Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 2
Friedrich von Raumer

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Viertes Hauptstück.

{1159} Während der Belagerung von Crema, am ersten September starb Papst Hadrian IV zu AnagniCaffari 273.  Cassin. monach. Alber. 7u 1159.  Robert. de Monte zu 1160.  Günther X, 119.  Memor. Regiens. 1074.  Martin. Fuld. zu 1161.  Ursp. chr. 303.  Baron. annal.  Chron. S. Pantal. Würdtw., und sein Leichnam ward unter ehrenvoller Begleitung des Volkes und des Senates nach Rom gebracht und in der Peterskirche beigesetzt. Besorgt über die Gefahren einer zwistigen Wahl, kamen die Kardinäle übereinRadev. II, 66.  Lünig cod. Ital. diplom. II, 2487.: »man wolle sich bemühen durch genaue Prüfung und unverhohlenes Abstimmen den Würdigsten einmüthig zu erheben. Wenn dies aber mißlinge, so solle niemand vor endlicher allgemeiner Vereinigung und Zustimmung weiter vorschreiten, vielmehr die eine Partei alsdann den Papst aus den Gliedern der zweiten Partei erwählen.« Diese Vorsicht erschien um so nöthiger, da einige den Glauben hegten: die Kirchenfreiheit lasse sich nur im Widerspruch gegen den Kaiser und durch Anschließen an die Lombarden und Normannen länger behaupten; während andere Zwiespalt mit dem mächtigen Friedrich vermeiden wollten, und die unruhigen Lombarden und die zweideutigen und überlästigen Normannen haßten. Der 124 {1159} Kaiser und König Wilhelm, welche die entscheidende Wichtigkeit der neuen Wahl sehr wohl erkannten, suchten sie durch ihren Einfluß zu lenken; und jener ließ nicht bloß zwei in äußerlich anständiger Haft gehaltene Kardinäle in der Hoffnung frei, sie würden seinen Wünschen gemäß stimmen; sondern wirkte auch durch die Grafen Otto von Wittelsbach und Guido von Blandrate auf den Rath und die Bürgerschaft zu RomRadev. II, 41.  Günther X, 70.  Die kaiserlichen Gesandten duldeten nicht, daß sie dem Papste in Rom in irgend etwas, nicht einmal in äußerer Pracht nachstanden.; er schrieb endlich (eingedenk daß Papst Hadrian ihn kurz vor seinem Tode bannen gewollt) an alle Erzbischöfe und Bischöfe: »es bedarf eines Papstes, welcher die gesammte Kirche in Ordnung und Frieden erhält, zugleich aber auch das Reich und die Getreuen des Reiches ehrenvoller behandelt als bisherIpsum imperium et fideles honestius tractaret.  Bouquet XVI, 686.. Leider aber sind, wie wir hören, in Rom schon böse Parteiungen über die Wahl entstanden, und wir bitten und ermahnen euch deshalb um so mehr, daß ihr, wenn etwa die Anerkennung eines dort Erwählten verlangt würde, euch nicht übereilen, sondern einstimmig mit uns zur Verhütung unheilbringender Spaltungen wirken möget. Auch an die Könige von Frankreich und England sind Anträge ergangen, wonach keiner etwas für sich beschließen und nur derjenige Papst seyn soll, über welchen wir drei uns einmüthig vereinigen.«

Aber ungeachtet aller Bemühungen und Einwirkungen des Kaisers, ungeachtet aller Verabredungen der Kardinäle, fand dennoch eine zwistige Papstwahl statt: eine Partei erhob den Kardinal und Kanzler der römischen Kirche Roland BandinelliRoland lehrte um die Zeit Theologie in Bologna, wo Gratian daselbst war. 1150 ward er Kardinal.  Sarti I, 2, 5., aus der sienensischen Familie Paparoni; die zweite den Kardinal Oktavian; jener nannte sich Alexander III, 125 {1159} dieser Viktor IV. Über den Hergang der Wahl sind die Berichte beider Theile so abweichend, daß sie nach einander mitgetheilt werden müssen. Alexander erzählt alsoAlexanders Schreiben bei Caffari 273.  Gesta Pontif. 448.  Concil. coll. XIII, 68.  Ghirardacri I, 77.  Cardella I, 130.  Borgia istoria di Velletri a. h. a.: »nach dreitägiger Berathung stimmten vierzehn Kardinäle für mich und boten mir unter dem Beifalle der Geistlichkeit und des Volkes, den päpstlichen Mantel; den ich aber im Gefühle meiner Unfähigkeit zurückwies. Als ihn mir der älteste der Kardinäle dennoch umhing, rief Oktavian, durch die kaiserlichen Gesandten angetrieben, aus: »»man muß ihn nicht zwingen!«« und riß mir unter Schmähworten den Mantel von den Schultern. Alle Kardinäle, nur zwei ausgenommen, mißbilligten sein freventlich Beginnen, ja ein römischer Rathsherr nahm zürnend ihm den Mantel wieder aus den Händen. Ungeschreckt ließ er sich hierauf einen zweiten bringen und hing ihn um; wobei aber, – eine gerechte Vorbedeutung und lächerliche Strafe seiner irdischen Hast –, das Oberste unten und das Hinterste vorn zu sitzen kam. Als die Kardinäle sahen, daß hier nur Gewalt zu gelten schien, entfernten sie sich und Oktavian, den nach Eröffnung der Kirchthüren viele Verwandte, besoldete Leute und manche Rathsherren und Edle aufnahmen und beschützten, ließ mich erst neun Tage in jener Kirche, dann drei Tage noch strenger jenseit der Tiber in einer Burg bewachen. Nun gewann aber das unverblendete Volk, von den Frangipani angeführt, die Oberhand, befreite mich und ich ward unfern der Stadt in Gegenwart mehrer Kardinäle, Bischöfe, Edlen und vieles Volkes gesalbt und gekrönt; während Oktavian keinen finden konnte, der ihn hätte weihen mögen. Acht Tage Frist setzte ich ihm hierauf zur Reue, und bannte ihn erst, als er im Vertrauen auf des Kaisers Beistand diese Milde verschmähte.«

126 {1159} Hiegegen berichten Viktors AnhängerUrsperg. chron. 303.  Lünig spicil. eccl. XV, Urk. 71.  Martene thesaur. I, 447.  Burchardi vita 57.: »ungeachtet der schriftlichen Übereinkunft, vor einer vollständigen Einigung keine Wahl für gültig zu halten oder kund zu machen, ernannten vierzehn Kardinäle Roland zum Papst und überreichten ihm den Mantel. Die neun übrigen Kardinäle, – der gerechtere und weisere Theil –, konnten itzt jener Gewalt ihrerseits auch nur durch eine Wahl entgegentreten; welche um so gültiger ist, da sie Oktavian annahm, Roland aber zurückwies. Dreimal wurde das Volk dem Herkommen gemäß befragt: »»ob es Viktor zum Papst wolle?«« und dreimal antwortete es einstimmig: »»wir wollen ihn!«« Hierauf stimmten die Kardinäle und die Geistlichkeit das: Herr Gott dich loben wir, an, bekleideten den Erwählten mit allen päpstlichen Würdezeichen und führten ihn zum Palast. Zwölf Tage hielt sich Roland still, bediente sich weder des Mantels, noch des weißen Zelters, noch irgend eines Würdezeichens; ja er antwortete den Kardinälen und Geistlichen, welche ihn befragten: ob sie Viktorn gehorsamen sollten? »»er sey nie eingekleidet worden, sie möchten jenem folgen.«« Nach allen diesen Ereignissen benutzte Roland wider Erwartung und Recht einen Pöbelaufstand, ließ sich an ungebührlicher Stelle bei dem Wasserbehälter des Nero einkleiden, und wagte es sogar Viktor seinen Herrn vorzuladen und zu bannen.«

Als dem Kaiser vor Crema diese widersprechenden Darlegungen mitgetheilt wurden, entschied er keineswegs den Streit sogleich aus eigener Macht, sondern lud alle Prälaten seines und der übrigen christlichen Reiche zu einer Kirchenversammlung nach Pavia: »in der Welt sollte, wie nur ein Gott, so auch nur ein Kaiser und ein Papst seynLünig spicil. eccl. von Brixen. Urk. 7.  Vitae Pontif. 450.  Martin. Fuld. 1695.: aber auf Gottes Willen nicht achtend und nur ihre nächsten 127 {1160} eigenen Zwecke verfolgend, hätten die Kardinäle zwei Päpste geweiht. Diese heillose Trennung würde sich vom Haupte auf die Glieder verbreiten und die ganze Kirche auflösen: in solcher Gefahr wäre es seines Amtes für Rettung zu sorgen.« Schreiben ähnliches Inhalts überbrachten die Bischöfe Herrmann von Verden und Daniel von Prag, dem Papste Alexander nach Anagni, und luden ihn ein vor der Versammlung seine Sache persönlich zu führen und Recht zu nehmen. Allein dieser glaubte, trotz aller äußeren Höflichkeit des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, schon zu erkennen, wohin des Kaisers Absicht ginge, den er einst in Besançon bei der Frage über die Lehnbarkeit des Reiches so beleidigt; der seine Gesandten jetzt streng aufgenommen und geäußert hatteBaronius Nachricht: der Kaiser habe Alexanders Gesandten wollen aufhängen lassen, widerspricht durchaus seiner, äußerlich streng unparteiischen Haltung. Die Zahl der, für Viktor stimmenden Kardinäle stieg nach Baronius bis fünf; daß die Mehrzahl auf Alexanders Seite stand, wird nirgends geleugnet. Vergl. Otto S. Blas. 872.  Histor. Ludov. VII, 416.  Espen jus canon. Suppl. Dissert. de schism. saeculi XII, p. 533.: eine Mehrzahl von Kardinälen, die sich dem deutschen Reiche feindlich gesinnt zeigte, wäre keine Mehrzahl; der ihn endlich in jenem Schreiben nicht Papst, sondern nur Kanzler der römischen Kirche nannte. Es war bedenklich, ob bei dieser Stimmung des mächtigen Kaisers eine Kirchenversammlung unparteiisch seyn werde; ja über diese Bedenklichkeit hinaus lag die höhere Frage: ob sich ein Papst dem Spruche, selbst einer unparteiischen Kirchenversammlung unterwerfen dürfe? Nach langen ernsten und zweifelhaften Berathungen mit den Kardinälen schrieb Alexander an den Kaiser: »gern erkenne ich dich an als ersten Beschützer der Kirche, und bin bereit dich vor allen Fürsten der Erde zu ehren und deinem Willen zu folgen, sobald nur die Ehre des Königs der Könige nicht darunter leidet. Thut sich aber hier ein Zwiespalt hervor, so muß ich dem gehorsamen, welcher Leib und Seele verderben und zur Hölle 128 {1160} senden kann. Hast du nicht die Rechte deiner Vorfahren weit überschritten, indem du die Kirche, welche keinem irdischen Richter unterthan ist, unter deiner Leitung willst richten lassen? Kein Schutzherr, kein Fürst maaßt sich dessen über niedere Kirchen an; wie viel weniger darf die römische aus Furcht, Kleinmuth oder Unwissenheit ihre höchsten und ewigen Rechte vergeben, und die, durch Christus kostbares Blut erlösete Kirche in neue Sklaverei stürzen lassen. Der Papst soll berufen, nicht berufen werden, richten, nicht gerichtet werden; und so wie meine Vorgänger hiefür ihr Leben wagten, so werde auch ich für die würdigste Sache, selbst die äußersten Gefahren nicht scheuen.«

So Alexander; Viktor hingegen, des Kaisers Gunst vertrauend und in dessen Schreiben schon Papst genannt, entschloß sich ohne Bedenken auf der Kirchenversammlung zu erscheinen. Friedrich hielt am vierten Februar 1160 zu ihrer Eröffnung eine kurze Anrede: »nicht bloß die ältern römischen Kaiser, sondern auch Karl der Große und Otto der Große hätten Kirchenversammlungen zur Entscheidung wichtiger Fragen berufen. Doch maaße er sich nicht an über den päpstlichen Stuhl zu richten, sondern wolle vielmehr von so erfahrnen Männern erst vernehmen, welchem der Erwählten er gehorsamen müsse. Sie möchten daher ohne Rücksicht auf ihn, alles prüfen was zur Sache gehöre und so entscheiden, wie sie es vor Gott verantworten könnten.« Hierauf entfernte sich der Kaiser und mit ihm alle Laien.

Bei der nunmehr eröffneten Berathung äußerten viele lombardische Bischöfe: »man könne Roland nicht in seiner Abwesenheit verdammen;« worauf aber mehre überalpische Prälaten (hierin eines Sinnes mit den Laienfürsten ) antworteten: »die lombardischen Bischöfe könnten alle diese Versammlungen, Hoftage u. s. w. bequem mit fünf Schillingen bestreitenEpiscopos Lombardiae has omnes vocationes et curias, eum quinque solidis posse celebrare.  Vincent. Pragens. 67.; sie dagegen müßten mit großen Kosten 129 {1160} von Morgen und Abend, über Berge und Thäler weit herkommen. Wer es vernachlässige zu erscheinen, vernachlässige sich selbst; wer die Ladung verachte, mache sich selbst verächtlich.« – Hienächst erklärten die Bischöfe von Prag und Verden: daß sich Roland, ungeachtet dreimaliger Ladung nicht stellen wolle, und der Dechant der Peterskirche, die Erzpriester und Vorsteher der römischen Kirche und mehre andere Geistliche, beschwuren die Wahrheit obiger Darstellung Viktors. Viele Edle erboten sich zu gleichem Eide, den man aber in dieser rein geistlichen Sache zurückwies. Endlich brachte man Beweise bei, daß Alexander und seine Freunde sich schon bei Hadrians Leben verschworen hatten nur aus ihrer Mitte einen Papst zu wählen, und daß sie in eine Verbindung mit den Lombarden getreten waren, von welcher sogleich umständlicher die Rede seyn wird. Aus all diesen Gründen erklärten die versammelten Väter (funfzig bis sechzig Bischöfe und viele Äbte, meist Deutsche und Italiener) nach siebentägiger öffentlicher Untersuchung: »Viktor sey der einzig rechtmäßige Papst!« Der Kaiser, die Fürsten und das dreimal befragte Volk traten diesem Ausspruche beiRadev. II, 68-70.  Chron. fossae novae 871.  Erfurt. et Reichersberg. chron.  Dodechin.  Concil. XIII, 266. Der Kürze wegen müssen wir manches einzelne übergehn.; man holte Viktor aus einem benachbarten Kloster herzu, bekleidete ihn mit den päpstlichen Würdezeichen, setzte ihn auf einen weißen Zelter (wobei der Kaiser Zaum und Bügel hielt) und führte ihn zur KircheChron. ap. Canis. III, 260.  Monum. boica XIV, 30.. Nach gehaltenem Hochamte bannte der neue Papst seinen Gegner und der Erzbischof von Köln eilte nach Frankreich, der Bischof von Mantua nach England, der Bischof von Prag nach Ungern, um das Geschehene zu verkünden und die Beistimmung der übrigen christlichen Mächte zu bewirkenNach Radev. II, 70 stimmten die französischen, englischen und dänischen Gesandten, dem Schlusse der Kirchenversammlung bei; was aber bei widersprechenden Nachrichten unwahrscheinlich wird. Siehe Roger Hoved. 491.  Epist. ad Lodiv. VII, No. 44.  Lünig Spicil. eccl. von Salzburg Urk. 103, 19; von Bamberg Urk. 103. Helmold I, 90.  Marienthal. chron. 257.  Claravall. chr. zu 1166.  Gervas. Tilber. 942.  Otto Morena 1059.  Abt Hugo von Clugny, der sich für Viktor erklärte, mußte zum Kaiser fliehen; sein Nachfolger trat auf Alexanders Seite.  Gallia christ. IV, 1140.. Im Vertrauen auf frühere Verabredungen und auf 130 {1160} die Kraft innerer Gründe, hielt man das letzte nicht für schwierig; ja einige schmeichelten sich mit der Hoffnung: Alexander selbst werde sich jetzt nachgiebiger finden lassen. Allein dieser zeigte sogleich den Scharfsinn, die Gewandtheit und den unwandelbar festen Muth, der ihn zu einem würdigen Gegner Friedrichs erhob: er bannte (halbe Maaßregeln verschmähend) diesen gleichwie den Gegenpapst und sandte, um die Fürsten und Prälaten zu gewinnen, Bevollmächtigte in alle christliche Reiche, welche vorstelltenBouquet script. XV, 753.  IV, 1140.: »auf der Kirchenversammlung (so sagt man) ist alles gründlich und unparteiisch geprüft worden. Immerhin! Kann dies aber wohl den Grundfehler aufheben, daß der Untergebene den Vorgesetzten richten, den, von welchem die ganze Kirche abhängt, seiner Willkür unterwürfig machen will? Groß ist der Kaiser, Herr eines glänzenden Reiches, der Erste im Kriege und der Macht nach, ein edler Beschützer der Kirche, ein Vertheidiger der Diener Christi, ein Unterstützer in aller Noth; – daß er aber den römischen Papst richten könne und solle, ist durch kein Gesetz in der Welt vorgeschrieben! Oder sollte ja ein Gericht gehalten werden, so müßten doch mit Entfernung aller Weltlichen, nur die Geistlichen, und wiederum nicht wenige Geistliche eines Volkes, sondern der gesammten Christenheit zu Rathe sitzen; man müßte dies Gericht in Rom, der Hauptstadt der Kirche und des Reiches halten, wo sich überdies die Wahrheit weit leichter ausmitteln ließe. Gern wären die Kardinäle, wenn nicht andere Hindernisse und Gefahren obgewaltet hätten, 131 {1160} zum Kaiser gekommen, nicht um die Kirche seinem Spruche zu unterwerfen, sondern um ihm zu beweisen wo die Wahrheit sey und das Recht. Auf diese Bedingungen hat man ihnen aber den Zutritt keineswegs verstattet, sondern parteiisch untersucht und widerrechtlich entschieden.«

Zur Widerlegung dieser und ähnlicher Darstellungen ließ der Kaiser sogleich andere ergehen, welche von den Theilnehmern jener Kirchenversammlung unterschrieben warenGoldast constit. imper. I, 270, 272.. Zuletzt kam wenig darauf an, ob und was sich über diese oder jene Kleinigkeit bei der Papstwahl ermitteln ließ; höchst wichtig erschienen dagegen Fragen folgender Art: »können funfzig bis sechzig Bischöfe, fast nur eines Reichs, für eine allgemeine Kirchenversammlung gelten? Kann überhaupt die vereinzelte Geistlichkeit eines Reiches auch nur für dieses eine Reich Beschlüsse fassen? Steht den Kardinälen mehr gesetzlich oder mehr anmaaßlich die alleinige Papstwahl zu? Soll eine geringe Stimmenmehrheit unbedingt entscheiden, oder wie bei dem Streite von Anaklet und Innocenz II die Würdigkeit des Erwählten untersucht werden? Gilt hiebei die Meinung weniger Kardinäle mehr, als die Stimme des Volkes und der versammelten Prälaten? Wer entscheidet aber alsdann etwanigen Zwist der Kirchenversammlungen? Welche Rechte und Pflichten stehn hiebei dem Kaiser zu? Tritt er ganz in die Stelle der alten römischen Kaiser?« Keine dieser, leicht zu mehrenden, Fragen war oder ward durch anerkannte Gesetze beantwortet; mithin blieb die Welt in Zweifeln, und jeder entschied zuletzt jeden einzelnen Fall nach Maaßgabe seiner Kraft und seines Vortheils. Dies geschah zuvörderst von Seiten Mailands.

Schon um die Zeit der Kirchenversammlung von Pavia waren Friedensunterhandlungen angeknüpftColon. chron. S. Pantal. 941.  Radulph. Mediol. 1183.  Lünig spicil. eccl. von Salzburg Urk. 16–17.  Antichità Longob. Milan. II, 26., von den 132 {1160} Mailändern aber in ihrem und im Namen von Piacenza und Brescia dem Kaiser erklärt worden: »zufolge eines mit Hadrian geschlossenen und beschworenen Vertrages dürften sie keinen Frieden schließen, ohne Zustimmung des jedesmaligen Papstes und der Kardinäle.« Diese, obgleich feindliche Erklärung würde die Aussöhnung nicht ganz vereitelt haben, wenn die Mailänder den Beschlüssen von Pavia beigetreten wären; statt dessen beharrten sie darauf: nicht Viktor, der Papst des Kaisers, sondern Alexander, der Papst der Kardinäle, sey und bleibe auch ihr Papst; und fast gleichzeitig (am ersten März 1160) sprach der Kardinal Johann von Anagni in der Hauptkirche Mailands den Bann aus über Viktor und Friedrich. Hiemit war der Krieg unabänderlich entschieden.

Für den Augenblick war diese Wendung der Dinge dem Kaiser um so weniger willkommen, da er die deutsche MannschaftIm April 1160 waren beim Kaiser in Pavia: die Erzbischöfe und Bischöfe von Mainz, Magdeburg, Bremen, Bamberg, Prag, Merseburg, Augsburg, Trident, Feltre, Treviso, Padua, Mantua, Verona; Heinrich der Löwe, Heinrich von Kärnthen, Bertold von Lothringen u. s. w.  Dumont corps diplom. I, 85, Urk. 141, 142. schon über die gewöhnliche Zeit bei sich behalten und die Lombardei so gelitten hatte, daß selbst freundschaftlich Gesinnte nicht mehr von den Lasten verschont bleiben konnten. Friedrich berief deshalb alle Fürsten und Ritter, dankte öffentlich für ihre Ausdauer, Treue und Tapferkeit, belohnte manche durch Lehngüter, schenkte ihnen goldene und silberne Geschirre, prächtige Kleider, Pferde, Helme, Panzer, Schwerter, mit seinem Bildnisse versehene Münzen u. dergl. und forderte endlich in dieser günstigen Stimmung alle auf: binnen Jahresfrist sich wieder einzufinden, sofern Frieden und Eintracht bis dahin nicht hergestellt sey.

Unter den itzt heimkehrenden Fürsten waren auch Heinrich der Löwe und Welf von SpoletoRadev. II, 75.  Günther X, 550-570.  Mon. Weing. 790.. Der letzte hatte 133 {1160} alle Barone aus seinen italienischen Besitzungen zu einer allgemeinen Versammlung berufen, sieben Grafschaften als Fahnenlehn ausgetheilt und jeden billig behandelt. In gleichem Sinne verfuhr sein in Italien zurückbleibender Sohn, Welf VII, ein Mann von festem Sinne, scharfem Urtheile, freigebig, umgänglich, beim Volke beliebt und besonders gewandt zur Freude seiner Unterthanen Forderungen des Kaisers abzuhalten, ohne ihn zu erzürnen.

In der nächsten Zeit, wo Friedrichs Heer (obgleich noch einige Fürsten bei ihm bliebenBeim Kaiser blieben die Pfalzgrafen Konrad und Otto, Friedrich sein Neffe u. s. w. sehr geschwächt war, suchten die Mailänder Neulodi zu erobern: sie wurden aber mehre Male, bald von den Einwohnern, bald von den Kaiserlichen, Cremonesern und Paviensern zurückgedrängt. Überhaupt bewiesen die zahlreichen Kämpfe (an denen selbst der Erzbischof Obertus von Mailand und der Archidiakonus Galdin Theil nahmenSaxii archiep. II, 551.  Acta Sanct. 18ten April.) zwar die Größe des Hasses und die Ausdauer beim Widerstande, aber sie entschieden nichts über Besitz und Herrschaft. Eine bedeutendere Wendung schienen die Ereignisse bei Carcano zu nehmen. Die Mailänder nämlich umlagerten diese, am Comer-See gelegene, ihnen sehr lästige Burg. Ehe es ihnen aber gelang die Schutzwehren durch starkes Kriegszeug zu zerstören, erschien Friedrich mit Heeresmacht und schloß die Belagerer ein, bis alle aus Hunger um freien Abzug in ihre Heimath baten. Sie müßten sich ergeben, war des Kaisers Antwort: sie wollten sich durchschlagen, der Mailänder Beschluß! Darauf nahmen sie das heilige Abendmahl. Demungeachtet warf Friedrich am neunten August 1160 mit den Deutschen ihr Fußvolk, eroberte ihre HauptfahneOtto Morena 1074.  Radulph. Mediol. 1185., drang in ihr Lager, machte viele Gefangene und rief laut: »wir haben gesiegt!« – »Du bist vielmehr besiegt!« antwortete ein anderer, »siehst du 134 {1160} nicht, wie die Mailänder dich umringen?« – Und allerdings hatten auf dem anderen Flügel die Italiener aus Pavia, Novara, Vercelli und Como, der mailändischen und brescianischen Reiterei nicht gleich mannhaft widerstanden: sie geriethen, als sich ihnen unerwartet im Rücken Hülfsmannschaft aus Piacenza zeigte, in Verwirrung und begaben sich auf die Flucht. Kaum hatte der Kaiser dies gehört und bemerkt, so versammelte er die Tapfersten um sich, brach in die Feinde ein und trieb sie vor sich her. Keineswegs aber folgte man an allen Stellen seinem rühmlichen Beispiele; ja als er vorkämpfend mit dem Pferde stürzteJohann. de Mussis.  Burchardi vita 60., nahm die Verwirrung so überhand, daß auch er, obgleich der letzte auf dem Schlachtfelde, mit fortgerissen ward. Ein furchtbares Ungewitter und sehr starke Regengüsse hinderten die Verfolgung; doch erbeuteten die Mailänder im kaiserlichen Lager manche ihnen früher abgenommenen Besitzthümer, befreiten die Gefangenen und Geißeln, und schlugen bald nachher die, ohne Kunde heranziehenden Cremoneser und Lodenser. Von Carcano aber mußten sie, bei dem tapferen Widerstande der Besatzung und der neu sich mehrenden Macht Friedrichs, wiederum abziehen; mithin blieb auch diese, beiden Theilen viel Verlust bringende Schlacht zuletzt ohne großen ErfolgUtrisque fuit adversa fortuna.  Sicardi chron. 600.  Append. ad Radev. 558 und die zum Theil abweichenden Nachrichten im Chron. Colon. S. Pantal. 940.. Friedrich nahm sein Winterlager bei Pavia, und eine gewaltige Feuersbrunst in Mailand nöthigte die Bürger an dringendere Bedürfnisse zu denken; so daß sich der Krieg fast in bloße Räubereien verwandelte, wo kühne Abenteurer aus sicherem Hinterhalte Kaiserliche zu fangen suchten, oft aber auch ergriffen wurden und mit dem Leben büßten.

Neue Thätigkeit zeigte sich im Frühlinge des Jahres 1161. Die unvorsichtig ausrückenden Lodenser wurden von 135 {1161} den Bürgern Piacenzas geschlagen und die Burg Castiglione von den Mailändern hart belagert. Da erschien der Kaiser mit einem ansehnlichen Heere, welches er gegen alle Erwartungen selbst aus Italienern zusammengebracht hatte, entsetzte den Ort und nöthigte die Mailänder, vor dem eiligen Rückzuge ihr Belagerungszeug zu verbrennen.

Wichtiger noch war es, daß die deutschen Fürsten der ergangenen Ladung gemäß, mit ihrer Mannschaft allmählich in Italien anlangten, wodurch Friedrich im Felde eine so entschiedene Überlegenheit erhielt, daß er die Mailänder in ihre Stadt einschließen und ihr Gebiet ungehindert verwüsten konnte. Zwar thaten sie mehre Ausfälle, besonders gegen die italienischen Hülfsvölker des Kaisers; weil indessen beide Theile hiebei fast gleichen Verlust hatten, so ließ sich für jene, ohnehin schwächeren, davon keine Rettung erwarten; ja Friedrich durfte aus der Nähe Mailands hinweg nach Lodi ziehen und manche Italiener in der Überzeugung entlassen, daß Mailand, ohne eigentlichen Krieg, durch die unabwendbare Noth nachgiebig werden müsse. Und in der That suchten die Bürger Unterhandlungen einzuleiten, als Friedrich im Monat August die Stadt zum zweiten Male näher einschloßDie Erzählungen von der Schmach, welche die Mailänder der gefangenen Kaiserinn angethan hätten, und von der noch schmähligern Bestrafung dieses Frevels, sind unwahr. Bünau 128, Giuliani, Günther IX, 440; Otto Morena 1181-1196;, Hagen Reise I, 293, 297.. Ihre Bevollmächtigten, sehr angesehene Männer, begaben sich im Vertrauen auf das, ihnen von dem Sohne des Königs von Böhmen, dem Landgrafen von Thüringen und dem Pfalzgrafen Konrad bewilligte sichere Geleit, auf den Weg, wurden aber unerwartet von dem Kanzler Rainald und dessen Leuten angegriffen. Der Zorn über diesen anscheinend vorsätzlichen Verrath, erhöhte den Muth der Mailänder: sie fochten vom Mittag bis zum Abend, und erst als Friedrich selbst mit vielen Rittern herzueilte und die größten Gefahren nicht scheute, so daß ihm 136 {1161} ein Pferd unter dem Leibe erschossen ward, erst da wichen die Bürger und verloren, bis an die Thore der Stadt zurückgedrängt, viele Gefangene. Rainald rechtfertigte seinen Angriff der Mailänder gegen die laut erhobenen Vorwürfe damit: er habe von dem bewilligten sichern Geleite durchaus nichts gewußt; die Mailänder mochten aber dieser Behauptung keineswegs vollen Glauben beimessen, wenigstens war seitdem von weitern Verhandlungen nicht die Rede.

Der Kaiser bezog, nachdem das feindliche Gebiet nochmals verwüstet worden, sein Winterlager in Lodi, ließ mehre Schlösser befestigen um den Mailändern alle und jede Zufuhr, besonders von Piacenza und Brescia her, abzuschneiden, strafte diejenigen, welche überführt wurden dennoch Lebensmittel in die Stadt gebracht zu haben, mit dem Verluste der Hände und belohnte dagegen ihre Angeber. Einige Fürsten erhielten um diese Zeit, nach ihrem Wunsche, die Erlaubniß zur einstweiligen Rückkehr; damit aber niemand glaube die Unternehmung werde hiedurch aufgegeben, schwur FriedrichAfflig. auctar. und Alberic. zu 1160. nicht vor der Einnahme Mailands hinwegzuziehn, und bezeichnete für den Fall seines Todes Konrad seinen Neffen als den nächsten, und Heinrich den Löwen als den zweiten Nachfolger in der Herrschaft. Die Ärmeren im Heere erhielt er durch reichliche Unterstützungen bei gutem Muthe.

{1162} Mittlerweile stellten sich die Verhältnisse in Mailand desto ungünstigerEngelhus führt S. 1104 seiner Chronik (eine spätere Quelle) an: der Kaiser habe durch den Instinkt der Esel entdeckt, welche unterirdische Wasserquellen nach Mailand gingen. Durch Abschneiden derselben sey Wassermangel herbeigeführt worden. – Antichità Longob. Milan. II, 34-38.: der Mangel an Lebensmitteln stieg auf eine furchtbare Höhe, viele ließen sich durch Einziehung ihrer Güter nicht von der Flucht abhalten und ein großer Theil des, zur Zeit des Glückes gehorsamen und begeisterten, Volkes zerfiel mit der Obrigkeit. Nur der Erzbischof und 137 {1162} die, gleich ihm dem Papste Alexander anhangenden Geistlichen, drangen auf beharrlichen Widerstand; wofür sie ehemals von der Menge als Apostel verehrt, jetzt aber als Urheber des Verderbens betrachtet und so bedrängt wurden, daß sie nach Genua zu Alexander entflohen. Mit ihrer Abreise ging die Haltung fast gänzlich verloren: denn auch die Vornehmen waren weder unter sich, noch mit dem Volke einig, was zu thun und was zu lassen sey. Endlich kamen alle, obgleich nicht aus denselben Gründen, überein, Bevollmächtigte an Friedrich zu senden: einige nämlich hatten dabei wohl nur den Zweck, ihn einzuschläfern und wo möglich Lebensmittel in die Stadt zu bringen; andere dagegen rechneten auf milde Bedingungen; noch andere hofften daß, als Folge harter Bedingungen, neuer Eifer entstehen werde. Nach manchen sich hieran reihenden, erfolglosen Versuchen, erklärten endlich die Abgeordneten dem Kaiser: »Mailand wolle alle Befestigungen der Stadt zerstören und sie nicht ohne seine Erlaubniß herstellen, auf eigene Kosten eine kaiserliche Burg erbauen, allen Bündnissen entsagen, das Heer in die Stadt aufnehmen, 300 Geißeln auf drei Jahre stellen, die Ernennung obrigkeitlicher Personen dem Kaiser übertragen, sich der Hoheitsrechte begeben und eine große Summe Geldes zahlen.« Die Mailänder glaubten, diese Nachgiebigkeit umfasse alles nur irgend zu Fordernde; ja sie erschien ihnen, im Angedenken an ihre frühere stolze Größe, schon übertrieben: – und dennoch waren die Stimmen in dem kaiserlichen Rathe getheilt, ob man die Bedingungen annehmen oder verwerfen solle. Für jenes führte man anSigonius z. d. J.  Chron. S. Pantal. 942.: »sie genügen um Mailands Macht zu brechen, und Friedrich kann ohne Mühe ihre Vollziehung erzwingen. Härtere Forderungen werden neuen Widerstand erzeugen und rechtfertigen; wogegen die Mailänder, im Fall eines künftigen Übertretens ihrer eigenen Vorschläge, dem Kaiser vollkommene und jedem einleuchtende Gründe zur Bestrafung 138 {1162} geben. Für die Ruhe und das allgemeine Wohl bedarf es itzt keiner strengern Behandlung, als der sich die Mailänder selbst unterwerfen.« – Anders Gesinnte, unter ihnen wohl manche italienische Städte, und besonders der, von den Mailändern hart beleidigte Kanzler Rainald von Köln, erklärten: »unbegränzte Beleidigungen kaiserlicher Majestät würden nur durch eine unbedingte Unterwerfung hinreichend gebüßt. Nach dieser vollen Genugthuung müßte es der Macht und Großmuth des Kaisers überlassen bleiben, ob er Rache oder Gnade über die Verbrecher ergehen lassen wollte.« – Friedrich hielt das letzte Verfahren seiner Würde angemessener, und so groß war die Bedrängniß in Mailand, daß man, nach manchen fruchtlosen Klagen, die Hoffnung auf jene Gnade dem sonst unabwendbaren Untergange vorzog.

Am ersten März des Jahres 1162 kamen die Bürgermeister Mailands und mehre Edle im kaiserlichen Lager anBurchardi epist. 915.  Guil. Neubrig. II, 8., warfen sich vor der Versammlung der Fürsten nieder, beschwuren ohne Bedingung und Rückhalt die eigene Unterwerfung, und versprachen von allen Bewohnern eine gleiche Eidesleistung zu bewirken. Drei Tage später, nachdem gar passend war gesungen worden: »Herr, gedenke deiner Milde;« erschienen mehr als 300 auserwählte Männer, übergaben niedergebeugt die Schlüssel aller Thore und Burgen, sechsunddreißig Hauptfahnen der Stadt und schwuren gleich den ersten. Am sechsten März nahte endlich das ganze Volk, in hundert Schaaren abgetheilt, mit Stricken um den Hals, Asche auf dem Haupte und Kreuzen in den Händen. Man erblickte einen WagenUrsperg. chr. 305.  Memor. Regiens. 1075.  Otto Morena 1099.  Radulph. Mediol. 1187.  Godofr. Monach.  Afflig. auctar. von starkem Bau und dicht mit Eisen beschlagen, in dessen Mitte sich ein hoher Mastbaum erhob, durch Metall, Ringe, Bänder und Stricke aufs geschickteste befestigt. Den Gipfel schmückte das Zeichen des Kreuzes und der Segen austheilende, heilige 139 {1162} Ambrosius. Dies war das Carrocio, das erste Feldzeichen Mailands. Der Kaiser saß während dessen bei Tische und ließ die Mailänder, das Fest ihrenthalben keineswegs unterbrechend, im ärgsten Regen wartenBurchardi vita 61.. Endlich erschien er auf erhöhtem Throne in der Mitte seiner Großen, und sobald ihn jene erblickten, schwenkten sie noch einmal die Fahnen und stießen noch einmal in die Posaunen; mit dem letzten Tone schien Mailands Größe zu verhallen. Still ging nun der lange Zug vor dem Kaiser vorbei, und jede Abtheilung legte Fahne und Posaune zu seinen Füßen nieder. Jetzt stand das Carrocio ihm gegenüber: da ließen dessen Führer geschickt die Stricke nach, der ungeheure Baum senkte sich, gleichsam dahinsterbend, zu Boden und als man den Wagen nicht, – wie des Fürsten Wink befohlen –, durch die zu engen Thore hindurch bringen konnte, wurde der feste Bau durch überlegene Gewalt in Stücke zertrümmert. So war denn auch nicht einmal ein Zeichen mehr übrig, dem Mailand vertrauen konnte, und der innere und stumme Schmerz brach in lauten Jammer aus, und in unermeßlicher Wehmuth stürzten alle zu Boden, um Christi willen Erbarmung erflehend! Der Graf von Blandrate, itzt unter den Siegern, trat hervor um für seine ehemaligen Freunde und Genossen zu bitten; Thränen waren in den Augen aller Fürsten, nur des Kaisers Angesicht und Haltung blieb unverändert. Erst als durch Kanzler Rainald die Urkunde unbedingter Unterwerfung vorgelesen und von allen Mailändern anerkannt war, erhub er sich und sprach: »die Milde welche sich mit Gerechtigkeit verträgt, soll euch zu Theil werden. Ihr habt nach dem Gesetze alle das Leben verwirkt, ich will es allen schenken und nur solche Maaßregeln ergreifen, wodurch es euch unmöglich wird künftig ähnliche Verbrechen zu begehen.«

Niemand sah ein, was für Maaßregeln dies seyn könnten, wenn nicht die, von den Mailändern früher schon 140 {1162} zugestandenen. In schweren Besorgnissen kehrte daher das Volk zur Stadt zurück, stellte 400 Geißeln und leistete sechs vom Kaiser dazu bevollmächtigten Deutschen und sechs Italienern die Huldigung. Friedrich selbst begab sich nach Pavia, damit hier über das letzte Schicksal Mailands auf einer Versammlung entschieden werde, welcher fast alle Große, die meisten Bischöfe und die Bürgermeister vieler lombardischen Städte beiwohnten. Die Abstimmung der letzten war die härtesteChron. mscr. 1707.. »Den Becher der Trübsal,« so sprachen sie, »welchen Mailand für andere bereitet hat, mag man ihnen wieder bereiten. Sie haben Como und Lodi, sie haben kaiserliche Städte zerstört; mithin muß Mailand wieder zerstört werden.« In der, auf Befehl des Kaisers entworfenen geschichtlichen Darstellung alles Geschehenen, hieß es ferner: »Mailand sey der Mittelpunkt aller Fehden, die Vertheidigerinn der Kirchenspaltung, und durch zutrauliche und nachsichtige Behandlung nur zu Rückfällen in die alten Frevel aufgereizt worden. So lange es unabhängig bleibe, könne Ordnung und Friede nicht wiederkehren; um des Friedens und der Ordnung willen, müsse also die Strafe hart seyn.« Man faßte hierauf gemeinsam einen letzten Beschluß, und die mailändischen Bürgermeister wurden nach Pavia berufen um ihn zu vernehmen. Er lautete: »Mailand soll leer und wüst seyn; binnen acht Tagen verlassen alle Bewohner die Stadt und bauen sich in vier Flecken an, von denen jeder zwei Meilen vom andern entfernt ist.« Diesen Spruch hatten auch die Besorglichsten nicht vorausgesehn. Wuth oder Wehmuth, Trotz oder Flehen konnten ihn nun nicht mehr hintertreiben; und so eilten die meisten dahin, wo sie Verwandte, Freunde, Bekannte hatten oder zu finden hofften; aber viele, selbst dieser geringen Hoffnung beraubt, blieben hülflos zurück und vertheilten und versteckten sich in Hütten, Klöstern und Kirchen.

Zum zweiten Maie erschien itzt der Kaiser am 26sten 141 {1162} März mit Heeresmacht und zog nicht durch ein Thor, sondern über die, an einer Stelle niedergerissenen Mauern, siegprangend in die Stadt. Sie ward nicht geplündertFriedrich sagt selbst: fossa complanamus, muros convertimus, turres omnes destruimus, ipsam civitatem in ruinam et desolationem ponimus. (Hund. metrop. III, 242.  Dachery spicil. III, 536.  Martene thesaur. I, 473.  Reichersberg. chron): es blieben aber Gebäude und Kunstwerke in bedeutender Zahl aus älterer Zeit übrig, (Gratiolius de aedificiis Mediol.) den Kirchen geschah fast gar kein Leid und die, ohnehin minder ausgezeichneten Wohnhäuser konnten weder in der kurzen Zeit niedergerissen, noch ohne Schaden der übrigen Gebäude niedergebrannt werden. Für die im Texte aufgestellte Ansicht, geben mailändische Schriftsteller selbst die vollen Beweise, vor allen Giulini in den Annalen, die Vicende 65 und die Antichità Longob. Milan. II, 47. So sagen z. B. die letzten p. 43 u. 52: leggierissimo il male sofferto dalle chiese, delle quali una sola forse è stata la danneggiata., sondern das bewegliche Eigenthum den Bürgern gelassen; die Häuser wurden nicht niedergerissen, die Kirchen nicht zerstört und kein Salz auf den, mit dem Pfluge aufgerissenen Boden als Zeichen ewiger Verwüstung ausgestreut. Vielmehr ging der Befehl oder die Erlaubniß des Zerstörens nur auf die Mauern, Gräben und Thürme, kurz gegen die Befestigungen der Stadt; allein auch hier blieb (trotz des wieder heraustretenden Eifers von Como, Lodi, Cremona und Pavia) ein Theil der äußeren und der größte Theil der inneren Mauer übrig. Denn es war eine ungeheure Arbeit, dergleichen Werke mit Händen niederzureißen; ja selbst Feuer hätte sie nicht zerstört, oder die heiligen Gebäude der Stadt, welche man erhalten wollte, leicht mit ergriffen. – Ob nun gleich übertriebene Berichte bis hieher gemildert werden müssen, so bleibt doch das, allen einzelnen Verlust weit hinter sich lassende, größte Unglück unleugbar: die Auflösung ihrer bürgerlichen Gemeinschaft, der Untergang ihrer Unabhängigkeit und das Ende einer, zeither zwar oft willkürlichen, aber immerdar glänzenden Laufbahn.

142 {1162} Von Mailand ging der Kaiser nach Pavia zurück, und feierte in der Hauptkirche ein Dankfest mit der höchsten Pracht; dann folgte ein herrliches Gastmahl, zu welchem nicht bloß Edle, sondern auch Bürger und Fremde eingeladen waren. Friedrich und seine Gemahlinn Beatrix trugen Kronen auf dem Haupte: denn nunmehr war sein Wort gelöset, sie nicht aufzusetzen, bevor er Mailands Macht gebrochen und den Gehorsam gegen die Gesetze in seinem ganzen Reiche hergestellt habe. Ja so wichtig erschien ihm das Errungene, daß er ein Zehntel der Beute dankbar an Klöster überwiesPetershus. chron. 388., und außer den Jahren des König- und Kaiserthums, in Urkunden auch die Jahre nach der Zerstörung Mailands zählte. Nicht minder hielten alle dem Kaiser bisher feindlich gesinnte Städte mit dem Falle Mailands die Sache der Freiheit für ganz verloren: Brescia, Piacenza, Imola, Faenza, Bologna und mehre andereAcerbus Morena 1107-1113 hat Einzelnheiten, die wir um der Kürze willen, übergehn müssen. Siehe Giulini 296.  Ghirardacci I, 3, 84. unterwarfen sich allmählich auf schwere Bedingungen: sie sollten jede Befestigung zerstören, Geldsummen zahlen, allen Befehlen Friedrichs gehorchen, obrigkeitliche Personen von ihm annehmen und Kriegshülfe stellen. Mehre dem Kaiser befreundete Städte erhielten dagegen, außer mancherlei andern Begünstigungen, das Recht ihre Obrigkeiten selbst zu wählen. Am engsten verband sich der Kaiser mit den Genuesern und den PisanernLünig cod. diplom. Italiae I, 1047.  Stella 976.  Friedrich sagt: non solum in terra, sed etiam in mari gloriam et honorem Romani imperii dilatare omnibus modis et corroborare intendimus et desideramus.  Murat. antiq. Ital. IV, 253., welchen er Theile von Apulien, Sicilien und dem Schatze König Wilhelms zusicherte: so gewiß hofften sie in gemeinschaftlichem Kriege obzusiegen!

Auch war Friedrich itzt weltlicher Herr von Rom bis Lübeck: zwar nicht in der unbeschränkt einherrischen Form 143 {1162} späterer Zeiten, aber doch mit einem Übergewicht über die ständischen Rechte und Befugnisse, wie es sich lange kein Kaiser hatte erwerben können; und da dies Übergewicht auch auf geistliche Angelegenheiten ging, und die Bischöfe von ihm bald aus eigener MachtDumont I, 85, 35, Urk. 141, 142., bald mit Zustimmung seines Papstes eingesetzt und abgesetzt wurden, so schien alles Öffentliche einer durchgreifenden Umgestaltung entgegenzureifen; jedoch immer nur in seinem Reiche, wo man theils aus Furcht, theils aus Überzeugung die Beschlüsse der Kirchenversammlung von Pavia fast ganz allgemein angenommen hatte. Die Christenheit war aber in jener Zeit viel zu sehr ein einiges Ganzes, und die Frage über den wahren oder falschen Papst, griff viel zu sehr in alle und jede Verhältnisse der Kirche, des Staates, der Stifter und Klöster, ja der einzelnen Familien ein, als daß die fortdauernde Spaltung nicht allgemein als ein sehr großes, auf alle Weise zu beseitigendes Unglück erschienen wäre. Die, im ersten Augenblicke nicht unwahrscheinliche Hoffnung, Viktors Anerkenntniß überall durchzusetzen, schlug aus mehren Gründen fehl. Zuvörderst wollten die, in Pavia weltlicherseits gar nicht, und geistlicherseits ungenügend vertretenen Staaten, keinen scheinbar kaiserlichen Papst und wurden bange, das weltliche und geistliche Schwert möchte, zu unausweichbarer Tyrannei, unmerklich in eine Hand kommen. Zweitens verbreitete sich, und mit Recht, die MeinungBouquet script. XVI, 499.: Alexander sey klüger, unterrichteter, beredter, tüchtiger als sein Gegner. Drittens fanden die Fürsprecher Alexanders überall weit mehr Eingang, als die kaiserlichen Berichterstatter und unterwarfen alles Geschehene einer strengen Prüfung. So schreibt Johann von Salisbury, ein angesehener und wirksamer Geistlicher jener Zeit: »wer unter den Kindern der Menschen war mit Friedrich vergleichbar, ehe er sich aus einem Herrscher in einen Tyrannen verwandelte und aus 144 {1161} einem katholischen Kaiser ein Schismatiker und Ketzer ward? Er unterwirft die allgemeine Kirche dem Urtheile einer einzelnen Kirche! Wer aber hat die Deutschen zu Richtern der Völker bestellt? Wer hat diesen dummen gewaltthätigen Leuten Vollmacht gegeben, nach Willkür ihrer Fürsten abzusprechen über die Häupter aller MenschenQuis hanc brutis, impetuosis hominibus auctoritatem contulit, ut pro arbitrio principum statuant etc.  Johann Sarisber. epist. 59.  Bouquet XVI, 547.? Die gegen Alexander in Pavia abgelegten Zeugnisse sind theils falsch, theils gar nicht beschworen, theils rühren sie von parteiischen Personen her. So ist der römische Präfekt ein Neffe Oktavians, und befand sich zur Zeit der Wahl obenein nicht gegenwärtig; so zürnt der Kanzler Rainald, weit Hadrian seine Wahl zum Erzbischofe von Köln, der Graf von Blandrate, weil jener die Wahl seines Sohnes nicht billigte u. s. w.«

Der Kaiser, welchem dies und ähnliches nicht unbekannt blieb, hoffte durch eine neue Kirchenversammlung alle Zweifel zu beseitigen und seine Partei nach allen Richtungen zu befestigen. Allein obgleich diese zweite, während des Mais 1161 in Lodi abgehaltene KirchenversammlungDie Kirchenversammlung am 21sten Mai.  Histor. Landgrav. Thuring. Eccard. 383.Otto Morena, Helmold, Duchesne IV, 578., die Ansprüche des gegenwärtigen Viktor nochmals prüfte und alle früheren Beschlüsse bestätigte: so litt sie doch an denselben Mängeln wie die erste von Pavia, und ihre Wirksamkeit wurde mindestens zur Hälfte aufgehoben, als Ludwig VII in Beauvais und Heinrich II in NeufmarcheGuil. Neubrig. II, 9.Trivet setzt die Versammlung in Neufmarche auf den Junius 1160. (dem Rathe ihrer Bischöfe gemäß) vorläufig auf Alexanders Seite traten. Weil indeß die beiden letztgenannten Zusammenkünfte unleugbar noch weniger, als die in Lodi und Pavia, den Charakter allgemeiner Kirchenversammlungen trugen und Viktor daselbst gar nicht war gehört oder vertreten worden: so berief man eine weit zahlreichere Versammlung nach 145 {1161} Toulouse, welcher die Könige von Frankreich und England in Person, ferner die Gesandten Friedrichs und des Königs von Leon, endlich die Abgeordneten beider Päpste beiwohnten. Die letzten suchten die Ansprüche ihrer Herren mit den schon dargelegten Gründen zu erweisen: wobei aber vieles, was in Pavia und Lodi den Darstellungen Viktors vor dem Kaiser und den mehr oder weniger von ihm abhängigen Bischöfen Gewicht gab, hier in die Wagschale Alexanders fiel; auch wollte man, abgesehen von inneren Gründen, gar gern die einseitige Entscheidung des Kaisers, anscheinend mit gutem Gewissen verwerfen. Die Versammlung erklärte sich also gegen Viktor; welches Ereigniß für Alexander an sich von der höchsten Wichtigkeit und in diesem Augenblicke doppelt erfreulich war: denn seine Feinde hatten fast den ganzen Kirchenstaat inne, die Römer zeigten ihm ihre Abneigung so unverhohlen, daß er die Stadt verließ; und eine eigene unabhängige Kirchenversammlung brachte er nicht zu Stande, weil auf des Kaisers Befehl keine Bischöfe nach Rom durchgelassen wurdenChron. mont. sereni zu 1159.. Unverzüglich ordnete Alexander itzt so gut als möglich die römischen Angelegenheiten, ernannte den Bischof Julius von Präneste zu seinem Statthalter und begab sich mit den Kardinälen auf normannische Schiffe, welche König Wilhelm ihm gesandt hatte. Aber ein so furchtbarer Sturm ergriff das GeschwaderDandolo 289 u. 304.  Caffari 278.  Vitae Pontif. 446-452.  Cassin. monach. zu 1159.  Ferreras III, 521., daß jeder in der unerwarteten Rettung nicht allein der Menschen, sondern aller Güter ein Wunder, eine Gnade und Weissagung des Himmels erkannte.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Sicilien segelte Alexander nach Genua und ward hier, ungeachtet des kaiserlichen Verbotes ehrenvoll aufgenommen: noch mehr geschah dies in Frankreich, wo der König nicht gegen, sondern für ihn wirkte, und die zahlreich in Montpellier und Clermont 146 {1162} versammelte Geistlichkeit seinen Darstellungen Beifall gab. Aber diese sehr günstigen Umstände, denen Alexander aus mehren Gründen so sicher vertraute, schienen sich unerwartet zu ändern. Seine Freundinn, die Königinn Konstanze, starb und Ludwig ehlichte Adelheid, welche gleich ihrem mächtigen, täglich mehr Einfluß gewinnenden Bruder Heinrich von Champagne dem Papste Viktor, vielleicht wegen entfernter Verwandtschaft, geneigt war; Viktor selbst unterließ keinen Versuch, durch Abgeordnete und Darstellungen auf die Ansichten der Könige Ludwig und Heinrich einzuwirken; Kanzler Rainald schrieb dem französischen Kanzler Bischof von Soissons, er möge die Hand nicht zur Unterstützung Alexanders bieten und beschwur den König, seine Ehre und seine Krone nicht auf solche Weise zu erniedrigenNe coronam et omnem honorem violenter demoliri velle videamini.  Camici zu 1162, Urk. V, VI, 33. – Histor. Ludov. VII, 416.  Epist. Ludov. VII, No. 47.; endlich drohte der Kaiser: »daß die größte Zwietracht zwischen Deutschland und Frankreich entstehen werde, wenn man seinen und des Reiches Feind, den bereits von der Kirche verworfenen Roland, aufnehmen und die fast beseitigte Spaltung erneuen wolle. Und selbst abgesehen hievon sey es thöricht, sich mit einem Menschen zu befassen, welcher an 20,000 Pfund Schulden gemacht habeCodex epist. Reginae Christinae No. 179, p. 44.  Concil. XIII, 197.; zu deren Bezahlung er das Geld in Frankreich erpressen wolle, werde und müsse!«

Hiemit stimmten gewissermaaßen des Papstes eigene Schreiben: denn während er einerseits den König einen Bekenner der Gerechtigkeit und einen herrlichen Vertheidiger des ächten Glaubens nannteIbid. p. 27 u. 106.  Concil. XIII, 167, 170, 294.; verhehlte er andererseits keineswegs die Geldnoth, in welche ihn des Kaisers Vorkehrungen gestürzt hätten, und die nur durch königliche Gaben und durch Beiträge der Geistlichkeit könne gehoben werden.

147 {1162} Ludwig, ein Mann von schwacher Willenskraft und durch leichtsinnige widersprechende Rathschläge bald so bald anders gewendetLudovicus lingua levis, et malorum multoties utens consiliis, non levi plerumque macula, mores egregios denigravit.  Hemingfort II, 29., war noch unentschlossen was er thun solle, als die Nachricht einlief, daß Alexander (wahrscheinlich um kirchlichen Rechten nichts zu vergeben) seine Gesandten, den Abt Theobald von St. Germain und den Kapellan Cadurcus, keineswegs nach Wunsch empfangen habe. Hiedurch erhielten Friedrichs Anhänger das Übergewicht und vermochten den König, daß er die Befehle über Alexanders Anerkennung einstweilen nicht öffentlich bekannt machte, und den Grafen Heinrich von Champagne nach Italien sandte, um mit dem Kaiser über die weiter zu ergreifenden Maaßregeln Unterhandlungen einzuleiten. Diesem stellte Friedrich vor: »das beste Mittel den Streit rechtlich und würdig beizulegen, wäre eine neue allgemeine Kirchenversammlung, zu welcher er und Ludwig sich persönlich einfänden und jeder den von ihm beschützten Papst mit zur Stelle brächte. Die Entscheidung einer so ehrwürdigen und unparteiischen, aus allen weltlichen und geistlichen Großen ihrer Reiche bestehenden Versammlung, müsse dann unwandelbar gelten, sie möge für den einen oder den andern Bewerber, oder auch gegen beide ausfallen.« – Ehe Graf Heinrich sich hierüber entscheidend erklärte, erhielt er Schreiben vom Erzbischofe Manasse von Orleans des InhaltsFragment. histor. Ludov. VII, 424.  Vitae Pontif. 452.  Helmold I, 90.  Radulph. Mediol. 1188.  Alberic. 339.  Chron. Saxo.  Chron. mont. sereni.  Godofr. monach.  Albert Stadens.  Auch Pontius der Abt von Vezelay und der Erzbischof von Tours verhandelten für Ludwig mit dem Kaiser.  Gallia christ. IV, 471.: »Alexander habe dem Könige neuen Grund zur Unzufriedenheit gegeben; weshalb er nur unbesorgt, selbst über seine Vollmacht hinaus vorschreiten und der Hoffnung leben könne, Ludwig 148 {1162} werde in alles willigen.« Auch war dieser wirklich mit jenen Anträgen zufrieden, welche die bisherigen Vorwürfe über Einseitigkeit der verschiedenen Kirchenversammlungen aufhoben, und ohne Anmaaßung der gesammten Christenheit ein freies Urtheil über ihre wichtigste Angelegenheit zugestanden. Graf Heinrich beschwur daher in Ludwigs Namen das Verabredete: am 29sten August 1162 sollte die Zusammenkunft in Launes bei Dijon eröffnet werden; alles versprach den erwünschtesten Ausgang.

Als Papst Alexander von diesem wichtigen Beschlusse hörte (welcher die Kirchenversammlungen über den PapstConcil. XIII, 178., und die weltlichen Fürsten über die Kirchenversammlungen stellte), erschrak er sehr, eilte dem Könige bis Souvigny in der Gegend von Clugny entgegen und erklärte: »er könne, selbst abgesehn von der gerechten Furcht vor Nachstellungen und Parteilichkeit, seine Sache keinem irdischen Gericht unterwerfen und werde nicht in Launes erscheinen; doch wolle er durch Abgeordnete die Rechtmäßigkeit seiner Wahl den Versammelten, als Zuhörern, geschichtlich darlegen, keineswegs aber als ein Angeklagter seinen Richtern vortragen lassen.« Vergeblich suchte ihn Ludwig zu einem andern Entschlusse zu bewegen, und rief (die Lage der Dinge gewiß oberflächlicher beurtheilend, als der Kaiser) zuletzt aus: »wunderbar, daß jemand der sich einer gerechten Sache bewußt ist, diese Gerechtigkeit und Unschuld nicht an den Tag legen und kundbar machen will!« Rathlos, wie er die Verlegenheit, welche aus Alexanders beharrlicher Weigerung entstand, beseitigen sollte, kam er endlich (vielleicht wiederum fremdem Rathe folgend) auf den Gedanken: er wolle die Verhandlungen des Grafen von Champagne nicht anerkennen, weil dieser seine ursprüngliche Vollmacht überschritten habe. Allein Heinrich, der aus Italien zurückgekehrt war, rechtfertigte sein Verfahren nicht allein durch die Schreiben des Erzbischofs Manasse von Orleans, sondern 149 {1162} noch mehr durch Ludwigs eigenes Benehmen, welches offenbar erst durch die fruchtlose Unterredung in Souvigny eine andere Wendung bekommen hatte.

Ein rascher und entscheidender Beschluß mußte aber um so mehr gefaßt werden, da Fürsten und Prälaten auf die ergangenen LadungenDer Kaiser sagt in den Einladungsschreiben: et quia abundans cautela non nocet, milites tui quos tecum adduces, in armis et clypeis sint muniti.  Cod. epist. Reg. Christinae No. 179, p. 98.  Harzheim conc. III, 390.  Murat. antiq. Ital. VI, 57. bereits von allen Gegenden her, und nicht ohne kriegerische Begleitung, bei Dole ankamen, auch die Botschaft eintraf, Friedrich nahe mit Heeresmacht. In dieser bedenklichen Lage erfreute man sich einen Augenblick lang an der Nachricht: Viktor wolle ebenfalls nicht erscheinen; aber schnell schafften ihn die Deutschen zur Stelle, und der König von Frankreich blieb in derselben Verlegenheit. Da schickte er Abgeordnete an den Kaiser, welche erklären mußten: er habe die Bedingungen zu spät erfahren, und könne die Frist nicht einhalten; dennoch nahte er zur bestimmten Zeit unter dem Vorwande einer Jagd, erschien am siebenten September 1162 um die dritte Stunde auf der zur Zusammenkunft bestimmten Brücke, wartete bis um die neunte Stunde, wusch hierauf zum Zeichen seiner Unschuld die Hände im Strome und eilte am Abend noch nach Dijon zurück. Hiemit, dies behaupteten die Freunde Alexanders, sey nun alles glücklich abgemacht; aber Graf Heinrich von Champagne trat hervor und erklärte: »der König sey seines Wortes nicht ledig, Friedrich habe ihm eine Frist von drei Wochen bewilligt um Alexander herbeizuführen und den Streit durch rechtliche Männer entscheiden zu lassen; halte Ludwig diese Frist nicht ein, so werde der Graf sich, wie er beschworen, mit seinen Ländern in die Hände des Kaisers übergeben.« – Dieser war wenige Stunden nach Ludwig auf jener Brücke angekommen und ließ dem 150 {1162} Könige mündlich und schriftlich vorstellenEpist. ad Ludov. VII, 38, 50-56, 86, 90, 143, 150, 153, 418, 431.  Frider. I epist. 6, 7.: »der Wunsch sich zu sprechen, um der Kirche und der Welt den Frieden zu verschaffen, sey hoffentlich aufrichtig und gegenseitig? Wenigstens könne man ohne Thorheit solch wichtig Werk darum nicht aufgeben, weil der eine zufällig um eine Stunde zu früh, der andere um eine Stunde zu spät auf einer Brücke anlange. Überdies habe der König die Hauptbedingung noch nicht erfüllt, und Viktor deshalb mit Recht vorgestellt: »»warum soll ich kommen, wenn mein Gegner nicht erscheinen will? Und warum bedarf mein, durch den Ausspruch zweier Kirchenversammlungen bestätigtes Recht, allein einer neuen Untersuchung?««

Ludwig, durch das Gewicht dieser Gründe und die Furcht vor des Grafen Abfall und des Kaisers Heer nochmals umgewandt, stellte diesem Geißeln für die Erfüllung der Verträge und schickte Eilboten an Alexander: »er solle unverzüglich erscheinen.« Dessen Standhaftigkeit wuchs aber mit der Gefahr: er lehnte das Gesuch zum zweiten Mate und um so mehr ab, da es wie ein Befehl lautete. Gleichzeitig klagte er den französischen Prälaten: wie schwer es für einen vom Kaiser verfolgten, vom Könige so abhängigen Papst sey, die Freiheiten der Kirche aufrecht zu erhaltenCod. epist. No. 179, p. 38-43, 106, 202.! Und er fand an dem Erzbischofe von Rheims, einem Bruder Ludwigs, und an dem Herzoge von Burgund muthige Fürsprecher. Dieser gelobte treuen Beistand, sofern der Kaiser je Feindseligkeiten zu beginnen wage; und selbst aus Ungern gingen Erklärungen ein, daß König Andreas Deutschland angreifen wolle, sobald Friedrich in Frankreich einfalle.

Weil aber dies alles die nächste Verlegenheit keineswegs beseitigte, so suchte und fand der König von Frankreich einen andern Ausweg. Er begab sich, vor dem 151 {1162} völligen Ablaufe der gesetzten Frist mit seinen Begleitern nach Lovigennes, fand aber, weil man ihn um diese Zeit gar nicht erwartete, statt des Kaisers nur den Kanzler Rainald. Es kam zwischen ihnen zum Gespräch, und in demselben natürlicher Weise zu gegenseitigen Beschwerden. Ludwig führte an: »der Kaiser habe in seinen Ladungen geäußert, Frankreich werde auf der neuen Kirchenversammlung, wie durch Eide und große Bürgschaften feststehe, Viktor als Papst anerkennen, und dieser habe ähnliches nach Rom geschrieben. Den Bedingungen zuwider sey ein Heer versammelt, und errege den Argwohn, als wolle der Kaiser seine Ansicht mit Gewalt und ohne Rücksicht auf die übrigen Fürsten und Könige durchsetzen.« Unter mehren sich hieran knüpfenden raschen Wechselreden sagte Rainald: »allerdings stehe die Entscheidung über die Wahl des römischen Bischofes ursprünglich dem römischen Kaiser allein zuVizeliac. histor. 539, welche überhaupt gute Nachrichten enthält. Alle Widersprüche unter den Nachrichten lassen sich nicht lösen; wir haben zusammengestellt, was uns am wahrscheinlichsten erschien., und Ludwig könne mit der französischen Geistlichkeit eigentlich nur als Freund und Rathgeber, nicht als Richter erscheinen.« Diese Äußerung, an welche Rainald wahrscheinlich Beschwerden über Alexanders Hartnäckigkeit und manches andere anreihen wollte, griff Ludwig vor weiterer Erläuterung begierig auf und sprach: »ich wundere mich, daß ein so kluger Mann, wie ihr, so widersprechende und fabelhafte Dinge vorbringt! Hat Petrus nicht alle Schafe zu weiden erhalten? Gehören die Könige und Prälaten Frankreichs nicht zur christlichen Heerde?« Darauf fuhr er, sich zu Graf Heinrich von Champagne wendend, fort: »du siehst, daß man die von dir entworfenen Bedingungen verwirft. Ist etwa der Kaiser gegenwärtig? Habe ich nicht mein Wort gehalten?« Seine Begleiter bejahten es, und obgleich alle Deutschen riefen: »der Kaiser, ihr Herr, sey und bleibe ja unwandelbar bereit, die mit dem Grafen verabredeten Bedingungen 152 {1162} zu erfüllen,« – setzte sich Ludwig dennoch zu Pferde und sprengte davon, als entflöhe er einer Lebensgefahr! Schon in derselben Nacht traf der Kaiser ein, und wiederholte sogleich seine frühern Beschwerden mit gleichen Gründen, aber nicht mit gleichem Erfolge: denn König Heinrich von England, – welcher nicht ahnete, welche Leiden ihm Papst Alexander einst verursachen werde –, hatte sich auf dessen dringendes Gesuch entschieden für ihn erklärt und nahte mit zahlreicher Mannschaft; wogegen im kaiserlichen Lager, aus Mangel an Lebensmitteln, die Nothwendigkeit eines baldigen Aufbruches entstand. Ludwig, zwischen dem Könige von EnglandDurch König Heinrichs Erklärung sey Ludwig bestimmt worden.  Rymer foed. I, 1, 23.  Alexander bedankte sich bei diesem für sein Benehmen.  Concil. XIII, 210.  Cod. epist. Reg. Christinae No. 179, p. 119., dem Papste und Friedrich in die Mitte gestellt, von denen der erste sein alter Feind, und die beiden andern gleich entfernt von aller Nachgiebigkeit waren, freute sich an Alexander einen Vermittler zwischen den französischen und den englischen Ansprüchen zu finden, und sichernde Versprechungen für die Ehre seines Reiches zu erhalten: er fürchtete in diesem Augenblicke mehr die Überlegenheit der kaiserlichen als der geistlichen Gewalt.

Nunmehr war also die Hoffnung den Kirchenfrieden herzustellen, nicht ohne Schuld aller Theile ganz verschwunden, und man mußte bei der Sinnesart Friedrichs und Alexanders einem langen und hartnäckigen Kampfe entgegensehen! In diesem Kampfe hatte der Papst den großen Vortheil, daß ihn die Stimmung des Jahrhunderts begünstigte und er alle Thätigkeit auf einen Punkt richten konnte; während den Kaiser Sorgen und Arbeiten mannigfacher Art beschäftigten und seine Kräfte zerstreuten und schwächten. Jener stand da als ein Kämpfer für den Himmel, und im Bunde mit der Freiheit auf Erden: dieser hingegen schien die irdische Ordnung zu überschätzen und den Himmel bestürmen zu wollen. 153

 


 


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