf, klug und gemäßigt, dem Kaiser werth, dem Volke unverdächtig, mithin geeignet Vermittler zwischen beiden zu werden. Er sprachRedevic. I, 40.: »ich habe bisher getreu alle Anstrengungen mit euch getheilt, alle Widerwärtigkeiten mit euch getragen, und finde mich durch eure Gunst und euren Dank mehr belohnt, als ich verdiene. Dieser Gunst und der Reinheit meines Gewissens vertrauend, rede ich zu euch, wenn auch mein von Haß, Freundschaft oder Mitleid unbestochenes Urtheil nicht dem Sinne jedes Einzelnen gemäß seyn sollte. Euer Streben nach Herrschaft war groß und löblich: allein man kann sich über die, daher entstehende feindliche Gesinnung Lodis und Cremonas nicht wundern, und muß es natürlich finden, wenn das mächtige Volk der Deutschen seinen alten Einfluß ungeschwächt erhalten will. Euer Streben nach Freiheit galt ein unschätzbares Gut; allein dies Streben widerspricht der Vernunft und ächter Größe, sobald es unausbleiblich und nothwendig den Untergang nach sich zieht. Der Macht zu weichen ist ein Gesetz sogar für unvernünftige Thiere, wie viel mehr für den Menschen; denn die Macht kommt von Gott und ihr widerstehen, heißt sich Gott widersetzen. Deshalb wichen unsere Väter, obgleich ausgezeichnet durch Kraft und Muth, Karl dem Großen, Otto dem Ersten, und so müssen auch wir, der Krankheiten, des Mangels, der Weiber und Kinder eingedenk, itzt Rettung suchen, ehe des Kaisers Milde aus Zorn über unsere Hartnäckigkeit ganz verschwindet. Überdies entsteht ja hiedurch kein neuer Zustand, sondern es befestigt sich nur der alte; welchen abzuändern unter anderen Umständen keineswegs ein unnatürliches Bemühen war, den bei der jetzigen Lage ferner zu dulden aber auch, wie die andern italienischen Städte beweisen, kein übermäßiges Unglück ist. Wenn 96 {1158} ein Kaiser wie Friedrich regiert, kann Mailand sich nur durch Nachgiebigkeit erhalten und heben, und einem großen Fürsten zu gehorsamen, erscheint für tüchtige Bürger keineswegs unwürdig. Dies ist meine, aus der Lage der Dinge, nicht aus Feigheit hervorgehende Ansicht; wie aber auch euer Beschluß ausfalle, ich werde mich ihm gern unterwerfen und ihn treulich ausführen helfen.«

Großer Zwiespalt entstand, nachdem Guido seine Rede geendet hatte: mit Worten und Zeichen stimmte man dafür und dagegen, beschloß aber endlich Gesandte an den Kaiser abzuschicken und durch Vermittelung der Fürsten, besonders des Königs von Böhmen und des Herzogs von Österreich, den Frieden zu suchen. Er kam am dritten September unter folgenden Bedingungen zu StandeDumont corps diplom. U, 85, Urk. 140.  Caffari 269.  Colon. chron. 938.  Antichità Long. Milan. II, 21.: »Como und Lodi werden hergestellt, bleiben unabhängig und frei von allen Abgaben; sie sind nur der geistlichen Gerichtsbarkeit des Erzbischofes von Mailand unterworfen. Alle Mailänder von vierzehn bis siebzig Jahren, schwören dem Kaiser Treue. Die Stadt zahlt 9000 Mark Silber zur Genugthuung für das dem Kaiser, der Kaiserinn und den Ständen zugefügte Unrecht; sie stellt 300 Geißeln aus den Angesehensten nach Wahl des Erzbischofes von Mailand, der Grafen von Blandrate und Montferrat und, wenn es dem Kaiser gut dünkt, nach Wahl dreier zu vereidigender Bürgermeister. Bis funfzig Geißeln können über die Alpen mitgenommen werden; die andern bleiben in Italien sicheren Männern anvertraut, erhalten aber ihre Freiheit wieder, sobald die Stadt alle Bedingungen erfüllt hat. Drei deutsche Fürsten geben ihre rechte Hand darauf, daß wegen der über die Alpen gehenden Geißeln, das Gleiche geschehe. Die jetzigen Bürgermeister bleiben bis zum ersten Februar in ihrer Würde; künftig werden sie vom Volke gewählt und vom Kaiser bestätigt, nachdem sie ihm entweder alle, oder, sofern er in 97 {1158} Deutschland abwesend ist, zwei von ihnen persönlich geschworen haben. Die anderen leisten dann den Eid vor versammelter Gemeine, oder in die Hände kaiserlicher Bevollmächtigten, welche in dem zu erbauenden kaiserlichen Palaste wohnen und an sie gebrachte Beschwerden entscheiden. Die Mailänder übergeben alle Gefangene dem Könige von Böhmen, welcher jedoch nebst anderen Fürsten dafür steht, daß sie zurückkehren, im Fall der Kaiser nicht den Frieden zwischen Mailand und allen seinen Feinden bewirkt. Zu der aufgelegten Steuer darf Mailand seine Verbündete, nicht aber Como, Lodi oder andere Städte beitragen lassen, welche dem Kaiser bereits huldigten. Alle Hoheitsrechte, Münze, Zölle, Geleit und ähnliche Gerechtigkeiten fallen an diesen zurück. Die Stadt wird von der Acht freigesprochen, milde behandelt und das kaiserliche Heer verläßt, nach der Geißelstellung und nach wechselseitiger Rückgabe der Gefangenen, das mailändische Gebiet.«

Sobald diese Bedingungen von beiden Theilen angenommen waren, entfernte sich Friedrich eine ansehnliche Strecke von der Stadt und die Mailänder zogen am achten September 1158 durch das zu beiden Seiten aufgestellte Heer hindurchS. Pantal. chron. Würdtw.: voran der Erzbischof Obertus von Pirovano, die Stiftsherren, die Geistlichkeit und die Mönche, mit Kreuzen, Rauchfässern und anderm kirchlichen Schmucke; hierauf zwölf Bürgermeister, der Rath und die Edeln, barfuß und die bloßen Schwerter am Nacken hangend; endlich das Volk mit Stricken um den Hals, bleich, abgezehrt und in Lumpen gehüllt. Alle fielen dem auf seinem Throne prangenden Kaiser zu Füßen, und zuvörderst bat Obertus von Pirovano um Milde für Mailand: er erhielt den Friedenskuß und einen Platz unter den übrigen Erzbischöfen. Alsdann sprach der Bürgermeister Obertus ab Orto: »wir haben gesündigt, wir haben unrecht gehandelt, wir bitten um Verzeihung, wir legen unsere Schwerter vor euch nieder 98 {1158} und unser Leben in eure HandVincent. Pragens. 59.!« – Solche Demüthigung nach solcher Größe, erweckte allgemeines Mitleid; Friedrich aber gab, nachdem er diese und ähnliche Entschuldigungen angehört hatte, zur Antwort: »es freut mich daß die Mailänder endlich Frieden dem Kriege vorziehen, und mich der Nothwendigkeit überheben ihnen Böses zu erzeigen. Wie viel Unglück wäre verhütet, wie viel Gutes gestiftet worden, wenn die Bürger von Anfang an dies bessere Theil erwählt hätten! Ich herrsche lieber über Willige als über Gezwungene, ich belohne lieber als ich strafe: aber vergessen soll niemand, daß ich eher durch Gehorsam als durch Krieg zu besiegen bin, und daß zwar jeder Fürwitzige eine Fehde beginnen kann, der Ausgang aber von denen abhängt, welche die Tüchtigsten sind. Im Vertrauen jedoch, die Stadt werde künftig auf dem rechten Wege beharren, soll sie nicht mehr meine Macht und Strenge, sondern nur meine Huld und Milde erfahren.«

Die Acht ward itzt aufgehobenRadulph. Mediol. 1181. und freundlich ergriff der Kaiser die Vornehmsten bei der Hand, küßte und tröstete sie. Da kehrte Freude in die Herzen der Mailänder zurück: denn die meisten verglichen die Gegenwart nur mit dem letzten schrecklichen Zustande. Einige aber überwältigte die Wehmuth oder der Zorn, als sie die kaiserliche Fahne von der Hauptkirche wehen sahen und sie fühlten: daß nur eine Tugend ihnen gelassen oder vorgeschrieben sey, – der Gehorsam.

Friedrich, welcher den kriegerischen Hauptzweck seines Zuges erreicht hatte, entließ nunmehr viele Mannschaft in ihre Heimath, säuberte den Rest des Heeres nach alter Weise von unnützem Gesindel, ging in Monza als König von Italien gekrönt einherRadev. I, 45.  Günther VIII, 300-360. Nach einigen ließ sich Friedrich in Monza zum König von Italien krönen, nach anderen ging er nur gekrönt einher, wofür sich Muratori in den Annalen erklärt., zwang Verona und Ferrara, 99 {1158} die über einige Punkte Schwierigkeiten erhoben, zum Gehorsam, und berief endlich einen großen Reichstag nach den ronkalischen Feldern, damit hier durch eine vollständige Gesetzgebung Ruhe und Frieden in Italien dauernd hergestellt, und die Rechte und Pflichten des Herrschers und der Untergebenen genau bestimmt würden.

Auf der Ebene steckte man ein großes Lager ab, in dessen Mitte sich des Kaisers prachtvolles Zelt, einem Tempel nicht unähnlich, erhob. Die Zelte der Fürsten standen diesem näher oder ferner, nach Maaßgabe ihrer Würde; dann folgten alle übrigen in geraden Reihen, und Straßen führten von einem Eingange zum andern; das Ganze glich einer schnell entstandenen wunderbaren StadtGünther VIII, 455-520.  Radev. II, 3-4.  Otto Morena 1017.  Otto S. Blas. 872.  Der Reichstag zu Martini 1158, Giulini 169.. Es theilte sich in zwei ähnliche, durch eine Brücke verbundene Haupttheile: denn die Deutschen lagerten auf der einen, die Italiener auf der anderen Seite des Po. Den Künstlern, Kaufleuten, Lebensmittel Herbeiführenden u. s. w., welche sich in großer Anzahl einfanden, wurde nahe bei dem Hauptlager ein besonderes angewiesen, und sie bildeten gleichsam die Vorstadt.

Sobald sich alle Fürsten, Prälaten, Grafen, Barone, Obrigkeiten und Abgeordneten der Städte im November 1158 versammelt hatten, betrat der Kaiser eine erhöhte Stelle und sprach zu den Versammelten: »mit der Herrschaft, welche wir durch Gottes Gnade erhalten haben, ist uns die Pflicht aufgelegt die Guten zu erheben, die Bösen aber in Zaum zu halten und zu strafen. Nachdem das letzte durch den glücklich beendeten Krieg geschehen ist, erfordern die Geschäfte des Friedens unsere ganze Aufmerksamkeit: denn nach Gesetzen zu regieren und das Vaterland mit den Waffen zu 100 {1158} beschützenRadev II, 3., erscheint gleich preiswürdig und eines bedarf nothwendig des andern. Nun ist zwar der Kaiser insofern über die Gesetze erhaben, als sie von ihm ihren Ursprung nehmen; ich ziehe jedoch eine Regierung, wo einem jeden sein Recht und seine Freiheit unangetastet verbleibt, bei weitem einer solchen vor, wo der König sich ungestraft alles erlauben darf, und dadurch seinen erhabenen Beruf in eine willkürliche Tyrannei verwandelt. Das Glück hat meine Gesinnungen nicht verändert, und ich gedenke das Reich in unverminderter Hoheit nach den Grundsätzen zu erhalten, nach welchen es gegründet ward. Durch unsere Unterstützung, ihr wißt es, hat sich das bürgerliche Recht trefflich ausgebildet, es ist unbestritten und durch die tägliche Anwendung bestätigt; das öffentliche Recht zeigt sich dagegen verdunkelt und bedarf einer neuen Feststellung. Ehe jedoch über meine oder eure Rechte etwas niedergeschrieben, etwas feierlich anerkannt wird, müssen wir alle vorsichtig und gemeinsam prüfen: was ehrbar, gerecht, möglich, nöthig, nützlich, dem Orte und der Zeit angemessen sey; denn sobald sie einmal gegeben sind, soll nicht mehr gesprochen werden über die Gesetze, sondern nach den Gesetzen!«

Der Erzbischof von Mailand antwortete in einer langen schwülstigen Rede, deren wesentlicher Inhalt dahin lautete: »die Freude dieses Tages sey groß, weil nach so vielen Herrschern, ja Tyrannen, endlich ein Fürst auftrete der dem Rechte sein Recht einräume. Da aber das Volk ihm alle Macht und Herrschaft übertragen habe, so gelte sein Wille als Gesetz; da ihm die Last obliege Vormund und Schutz eines jeden zu seyn, so stehe ihm auch der Vortheil zu alle unbedingt zu lenken durch seine Gesetze.«

Die Deutschen freuten sich des Wiederscheins, der von dem Glanze kaiserlicher Macht auf sie zurückfiel; die meisten Italiener staunten über die Gewandtheit und Kraft des jungen Kaisers und verehrten seine Klugheit; andere hingegen 101 {1158} bangten vor dem Ausgange und schalten des Erzbischofes Rede schmeichlerisch und alles Freiheitssinnes ermangelnd. Zur Entschuldigung desselben mochten aber manche Prälaten anführenDoch verloren auch die Bischöfe an mehren Orten einen Theil ihrer Einnahmen und Rechte.  Poggiali IV, 248.: daß die, von den Städten so oft willkürlich behandelte Geistlichkeit wünschen müsse, nicht deren Macht, sondern des Kaisers Einfluß erhöht zu sehen.

Am folgenden Tage saß Friedrich zu Gericht, wo, nach alter Weise, zuerst die Sachen der Armen, dann der Barone, endlich der Städte vorgenommen wurden. Hier trat nun aber eine solche Überzahl Klagender und Beklagter hervor, daß der Kaiser ausrief: »die Italiener nennen sich die Kundigsten der Gesetze, und sind doch ihre ärgsten Übertreter!« – Nur durch Anstellung mehrer Richter (die man jedoch zur Vermeidung von Parteilichkeit nicht aus dem Orte der Klagenden oder Beklagten erwählteDies ist (nach von Savignys richtiger Erklärung) der Sinn der Stelle im Radevicus, welche man irriger Weise auf allgemeine Anstellung fremder Podesta gedeutet hat.) ward es möglich die meisten dieser Beschwerden schnell zu entscheiden oder zu vergleichen.

Unterdeß hatte der Kaiser die vier größten Rechtsgelehrten ihrer Zeit, sämmtlich Doktoren aus Bologna, nämlich Bulgarus, Martinus JosiasHieher gehört das Geschichtchen, wonach der Kaiser fragte, ob er Herr der Welt sey, und Bulgarus antwortete: »nicht als Eigenthümer;« Martinus aber schlechthin: »ja.« Dafür schenkte Friedrich diesem ein Pferd und jener sprach: »amisi equum, quia dixi aequum, quod non fuit aequum.« Weil aber nur Otto Morena 1018 diese Geschichte erzählt, und sie in dem sonst vollständigern ambrosianischen Codex fehlt, so wird sie zweifelhaft, ob sie gleich bei den erneuten Ansichten über das Recht der Kaiser nach den Pandekten, an sich nicht unmöglich ist. Vergl. Memorie d'illustri Pisani I, 24.. Wahrscheinlicher wird die Anekdote von Heinrich VI und zwei anderen Rechtsgelehrten, Azo und Lothar, erzählt.  Tiraboschi letterat. III, 395, 397. IV, 245.  Sarti I, 1, 32. Jene Rechtslehrer wirkten von Friedrich I die bekannte Verfügung zum Besten der Universitäten und Studenten aus., Jakobus Hugotinus 102 {1158} und Hugo de Porta Ravennate an die Spitze derer gestellt, welche das öffentliche Recht untersuchen und neu begründen sollten; ihnen wurden jedoch, – weil sie fürchteten, daß jeder Unwille über das Festgesetzte sie allein treffen möchte –, aus den einzelnen lombardischen Städten achtundzwanzig Räthe zugesellt, unter welchen sich die berühmten mailändischen Bürgermeister Gherardus Niger und Obertus ab Orto befanden. Die von ihnen geprüften und entworfenen, dann bestätigten und von allen Fürsten, Prälaten, Grafen, Äbten, städtischen Abgeordneten u. a. feierlich beschwornen neuen Gesetze, betrafen hauptsächlich vier Gegenstände: die Rechtspflege, die Hoheitsrechte, die Lehne und den Landfrieden. Sie verordneten:

Erstens: der Kaiser setzt mit Beistimmung des Volkes in allen Städten die Podesta, Consuln und andere obrigkeitliche Personen; welche, als getreue und kluge Männer, sowohl die Ehre des Fürsten, als die Rechte der Bürger und des Vaterlandes gebührend erhalten sollen.

Zweitens: die Hoheitsrechte oder Regalien gebühren dem Kaiser. Zu denselben werden gezählt: HeerbannssteuerGünther VIII, 571.  Feudor II, 56, 57.  Murat. antiq. Ital. IV, 251.Arnamdiae übersetze ich mit Savigny Heerbannssteuer; die argentariae zogen sich wohl nicht bloß auf Silberbergwerke.  Savigny I, 173., Zölle, Hafen-, Fluß- und Brück-Gelder, Mühlen, Fischereien, Bergwerke, Salzquellen, Münzrecht, eröffnete und eingezogene Güter, Strafgelder, Vergebung der Herzogthümer und Grafschaften, Lieferungen zum Römerzuge, der sogenannte kapitolinische Zins u. s. w. Wer jedoch durch Urkunden, oder auf sonst glaubhafte Art beweiset, daß ihm eines oder das andere von den ehemaligen Kaisern oder Königen überlassen ist, wird im Besitze geschützt.

Drittens: alle Veräußerungen und Verpfändungen von Lehnen ohne Beistimmung und zum Nachtheile des 103 Lehnsherren sind ungültig. Versäumte Muthung oder versäumter Dienst, zieht den Verlust des Lehns nach sich. Nur kleinere Lehen darf man theilen, nicht aber Herzogthümer, Markgrafschaften und Grafschaften. In jedem Lehnseide werden die Pflichten gegen den Kaiser vorbehalten.

Viertens: niemand soll eigenmächtig Fehde erheben oder sich selbst Recht verschaffen, sondern dasselbe vor dem Richter suchenDumont II, 84, Urk. 138.  Günther VIII, 700.  Radev. II, 5.  Ursperg. chron. 299.. Diesem Gesetze nachzuleben schwören alle Hohen und Niederen die zwischen achtzehn und siebenzig Jahren alt sind, und erneuen alle fünf Jahre den Eid. Die Übertreter zahlen, nach Verhältniß ihrer Macht und ihres Reichthumes, der kaiserlichen Kammer eine Strafe von sechs bis hundert Pfund Goldes, leisten vollen Schadenersatz, und werden außerdem wegen etwanigen Raubes, Todschlages und dergl. peinlich verfolgt. Wenn aber kaiserliche Richter und bevollmächtigte Obrigkeiten den Friedensbruch nicht gehörig bestrafen, so leisten sie selbst den Schadensersatz, zahlen drei bis zehn Pfund Goldes, oder werden, wenn sie unvermögend sind, körperlich gezüchtigt und auf fünf Jahre wenigstens funfzig Meilen weit von ihrem Wohnorte verwiesen. Hehler, Theilnehmer und Beschützer von Friedensbrechern leiden dieselbe Strafe, und ein Eid, das Gemeinschädliche nicht zu entdecken oder über erlittenes Unrecht nicht zu klagen, ist ungültig. Einzelne oder Gemeinen dürfen, bei Strafe von einem Pfunde Goldes für jeden Theilnehmer, in keine Verschwörungen oder Verbindungen treten, und alle dabei etwa eingegangenen Bedingungen sind nichtig. Zu diesen weltlichen Strafen treten außerdem die kirchlichen hinzu, und wer von den Kirchen selbst etwas erpreßt, zahlt doppelten Ersatz.

In diesen Gesetzen sahen die kaiserlich Gesinnten (unter Hinweisung auf das römische Recht) nur die Herstellung alter unzweifelhafter Gerechtsame, eine zum Verhüten 104 {1158} gränzenloser Verwirrungen schlechthin nothwendige Erhöhung der königlichen Gewalt, die Beendigung wilder, rachsüchtiger Fehden, und die Unterwerfung des bisher ganz zuchtlosen Eigenwillens unter das Gesetz: – welches alles die Italiener nicht unbedingt leugnen konnten, aber in dem, durch harte ungewöhnliche Strafen aufgezwungenen Frieden auch die Vernichtung ihrer unabhängigen fast landesherrlichen Befugnisse, und in der Rücknahme der Hoheitsrechte einen Verlust alter, jährlich auf 30,000 Pfund Silbers abgeschätzter Einnahme bedauertenBünau 94.. Zwar schien man in Hinsicht der letzten den gesetzlichen Besitzstand zu achten: aber der Rechtstitel kaiserlicher Verleihungen, welchen die Deutschen allein anerkannten, reichte nicht weit, und die unter schwachen Herrschern eingetretene, eigenmächtige Rücknahme des, durch Eroberung ihnen einst Abgewonnenen, ja selbst die Verjährung wurde von den Lombarden wie ein Anrecht betrachtet, das wichtiger und gültiger sey, als die neue Berufung auf die alten Gesetze der römischen Kaiser. Sollte endlich die Anstellung aller obrigkeitlichen Personen vom Kaiser ausgehn, so bliebe dem Volke, in der sogenannten Beistimmung, nur eine leere Förmlichkeit; sollte er dagegen, wie andere deuteten, bloß den ersten Richter ernennenFend. II, 57, verglichen mit Radev. II, 5, 6.  Murat. antiq. Ital. IV, 68.  Giulini 173, 177., so ließe sich voraussehen, daß dieser mit den verwaltenden Bürgermeistern häufig in Zwiespalt gerathen würde, woraus Anmaaßung, Härte und Erbitterung beider Theile fast nothwendig hervorgehn müßten.

So die Ansichten und Stimmungen. Für den Augenblick hatte indeß Friedrich seinen Zweck erreicht, Ordnung und Gehorsam hergestellt, das italienische Reich wiederum begründet und den kaiserlichen Namen so verherrlicht, daß man ihn mit Karl dem Großen verglichFridericus pius et justus ab omnibus appellatus, et secundus post Carolum justitia et pietate est habitus.  Alberic. zu 1158.. Seine Blicke 105 {1158} richteten sich itzt weiter und zwar zuerst nach den beiden größten italienischen Handelsstädten, Venedig und Genua. Jenes hatte sich bei dem ersten Zuge Friedrichs zu den gewöhnlichen Lasten verstandenGünther II, 104.  Le Bret Geschichte von Venedig I, 322., und blieb jetzt, während der nicht unerwünschten Demüthigung Mailands ruhig, weil der Kaiser die mächtige Stadt aus guten Gründen höflich behandelte und ihren Rechten keinen Eintrag that. – Unfreundlicher gestalteten sich die Verhältnisse mit den Genuesern, welche eine Ausnahme von allen Lasten, Abgaben und den in Ronkalia vorgeschriebenen Entsagungen verlangten: erstens, weil sie vom Reiche nichts inne hätten, wodurch sie etwas erwerben, oder das Reich unterstützen könnten, vielmehr müßten sie nothgedrungen allein vom Handel leben und alle dahin gehörigen Begünstigungen in fremden Landen theuer erkaufen; zweitens, weil die südlichen Küsten christlicher Reiche von Rom bis Barcelona durch ihre Flotten mit großen Aufopferungen gegen Raub und Plünderung der Ungläubigen geschützt würden. – Während der, mit dem Kaiser hierüber in Bosko begonnenen Unterhandlungen, befestigten Männer und Weiber Genua Tag und Nacht hindurch auf alle Weise, sorgten für Geschütz, Kriegsbedürfnisse und Lebensmittel, und besetzten alle Schlösser und engen Pässe. Friedrich konnte keinen Krieg mit der, zur hartnäckigsten Vertheidigung entschlossenen Stadt, diese keinen Krieg mit dem mächtigen Kaiser wünschen, und so kam durch gegenseitige Mäßigung der Frieden auf folgende Bedingungen zu StandeCaffari 270.  Günther IX, 30.  Folieta zu 1158.:

Erstens: die Genueser leisten zwar den Lehnseid, werden aber, um der schon erwähnten Lasten willen, von der Pflicht ein Heer zu stellen und Zins zu zahlen, freigesprochen.

Zweitens: sie behalten ihre Güter und Besitzungen, unter welchem Rechtstitel sie dieselben auch besitzen mögen; 106 {1158} sofern sie nur, was der Kaiser nicht dulden würde, keinen Einzelnen deshalb gewaltsam beeinträchtigen.

Drittens: sie geben die Hoheitsrechte zurück, welche dem Kaiser erweislich zustehen und zahlen ihm und dem Reichshofe 1200 Mark Silbers, hauptsächlich als Strafe, weil sie allen Beistand zu Unternehmungen auf Sardinien und Korsika verweigerten.

Gleichzeitig mit dieser Angelegenheit beschäftigte den Kaiser die Erbschaft der Markgräfinn Mathilde. Nach der Ächtung Heinrich des Stolzen, welcher damit belehnt war, hatten Weltliche und Geistliche in Italien zugegriffen, und Konrad III konnte Ansprüche weder für sich geltend machen, noch mit Erfolg anderen übertragen. Bei dem Streite über Baiern zwischen Heinrich von Österreich, Heinrich dem Löwen und Welf VI war dem letzten, theils zur Ausgleichung aller Ansprüche, theils mit Bezug auf seinen Oheim Welf V, dem Gemahle Mathildens, jene Erbschaft zugesprochen, während der ersten Anwesenheit in Italien aber nur wenig in Besitz genommen worden. Jetzt ließ Friedrich den Umfang des Erbes genau ermitteln und übertrug dasselbe nochmals seinem mütterlichen Oheim Welf VIMonach. Weingart. 790., gegen Übernahme verhältnißmäßiger Leistungen. Natürlich aber mußte eine so strenge Ermittelung und Übertragung des Erbes, aus den schon früher angegebenen Gründen, viele Inhaber, vor allen den Papst verletzen. Hiezu kam daß kaiserliche Beamte im Kirchenstaate mit ungeschickter Härte die Hoheitsrechte und alten Reichseinnahmen auskundschafteten und Beschlag darauf legten; so wie Friedrichs täglich wachsende Übermacht dem Papste überhaupt höchst bedenklich erschien.

Dies neue Mißverhältniß zwischen beiden offenbarte sich zuerst, als Hadrian des Kaisers wiederholtes Gesuch: den Grafen Guido von Blandrate zu bestätigen, welcher mit allgemeinem Beifall und unter Beobachtung aller Formen zum Erzbischofe von Ravenna erwählt war, unter dem 107 {1158} Vorwande ablehnte, er könne sich von ihm, – Guido war Unterhelfer bei der römischen KircheSubdiaconus.  Radev. II, 15-30.  Günther IX, 115-320.  Baronius zu 1159, c. 15-18.  Sismondi II, 110. –, keineswegs trennen, sondern müsse ein so theures Haupt zu den höchsten Kirchenehren aufbewahren. Auf ähnliche Weise und aus anderen Gründen mißbilligte er die Wahl des mächtigen Kanzlers Rainald zum Erzbischofe von KölnRadev. II, 19.; endlich wurden um diese Zeit päpstliche Schreiben übergeben, welche in drohendem und entscheidendem Tone nicht allein über die Beiziehung der Geistlichen zu allgemeinen Lasten, sondern auch über Streitigkeiten sprachen, die zwischen Brescia und Bergamo wegen des Besitzes einiger Schlösser obwalteten. Und nicht minder verletzend als der Inhalt, erschien die Form: weil Hadrian jene Briefe gegen das Herkommen durch geringe Boten überschickte, seinen Namen voransetzte und von sich in der Mehrzahl sprach, während er den Kaiser in der einfachen anredete. Hierauf befahl dieser, man solle gegen den Papst dieselbe Form beobachten; was theils zu schärferen, theils in Hinsicht der Sachen zu gewichtigeren Erörterungen führte. So schrieb Hadrian an FriedrichUrsperg. chron. 302.  Append. ad Radev. 562.: »die heilige Schrift verspricht jedem langes Leben, der da Vater und Mutter ehrt, und droht jedem mit Verderben, welcher dies Gesetz übertritt; sie verkündet ferner: wer sich selbst erhöhet, soll erniedrigt werden. Deshalb, geliebter Sohn in dem Herrn, wundern wir uns sehr, daß du der römischen Kirche und dem heiligen Petrus nicht die gebührende Ehrfurcht erzeigst und nicht die geschworne Treue hältst; daß du in den, an uns gerichteten Schreiben deinen Namen vorsetzest und dir hiedurch den Tadel der Neuerung, wo nicht der Anmaaßung zuziehst; daß du von denen, die nur Kinder des Höchsten sind, nämlich den Bischöfen, Huldigung verlangst, ihre geweihten Hände in die 108 {1158} deinigen aufnimmst und den von uns abgesandten Kardinälen nicht bloß die Kirchen verschließest, sondern auch jede Aufnahme in den Städten verweigerst. Erwache also, erwache, damit du nicht nach fremdem Gute trachtend, das eigene verlierest!« Hierauf schrieb der Kaiser zurück: »Friedrich von Gottes Gnaden, Kaiser und Augustus der Römer wünscht dem Pontifex der römischen Kirche, Hadrian, daß er allein dem anhange, was Jesus zu thun und zu lehren begonnen. Das Gesetz der Gerechtigkeit spricht jedem das Seine zu, und wir wollen unsern, von ehrwürdigen Vorfahren überkommenen Rechten nichts vergeben. Welche Hoheitsrechte hatte die Kirche zur Zeit Konstantins? Erst durch dessen Milde ist ihr Friede und Freiheit erworben worden, und was auch die Päpste besitzen, sie haben es nur als Geschenk der Fürsten. Wenn wir in unseren Briefen den Namen des Kaisers dem des Papstes vorsetzen und euch das Gleiche in den eurigen verstatten; so thun wir nichts Ungewöhnliches, wie ihr wohl durch fleißiges Nachlesen älterer Schriften hättet wissen können. Warum wir von den Bischöfen, welche nur für Gottes Kinder gelten wollen, aber unsere Königsrechte an sich genommen haben, keine Lehnspflichten und Lehnseide fordern sollen, ist um so weniger zu begreifen, da euer und unser großer Lehrer (der nichts von einem menschlichen Könige empfing, sondern freigebig allen alle Güter verlieh) für sich und für Petrus dem Kaiser willig Zins entrichtete. Hiedurch gab er euch ein Beispiel zur Nachfolge und eine beherzigungswerthe Lehre in den Worten: lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig. Entweder mögen also jene allen Hoheitsrechten und Einnahmen entsagen, oder, wenn sie dies rathsamer finden, Gott geben was Gottes, und dem Kaiser was des Kaisers ist. Euren Kardinälen sind die Kirchen und die Städte verschlossen worden, weil wir erkannten, daß sie nicht PredigerNon praedicatores, sed praedatores; non pacis corroboratores, sed pecuniae raptores; non orbis reparatores, sed auri insatiabiles corrasores.  Radev. app. l. c. sondern Räuber waren, nicht 109 {1158} Friedensstifter sondern Geldschneider, nicht Verbesserer der Länder sondern unersättliche Zusammenscharrer des Goldes. Sobald römische Abgeordnete von der Art auftreten, wie ihrer die Kirche bedarf, Frieden bringend, das Vaterland erleuchtend, den Niedrigen sanftmüthig beistehend; so werden wir sie auf jede Weise unterstützen. Eurer Demuth, welche die Hüterinn der Tugenden ist, und eurer Milde zieht ihr keinen geringen Flecken zu, wenn ihr Fragen dieser Art, welche mit der Religion in so geringer Verbindung stehn, vor weltlichen Personen auf eine irrige Weise in Anregung bringt; und ihr gebt denen ein Ärgerniß, welche nach euren Worten, wie nach einem erfrischenden Abendregen, verlangen. Dies alles mußten wir euch schreiben, weil wir sahen, daß der Hochmuth, dies verabscheuungswürdige Thier, selbst bis zum Stuhle des heiligen Petrus hinankroch. Sorgt also lieber auf rechte Weise für den Frieden der Kirche, dann wird es euch immerdar wohl gehn.«

Diese, das Schreiben Hadrians noch überbietende Antwort ergab, daß dem Kaiser nichts abzutrotzen war, und eben so wenig ließ sich von der Gesinnung deutscher Bischöfe hoffen, welche dem Papste und den Kardinälen auf mehre Klagbriefe zurückschrieben: »sie möchten den Frieden um jeden Preis erhalten, nicht forschen, von wem der erste Funke gekommen, sondern wie der Brand zu löschen wäre und bedenken, daß Friedrich diejenigen liebe welche ihn liebten, aber noch nicht vollkommen gelernt habe seine Feinde zu lieben.« – Diesem Rathe gemäß erschienen die Kardinäle Oktavian und Wilhelm im Lager des Kaisers, rühmten die Friedensliebe der Kirche und legten hierauf folgende Bedingungen vor: der Kaiser schickt ohne Vorwissen des Papstes keine Gesandten nach Rom, weil daselbst alle obrigkeitliche Gewalt und alle Hoheitsrechte dem heiligen Petrus zustehn. Im Kirchenstaate werden nur 110 {1158} zur Zeit der Kaiserkrönung Lieferungen ausgeschrieben. Die italienischen Bischöfe leisten einen allgemeinen Eid der Treue, aber keinen Lehnseid, und sind nicht verpflichtet kaiserliche Abgeordnete in ihren Palästen aufzunehmen. Der römische Kirche wird mit allen dahin gehörigen Einnahmen übergeben: Ferrara, Massa, Fighervolo, alle Besitzungen der Markgräfinn Mathilde, das ganze Land von Aquapendente bis Rom, das Herzogthum Spoleto, die Inseln Sardinien und Korsika.

Sobald Friedrich diese unerwartet strengen Bedingungen hörte, stand er auf und sprach: »ob ich gleich weiß, daß ich über Angelegenheiten solcher Art nicht meine persönliche Meinung äußern, sondern nur nach Rath der Fürsten antworten sollte, muß ich doch (unbeschadet weiserer Beschlüsse) folgendes vorläufig bemerken: mir liegt keineswegs etwas an dem Lehnseide der italienischen Bischöfe, sobald sie ihrerseits auch nicht den Lehngütern nachtrachten; wenn sie aber gar gern die Frage des Papstes hören: »»was ist für Gemeinschaft zwischen euch und dem Könige?«« so mag sie auch die kaiserliche Gegenfrage nicht verdrießen: »»was ist für Gemeinschaft zwischen euch und irdischem Besitze?««Quid tibi et regi? Quid tibi et possessori?  Radev. II, 30. Daß ferner kein Bischof verpflichtet sey kaiserliche Abgeordnete in seinem Palaste aufzunehmen, gebe ich zu, im Fall irgend ein Palast auf bischöflichem Boden steht; da sie aber auf unserm Lehn oder Allode erbaut sind, so wäre es doch schreiendes Unrecht, kaiserliche Abgeordnete aus kaiserlichen Palästen auszuschließen, päpstliche Gesandte aber überall unbedenklich einzulassen. Die Behauptung endlich: wonach ich keinen Gesandten nach Rom schicken darf, und alles und jedes daselbst dem heiligen Petrus gehört, ist allerdings sehr gewichtig und fordert, ich gestehe es, eine außerordentlich gründliche Überlegung! Denn durch göttliche Anordnung heiße und bin ich römischer Kaiser; wenn mir aber jene Macht über Rom entrissen würde, oder 111 {1158} nicht gebührte, dann wäre ich freilich nur der Schatten eines Herrschers und trüge ohne Inhalt und Wesen nur einen leeren Namen!« – Hieran reihten sich noch weitere Klagen über das eigenmächtige Auftreten von Kardinälen im Reiche ohne kaiserliche Erlaubniß; über den Mißbrauch von Berufungen an den Papst; über dessen einseitige, dem Frieden widersprechende Aussöhnung mit Griechen, Normannen und Römern, über seine heimliche, jetzt entdeckte Verbindung mit den Lombarden u. s. w. Endlich ging der allgemeine Beschluß dahin: sechs vom Papste ausgewählte Kardinäle und sechs vom Kaiser ernannte Bischöfe, sollten über alle Streitpunkte in letzter Stelle entscheiden. Allein der Papst gab zur Antwort: er könne sich keinem Gericht unterwerfen und verlange, daß der mit Eugen III geschlossene Friede aufrecht erhalten werde; wogegen Friedrich auf jenem Vorschlage beharrte und behauptete, nicht von ihm, sondern vom Papste sey jener Frieden gebrochen worden.

So verschwand die Hoffnung einer Aussöhnung immer mehr und vielleicht wähnten beide Theile, eine offene Fehde sey ihnen vortheilhafter als Zögerungen und halbe Maaßregeln. Wenigstens nahm der Kaiser eine Gesandtschaft der Römer freundlich auf und trat mit ihnen in Unterhandlungen; während Hadrian die Lombarden zur Ausdauer ermahnte, mit König Wilhelm von Sicilien ein Vertheidigungsbündniß schloß und den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln am 19ten März im wesentlichen folgendes schrieb: »gelobet sey Gott in der Höhe, wenn ihr treu bleibet; während die Fliege Pharaos, entsprungen aus der Tiefe der Hölle und umhergetrieben durch Wirbelstürme, in Staub verwandelt wird, statt nach ihrem Wunsche die Sonne zu verdunkeln. Dank sey Gott, welcher euch gewiß die Einsicht giebt, zwischen uns und dem Könige (dessen Theil außerhalb dem Erbe des Herren ist) könne keine Gemeinschaft seyn. Diese von ihm herbeigeführte Spaltung wird jedoch auf seinen Kopf zurückfallen, und er gleicht dem Drachen, welcher mitten durch den Himmel fliegen und den 112 {1158} dritten Theil der Sterne am Schwanze nach sich ziehen wollte, aber in den Abgrund stürzte und seinen Nachfolgern nur die Lehre hinterließ: wer sich selbst erhöhet, wird erniedrigt. So trachtet dieser Fuchs (der auch euer Hammer ist)So lautet der Text. den Weinberg des Herrn zu zerstören; so vergißt dieser, aus ungerechtem Geschlechte und nichtsnutzigem Saamen Entsprossene, dieser verbrecherische Sohn, aller Dankbarkeit und Gottesfurcht. Von seinen Versprechungen hat er keine gehalten, überall hat er uns belogen und verdient deshalb als ein Rebell gegen Gott, als ein wahrer Heide, den Bann. Und nicht bloß er, sondern (wir sagen es euch zur Warnung) ein jeder der ihm beisteht, ja ein jeder welcher laut oder schweigend ihm beistimmt. Er stellt seine Macht der unseren gleich, als wäre diese auf einen Winkel wie Deutschland beschränkt; auf Deutschland, welches, bis die Päpste es erhoben, für das geringste aller Reiche galt. Zogen die deutschen Könige, bevor Zacharias Karln weihte, nicht auf dem Ochsenwagen sehr philosophisch einherIn carpento boum sicut Philosophi circumferebantur.  Schreiben Hadrians in Hahn. monum. I, 122.? Besaßen die Elenden etwas anderes, als was ihnen ihr Hausmeier aus Gnaden bewilligte? Haben sie nicht noch ihren Sitz zu Achen in einem gallischen Walde, wir aber in Rom? So wie Rom über Achen erhaben ist, so sind wir über jenen König erhaben, welcher mit Weltherrschaft prahlt, während er kaum einen seiner etwa ungehorsamen Fürsten in Ordnung halten, oder auch nur den rohen und unverständigen Stamm der Friesen bezwingen kann! Das Kaiserthum endlich besitzt er durch uns, und wir haben das Recht zurückzunehmen, was wir nur unter Voraussetzung der Dankbarkeit verliehen. Hienach belehrt euren König und führt ihn, der sich durch euch von uns entfernte, auf den rechten Weg und zur Aussöhnung mit uns zurück: denn auch euch wird es ins Verderben stürzen, wenn Spaltung ist zwischen Reich und Kirche.«

113 {1158} Schreiben solcher Art waren nicht geeignet, damals deutsche Fürsten zu gewinnen; auch vertraute der Papst wohl mehr dem Beistande der Lombarden als dem ihrigen. Die Streitigkeiten zwischen diesen und dem Kaiser, steigerten sich nämlich in dieser selben Zeit bis zu einer nicht minder bedenklichen Höhe. Erst bei dem Vollziehen der ronkalischen Beschlüsse ergab sich deutlich, was und wie viel jede Stadt verlieren solle; und überdieß fehlten die hiezu beauftragten kaiserlichen Beamten nicht selten in der Form, weil sie zwar ihres Herren Strenge, nicht aber seine Größe nachzuahmen verstanden. Ferner hatte Piacenza schon während jenes Reichstages Cremona angegriffen, und war verurtheilt worden die Befestigungen der Stadt zu vernichten, zögerte aber damit auf eine ungebührliche Weise, und Cremona widersprach sogar laut einem ähnlichen Befehle. Der Kaiser, welcher nicht sogleich eine offene Fehde beginnen wollte, glaubte itzt durch den Wechsel der Obrigkeiten, an welchem ihm die neuen Gesetze in den lombardischen Städten so viel Antheil einräumten, leichter zum Ziele zu gelangen. Er ernannte die Podesta für Pavia, Piacenza, Cremona, Lodi u. a. aus den Einwohnern dieser Städte, und sie wurden überall ohne Widerspruch angenommen. {1159} Zu gleichem Zwecke sandte er den Pfalzgrafen Otto, den Grafen Gozwin und den Kanzler Rainald nach Mailand, welche aber von den Obrigkeiten die Antwort erhielten: dem im Auguste 1158 mit der Stadt abgeschlossenen Frieden gemäß, stehe den Bürgern die Wahl ihrer Konsuln, und dem Kaiser nur die Bestätigung derselben zuVincent. Pragens. 62.. Hierauf entgegneten jene Abgeordneten: laut der spätern ronkalischen Beschlüsse, zu welchen Mailand selbst seine Zustimmung gegeben habe, setze der Kaiser die Obrigkeiten, und dem Volke bleibe nur überlassen dieselben beifällig anzunehmen und nächstdem Konsuln oder Podesta zu nennen. – Nach Ablauf einer verwilligten Bedenkzeit blieben die mailändischen 114 {1159} Obrigkeiten bei ihrer, die Gesandten bei der entgegengesetzten Erklärung. Kaum wurde diese Lage der Dinge bekannt, als sich die Menge, aus altem Haß und ohne Rücksicht auf mögliche Folgen zusammenrottete, mit dem Geschrei »Tod, Tod« bis zu den Wohnungen der Gesandten vordrang, die Fenster einschlug, die Pferde niederstieß und ohne ernsten Widerstand besonnener Männer, jene wohl selbst ermordet hätte. Auch die Konsuln eilten herzu, entschuldigten, was vom trunkenen Volke gegen ihren Willen geschehen sey und baten, unter Darbietung ansehnlicher Summen, dem Kaiser nichts vom Geschehenen zu melden. Die Gesandten, ihres Lebens noch immer nicht sicher und in Zweifel über die wahre Gesinnung der Konsuln, gaben eine milde Antwort, retteten sich aber dann in der Nacht so gut sie konnten, und erstatteten über den Hergang dem Kaiser Bericht.

Dieser, welchem gerade damals französische, ungerische und griechische Gesandte wiederholt Achtung und Ehrfurcht bezeigtenGünther IX, 160., war nicht gesonnen Beleidigungen jener Art zu ertragen, und stellte am zweiten Februar den nach Antimiako bei Bologna berufenen Prälaten, Fürsten und städtischen Abgeordneten vor: »Mailand habe die, selbst von Barbaren anerkannte Heiligkeit der Gesandten verachtet, Reue in Starrsinn, Gehorsam in Aufruhr verwandelt. Ein solches, seine und aller übrigen Ehre verletzendes Betragen gehe aus dem Frevelmuthe vieler hervor, und müsse deshalb auch an vielen streng und nach dem Gesetze bestraft werden.« Alle Gegenwärtigen beeiferten sich mit Hand und Mund dem Kaiser vorläufig ihre Beistimmung zu zeigen; dem Bischofe von Piacenza ward indeß die feierliche Gegenrede übertragen, welche dahin lautete: »tief schmerze sie die strafbare Unthat Mailands, prophetisch sähen sie den, durch die Thorheit der Einwohner herbeigeführten Untergang der herrlichen Stadt voraus; doch möge der Kaiser nicht sowohl darauf Rücksicht nehmen, was jene verdient hätten, als 115 {1159} was seine, ihm mehr geltende Würde erheische, nicht den Schein erwecken, er folge mehr dem Zorne, als dem Rechte. Vielmehr werde er als ein guter Kaiser und gerechter Richter erklären, daß die Gesetze selbst für seine Feinde gölten, und eine förmliche Untersuchung der Thaten dem Kampfe mit dem Schwerte vorhergehen müsse.« – Diesem Antrage gemäß wurden die Mailänder nach einstimmigem Beschlusse vorgeladen, um sich zu rechtfertigen. Alles aber was diesen innerlich als Veranlassung und Rechtfertigung diente, z. B. die ronkalischen Beschlüsse, der Verlust der früher von ihnen abhängigen Grafschaften Martesano und SeprioGünther IX, 1.  Otto Morena 1021.  Radev. II, 9.  Radulph. Mediol. 281.  Ursperg. chr. 300., die Furcht vor Friedrichs täglich wachsender Übermacht, die Aussicht auf päpstliche Unterstützung u. s. w. ließ sich keineswegs vor dem Kaiser und dessen Gerichte anbringen; daher fand man, daß ihre in der kaiserlichen Burg Marnika erscheinenden Gesandten zwar viele Worte aber keine Gründe vorbrächten. Schärfer angeredet wegen des gebrochenen Eides und Friedens, antworteten sie: »wir schwuren zwar den Eid, aber wir versprachen nicht ihn zu halten.« Diese, ihnen vielleicht in der Verwirrung entschlüpfte Rede, sollte gewiß nur Zweifel über die Gültigkeit eines erzwungenen Eides andeuten; nicht unnatürlich riefen aber die Abgeneigten: »so gränzenlose Frechheit der Rede stimme ganz mit der Schändlichkeit und Treulosigkeit der Thaten!« Dennoch übertrat man, um jener neuen Anreizung willen, die Formen nicht, sondern setzte den Mailändern eine zweite, eine dritte Frist.

Diese Zwischenzeit benutzte Friedrich mit Eifer und Vorsicht, berief Hülfe aus Deutschland, befestigte Lodi und Como, schreckte die Bewohner einiger venetianischen Inseln welche Räuberei trieben, gewann viele Städte durch Milde und Begünstigungen und zwang die Einwohner von Piacenza, welche mit Zins aus Genua zurückkehrende kaiserliche 116 {1159} Gesandte geplündert hatten, zur Erstattung des Geldes. Gleich thätig waren die Mailänder: sie schafften Kriegsbedürfnisse und Werkzeuge herbei, und trafen Anstalten nicht bloß zur Vertheidigung, sondern auch zum Angriffe. Im Vertrauen auf diese Vorbereitungen und entschlossen sich lieber den zweifelhaften Ereignissen eines Krieges, als den unzweifelhaften Folgen einer Verurtheilung gutwillig auszusetzen, gehorchten sie weder der zweiten noch der dritten Ladung. Nochmals ließ itzt der Kaiser ihre Sache mit Zuziehung bolognesischer Rechtsgelehrten genau untersuchen, und sie wurden (was selbst ohne alle Rücksicht auf altrömisches Recht gesetzlich war) am sechzehnten April 1159 wegen Nichterscheinung, Aufruhr und Verrath geächtet, und die Güter der Plünderung, die Personen der SklavereiDisceptio rerum, servitium populi, subversio funditus urbis.  Günther IX, 278., die Stadt der Zerstörung preis gegeben. Dieser strenge Ausspruch, das hofften viele Kaiserliche, werde die Mailänder zur Besonnenheit und Nachgiebigkeit bringen: statt dessen zogen sie, ohne die Nachricht ihrer, freilich vorherzusehenden Verurtheilung abzuwarten, am sechzehnten April mit Heeresmacht gen Trezzo. Noch feierte der Kaiser das Osterfest in BolognaRadev. II, 32.  Afflig. auctar. und Alberic. zu 1159., als während der Festlichkeiten und Tänze unerwartet hievon Nachricht einlief. Sogleich trennten sich die Versammelten, Kriegesgeschrei ertönte statt der heitern Musik und Mannschaft brach eiligst auf zum Entsatze der Burg. Allein die Mailänder hatten durch Minen und Schleudern, durch ununterbrochene Angriffe und stetes Abwechseln frischer Kämpfer die schwächere Besatzung dergestalt ermattet, daß sie sich bereits am dritten Tage ergeben mußte. 200 Soldaten, die für ihren Kaiser fechtend kein Unrecht zu thun schienen, ließ man am Leben: alle ergriffene Lombarden wurden dagegen wie Verräther ihres Vaterlandes betrachtet und umgebracht. Nachdem man sich 117 {1159} der Beute versichert, – die außerordentlich groß war, weil Friedrich hier einen ansehnlichen Theil des in Italien zusammengebrachten Geldes niedergelegt hatte –, brannte man den Ort nieder und zerstörte ihn bis auf den Grund.

Zu spät erschien der zürnende Kaiser und konnte mit dem, zwar kampflustigen jedoch keineswegs sehr zahlreichen Heere, nichts gegen das befestigte Mailand unternehmen; wohl aber wurden die umliegenden Äcker verwüstet, die Weinberge zerstört, die Bäume umgehauen und die Zufuhr möglichst abgeschnitten, damit die einbrechende Noth alle Gemüther zur Reue bewege, oder doch die bevorstehende Belagerung erleichtere. Ausfälle der Mailänder hatten ungeachtet aller Tapferkeit, dieses Unglück nicht verhindert; kaum aber zog sich Friedrich aus mancherlei Ursachen nach Bologna zurück, so griffen jene mehre Male und zuletzt in Gemeinschaft mit den Cremensern Lodi anOtto Morena 1025., ohne sich jedoch der Stadt, bei dem tapferen Widerstande der Bewohner, bemächtigen zu können. Um dieselbe Zeit thaten die Brescianer verwüstende Einfälle in das Gebiet von Cremona, wurden aber zuletzt ebenfalls mit nicht geringem Verluste zurückgeschlagen. – So blieb Mailand fast von allen verlassen, und während dadurch in einigen der Heldenmuth wuchs, sollen andere in rachsüchtiger Verzweiflung auch unwürdige Mittel des Obsiegens nicht verschmäht haben. Sie schickten, so heißt es, gedungene Mordbrenner nach Lodi, deren Anschlag aber entdeckt und vereitelt ward; sie gewannen mit süßen Worten und großen Geschenken einen überaus starken Mann, daß er sich in Friedrichs Lager bei Lodi einschleiche und ihn tödte. Durch allerhand Scherze und Kunststücke erregte jener des Kaisers Aufmerksamkeit und bemerkte, daß dieser an jedem Morgen sein Gebet in einer schönen Gegend verrichtete, wo die Adda nach mannigfaltigen Krümmungen sich schnell gegen das hohe Ufer wandte und es tief unterwühlt hatte. Hier ergriff jener 118 {1159} Frevler plötzlich den Kaiser um ihn in die Fluthen zu stürzen; und es wäre ihm, dem Stärkern, gelungen, wenn nicht beide über die Stricke der Zelte gefallen und auf das Geschrei Rettende zugesprungen wären. Der Thäter stellte sich hierauf als sey er des Verstandes beraubt, was nach Maaßgabe der Parteiansichten geglaubt oder geleugnet ward. In der Adda fand er seinen TodIpsum etiam regem coepit funestus ineptis delinire jocis.  Günther IX, 460-525.  Radev. II, 36. Nach Albert. Stad. 1065 entkam der Thäter. Es bleibt ungewiß, ob er wahnsinnig oder gedungen und ob die Mailänder schuldig waren. Siehe Woltmann kleine histor. Schriften II, 97, über die Mordversuche der Mailänder..

Bald nachher erhielt Friedrich die geheime Nachricht: es werde ein Alter in sein Lager kommen, ungestaltet, schielend, ein Spanier oder ein Saracene, der mehr als zwanzig Schüler oder Genossen mit sich führe, welche alle durch die Mailänder zum Kaisermorde gedungen seyen. Edelgesteine, Sporen, Geschirr, Ringe, Heilmittel, welche der Alte ausbiete, habe ein so starkes Gift durchdrungen, daß schon bloße Berührung derselben tödtlich werden könne, und ein an der Seite verborgener Dolch solle den Ausschlag geben, wenn man jene Gefahren zu vermeiden wisse. Die Nachricht traf insoweit zu, daß der Alte anlangte; er ward sogleich gefesselt. Gegen ein offenes Bekenntniß versprach ihm Friedrich den Erlaß aller Strafe, sonst treffe ihn Marter und Tod; demungeachtet bekannte er nichts, verlachte die Drohungen und behauptete: mit seinem Tode werde, – eine Folge magischer Künste –, des Kaisers Leben unfehlbar zugleich enden. Drohungen solcher Art erschienen frevelhaft, Furcht vor denselben kleinlich: deshalb wurde der Alte hingerichtetAt Caesar fucato dolo figmenta minasque risit.  Günther IX, 559..

Mittlerweile wuchs allmählich das kaiserliche HeerUnter andern führten die Kaiserinn Beatrix und Heinrich der Löwe, Hülfe herzu.  Ursp. chron. 301. – Anfang der Belagerung am dritten Julius.  Radulph. Mediol.  Radev. II, 42-62.  Otto Morena 1029.  Günther X.  Galv. Flamma c. 178.  Fino I, 6.  Colon. Chron. S. Pantal. 939. 119 {1159} und bedrängte Mailand durch mancherlei Angriffe, wandte sich aber dann, weil dessen förmliche Umlagerung noch zu schwierig erschien, um so lieber gegen Crema, da diese Stadt kleiner, nicht minder ungehorsam und wegen der Lösung ihrer alten Abhängigkeit den Cremonesern so verhaßt war, daß sie den Kaiser gern mit zahlreicher Mannschaft und großen Summen bei der Belagerung unterstützten. Crema lagTentori saggio XI, 384. in einer weiten angenehmen Ebene, gegen Mittag durch Moräste und den Fluß Travacone, gegen Morgen durch den Serio geschützt. Noch mehr als dieser natürlichen Lage vertrauten die Bürger den künstlichen Befestigungen, den Gräben, Thürmen und doppelten Mauern; sie vertrauten der Hülfsmacht, welche der mailändische Bürgermeister Manfred von Dugnano herbeiführte. Ja so entfernt war man von aller Besorgniß, daß die Weiber fröhlich durch die Straßen zogen und ermuthigende Chöre sangen: »Friedrich werde eben so unrühmlich von Crema abziehen müssen, wie vor siebenundzwanzig Jahren Kaiser LotharIm November 1132 hatte Lothar Cremona vergeblich belagert.  Murat. script. I, 2, 236..« Und in der That waren die Gefechte (während der Kaiser das Lager verlassen und seine Gemahlinn besucht hatte) so heftig und unentscheidend, daß sich von beiden Seiten die ungeduldige Tapferkeit in Wildheit verkehrte, die Belagerer mit den abgehauenen Köpfen der Gefangenen wie mit Bällen spielten, und die Cremenser dagegen Kaiserliche auf der Mauer in einzelne Stücke zerrissen. Als Friedrich zurückkam, gerieth er hierüber in den heftigsten Zorn und befahl, – von den Freveln der seinigen wohl nur unvollkommen und einseitig unterrichtet –, ein Herold solle den Cremensern laut 120 {1159} verkünden: man werde, Gleiches mit Gleichem vergeltend, nunmehr keinen Gefangenen am Leben lassen. Und in der That wurden mehre Geißeln aufgeknüpft, einige gefangene Ritter aus Mailand als erfundene Verräther hingerichtet und eine Zahl geringerer Cremenser an die, den Stadtmauern genäherten Kriegswerkzeuge angebunden, damit die Belagerten, ihre Mitbürger verschonend, kein Geschoß darauf richten möchten. Anfangs erschraken die Cremenser, dann aber trösteten und ermunterten sie sich, und riefen: »der Tod für die Freiheit, ist das Höchste nach der Freiheit!« Sie trafen zuerst ihre eigenen Freunde, Verwandten, Kinder; dann brachten sie, Rache übend, alle Gefangenen ums Leben. Nur der Geistlichen dringende Fürbitte sicherte diejenigen, welche sich von den ihrigen noch im kaiserlichen Lager befanden, gegen eine gleiche Behandlung.

Zu derselben Zeit suchten die Mailänder durch Angreifen kaiserlich gesinnter Orte, den bedrängten Cremensern eine mittelbare Hülfe zu verschaffen: allein sie wurden zuerst vom Grafen Gozwin und dann von Friedrich (dem Herzog Heinrich der Löwe Hülfe zuführte) hart geschlagen, und einige aus den Gefangenen als Schuldigere (unter ihnen ein Neffe des Erzbischofes von Mailand) zum Tode verurtheilt. Hiezu, so sprachen die Strengeren, wäre man genöthigt, weil die Gegner auch keine Deutschen verschonten. Gleich erfolglos blieben die Bemühungen Piacenzas: sie zogen der Stadt die Reichsacht zu, ohne Nutzen für Crema.

Hier hoben sich die größten wechselseitigen Anstrengungen dergestalt gegen einander auf, daß die Belagerung im sechsten Monate kaum weiter gerückt, und bei den großen Vorräthen von Lebensmitteln auch sobald noch keine Hungersnoth in der Stadt zu befürchten war. Den ersten erheblichen Vortheil schien es dem Kaiser zu bringen, als der geschickte, schon im Morgenlande erprobte Kriegsbaumeister Marsilius auf seine Seite trat und einen sechs Stock hohen, gegen Feuer und alle Angriffe wohlgeschützten Thurm erbaute. Man näherte ihn den Mauern, die Fallbrücke 121 {1159} ward niedergelassen und mehre Deutsche, an ihrer Spitze Bertold von UrachRadulph. Mediol. 1183.  Günther X, 410.  Chron. mont. sereni zu 1160.  Burchardi vita 50.  Vincent. Prag. 65., drangen, mit unglaublicher Kühnheit alle Feinde vor sich her jagend, in die Stadt. Da erscholl plötzlich die Nachricht, jene Fallbrücke sey durch Steine zerschmettert; und als nun Bertold umkehren mußte, faßten die, welche ihn bisher nur gefürchtet und bewundert hatten, neuen Muth, trafen ihn tödtlich und ein Cremenser soll den Unglücklichen, ohne Achtung des Heldenmuthes, mit widerwärtiger Grausamkeit die Haut vom Kopfe gezogen und seinen Helm damit geschmückt haben.

Ob nun gleich dieser Sturm zuletzt nichts entschied, obgleich manche Kaiserliche überlistet in die leicht bedeckten Gräben stürzten und umkamen, und in Hinsicht auf Tapferkeit beide Theile gleichen Ruhm verdienten und erwarben; so war den Belagerten doch der Verlust an Menschen sehr empfindlich, und sie begannen, da sie auf keinen Entsatz rechnen konnten, Verhandlungen unter der Vermittelung Heinrichs des Löwen und des Patriarchen Peregrinus von Aquileja. Jener ermahnte sie der Noth zu weichen und der Großmuth Friedrichs zu vertrauen. Sie erwiederten: »wir hegen keine Feindschaft gegen den Kaiser; aber wir mußten dem, Mailand gegebenen Worte so lange als möglich treu bleiben, und wollten den Cremenesern nicht unterthan werden, weil wir gleiches Recht zur Freiheit haben und gleiche Liebe für die Freiheit.«

Nach siebenmonatlicher Belagerung ward Crema am 27sten JanuarÜber den Tag finden sich Abweichungen vom 25sten bis 27sten Januar. Sicardi chr. 599.  Cremense chr. 634.  Sismondi II, 122. 1160 übergeben. Die Bewohner, etwa 20,000, erhielten freien Abzug und an Gütern so viel als jeder zu tragen vermochte; aber freilich mußte man zunächst die Kranken und die Kinder tragen, und wer konnte der Besitzthümer gedenken, wo noch Menschen zu retten waren? 122 {1160} Der Hülfsmannschaft aus Mailand und Brescia ließ man bloß das Leben, keine Waffen oder Güter. Erbeutete Rüstungen und anderes Kriegszeug schenkte Friedrich größtentheils den Einwohnern von Lodi und Cremona, welche auch in großer Eile die Gräben ausfüllten und die Mauern und Thürme Cremas niederrissen. Die Stadt selbst ward hierauf den Soldaten zur Plünderung überlassen; weil aber die Schwerbewaffneten, welche zuletzt anlangten, wenig mehr für sich übrig fanden, so steckten sie aus Zorn und Neid die Häuser in Brand und selbst viele Kirchen konnten nicht gerettet werden.

Der Kaiser zog nunmehr siegprangend in Pavia ein und schrieb nach Deutschland: wie groß und entscheidend der Sieg gewesen sey, und wie man, um göttlichen und menschlichen Rechtes willen, den Empörern milde das Leben geschenkt habe. Aber in dieser Milde mußten die Tausende von hülflos vertriebenen Cremensern noch die größte Härte erblicken: denn den Tüchtigeren galt das Leben wenig ohne die Unabhängigkeit, den übrigen nichts ohne die Besitzthümer. Und wenn sie auch die persönliche Gesinnung Friedrichs ehren mußten, der mit eigenen Händen einen ermüdeten Kranken aus dem engen Wege heraustrug, so konnten sie doch seine monarchische Ansicht der öffentlichen Verhältnisse und die darauf gegründete Strenge nicht begreifen; und wenn er wiederum seinerseits auch ihren Heldenmuth ehrte, so schien ihm doch das Grundübel der Empörung alles andere Gute zu vernichten. Der Geschichtschreiber außerhalb des Kreises leidenschaftlicher Parteiung hingestellt, kann nur bedauern, daß die Würde beider Ansichten und die Hoheit beider Theile durch ein übertrieben grausames Verfahren getrübt ward, welches in den Sitten jener Zeit zwar eine Erklärung und Entschuldigung, aber keine vollkommene Rechtfertigung findet.

 


 


 << zurück weiter >>