Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 2
Friedrich von Raumer

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Viertes Buch.

Von der Thronbesteigung Kaiser Friedrichs I bis zu dessen Kreuzzuge.

(Von 1152 bis 1188.)

Obgleich dem Könige Konrad weder Kriegesmuth noch Gewandtheit des Verstandes fehlte; so hatte ihn doch ein unglückliches Zusammentreffen von Umständen gehindert, alle inneren und äußeren Angelegenheiten des Reiches nach Wunsche zu ordnenConradus, militari virtute strenuus et, qod regem decuit, valde animosus, sed quodam infortunio respublica sub eo labefactari coeperat.  Colon. chron. Pantal. 934.  Alberic. 321.  Günther I, 320.. Die erste Zeit seiner Regierung verfloß in offenen Fehden, dann unterbrach der Kreuzzug alle heimische Thätigkeit und viele, während der letzten Jahre hervorbrechende Übel wurden mehr im Einzelnen und nur für den Augenblick beseitigt, als gründlich und im Großen geheilt. Diese gründliche Heilung (daran zweifelte niemand) mußte Konrads Nachfolger versuchen, wenn nicht die Auflösung täglich weiter um sich greifen sollte: ja seine Einwirkung mußte sich auch auf die wichtigen Gegenstände und schwierigen Verhältnisse erstrecken, welche man seit den fränkischen Kaisern in Kirche und Staat entweder gar nicht, oder mit ängstlicher Nachgiebigkeit berührt hatte. Nur ein höchst tüchtiger Mann konnte die Lösung dieser Aufgaben unternehmen; und davon war selbst König Konrad so sehr überzeugt, daß er den Fürsten keineswegs seinen kleinen 4 Sohn Friedrich, sondern seinen Neffen Friedrich empfahl, welcher bereits persönliche Thätigkeit bewiesen hatte, und der Herkunft nach zu den größten Hoffnungen berechtigte. In ihm erschien nämlich die alte grimmige Fehde der Welfen und Hohenstaufen völlig ausgesöhnt: denn sein Vater war Herzog Friedrich von Schwaben und seine Mutter war Judith, die Tochter Herzog Heinrichs des Schwarzen.

Dieser Abstammung würdig, verwandelte der Jüngling bald das Spiel kriegerischer Übungen in Ernst und kündigte, noch beim Leben seines Vaters, dem baierischen Grafen von Wolfartshausen Fehde anOtton. Fris. vita I, 25-26.  Contin. Martini Poloni 1413.  Hochwart 188.  Arenpeck de Guelf. 665.. Aber so sehr verachteten dessen Kriegsleute die Jugend Friedrichs, daß sie wohlgemuth unter den Mauern des Schlosses standen und an kein ernstliches Gefecht glaubten, bis sie angegriffen, alles Widerstandes ungeachtet geschlagen und viele, unter ihnen Graf Konrad von Dachau, gefangen wurden. Friedrich nahm kein Lösegeld von diesen: ihm genügte die Ehre des Sieges und er wußte, daß man oft reicher wird durch Verschmähen, als durch Nehmen des Geldes. Wichtiger als diese erste, erscheint seine zweite Fehde mit dem mächtigen Herzog Konrad von ZäringenMüllers Geschichte der Schweiz I, 343.  Tschudi I, 65., welcher gegen alles Erwarten von dem noch jungen Manne aus Zürich und Zäringen vertrieben und gezwungen wurde, bei König Konrad um Frieden zu bitten.

Als dieser im Jahre 1146 das Kreuz nahm, folgte Friedrich so würdigem Beispiele, obgleich sein bereits kränkelnder Vater anfangs lebhaft widersprach und verlangte, daß er bei ihm bleiben und nicht das Nächste und Nothwendigste dem Entfernten und Ungewissen nachsetzen sollte. Aber alle, selbst glückliche Unternehmungen in dem engeren Kreise der Heimath, hätten den Jüngling nicht so bilden und erziehen können, als die großen Unfälle dieses Kreuzzuges. 5 Nach seiner Rückkunft übernahm er (denn sein Vater starb schon im Jahre 1146) das Herzogthum Schwaben; und als er sich itzt im einunddreißigsten Jahre seines AltersÜber Friedrichs Alter siehe Bünaus Leben S. 8. um die Krone bewarb, hatte sich Einsicht und Besonnenheit schon zum Heldenmuthe gesellt.

FriedrichOtton. Fris. vita introit. 637.  Günther Ligur I, 283.  Radev. II, 76.  Ursp. chron. 295, 313.  Acerb. Morena 1117.  Historia brevis 1351.  Cinnamus 32.  Pipinus c. 7.  Bebenhus. annal. 407.  Vinisauf. I, 24.  Hist. hier. 1162. war mittlerer Größe und wohlgebaut, sein Haar blond, kurz abgeschnitten und nur auf der Stirn gekräuselt, seine Haut weiß, seine Wangen roth und sein Bart röthlich, weshalb ihn die Italiener Barbarossa nannten. Er hatte schöne Zähne, feine Lippen, blaue Augen, einen heiteren, aber durchdringenden und der inneren Kraft sich gleichsam bewußten Blick. Sein Gang war fest, die Stimme rein, der Anstand männlich und würdevoll, die Kleidung weder gesucht noch nachlässig. Keinem stand er auf der Jagd und in Leibes-Übungen nach, keinem an Heiterkeit bei Festen; nie aber durfte der Aufwand in übermäßige Pracht, nie die gesellige Lust in Völlerei ausarten. Seine Kenntnisse konnten in jener Zeit und bei der mehr weltlichen Richtung seines Lebens, nicht umfassend seyn; doch verstand er Lateinisch und las gern und fleißig die römischen SchriftstellerÜber seine Kenntnisse im Lateinischen siehe Radev. l. c.  Saxo Grammat. XVI, 473.  Sicardus 598. Es versteht sich von selbst, daß ein Kaiser damals Latein verstehen mußte, wo alles Öffentliche in dieser Sprache verhandelt ward; und weil man noch keine neueren Sprachen lernte, fehlte es auch hiezu nicht an Zeit, und noch weniger an Lehrern.. Ungeachtet großen Feldherrntalents sah er im Kriege immer nur ein Mittel für den höhern Zweck, den Frieden. Furchtbar und streng zeigte er sich gegen Widerstrebende, versöhnlich gegen Reuige, herablassend gegen die seinen; doch verlor er weder in der Freude 6 noch im Schmerze jemals Würde und HaltungGemüthsbewegungen und indignationem mentis risu colorans. Gesta Trevir. Mart. 217, ein Augenzeuge.. Selten trog ihn sein Urtheil, fast nie sein Gedächtniß. Gern hörte er Rath; die Entscheidung aber kam, wie es dem Herrscher gebührt, stets von ihm selbst. Andacht an heiliger Stätte, Ehrfurcht gegen Geistliche als Verkünder des göttlichen Wortes, möchte man Eigenschaften des Zeitalters überhaupt nennen; wenige verstanden jedoch, so wie er, die übertriebenen Forderungen der Kirche davon zu sondern und ihnen mit Nachdruck entgegenzutreten. Rücksichtslos die Gesetze vollziehen, hielt er für die erste Pflicht des Fürsten, ihnen unbedingt gehorsamen, für die erste des Unterthans. Überall stärkte er seinen Willen und seine Kraft dadurch, daß er nur das unternahm was nach seiner Überzeugung dem Rechte und den Gesetzen gemäß war, und daß er auf große Vorbilder früherer Zeiten mit der Begeisterung hinblickte, welche selbst ein Zeichen der Tüchtigkeit ist. Insbesondere hatte er Karl den GroßenAd Caroli imitationem jus ecclesiarum, statum reipublicae incolumem et legum integritatem per totum nostrum imperium servaremus.. Harzheim concil. III, 399. zum Muster genommen und erklärte: ihm nachstrebend müsse man das Recht der Kirchen, das Wohl des Staates, die Unverletzlichkeit der Gesetze im ganzen Reiche zu gründen und herzustellen suchen. Aber selbst in späteren Jahren, wo er dem würdigen ihm verwandten Geschichtschreiber, Otto von Freisingen, Nachrichten über seine, wahrlich nicht unbedeutenden Thaten mittheilte, fügte er, von eitler Selbstliebe kleiner Seelen weit entfernt und fast wehmüthig, hinzu: »im Vergleich mit dem was jene herrlichsten Männer der Vorzeit leisteten, sind dies vielmehr Schatten als ThatenAd similitudinem priorum gestorum, quae ab excellentissimis viris edita sunt, magis dici possunt umbra, quam facta. Otton. Fris. vita 635.

Einem solchen Manne konnte sich kein anderer als 7 Thronbewerber gegenüberstellen, weder der jüngere und in mancher Rücksicht bedrängte Heinrich der Löwe, noch ein österreichischer Babenberger, noch einer der übrigen Fürsten. Auch entstand das Gerücht Friedrich habe gegen seine Vertrauten geäußert: »er werde das Reich gewinnen, selbst wenn alle ihn nicht wollten;« worüber der Erzbischof von Mainz zürnteRegem ab intentatis excusans, et Moguntinensia molimen annullans.  Pantal. chr. Würdtw. bis ihn der Erzbischof von Köln beruhigte und, wie es scheint, die Unwahrheit jenes Geredes darthat.

Schon am 17ten Tage nach dem Tode Konrads, am fünften März 1152, versammelten sich alle geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches in Frankfurt am Main, und erwählten den Herzog Friedrich von Schwaben, um seiner Abkunft und persönlichen Würdigkeit willen, einstimmig zum deutschen KönigOtton. Fris. vita II, 3.  Chronic VII, das letzte Kapitel.  Chron. mont. sereni.  Bosov. annal.  Wibaldi epist. 344.  Colon chr. 935.  Ussermann. episc. Würzburg. 67. Eine genaue Vergleichung dieser Stellen hebt zwar nicht alle Abweichungen, giebt aber genug Gründe zur Entscheidung über den Tag der Wahl.. Das in großer Zahl aus allen Gegenden versammelte Volk und einige zufällig gegenwärtige italienische MannenDie Italiener waren weder berufen, noch bevollmächtigt, noch stand ihr Anrecht fest. Man ließ sich ihre beifällige Acclamation gefallen., stimmten laut und freudig dieser Wahl bei. Fünf Tage nachher erfolgte in Achen die feierliche Krönung durch den Erzbischof Arnold von Köln. In diesen Augenblicken allgemeiner Freude hoffte ein, wegen schwerer Vergehen von Friedrich verstoßener Diener Gnade zu finden und warf sich mitten in der Kirche vor ihm nieder; aber der König sprach mit Ernst: »ich entfernte dich nicht aus Haß, sondern der Gerechtigkeit gemäß; deshalb ist kein Grund zum Widerrufe vorhanden.« – Es mochte Friedrich den Glauben hegen: daß die Milde des Privatmannes, selbst durch Schwäche herbeigeführt, nichts Übeles 8 {1152} von Bedeutung zu erzeugen vermöge; unzeitige Nachgiebigkeit der Herrscher dagegen, unmerklich die Ordnung des ganzen Staates zu allgemeinem Verderben auflöse.

Hillin von Trier und Eberhard von Bamberg wurden sogleich nach der Krönung Friedrichs mit einem höflichen Schreiben an den Papst abgeschicktWibaldi epist. 344, 345.  Günther I, 450., der Vorschlag aber, unter Benutzung der von Konrad bereits getroffenen Vorbereitungen, sogleich den Römerzug anzutreten, aus dem richtigen Grunde verworfen: daß man vorher in Deutschland die Herrschaft befestigen, Unbilden beseitigen und Unruhen zuvorkommen müsse. Deshalb ging der König zuerst von Achen nach UtrechtWilhelm. Egmond. 455., welche Stadt Konrads III Entscheidung über eine zwistige Bischofswahl, theils im Übermuthe ihres Reichthumes, theils aus Gehorsam gegen den römischen Stuhl nicht anerkannt hatte. Sie mußte sich itzt unterwerfen und außerdem beträchtliche Strafgelder einzahlen. – Von hier wandte sich Friedrich durch Westfalen nach Sachsen und hielt um Pfingsten einen großen Reichstag in MerseburgWibaldi epist. 347.. Der erste hier verhandelte wichtige Gegenstand betraf die dänische Krone. Nach dem im Jahre 1147 erfolgten Tode König Erichs des LammsLangebek I, 386; II, 521.  Saxo XIV, 399-410.  Helmold I, 73.  Chron. mont. sereni., ward Sueno, der Sohn Erichs II von den Seeländern, Kanut V, der Sohn des bei Flotwich erschlagenen Magnus, von den Jüten zum Nachfolger erwählt. Beide geriethen sogleich in einen Krieg, welcher durch den Kreuzzug gegen die Slaven zwar auf kurze Zeit unterbrochen ward, nach dessen unglücklichem Ausgange aber bald mit verdoppelter Heftigkeit wieder anfing. Durch die Hülfe Waldemars I (dessen Vater Herzog Kanut der Fromme von Schleswig, von Magnus, dem Vater Kanuts V war erschlagen wordenBuch II, S. 360., 9 {1152} besiegte Sueno diesen dergestalt bei Wiborg, daß er zu seinem Stiefvater, dem König Swerker von Schweden, entfliehen mußte. Aber weder hier, noch bei den Verwandten seiner Mutter in Polen, noch bei dem Herzoge von Sachsen und dem Erzbischofe von Bremen, fand er genügende Hülfe; deshalb wandte er sich itzt an Friedrich I und versprach sein Lehnsmann zu werden, wenn er ihn zum Besitze Dänemarks verhülfe. Gern ergriff der neue König diese Gelegenheit seinen Einfluß auch über dieses Reich geltend zu machen; und Sueno (welcher sich ritterlicher Übungen halber lange an König Konrads Hofe aufgehalten und mit Friedrich, der gleiches Alters war, Freundschaft geschlossen hatte) fand dessen Vorladung um so weniger bedenklich, da sie neben dem Hauptgegenstande auch den Wunsch ausdrückte, ihn zu sehen und zu sprechen. Er wurde mit seinem Gefolge freundlich in Merseburg aufgenommen, dann von Kanut angeklagt und ihr Streit nach gründlicher Berathung dahin entschieden: »Kanut solle dem Throne entsagen und Seeland von Sueno, dieser hingegen sein ganzes Reich von den Deutschen zu Lehn nehmen. Friedrich werde den der sich widersetze, mit Heeresmacht angreifen, oder ihm gar die Rückkehr verweigern.« Dieser Spruch, welcher keineswegs unbillig war sobald man dem deutschen Könige überhaupt das Recht der Entscheidung zugestand, erzürnte und erschreckte Sueno nicht wenig; doch unterwarf er sich itzt nebst seinem Mitbewerber, empfing die Belehnung und trug dem Kaiser als Vasall das Schwert vorAuch unterschrieb er öffentliche Urkunden gleich anderen Reichsfürsten.  Wibaldi epist. append. 615.  Ludwig reliq. II, 191.. Kaum aber hatte er Dänemark wieder erreicht, so erklärte er die übernommenen Verbindlichkeiten für erzwungen und ward von Waldemar, dem Bürgen des Vertrages nur mit Mühe dahin gebracht, daß er statt der Insel Seeland an Kanut Güter überließ, welche ihn der Einnahme nach zwar entschädigten, allein ihrer zerstreuten Lage 10 {1152} wegen, keine kriegerische Macht oder Sicherheit gewährten. Wahrscheinlich hatte Kanut hierüber bei Friedrich I Beschwerde erhoben, jedoch ohne Erfolg: denn dieser fand in Deutschland und bald nachher in Italien so viel zu thun, daß er die nordischen Angelegenheiten zurücksetzen mußte, ja fast ganz aus den Augen verlor.

Zuvörderst beschäftigte und bekümmerte ihn der Streit Heinrichs des Löwen, und Heinrichs von Österreich und Baiern. Jener hatte, als seine Mutter Gertrud diesen heirathete, den Ansprüchen auf das Herzogthum Baiern entsagt; kaum aber war sie im Jahre 1143 gestorbenPantal. chron. Würdtw., so erneuerte er dieselben, weil jene Entsagung nur für ihre Lebenszeit ertheilt und bei seiner damaligen Minderjährigkeit ohnedies ungültig sey. Mit Hülfe seines Oheims Welf und Konrads von Zäringen (dessen Tochter Klementia er im Jahre 1148 heirathete) erhob er Fehde gegen seinen Stiefvater und König Konrad; aber weder Mittel der Gewalt, noch dazwischen eingeleitete Unterhandlungen führten zum Ziele: weshalb Heinrich der Löwe seine Ansprüche dem neuen Könige in der bestimmten Hoffnung baldiger Anerkenntniß vorlegte. Dieser befand sich aber hiebei in einer doppelten Verlegenheit: denn einmal waren beide Heinriche, Kläger und Beklagter, ihm gleich nahe verwandt und beider Freundschaft gleich wünschenswerth; dann konnte er nicht unberücksichtigt lassen was sein Oheim, König Konrad, in dieser wichtigen Sache bereits ausgesprochen oder gethan hatte. Nichts schien unter diesen Umständen angemessener, als daß die ganze Sache nochmals im Wege Rechtens auf einem Reichstage untersucht werde. {1153} Heinrich von Österreich fand sich indeß mehrer Vorladungen ungeachtet nicht ein: theils weil keine derselben auf gehörige und gesetzliche Weise ergangen, theils weil sein Anrecht auf Baiern, durch König Konrads Belehnung so außer allem Zweifel sey, daß jede weitere Untersuchung unpassend, ja widerrechtlich erscheine. Um dieses 11 {1154} Ungehorsams, dieser Verletzung der Form willen ward dem HerzogeUm Ostern 1154., ohne in die Rechtsfrage selbst tiefer einzugehn, auf einem Reichstage in Goslar das Herzogthum Baiern abgesprochen und seinem Gegner verliehen. Zwar blieb jener für den Augenblick noch im Besitze des Landes, allein Heinrich der Löwe vertraute um so gewisser auf den künftigen Beistand des Königs, da dieser seine Wünsche bei andern Gelegenheiten ebenfalls unterstützte. Als z. B. zwischen ihm und seines Hauses altem Gegner, dem Markgrafen Albrecht, eine heftige Fehde über das Erbe der Grafen von Winzenburg und Plötzkau ausbrachHelmold I, 73.  Erfurt. chr. S. Petrin.  Günther I, 632, 767., verglich sie Friedrich, obgleich nicht ohne Mühe, dahin, daß der Herzog des ersten, der Markgraf des letzten Güter erhieltOb und in wie weit dieser Vergleich den Herzog mehr als den Markgrafen begünstigte, läßt sich nicht genau angeben..

Wichtiger und bedenklicher waren die StreitigkeitenAlbert. Stad. zu 1149.  Gummedyk 395., in welche der Herzog mit dem Erzbischofe Hartwich von Bremen über die slavischen Länder gerieth. Nach dem Mißlingen des kühnen Planes, alle nordischen Reiche wieder seinem Stuhle zu unterwerfen, beschloß Hartwich (damit es ihm nicht ganz an untergeordneten Prälaten mangele) die Herstellung der zerstörten slavischen Bisthümer Ratzeburg, Mecklenburg und Altenburg. Das letzte verlieh er mit Recht an VicelinCompend. vitae Vicelini. Vers. antiq. de Vicelino.  Er starb 1154. Buch II, S. 373., durch dessen große Milde und heldenmüthige Ausdauer die Zahl der Christen in diesen Gegenden hauptsächlich zugenommen hatte. Sobald Herzog Heinrich hievon Nachricht erhielt, erklärte er zornig: »bei aller Achtung die er vor Vicelins persönlichen Verdiensten habe, werde er ihn doch erst anerkennen, wenn er die bischöfliche Belehnung aus seiner Hand empfange.« Hierüber in Verlegenheit, 12 {1154} holte sich Vicelin Rath bei seinem geistlichen Vorgesetzten dem Erzbischofe, und erhielt den Bescheid: »nur der Kaiser hat als Begründer der Macht und des Reichthumes der Kirche ein Recht auf die Belehnung, nur vor seiner Hoheit mag man sich beugen, um über andere zu herrschen: wogegen niedere Fürsten nach der Gunst der Geistlichen, als nach dem Höheren streben, und sich nicht aus Dienern derselben in ihre Herren verwandeln sollen. Besser ist es äußeres Gut verlieren, als die Würde und die Ehre.« – Anfangs befolgte Vicelin diese Weisung; als aber der Herzog die Einkünfte des Bisthumes einzog (woraus den neu gestifteten Gemeinden großer Nachtheil erwuchs), so hielt er seine Nachgiebigkeit gegen diesen für entschuldigt. Über diese Ansprüche, diese Maaßregeln Heinrichs des Löwen, erhub Erzbischof Hartwich Klage auf dem Reichstage zu Merseburg. »Nicht durch das Schwert der Weltlichen (so sprach er), sondern durch die Lehre der Geistlichen werden die ungläubigen Slaven gebessert und beglückt. Das Land ist nicht gewonnen, um die Fürsten durch Steuern und Dienste zu bereichern, sondern um das Christenthum zu erhöhen, und man darf die Fragen: ob Kirchen gebaut, Gottesdienst gehalten, Geistliche angestellt und Arme gespeiset werden sollen, keineswegs von der Willkür der Weltlichen, von ihrer Freigebigkeit oder ihrem Geize abhängig machen. Die neu gewonnene Heerde steht (das ist rechtlich und natürlich) unter ihrem geistlichen Oberhirten, und weltlicher Schutz, so fern sie dessen bedarf, wird ihr durch die Belehnung des Kaisers und Königes zugesichert. Des Herzogs doppelt strafbares Benehmen geht aber augenscheinlich dahin: die freie Kirche in schmachvolle Fesseln zu schlagen und die heilsamen Bande, welche ihn und sein weltliches Treiben an Kaiser und Reich knüpfen, eigenmächtig zu zerreißen.« – Hierauf antwortete der Herzog: »nur die geringere Zahl der Slaven ist zum Christenthume bekehrt, und würde entweder abtrünnig, oder von den Ungläubigen vernichtet werden, sobald mein weltliches Schwert diese nicht 13 {1154} schreckte. Es darf in dieser gefährlichen Gränzmark keineswegs zweierlei Macht und Recht zwiespaltig neben einander wirken, und jenen Einfluß, den Weltliche in altchristlichen Staaten auf Ausstattung der Kirche und Besetzung ihrer Ämter üben, verlange ich nicht unbillig oder unnatürlich in allen den Landschaften, welche ich durch Aufopferung von Gut und Blut erworben habe, oder erwerben werde.«

Bei diesen Umständen und Doppelansichten war die schwere Aufgabe: daß der König sich nichts vergebe, den Erzbischof nicht beleidige, und des Herzogs Wünsche dennoch erfülle. Alle diese scheinbar widersprechenden Zwecke schienen erreicht, indem Friedrich erklärte: »der Herzog soll in den nordelbischen Ländern, welche er durch unsere Gnade besitzt, Bisthümer gründen, ausstatten und die Belehnung mit dem Weltlichen in unserm Namen so ertheilen, als wenn es durch uns selbst geschäheDie Gründe warum diese Entscheidung nicht später zu setzen, sind von Böttiger (Heinrich der Löwe 461) zusammengestellt. Auch die Urkunde in Ludwig. reliq. VI, 230 von 1154, erwähnt schon des herzoglichen Belehnungsrechtes..« Die Abhängigkeit der Landschaften Heinrichs vom Reiche war damit ausgesprochen, und der Erzbischof konnte nicht klagen, da für die Kirche gesorgt und der Bischöfe Stand durch eine Belehnung in Vollmacht des Königes nicht erniedrigt ward. Heinrich erhielt im Wesentlichen alles, was er für jetzt wünschte, auch glaubte Friedrich an dessen Freundschaft mehr zu gewinnen, als er an der unmittelbaren Ernennung einiger unbedeutender Bischöfe verlor.

{1152} Wie wenig sonst der König geneigt war seine Rechte in Bezug auf das Kirchliche mindern zu lassen, ergab sich zunächst bei der Wahl eines Erzbischofes von MagdeburgOtton. Fris. vita II, 8-10.  Lünig Reichsarchiv XXI, S. 942. Urk. 45.. Denn als die Parteien des Probstes Gerhard und des Dechanten Hazzo, aller Bemühungen ungeachtet sich nicht 14 {1152} vereinigen wollten, trat Friedrich nach Vorschrift der wormser Verträge dazwischen, gewann die meisten Stimmen für den Bischof Wichmann von ZeizDas Chron. mont. ser. sagt, Wichmann habe auch durch Geschenke Stimmen gewonnen., und belieh ihn mit dem Weltlichen ohne die päpstliche Bestätigung abzuwarten. Sobald Eugen III durch den Probst Gerhard von diesem Hergange der Dinge Nachricht erhielt, schrieb er an die vornehmsten Bischöfe und Erzbischöfe Deutschlands: »ihr habt die Gunst des Fürsten höher geachtet als die Gesetze Gottes und der Kirche, und nicht allein in die Versetzung eines Bischofs gewilligt, welche nie ohne dringende Noth und großen Nutzen statt finden darf; sondern auch auf den Mangel der geistlichen Beistimmung gar keine Rücksicht genommen. Wir dagegen, auf festerem Felsen gegründet und von weltlichen Sturmwinden unbewegt, widersprechen so grundlosen Verwirrungen der Lehre, so willkürlichen Übertretungen heiliger Vorschriften und tragen euch auf bei Friedrich, dem geliebten Sohne der Kirche, dahin zu wirken, daß er die Freiheit der Wahlen gestatte und nichts gegen Gott, die Kirchengesetze und seine eigenen königlichen Verpflichtungen unternehme.« – Nicht minder Bedenken erregten in Rom die, auf große Plane hindeutenden Reden der königlichen Gesandten und die ÄußerungJohann. Sarisber. epist. 59.: wo das kaiserliche Schwert treffe, da solle auch der Bann treffen. Wenn Eugen hierauf auch nicht eingehen mochte, so erkannte er doch, und ebenmäßig der König, daß ungeachtet jener und ähnlicher Streitpunkte, einer des andern bedürfe und aus nachgiebiger Einigkeit für beide mehr Vortheile entstehen würden, als aus hartnäckigem Widerspruche. Daher kam es im Frühjahre 1153 zwischen ihnen zu einem VergleicheLünig Spic. eccles. XV, Urk. 66.  Codex diplom. Ital. II, 705.  Wibaldi epist. 383, 385.  Murat. antiq. Ital. VI, 82.  Der Vertrag ist ohne Zweifel geschlossen worden und gehört in dies Jahr. Siehe Bünau 22. 15 folgendes Inhalts: »Friedrich wird die Ehre, die Rechte und Besitzthümer der römischen Kirche gegen jeden vertheidigen, keinen Frieden mit Roger von Sicilien ohne den Papst schließen, dem griechischen Kaiser keine Ansiedelung in Italien zugestehn und dahin wirken, daß sich die Römer nach der, seit hundert Jahren hergebrachten Weise, dem päpstlichen Stuhle unterwerfen. Der Papst wird den König ohne Widerspruch und Aufenthalt zum Kaiser krönen, seine Gerechtsame auf alle Art fördern und jeden ermahnen, ja bannen, der ihm nicht den schuldigen Gehorsam leistet.«

Im Vertrauen auf diese neue Einigung erschienen zwei Kardinäle als päpstliche Bevollmächtigte in Deutschland und Friedrich ließ es gern geschehen, daß sie den Bischof von Eichstädt Alters halben und den Bischof von Minden wegen mancher Vergehen absetztenDodechin.  Bosov. annal.  Chron. mont. ser.  Erf. chron. S. Petr. Latomus 500.. Zweifelhafter erscheint ihr Benehmen gegen den Erzbischof Heinrich von MainzConradi chron. Mogunt. 763.  Serrarius 556.  Chronogr. Saxo., welchen eine Partei der Lässigkeit, schlechten Wirthschaft und Unkeuschheit anklagte; während die andere behauptete: seine Handhabung der Gerechtigkeit sey den Ungerechten, seine Milde den Leidenschaftlichen ein Ärgerniß. Um sich gegen jene Anklagen zu rechtfertigen, hatte der Erzbischof schon früher den Prior Arnold nach Rom geschickt; allein dieser suchte durch seine Klugheit und sein Geld nur für sich Freunde zu erwerben: Heinrich ward itzt abgesetzt, Arnold sein Nachfolger und der König schwieg, entweder weil die Unschuld des Verurtheilten nicht so klar am Tage lag wie seine Anhänger behaupten; oder weil Friedrich keinen Streit für den erheben wollte, der bei seiner Königswahl wenig Freundschaft gegen ihn gezeigt hatte. – Als aber die päpstlichen Gesandten, hiedurch kühner geworden, noch mehr wagten und insbesondere Gerhard Gaetani aus Pisa, ein 16 {1153} Mann von rauhem unangenehmen WesenEr hatte Aspre e dure maniere.  Cardella I, 133., sich in die magdeburger Erzbischofswahl mischte, so erhielten alle unerwartet die strenge Weisung das Reich zu verlassen.

Mittlerweile war Eugen III am 8ten Julius 1153 gestorbenDandolo 285.  Chron. mont. sereni., und schon am folgenden Tage der Kardinal Konrad, ein geborner Römer, als Anastasius IV erwählt worden. Damit er weder seinen Rechten etwas vergebe, noch Feindschaft gegen Friedrich zeige, verweigerte der neue Papst dem Erzbischofe Wichmann von Magdeburg, welcher unter dem Schutze königlicher Gesandten in Rom erschien, um so weniger das Pallium, als kein Ankläger gegen ihn auftratWibaldi epist. 382.  Lünig R. A. Th. XV.  spic. eccl. Urk. 67.; er legte es aber um dessen Gewissen zu prüfen, auf den Altar und sprach: »wenn du deiner gesetzlichen Wahl gewiß bist, so nimm diesen erzbischöflichen Schmuck von der heiligen Stätte.« Wichmann zögerte: allein der Stiftsherr Dietrich von Hildesleben und ein anderer seiner Begleiter, traten hinzu, nahmen das Pallium vom Altare und überreichten es ihrem Erzbischofe.

Unterdessen hatte der König durch rastlose Thätigkeit und große KlugheitFridericus omnis tam sagacitate quam virtute vicit.  Alberic. 326. in ganz Deutschland überwiegendes Ansehn gewonnen, und nun trat ganz natürlich der Gedanke an die alte Majestät und Würde des Reiches, an die Beherrschung Italiens und an das höchste Ziel irdischer Herrlichkeit, die Kaiserwürde hervor: auch kamen zu diesen alten Erinnerungen und dem großartigen Ehrgeize Friedrichs noch äußere Veranlassungen der Gegenwart, welche schon allein, selbst einen Gleichgültigeren und weniger Mächtigen in Bewegung gesetzt hätten. Bereits auf dem würzburgischen Reichstage vor 1152 erschienen Vertriebene aus Apulien, und baten flehentlich um Hülfe gegen den tyrannischen 17 {1153} Roger; die Verhältnisse zwangen aber zu dem Beschlusse, daß man den italienischen Zug erst nach zwei Jahren antreten könne. Wiederum fanden sich im Frühjahre 1153 zufällig zwei Bürger aus Lodi, Albernandus und Homobonus auf dem Reichstage zu Kostnitz ein, sahen wie besonnen und strenge Friedrich jedem Gerechtigkeit widerfahren ließ, und wurden aufs lebhafteste von der Hoffnung ergriffen, daß er auch ihre Vaterstadt aus dem tiefsten Elende erretten werde. Deshalb eilten sie in eine Kirche, nahmen zwei große Kreuze und warfen sich mit denselben weinend zu den Füßen des Königs und der Fürsten nieder. Alle erstaunten, hießen sie aufstehen und Albernandus, welcher der deutschen Sprache vollkommen kundig war, redete alsoOtto Morena 959.  Günther I, 634.  Galv. Flamma c. 163.: »heiligster König! Wir armen Bürger aus Lodi klagen vor Gott, vor euch und eurem ganzen Hofe über die Mailänder, weil sie uns und unsere Mitbürger vertrieben, Weiber wie Männer ausgeplündert, viele getödtet und unsere Stadt gänzlich zerstört haben. Sie hindern jede neue Vereinigung mit Gewalt, zwingen uns einzeln und einsam zu wohnen, und verlegen, Spott dem Unrecht zugesellend, unsern früher so wichtigen Markt in ein freies Feld, wo niemand wohnt oder kauft.« Auf den Grund dieser glaubhaft gemachten Beschwerden erließ Friedrich sogleich ein Schreiben voll Vorwürfe und Drohungen an die Mailänder, welches Schwicker von Aspremont aus Churwalden als Gesandter überbringen, vorher aber in Lodi die Aussicht auf den Beistand des Königes ankündigen sollteTschudi I, 75.. Hoch erfreut eilten jene beiden Bürger ihm zuvor, erzählten was sie vorgetragen und bewirkt hätten, fanden aber wenig Glauben bei ihren Mitbürgern, bis Schwicker wirklich erschien und ihre Aussagen bestätigte. Da verstummten alle von Schmerz und Besorgniß überwältigt, und kaum vermochte einer der Vorsteher dem 18 {1153} Gesandten zu antworten: »jene thörichten Männer hätten ohne Auftrag und Beistimmung gehandelt, und ihre Mitbürger in die größte Gefahr gestürzt: denn so sehr sie auch dem Könige für seine gnädige Gesinnung danken müßten, so sey doch seine Hülfe fern; wogegen die Mailänder, wenn sie von dem Vorgefallenen irgend Nachricht erhielten, gewiß die Wohnungen der Lodenser zerstören und alle tödten oder vertreiben würden. Deshalb bäten sie aufs inständigste: Schwicker möchte das an die Mailänder gerichtete Schreiben nicht abgeben, sondern in Lodi zurücklassen, bis man bei der künftigen Annäherung Friedrichs davon ohne Gefahr etwanigen Gebrauch machen könnte.«

Als Schwicker statt der gehofften Freude solche Klage und Angst fand, ward er sehr bestürzt, scheute sich jedoch um so mehr Friedrichs Befehle unbefolgt zu lassen, da er zweifelte, daß Mailand denselben mit Wort und That widerstreben werde. Kaum aber hatte er hier den Konsuln und der Bürgerschaft das königliche Schreiben übergeben, kaum hatten sie dessen strengen Inhalt vernommen, als sie es in Stücke rissen, zur Erde warfen und mit Füßen traten; selbst Schwicker rettete nur durch die Flucht sein Leben.

Diese Ereignisse, welche dem Könige als arge Frevel erscheinen mußten, veranlaßten die Beschleunigung des italienischen Zuges.

Im Oktober des Jahres 1154 sammelten sich die Fürsten und das Heer in der Gegend von AugsburgOtton. Vita Frid. II, 11.  Günther II, 1.  Robert. de Monte., und gelangten über Brixen und Trident zum Gardasee. Bei dem beschwerlichen Zuge über die Alpen hatte aber Mangel an Lebensmitteln die Plünderung einiger heiligen Orte nach sich gezogen, weshalb Friedrich, – damit schnöde Willkür keineswegs den Anfang seiner großen Unternehmung entstelle und die Hoffnung höheren Beistandes raube –, durch freiwillige Beiträge eine Summe Geldes aufbringen ließ, welche den Bischöfen von Brixen und Trident übergeben 19 {1154} ward, um sie nach Verhältniß des erlittenen Schadens unter die Klöster und Geistlichen zu vertheilen.

Über Verona erreichte das Heer die ronkalischen Ebenen bei Piacenza. Hier wurde dem Herkommen gemäß das königliche Schild, allen sichtbar, an einem hohen Pfahle befestigt      - Ligno suspenditur alto
      Erecto clypeus -
      Excubias regi prima celebrare fideles
      Nocte vetustorum debent ex more parentum.

Günther II, 36.
, und ein Herold forderte die oberen unmittelbaren Lehnsträger auf, in der nächsten Nacht bei dem Könige Wache zu halten, wie es Recht und Sitte gebiete. Dieselbe Aufforderung erging hienächst von Seiten jener Fürsten an ihre niederen Lehnsträger. Wer ungeachtet einer solchen zweimal wiederholten Vorladung, ohne Erlaubniß des Lehnsherren ausblieb, verlor seine Lehen; und dieser Spruch traf diesmal nicht nur mehre Laien, welche sich widerrechtlich den Gefahren der Heerfahrt entzogen, sondern auch die Bischöfe Ulrich von Halberstadt und Hartwich von Bremen. Doch büßten Geistliche hiedurch den Genuß weltlicher Güter nur auf Lebenszeit ein; sie wurden ihren Nachfolgern zurückgegeben, weil kein persönlicher Fehler Kirchen und Stiftungen einen dauernden Nachtheil bringen sollte      - Neque tamen quod pastor indigne
      Gesserit, ecclesia fas est in damna refundi.
  ibid.
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Weit wichtiger und schwieriger als diese Heerschau, war nunmehr die Anordnung der überaus verwickelten italienischen Angelegenheiten, die Feststellung der Rechte des Königes und der Pflichten seiner Unterthanen. Als Otto I vor zweihundert Jahren mit deutscher Macht nach Italien zog, mochten ihn die meisten betrachten als einen Retter aus zügelloser Willkür; seitdem hatten aber die äußern Verhältnisse so oft gewechselt, es war so vieles zu Grunde gegangen, und so vieles neu entstanden, daß niemand (auf anerkannte Gesetze oder zweifelloses Herkommen gestützt) ohne Widerspruch das 20 {1154} Daseyn unleugbarer Rechte und Pflichten erweisen konnte. Zwar leiteten die deutschen Könige eine Unbeschränktheit ihrer Herrscherrechte aus der ersten Eroberung her: allein, abgesehen davon daß man den Gegensatz zwischen Siegern und Besiegten nicht auf unnatürliche Weise für alle spätere Zeiten gleich scharf festhalten soll; konnten jene Könige, der Wahrheit nach, ihre Ansprüche immer nur nach Maaßgabe ihrer Kriegesmacht und ihrer persönlichen Größe geltend machen. Doch hatten die Italiener in der Regel nicht bestritten: daß der König das Recht habe die unmittelbaren Lehne zu verleihen, die Lehnsträger zu versammeln, auf Reichstagen mit Beistimmung der Großen allgemeine Gesetze zu geben, Richter und Notare zu ernennen, Stellvertreter seiner Person abzusenden, und die Verpflegung seiner Heere zu verlangen. Indeß blieben selbst hiebei der Zweifel und Einreden genug: über den Umfang der Berechtigung, die Art und Weise ihrer Ausübung, die Theilnahme an den Beschlüssen u. s. w. Ja weil seit Heinrich IV kein deutscher Kaiser ununterbrochen oder mit Überlegenheit auf Italien gewirkt hatte, so hielten nicht wenige jene Rechte für abgethan und verjährt. Auch konnte man keineswegs leugnen, daß Italien während dieser Zeit fast ganz sich selbst überlassen war, und statt königlicher Entscheidung Selbsthülfe eintrat und eintreten mußte; mochte dies nun nach Gesetzen, oder nach bloßer Willkür geschehen. In den, hieraus sehr häufig entstehenden Fehden lernte das Volk sich fühlen und gab den Ausschlag durch seine Zahl. An Reichthum, Kenntnissen und Muth, standen insbesondere die lombardischen Bürger keinem Ritter nachVon der Entwickelung der italienischen Städte, wird umständlich in dem Bande über die Alterthümer jener Zeit die Rede seyn.; ja die Bürgerschaften entwickelten sich schneller und vielseitiger, und erhielten durch ihre engern geselligen Verbindungen und ihre Einigkeit ein Übergewicht über alle einzelnen und zerstreuten 21 {1154} Adelichen. Deshalb schlossen sich diese lieber den emporstrebenden Städten an, als daß sie bedenkliche Fehden gewagt hätten: und so ward allmählich Adel, Landvolk und Geistlichkeit mehr oder weniger von ihnen abhängig. Andererseits (und dies war so klug als folgenreich) verstattete man in diesen neuen Freistaaten jedem Stande, jedem Einzelnen, größern oder geringern Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten, man schloß niemand (aus beschränkter Eitelkeit oder eigennützigem Neide) von Gewerben und Beschäftigungen, oder gar von der Vertheidigung des Vaterlandes aus. Hiedurch verbreitete sich bis aus die Geringsten hinab, ein Gefühl bedeutenden Werthes, eine allgemeine Regsamkeit, ein kühner Muth, kurz eine so große Masse von leiblichen und geistigen Kräften, daß sie jeden überraschen mußte, der die geselligen Verhältnisse nur nach den anderswo herkömmlichen Ansichten und Maaßstäben betrachtete und abschätzte. Für die eigene Verfassung, die eigenen Gesetze, die eigenthümliche Lebensweise that und wagte man alles; wogegen allgemeinere Gesetze, auf welche sich die Herrscher beriefen, als Erzeugnisse der Willkür und als Zeichen allgemeiner und gleicher Sklaverei betrachtet wurden. Die Pracht und die persönliche Erscheinung der Könige machten keinen Eindruck mehr, und der äußere Anstand, das feine Betragen, welches an Höfen so viel gilt, war den Bürgern mehr ein Gegenstand des Spottes, als der Bewunderung und Nachahmung. Sie hielten es für eine baare Ungerechtigkeit, von der Wahl ihrer eigenen Könige ausgeschlossen zu seyn; ja viele behaupteten, daß die Lombarden überhaupt der Könige nicht bedürftenUnd noch weniger der Grafen und Markgrafen.  Mos est Marchionum magis velle rapere, quam juste vivere, sagt Caffari 265., und, wie schon so oft, so auch künftig ihre eigenen Gesetzgeber und Schutzherren seyn könnten.

Hierauf antworteten die Deutschen und die königlich Gesinnten: »was mit dem Schwerte über Feige und 22 {1154} Zügellose gewonnen, was durch das Herkommen von Jahrhunderten bestätigt und mit unzähligen Eiden beschworen ist, wird auf einmal als rechtlos und bedeutungslos von den Lombarden zur Seite geworfen! Nur dann könnte man sie entschuldigen, wenn wirklich Tyrannei gegen sie geübt würde, und wenn sie Heilsameres an die Stelle des Verworfenen setzten. Statt dessen entstehen die vorhandenen Übel eben daraus, daß die Gewalt des Königes zu gering ist und seine Rechte keineswegs, weise ordnend und beschränkend, zur Anwendung kommen. Unter dem Namen der Freiheit üben die Lombarden bloße Willkür; sie rühmen sich, als höher Gebildete, nach Gesetzen zu leben, während sie, – das eigentliche Kennzeichen der Barbarei –, kein einziges befolgen; sie reden bescheiden nur von ihrer eigenen Unabhängigkeit, während sie schon begierig nach der Herrschaft über andere trachten! Oder haben etwa die ununterbrochenen, hartnäckigen und furchtbar grausamen Kriege Mailands gegen Como und Lodi, Parmas gegen Reggio, Bolognas gegen Imola und Modena u. s. w. nicht gezeigt: daß allen ein höherer Schiedsrichter fehlt und daß der Haß und die Feindschaft von angeblich edelmüthigen Freistaaten, noch grimmiger und zerstörender istDafür Beispiele aller Orten, außer den angeführten. Siehe z. B. Sigonius zu 1152 über die Behandlung der Gefangenen aus Reggio; Griffo zu 1154, Mutin. ann. zu 1142 u. s. w., als der Haß und die Feindschaft von Königen? Die deutschen Könige und Kaiser können aber durchaus nicht als feindlich betrachtet werden: sie sind die natürlichen Herrscher in ihrem Reiche und haben sich als solche überall milde gezeigt, wo nicht Mangel an Gehorsam und Verweigerung, selbst des Billigen und Anerkannten, sie zwang Mittel der Gewalt gegen aufrührische Unterthanen zu ergreifen.«

Außer Stande, diese Vorwürfe in ihrem ganzen Umfange zu widerlegen, mochten die Lombarden doch bemerken: das Verhältniß ihres Vaterlandes gegen Deutschland 23 {1154} sey und bleibe unnatürlich und drückend, die getadelten blutigen Spiele der Freiheit wären mehr werth, als die stille Ordnung, welche der übermächtige fremde Herrscher erzwingen wolle, und sie hätten ihre Liebe und ihren Haß für sich.

Der unparteiische Betrachter kann sich über die Leidenschaftlichkeit, in welche die Gemüther damals allmählich geriethen, nicht verwundern, nicht einer von beiden Parteien allein Recht geben: denn es ist natürlich, daß die Könige für ihre Rechte, und die Lombarden für ihre Unabhängigkeit stritten. Beide aber mußten sich mißverstehen und das wahre Ziel verfehlen, weil sie dasselbe über alles billige Maaß hinaussteckten und nicht begriffen: es sey kein ächter Gehorsam ohne Freiheit, und keine ächte Freiheit ohne Gehorsam möglich.

So lagen, oder so entwickelten sich die Ansichten und Verhältnisse, als Friedrich, durchdrungen von der Hoheit seiner Würde und voll Verehrung der Handlungsweise seiner größten Vorfahren, einen ReichstagEnde November 1154. in den ronkalischen Ebenen eröffnete. Viele Beschwerden wurden hier vor ihm, als dem höchsten Richter, erhoben. Zuerst trat Markgraf Wilhelm von Montferrat auf (fast der einzige, welcher sich vor dem übermächtigen Einfluß der Städte nicht gebeugt hatte), und beschuldigte die Lombarden im allgemeinen der Geringschätzung seiner und der königlichen BefehleOtton. Fris. vita II, 13.  Günther II, 351.; er klagte namentlich über Chieri und Asti, und der Bischof Anselm, welchen die Bürger der letzten Stadt vertrieben hatten, stimmte diesen Beschwerden bei. Man setzte den Angeschuldigten eine Frist, binnen welcher sie erscheinen und sich rechtfertigen sollten. Hierauf erneuerten Lodi, Como und das zuletzt bekriegte Pavia einstimmig ihre Klagen über Mailand: »Friedrich wisse, wie die erste Stadt behandelt worden; auf ähnliche Weise sey jede Befestigung von Como zerstört, dessen Handel willkürlich beschränkt und besteuert, 24 {1154} und die Bürgerschaft gezwungen außerhalb ihrer Vaterstadt zu leben. Wenn der täglich anwachsenden Macht und Willkür Mailands kein Einhalt geschähe, so würde es bald über die ganze Lombardei herrschen      Omnibus Italiae altius praecesserat una
      Urbs Ligurum, titulis potens et nomine claro
      Ardua Siderum pulsabat vertice coelum.

Günther II, 170, 240.  Rovelli II, 151.
und des Königes Rechte, wie freche Versuche bereits zeigten, nicht höher achten als die Ansprüche des Geringsten.« Mailändische Abgeordnete welche gegenwärtig waren, entschuldigten und rechtfertigten das Verfahren und die Verbindungen ihrer Vaterstadt so gut als möglich: daß man aber daselbst keineswegs geneigt war auf der betretenen Bahn Rückschritte zu thun, ergab sich deutlich, als jene, anstatt auf das billige Verlangen der Herstellung von Lodi und Como einzugehen, dem Könige 4000 MarkRadulph. Mediol. 1174.  Otto Morena 956, 971. für die Bestätigung ihrer Herrschaft über diese Städte darboten. Ein solcher Versuch ihn für das Ungerechte durch Antheil an der Sündenbeute gleichsam zu erkaufen, erzürnte den edlen Friedrich; aber auch abgesehen von diesem Mißgriffe der Mailänder, durfte er den Rechten des Reiches nichts vergeben, die schon zu mächtige Partei nicht noch mächtiger machen und eine Herrschaft befördern, welche sich neben der seinigen hinstellte, oder gar über dieselbe hinaus erheben wollte. Ob die Dinge wohl schon auf eine solche gefahrvolle Spitze getrieben seyen? hierüber konnte niemand mehr Zweifel hegen, da Lodi, selbst in diesem Augenblicke noch in Mailand anfragte: »ob es dem Könige huldigen, oder die Huldigung verweigern solle?« Die, über solch Zeichen des Gehorsames stolzen und erfreuten Mailänder antworteten nach langem Berathen: »Lodi möge handeln nach eigener reiflicher Überlegung und den augenblicklichen Umständen angemessen;« – und nun erst leisteten die Bewohner getrost und ermuthigt den Eid!

25 {1154} Friedrich aber gab den mailändischen Gesandten den Bescheid: »in ihrem eigenen Gebiete und an Ort und Stelle werde man die Verhältnisse näher prüfen und jeden Berechtigten mit größerem Nachdrucke schützen können.«

Dem gemäß brach das Heer von Ronkalia auf und man machte es den mailändischen Bürgermeistern Gherardus Niger und Obertus ab Orto zur Pflicht, dasselbe zu führen und für seine Verpflegung zu sorgen. Allein schon am Abend des ersten Tages fehlte bei Landriano das Pferdefutter, entweder weil dessen schnelle Herbeischaffung in Wahrheit unmöglich war, oder weil die Mailänder das Heer, um es zu verderben, vorsätzlich durch eine im Kriege mit Pavia ganz verwüstete Gegend führten. Der König glaubte das letzte und hielt deshalb die Geißeln der Mailänder in strenger Haft, während er die des getreuern Pavia frei ließ. Bald erhielt seine Ansicht eine neue Bestätigung. Am zweiten Tage kam man nämlich, weil gewaltige Regengüsse die Straßen unwegsam gemacht hatten, nur bis Rosate, und mußte hier zwei Tage verweilen, wodurch der Mangel an Lebensmitteln äußerst drückend wurde. Friedrich, welcher nach alten Rechten die unentgeldliche Verpflegung seines Heeres verlangen konnte, bot den Mailändern Bezahlung für die großen Vorräthe, welche sie in Rosate aufgehäuft hatten; dennoch weigerten sie sich, hartherzig und thöricht zugleich, den Hungrigen etwas zu verabfolgen. Jetzt befahl der König (was jene hätten vorhersehen können), man solle ihm sogleich die ganze Burg einräumen; und so wenig war man auf Widerstand gefaßt, daß die Mannschaft eine Bewilligung freien Abzuges als großen Gewinn betrachten mußte. Die Deutschen bemächtigten sich hierauf aller Vorräthe, zerstörten Rosate und streiften schon bis vor die Thore von Mailand, wobei einige Bürger getödtet, andere gefangen wurden. Über diese unerwarteten Unfälle erschrak die, zeither nur an glücklichen Erfolg gewöhnte Menge gar sehr, stimmte mitleidig in die bitteren Klagen der, aus Rosate Vertriebenen ein und riß, ohne auf die Vertheidigung der 26 {1154} Bürgermeister Rücksicht zu nehmen, das Haus des Gherardo nieder; wodurch einige des Königs Zorn besänftigen, andere dagegen Gherardos schon zu große Nachgiebigkeit gegen diesen bestrafen wollten. In Freistaaten behauptet das Volk seinen Antheil an Glück und Ruhm, widriges Geschick büßen die Rathgeber allein: selten aber sind diese so ächte Bürger wie Gherardo, der seinem Vaterlande nach jener an ihm geübten Rache nicht weniger treu und eifrig diente.

Ungeachtet aller dieser Begebenheiten hielt es der König itzt nicht für gerathen, den schweren Kampf mit Mailand zu bestehen; sondern zog seitwärts zum Ticino, bemächtigte sich der Brücken, welche die Mailänder zur Erleichterung ihrer Anfälle auf Novara und Pavia erbaut hatten, und eroberte mehre andere Schutzthürme und Burgen. Mit dem Anfange des Jahres 1155 wandte er sich abendwärts über Vercelli nach Turin. Manche Stadt öffnete ihm freiwillig die Thore und sandte Geschenke; andere Orte wurden im raschen Anlaufe der SoldatenTumultuationis assultu armigerorum.  Otton. Fris. vita II, 15.  Günther II, 340, 355.  Sicardi chron. 599. oder nöthigenfalls durch förmlichen Angriff genommen; die härteste Strafe endlich erlitten Chieri und Asti, für das gegen ihren Markgrafen und Bischof begangene Unrecht und für die Verachtung der königlichen Vorladungen. Den Einwohnern zwar konnte kein Leid geschehen, weil sie sich vor der Ankunft des Heeres geflüchtet hatten; allein die Thürme und Mauern wurden niedergerissen und Asti von gänzlichem Niederbrennen nur durch den Markgrafen Wilhelm selbst gerettetEcclesia 167.  Alferius zu 1155.  Anton. Astens. II, 9 und III, 1.  Montemerlo 16. – Zerstörung Astis, am 1sten Februar 1155.  Molina II, 37., dem Friedrich, als seinem Verwandten, die Herrschaft über die Stadt einräumte, so wie er auch den Bischof wieder einsetzte.

Damit aber das Heer der Deutschen bei äußerem Glücke, bei der Menge und dem Reize der Beute nicht, wie schon mehre Male, ungebührliche Willkür übe, damit 27 {1155} der rasche Sinn nicht zu raschen übereilten Thaten führe, oder gar innerer Zwist und Mord überhand nehme; gab Friedrich strenge Gesetze für die Kriegszucht, ließ sie von allen beschwören und hielt darauf, daß die angedrohten Strafen unfehlbar an den Übertretern vollzogen wurden.

In dem Lager unfern Asti erschienen Gesandte der Pavienser und klagtenOtton. Fris. II, 16.  Günther II, 400.  Botazzi antichità di Tortona 271.: »daß Tortona sie fast noch mehr belästige als Mailand. Denn leicht schütze man Pavia selbst gegen die nördlichen Angriffe der Mailänder, und diese könnten nicht vordringen bis zu den, mittäglich vom Ticino und Po liegenden Besitzungen; wogegen die Tortoneser zwar Pavia nicht angriffen, aber jene ihnen zugänglichen Ländereien auf die schrecklichste Weise verwüsteten. Friedrich möge deshalb untersuchen, schützen, strafen!« – Ungeachtet mehrer Aufforderungen wollten sich indeß die Bürger von Tortona weder verantworten, noch jenes Verfahren einstellen. Alle vertrauten auf Mailand, und achteten ihren Bund mit dieser Stadt höher als die Befehle des Königs. Da erklärte sie dieser für Feinde des Reiches, und kaum hatten sie ihre Alten, Weiber und Kranken nach Sarzana fortgeschickt, kaum hatten der Graf Malaspina und die Mailänder einige Reiterei unter Hugo Viskonti in die Stadt geworfenCronica di Tortona 5. (das Fußvolk konnte so schnell nicht folgen), als schon der Vortrab der Deutschen unter Konrad, dem Bruder des Königs, dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach und dem Herzoge Bertold von ZäringenBertold hatte mit Friedrich einen Vertrag geschlossen, wonach er, gegen Stellung vieler Mannschaft, Provence und Burgund erhalten sollte.  Wibaldi epist. 353., am 14ten Februar 1155 vor den Thoren anlangte. Das Hauptheer ward an dem, durch Regengüsse angeschwollenen Tanaro drei Tage lang aufgehalten, und beim Mangel an Brücken mußte der größte Theil dennoch zuletzt durchschwimmen. Die Vorstädte 28 {1155} Tortonas, obgleich durch eine Mauer und durch Thürme geschützt, erlagen dem ersten Angriffe, und nur die Nacht und einbrechende Ungewitter hemmten die Verfolgung, so daß den Bewohnern Zeit blieb sich in den oberen Theil der Stadt zu retten, welcher auf hohem scharf abgeschnittenem Felsen lag und eine weite Aussicht über Mailands und Pavias Besitzungen darbot. Es bedurfte nur tapferer Männer um diesen Theil Tortonas, der überdies durch alle damals bekannten Mittel der Kunst befestigt war, mit Erfolg zu vertheidigen; Friedrich mußte sich daher zu einer förmlichen Belagerung entschließen. Sein vor allen ausgezeichnetes Zelt stand auf der Abendseite, Herzog Heinrich von Sachsen lag in den Vorstädten gegen Mittag, die Pavienser schlossen die Stadt ein gegen Morgen und Mitternacht.

Alle Zufuhr war nunmehr abgeschnitten, jede Hoffnung des Entsatzes vereitelt, und ein aufgerichteter Galgen verkündete den Einwohnern als Majestätsverbrechern ihr künftiges Schicksal. Mit der Gefahr und der Gewißheit, daß sie sich selbst retten oder untergehen müßten, wuchs aber in ihnen auch der Muth und die Entschlossenheit: sie beunruhigten durch stete Ausfälle das deutsche Heer, und mancher starb hiebei für die Freiheit, mancher fiel um des Ruhmes willen.

Inzwischen war das, unter Friedrichs eigener Leitung und Aufsicht erbaute, Belagerungszeug fertig geworden und warf so gewaltige Steine in die Stadt, daß einer, welcher durch die Heftigkeit der Bewegung in drei Stücke sprang, drei der vornehmsten gewaffneten Männer Tortonas tödtete, welche an der Hauptkirche standen und sich eben über die nächsten Vertheidigungsmaaßregeln besprachen. Ein deutscher SoldatGünter II, 580., – so stieg durch die allgemeinen Anstrengungen auch die Kühnheit der Einzelnen –, versuchte, mit Schild und Schwert bewaffnet, die Felsen in der Gegend des größten Thurmes zu ersteigen und mit einer kleinen Axt Fußtritte einzuhauen. Ihn schreckte weder das Geschütz, 29 {1155} welches aus dem befreundeten Lager nach dieser Stelle gerichtet war, noch die feindlichen Steinwürfe: er erreichte den Thurm, erlegte tapfer streitend einen Mann und kehrte dann unversehrt zurück. Der König wollte ihn hierauf mit der ritterlichen Binde umgürten: allein er lehnte diese Ehre ab, weil ihm das eigene Bewußtseyn genügte, oder weil er fühlte, daß eine tapfere That zwar großen Lobes werth ist, die Umwandlung des Standes aber nur gerechtfertigt und beglückend werden kann, wenn die Bildung des gesammten Menschen ihr entspricht.

Durch diese und ähnliche Ereignisse kam man jedoch in der eigentlichen Belagerung nicht weiter: noch immer erschienen die Klippen für eine Heeresmacht unersteiglich, und die am wenigsten schroffe Stelle schützte ein tiefer Graben und ein gewaltiger Thurm. Diesen beschloß Friedrich untergraben zu lassen: allein die Belagerten erhielten hievon Nachricht. In dem Augenblicke wo die Deutschen ihren Zweck erreicht zu haben glaubten, trafen sie auf Gegengruben: mehre von den Angreifenden wurden erstickt und die ganze Unternehmung vereitelt.

Eben so wenig gelang der, vom Könige zur Beschäftigung überzähliger Mannschaft befohlene Angriff auf ein benachbartes, von den Mailändern besetztes Schloß. Denn als die, in finsterer Nacht unbemerkt nahenden Deutschen im ersten Anlauf einen Theil der Mauer erstiegen hatten, erhuben sie voreilig Siegesgeschrei und wurden durch die Besatzung, welche sich schnell von ihrem ersten Schrecken erholte, muthig zurückgeschlagen.

Mittlerweile hatte man die Belagerten zwar nicht von allem trinkbaren Wasser abschneiden können, wohl aber Pech, Schwefel und zuletzt sogar Leichname hineingeworfen, wodurch dasselbe ungenießbar ward. So entstand allmählich in Tortona Wassers- und Hungers-Noth, Krankheit und Elend. Deshalb baten die Bürger um einen Waffenstillstand für die Zeit des OsterfestesOstern 1155, den 27sten März., welchen der König 30 {1155} auch gern bewilligte, damit Waffengeräusch die heilige Feier nicht störe und die Bewohner Muße bekämen zu ruhiger Überlegung und friedlichen Beschlüssen. Da öffneten sich unerwartet am Charfreitage die Thore der Stadt, Geistliche und Mönche zogen hervor in heiligen Kleidern und nahten dem königlichen Lager mit Rauchfässern, Klaggesang und aller Pracht christlicher Gebräuche. Sogleich sandte ihnen Friedrich Bischöfe entgegen, um die Ursache und den Zweck ihres Kommens zu erforschen. Jene antworteten: »Tortonas unglückliche Lage führt uns zu den Füßen des Königs; wenn es aber nicht vergönnt seyn soll ihn selbst zu sehn und zu sprechen, so mögt ihr die Überbringer unserer Bitten seyn. Nicht für eine durch die Acht befleckte Stadt, nicht für verbrecherische Bürger nehmen wir das Wort. Hätten wir doch nie diese Stadt gesehn, wo wir unschuldig mit den Schuldigen leiden, wo uns jedes Geräusch aus frommen Übungen aufschreckt, und feindliches Geschütz die Diener Gottes am Altar erreicht! Waren wir im Bunde gegen Pavia? Sind wir, der Waffen Unkundige, auch nur befragt worden? Täglich flehten wir zum Himmel für des Königes Heil, und so möge er auch nur seinen Feinden, nicht uns zürnen. Wolltet ihr sagen: die Strafe trifft auch den, welcher sich durch Gemeinschaft mit dem Bösen verunreinigt; so würden wir antworten: unsere Gesinnung ist rein und gerecht, und die äußere Gemeinschaft giebt noch kein inneres Zeugniß. Soll der Einzelne, dessen Stimme bei dem allgemeinen Willen verschwand, für den Fehler der Bürgerschaft leiden? Soll eine Stadt allein für ein Vergehen büßen, das sie mit vielen gemein hat? Das Beispiel hat sie verführt, und wenn nicht allen für die gleichen Thaten gleiche Strafe zu Theil werden kann, so haben alle gleiche Ansprüche auf Verzeihung. Oder was hat Tortona mehr verschuldet als die übrigen? Ist Pavia freier von Vorwurf? Hat denn Mailand als Haupt und Urheber unseres Bundes schon Urtheil empfangen? Und dieser angeklagte Bund, er ward ja nicht zum Angriffe geschlossen, sondern zum Schutz; 31 {1155} nicht gegen das Reich und die Rechte des Königs, sondern gegen die Tyrannei der Pavienser. In des Herrschers Abwesenheit fehlte sein mächtiger Schutz, und jeder mußte selbst darauf bedacht seyn Unbilden abzuwehren und das Recht zu erhalten. Da trat Mailand kühn jeder Anmaaßung entgegen, und unter seiner Führung genossen wir Ruhe, Sicherheit und Frieden. – Wäre es aber auch unmöglich unser früheres Benehmen in euren Augen zu rechtfertigen, so laßt euch zum Mitleid bewegen durch unsern gegenwärtigen Zustand. Ja wir sind gestraft und niedergedrückt durch Hunger und Durst, durch Krankheit und Wunden; darum verfahrt menschlich mit euren Brüdern und gebt sie nicht der entsetzlichsten Verzweiflung preis. Wir stehen zu euch, wir beschwören euch um Milde und Befreiung, bei den Wunden unseres Herren und Heilandes Jesu Christi, der an diesem Tage sein Blut vergossen hat zur Erlösung der ganzen Welt!« So sprachen jene, fielen nieder auf ihre Knie und streckten weinend die Hände zum Himmel; der König aber ließ ihnen zur Antwort sagen: »es jammere ihn zwar das Leid der Diener Gottes; allein ihr Schicksal könne nicht getrennt werden von dem Schicksale der Stadt, welche so vielfache Ermahnungen und Aufforderungen freventlich zurückgewiesen habeQui totiens moniti, totiens sprevere monentem.  Günther III, 132-164.  Otton. Fris. II, 20.  Radulph. Mediol. 1175.. Am besten würden sie ihre Unschuld und die Rechtlichkeit ihrer Gesinnung erweisen, wenn sie die Bürger zur Erkenntniß ihrer Vergehen brächten und die baldige Übergabe der Stadt bewirkten.« – In tiefer Trauer kehrten jene nach Tortona zurück: denn es war vorauszusehen, daß der Widerstand nur kurze Zeit dauern könne. Zwar thaten die Bewohner den Deutschen noch manchen Abbruch und zertrümmerten mit dem, während des Waffenstillstandes erbauten Wurfgeschütz ihre Belagerungswerkzeuge: aber unablässige Anfälle von außen, Mangel und gänzliche Erschöpfung im Innern, erzwangen endlich am 32 13ten April 1155 nach zweimonatlichem Widerstande die Übergabe der Stadt. Den Personen ward auf dringende Bitte der Fürsten freier Abzug, aber von ihren Gütern nur so viel bewilligt, als jeder zu tragen vermochte. Durch Elend entnervt, den Todten ähnlich zogen jene, ihre Vaterstadt preis gebend, hervor: und doch besserte sich insofern ihre Lage, als ihnen wenigstens gesunde Luft und reinliche Nahrung nicht mehr mangelte. Die Soldaten plünderten zum Lohne für ihre Anstrengungen die Stadt, dann wurde sie verbrannt und zerstört.

Als dies furchtbare Schicksal Tortonas in den italienischen Städten bekannt ward, erschraken die meisten und sandten dem Könige demüthig GeschenkeGenua gab nichts, weil Friedrich und der Papst die Stadt gleichmäßig durch Freundlichkeit und Bewilligungen zu gewinnen hofften.  Caffari 266.; die kühneren aber sprachen: »wer darf verzweifeln, wenn eine Stadt der ganzen deutschen Macht zwei Monate widerstehen konnte? Tortona hat sich der Freiheit heldenmüthig geopfert, und aus seinen Trümmern sollen noch standhaftere, sollen siegreiche Kämpfer hervorwachsen!«

Friedrich aber zog nach Pavia um in den Ringmauern der alten, vor allen anderen ihm ergebenen Hauptstadt des Königreichs Italien die lombardische Krone zu empfangen. Weltliche und Geistliche eilten ihm entgegen und am 17ten April erfolgte, nach glänzendem Einzuge, die Krönung durch den Bischof der Stadt in der Kirche des heiligen Michael. Drei Tage lang währten die Feste.

Piacenza, welches beim weiteren Vorrücken des Heeres im Vertrauen auf die nahenden Mailänder seine Thore verschloß, ward nicht angegriffen: denn Friedrich eilte über Cremona und Modena nach Bologna, über den Apennin nach Tuscien, und stand bald darauf mit seinem Heere bei Viterbo. Eine so schnelle Annäherung war dem Papste, den Normannen und den Römern gleich unerwartet, und bald bekam in ihnen Furcht, bald Hoffnung die Oberhand.

33 Anastasius IV, ein Mann von hohen Jahren, war am zweiten December 1154 gestorbenVitae Pontif. 440.  Dandolo 286.  Afflig. auctar.  Chron. montis sereni.  Concil. XIII, 11.  Innoc. III epist. VIII, 214.  Acta Sanct. 6ten März 484. Pagi zu 1154, c. 1., und an seine Stelle Hadrian IV gewählt worden. Sein Vater, ein armer Geistlicher zu St. Albans in EnglandGuilielm. Neubrig. II, 6.  Donio 187., hatte so wenig im Vermögen, daß er ihn anfangs nicht zur Schule schicken konnte; nachmals finden wir jedoch Nikolaus (so hieß Hadrian vor seiner Erhebung) als Studenten in Paris und Arles, dann als Mönch, endlich als Abt in dem berühmten Kloster des heiligen Rufus bei Avignon. Seine Schönheit, Klugheit und Thätigkeit erwarben ihm einerseits überall großen Beifall; andererseits entstand aber auch Neid gegen den Fremden, den Ausländer. Um Beschwerden zu widerlegen, welche man über ihn beim Papste angebracht hatte, begab er sich nach Rom, wo ihn Eugenius IV richtig würdigte und zum Kardinal ernannte. Als dessen Abgeordneter ging er nach Norwegen, befestigte das Land im christlichen Glauben, gründete das Erzbisthum DrontheimDie Abhängigkeit von Lund hörte auf. Münter Beiträge I, 18. und erwarb sich durch sein Benehmen die allgemeinste Hochachtung. Diese, damals wie immer seltene Verbindung guter Sitten mit großer Gewandtheit für öffentliche Geschäfte, mehrte seinen Ruhm und bahnte ihm den Weg zu seiner Erhebung. Während die meisten hiebei nur die glänzende Seite eines außerordentlichen Glückes hervorhoben, erkannte der neue Papst das Schwierige seiner Lage und versicherte einem FreundeAlberic. 324.: »der päpstliche Stuhl sey mit Dornen belegt, der Mantel überall von den schärfsten Spitzen durchbohrt und so schwer, daß er selbst den Stärksten zu Boden drücke.« Auch zeigte sich bald die Wahrheit dieser Behauptung: denn Hadrian gerieth zunächst in bösen Streit mit 34 Wilhelm dem neuen König von Sicilien, und hierauf in noch bedenklichere Fehden mit den Römern. Auf dem schon früher erwähnten Wege beharrend, verlangten diese: daß der Papst alle von ihnen aufgestellten Forderungen bewilligeSigonius zu 1154, S. 288.  Concil. XII, 1509., und insbesondere aller weltlichen Herrschaft in Rom entsage. Zu solcher Minderung, ja Vernichtung der Rechte des päpstlichen Stuhles wollte Hadrian keineswegs die Hand bieten und zog, um sich zu sichern, auf das rechte Ufer der Tiber in die leonische StadtIn der Gegend der Peterskirche, vom Papste Leo IV Jahre 848 zuerst befestigt, um die Anfälle der Saracenen abzuhalten.  Sismondi II, 70.  Murat. annali.. Als aber das unruhige Volk den Kardinal Guido, welcher zu ihm gehen wollte, angriff und tödtlich verwundete, begab sich Hadrian nach Orvieto, belegte Rom mit dem Interdikte und bannte Arnold von Brescia, welcher seit funfzehn Jahren und auch jetzt die Seele und der Mittelpunkt aller Bewegungen der Römer gegen die Päpste war. Ein Schüler Abälards, von großen Anlagen, hinreißender Beredsamkeit und strengem Wandel, schloß sich Arnold in Hinsicht der Kirchenlehre an die Mystiker an, ohne jedoch durch beschaulichen Tiefsinn an der Fähigkeit zu verlieren, auf das Einzelne und Äußere mächtig zu wirken. Tadelnswerther noch, als die herkömmliche Lehre, erschienen ihm die Sitten der Geistlichen, deren Ausartung wiederum genau mit der verwerflichen Verfassung der Kirche zusammenhinge. Gestützt auf Stellen der heiligen Schrift behauptete ArnoldGünther III, 282.  Otton. Fris. vita I, 28.  Dandolo 281.  Müller Gesch. der Schweiz I, 383.: »das Übermaaß irdischen Gutes führe unnützen Glanz, eitle Vergnügungen, Wollüste, Stolz und alle Laster herbei: deshalb solle kein Geistlicher oder Mönch Eigenthum, kein Bischof Lehen besitzen; alles irdische Gut gehöre allein der weltlichen Obrigkeit und den Fürsten, und dürfe von diesen nur an Weltliche überlassen werden.« 35 Hierauf erwiederten Arnolds Gegner: »es ist freche Anmaaßung, wenn ein Einzelner, mit Übergehung der, von Gott eingesetzten, seit Jahrhunderten anerkannten Obrigkeit, die Kirche meistern und nach eigenem Dünkel umgestalten will; es ist eine oberflächliche Betrachtungsweise, wenn man Gebrauch und Mißbrauch irdischer Güter verwechselt oder gleichstellt; es ist irrige Einbildung, als sey eine arme Kirche um ihrer Armuth willen eine tugendhafte und heilige Kirche; es ist gemeine Schmeichelei gegen die Laien, wenn man deren Benutzung weltlicher Güter zu Kriegen und Genuß, der kirchlichen Benutzung für Gottesdienst, Arme und Kranke voranstellt. Wie klein und unbedeutend erscheint der, nach bürgerlichen Gesetzen hart bestrafte Raub gegen diesen, als Heilmittel vorgeschlagenen unermeßlichen Kirchenraub und diesen Umsturz alles Eigenthumes; wie thöricht ist endlich die Hoffnung, wie unbegreiflich die Verblendung: man könne größere und gesetzliche Freiheit, ja das ganze Christenthum dadurch neu begründen, daß man die Kirche (diesen mächtigen Zügel, dies unentbehrliche Gegengewicht, dies göttliche Reinigungsmittel alles Irdischen) zertrümmere und der bloß weltlichen Herrschaft eine schrankenlose Allmacht darbiete!«

Aus diesen und ähnlichen Gründen klagte der Bischof von BrixenPagi zu 1139, c. 9 und 1140, c. 1., Arnold schon auf der zweiten lateranischen Kirchenversammlung im Jahre 1139 öffentlich an, und Innocenz II legte ihm ein ewiges Stillschweigen auf. Er aber entwich über die Alpen und verkündete, im lebendigen Gefühle der vorhandenen Mängel und im festen Bewußtseyn redlicher Absichten, nach wie vor seine Lehre, welche, Einfachheit der Sitten und Genügsamkeit empfehlend, bei den einfachen Bewohnern schweizerischer Berge, in Zürich und Konstanz großen Beifall fand. Selbst die BriefeEpist. 195, 243, 244. Bernhards von Clairvaux verloren hier ihre sonstige Wirksamkeit, obgleich er (die Absicht von möglichen Folgen nicht 36 unterscheidend) überheftig dorthin schrieb: »in diesem Ketzer findet sich der Wille und die Geschicklichkeit schädlich zu seyn, und er dürstet mit dem Teufel nach dem Blute der Seelen.«

Zu jenen, als Ketzerei bezeichneten Ansichten Arnolds über die Kirche, ihre Lehre und Verfassung gesellte sich nun, wie wir sahen, beim Ausbruche von Unruhen in Rom eine neue Lehre über das Verhältniß dieser Stadt zum Papste und zum Kaiser. Dahin zurückgekehrt behauptete Arnold mit Bezug auf die alten Geschichten: »des Papstes Einfluß auf die Beherrschung Roms, sey durchaus ungerecht und ganz zu vertilgen; der des Kaisers aber, bei nur geringem Anrechte, sehr zu beschränken: denn die ewige Stadt habe nicht die Herrschaft der Welt durch Unterwerfung unter den Willen eines Einzelnen erworben, sondern durch die Weisheit des SenatsAlberic. 327.  Vitae Pontif. 442.  Sismondi II, 42, 67. und durch die Kühnheit und Festigkeit des Volkes. Um aber den neuen Einrichtungen desto mehr Würde und Dauer zu geben, müßten sie sich an die alten anschließen, der Ritterstand als vermittelnd zwischen Senat und Volk eintreten, zwei Konsuln an der Spitze von hundert Senatoren stehn u. s. w.«

Ob nun gleich vieles von dem Vorgeschlagenen ausgeführt wurde und weder Eugen noch Anastasius, Arnold gänzlich verdrängen konnten; so fehlte doch der äußerlichen Begeisterung der Römer die innere, aus Einigkeit, Zucht und Tugend hervorgehende Haltung; weshalb sie bald zu Freveln frech hinüberschweiften, bald in schwächliche Sorgen zurücksanken.

{1155} Als itzt der, vom Papste über Rom gesprochene Bann sehr streng gehalten ward, und kein Geistlicher in den vier ersten Tagen der Charwoche Messe las, erschraken die Frömmeren, und die Anhänger der Geistlichkeit und des PapstesDoch hielten es auch einige Kapelläne der römischen Kirche mit Arnold, und gehorsamten den Erzpriestern und Kardinälen nicht.  Concil. XII, 1578. 37 {1155} erhielten schnell ein solches Übergewicht, daß der Rath in die Verbannung Arnolds und seiner Anhänger willigen mußte, Hadrian öffentlich in Rom einzog und der Gottesdienst zu großer Freude in allen Theilen der Stadt wiederum begann. Arnold fiel auf seiner Flucht in die Hände eines Kardinals; aber sein Ansehn und die Furcht vor seinem Anhange war noch so groß, daß der Papst nicht wagte gegen ihn vorzuschreiten, sondern Untersuchung und Ausspruch auf die Ankunft des deutschen Königs verschob. Allein ehe dieser ankam, hatten kampanische Grafen Mittel gefunden jenen aus der Haft zu befreien, und Hadrian verlangte als das erste Zeichen der günstigen Gesinnungen Friedrichs: »daß er ihm gegen die Römer Beistand leiste und die Auslieferung Arnolds bewirkeKardinal Guido Cibo aus Genua verhandelte 1155 mit zwei anderen Kardinälen über die Auslieferung Arnolds.  Cardella I, 126..« Hiezu war jener als Schutzherr der Kirche, und um so mehr verbunden, weil ihm die Entscheidung über die kirchlichen Vergehen Arnolds nicht zustand; auch hatten dessen staatsrechtliche Grundsätze schwerlich seinen Beifall, und am wenigsten ein ebenfalls in Anregung gebrachter PlanWibaldi epist. 383., wonach die Römer sich ihren eigenen Kaiser selbst wählen sollten.

Als nun Friedrich einen von denjenigen Grafen festsetzen ließ, welche zu Arnolds Befreiung mitgewirkt hatten, so erschraken alle übrigen dermaaßen, daß sie ihn an die hiezu bevollmächtigten Kardinäle auslieferten. Jetzt, das meinten diese nebst dem Papste, dürfe man, bei der Möglichkeit eines nochmaligen schnellen Wechsels der Verhältnisse, keinen Augenblick verlieren. Vor Anbruch des Tages brachte man Arnold zum Thore des VolkesPorta del popolo, heißt wohl das Thor des Pappelbaumes, durch Umdeutung aber auch des Volkes., und in dem Augenblicke da die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ihm die Aussicht über den größten Theil Roms gewährten (das 38 {1155} er durch die Anstrengungen seines ganzen Lebens zu verjüngen und zu befreien gehofft hatte), loderten die Flammen des Holzstoßes empor. Als die Römer hiedurch geweckt herbeieilten, des Papstes Wachen vertrieben und in Zorn und Wehmuth das Äußerste zur Rettung ihres Freundes versuchen wollten, war Arnold bereits entseelt und seine Asche, damit sie nicht als heilige Reliquie geehrt werde, in die Tiber gestreut!

Jede herrliche, wie jede schreckliche Erscheinung hat in der Geschichte erinnernde Nachbilder, weissagende Vorbilder; wir sehen die Vergangenheit, welche sich nach ihrer Zeit wiedergebären, die Zukunft, welche sich vor ihrer Zeit in die Welt hineindrängen will. So griff Arnold von Brescia von dem Punkte seines Daseyns aus weit zurück in die Vergangenheit, weit voraus in die Zukunft. Ihm trat jene mit der vollen Kraft der Gegenwart vor die Augen; und wiederum leuchteten ihm, durch das mangelhafte Licht seiner Tage hindurch, andere Sterne späterer Jahrhunderte. Aber er vergaß, daß die Zukunft der Gegenwart nur von Augenblick zu Augenblick zugezählt wird, und Einzelne wie Völker nur schrittweise aus ihren Bahnen vorrücken; er verstand nicht seine Pläne an irgend eine der großen Erscheinungen jener Zeit anzuknüpfen, sondern trat gegen den damaligen Staat und die damalige Kirche gleich feindlich auf      Nil juris in hac re
      Pontifici summo, modicum concederer regi,
      Suadebat populo; sic laesa stultus utraque
      Majestate, reum geminae se fecerat aulae.

Günther III, 383.
, während er sich für etwas ganz Abgestorbenes begeisterte und mit dessen Wiederbelebung unnütz abmühte. Aus all diesen Gründen zusammengenommen scheiterte sein Bestreben, und mußte scheitern. Demungeachtet war es nicht verloren für die Nachwelt; ja hätte Friedrich I damals schon die Erfahrung gemacht: daß man dem Papste gehorsamen, 39 {1155} oder mit allen Kräften gegen ihn kämpfen müsse; er würde sich vielleicht Arnolds gegen den römischen Stuhl mit großem Erfolge bedient, der Gefahr für seine eigene Größe aber vorgebeugt haben.

Inzwischen hatte der König die Erzbischöfe von Köln und Ravenna an den Papst, und dieser zwei Kardinäle an jenen abgeschickt: allein keiner von beiden Herrschern wollte den Gesandten des andern Antwort ertheilen, ehe die seinen zurückgekehrt wären; obgleich Friedrich dem Papste die beruhigendsten Versicherungen geben und an die Beweise seiner Freundschaft bei der Auslieferung Arnolds von Brescia erinnern ließ. Auf dem Rückwege trafen sich indeß glücklicherweise beide Gesandtschaften, und faßten den klugen Entschluß in das königliche Lager bei Viterbo zu gehen; was dem Papste um so vortheilhafter ward, weil der ihm abgeneigte Kardinal Oktavian daselbst nicht als dessen Bevollmächtigter, sondern in der Absicht angelangt war, Spaltungen zu erregen. Nunmehr mißlang dies Bemühen, und Friedrich ließ [so war es herkömmlichDer Kaiser schwur in keiner einzelnen Sache einen Eid.] in seiner Seele auf das heilige Kreuz und das Evangelienbuch schwören: »er wolle weder dem Papste noch den Kardinälen an Leib und Gut schaden, noch Schaden zufügen lassen, sondern sie im Gegentheile sichern und schützen.« – Darüber hoch erfreut begab sich Hadrian ohne längeres Bedenken in das königliche LagerZusammenkunft in Magliano nella Sabina.  Sperandio 280.In campo Grasso in agro Sutrino.  Bussi 95.. Friedrich ging ihm entgegen, hielt dem Absteigenden den Steigbügel und führte ihn an der Hand ins Zelt. Hier sprach der Bischof Eberhard von Bamberg im Namen des Königes und der Deutschen: »endlich sey die Sehnsucht den Papst zu erblicken, zu allgemeiner Freude gestillt; umgeben von Prälaten und Fürsten komme der König, durch Geschlecht, Sinn und Thaten gleich ausgezeichnet, ein Freund des Friedens und der Wahrheit, ein Bekenner 40 {1155} des ächten Glaubens. Schon der Empfang des Papstes beweise seine Verehrung des apostolischen Stuhles und der römischen Kirche, und man verweigere dieser nichts, was ihrer angestammten Würde gemäß oder ihr nach alter Sitte zuerkannt sey. Nun möge der Papst seinerseits durch Gottes Gnade das hinzufügen, was zum Gipfel der kaiserlichen Würde erhebe.« Hadrian erwiederte: »was du sprichst, sind nur leere Worte. Dein Fürst hat dem heiligen Petrus nicht die schuldige Ehre erwiesen, sondern ihn vielmehr entehrt: denn er hätte den rechten Steigbügel halten sollen, und er hielt den linken«Otton. Fris. II, 21.  Helmold I, 80.  Hofmann ann. Bamberg. 127.  Thomassin. II, lib. 3, c. 65, §. 5. – Nach den Vitis Pontif. 443, hielt Friedrich das erste Mal den Bügel gar nicht, worauf die Kardinäle sich entfernten und den Papst bestürzt zurückließen. Der Kaiser sey itzt zu ihm gegangen, aber Hadrian habe ihm den Friedenskuß verweigert. Nun folgten Untersuchungen über die alte Sitte u. s. w.. Dem Könige wurden diese Worte hinterbracht, und er antwortete: »saget dem Papste, nicht Mangel an Ehrfurcht, sondern Mangel an Kenntniß sey die Ursache des Versehns; denn wahrlich nicht auf Bügelhalten habe ich mich gelegt und jener ist der erste, dem ich einen solchen Dienst erweise.« Hierauf entgegnete der Papst: »soll ich nicht vom Kleinen auf das Größere schließen? Wenn Friedrich Geringes aus Unwissenheit vernachlässigt, wie meint ihr, daß er Wichtiges vollbringen werde?« Erzürnt hub itzt der König an: »so will ich erst besser ergründen, woher diese Sitte entstanden ist, ob nur Artigkeit sie gebietet, oder Recht und Pflicht. Ist jenes, so hat der Papst nichts zu tadeln, denn die Bezeigung einer freiwilligen Höflichkeit leidet keinen Zwang des Gesetzes: ist aber aus alter Sitte ein Recht entstanden und gebührt ihm solche Ehre; was liegt daran, ob dieser oder jener Bügel vom Könige gehalten werde? Die Bedeutung dieses Zeichens der Ehrfurcht bleibt dieselbe; ich habe genug gethan und will nicht, daß man feindselige Gesinnungen durch unbedeutende Vorwände zu rechtfertigen suche.«

41 {1155} Lange und heftig ward so gestritten, ohne Friedenskuß verließ Hadrian das Lager und Bangigkeit ergriff alle Fürsten. Sie stellten dem Könige vor: »Spaltung zwischen Reich und Kirche führe zum größten Unheile, Nachgiebigkeit dagegen raube dem Papste allen Vorwand zu feindlichen Maaßregeln; endlich könne jene gleichgültige Handlung die wirkliche Macht des Königs nicht mindern.« Um dieser Vorstellungen willen gab Friedrich nach, rief den Papst zurück und befriedigte ihn durch den verlangten Dienst. Hiedurch muthiger geworden, forderte jener, daß der König vor seiner Krönung das sicilische Reich erobere und ihm überlasse. Allein er mußte von dieser Forderung ganz abstehn; denn ehe noch Friedrich seine eigenen Anrechte heraushob, erklärten die deutschen Fürsten: »sie stünden schon lange im Felde und wären jeder weiteren Zögerung abgeneigt. Erst wenn man nach der Rückkehr das Einheimische besorgt und neue Kräfte gesammelt hätte, ließe sich vielleicht ein solcher Feldzug unternehmen.«

Mittlerweile zog das deutsche Heer immer weiter vorwärts und langte ungehindert bei Sutri, etwa eine Tagereise diesseits Rom an. Da glaubten die Römer (ob sie gleich unzufrieden waren, daß Friedrich ihnen seine Erhebung zum deutschen Könige nicht einmal gemeldet und sich gegen Arnold von Brescia feindlich bezeigt hatte) keineswegs länger zögern zu dürfen, und schickten ihm sorgsam erwählte Männer entgegen, welche seinen Sinn erforschen, die Verhältnisse entwickeln und ihre Wünsche vortragen sollten. Nach erhaltenem sichern Geleite trafen sie den König zwischen Sutri und Nepi, und sprachen vorgeführt alsoOtton. Fris. II, 22.  Günther III, 450.  Wibaldi epist. 211, 212, 383, 384.  Alberic. 327.  Albert. Stadens.  Vitale I, 45.: »möchtest du, o trefflicher König, günstig und mit unbefangenem Sinne das anhören, was dir Rom, die hehre Gebieterinn der Welt, durch unseren Mund verkündet. Ich freue mich, so redet sie dich an, wenn du in Frieden kommst; oder 42 {1155} vielmehr, ich freue mich, weil ich voraussetze, daß du so kommst. Du trachtest nach der Herrschaft über den Erdkreis, und siehe, ich stehe gern auf dir die Krone zu reichen, ja ich trage sie dir selbst freudig entgegen. Denn warum sollte der, welcher sein Volk besucht, nicht als Friedensbringer kommen? Warum sollte er nicht mit edler Dankbarkeit auf das Volk hinblicken, welches die thörichten Anmaaßungen der Geistlichen (sie wollten irdische und überirdische Macht zugleich besitzen, zugleich Schwert und Kelch führen!) zu seinem Besten gebrochen hat? Nun werden, das hoffe ich, die alten Zeiten, nun werden, und das erbitte ich, die alten Rechte und Freiheiten der herrlichen Stadt zurückkehren. Unter diesem Fürsten wird Rom wiederum die Zügel der Welt ergreifen, unter diesem Kaiser des Erdkreises Zügellosigkeit gebändigt und zu dem Namen des Augustus auch dessen Macht und Ruhm gesellt werden. Du weißt, wie Rom durch die Weisheit der senatorischen Würden, durch die Tugend und Zucht des ritterlichen Standes seine Hände von Meer zu Meer ausstreckte, und seine Herrschaft nicht bloß bis an die Gränzen des Erdkreises erweiterte, sondern auch Inseln welche drüber hinaus lagen, mit diesem Erdkreise verband und die Zweige seiner Hoheit selbst bis dahin verzweigtePropagines propagavit.  Otto Fris. II, 22, und so sind auch die übrigen schwülstigen Ausdrücke der Urschrift nachgebildet.. Nicht die stürmischen Fluthen der Meere, nicht die unersteiglichen Felsrücken der Alpen gewährten Schutz: alles bezwang die unbezwingliche Tapferkeit der Römer. Lange schlummerten durch die Abwesenheit unserer Fürsten und die Vernachlässigung des Senats diese unbesiegbaren Kräfte Roms, bis in unseren Tagen wieder hergestellt wurden der Senat und die Ritter, die Tribunen und das Kapitol. Du aber, scheinen dir nicht solche Gesinnungen und Thaten alles Lobes und Dankes würdig? Erfreust du dich nicht des Glanzes, welcher hiedurch auf deine Person zurückstrahlt? – Höre nun noch, o Fürst, milde und 43 {1155} geduldig das Wenige, was ich dir von deinen und meinen Rechten zu sagen habe; zuerst jedoch von den deinigen, denn es heißt ja: mit Jupiter der Anfang! Du warst ein Gast, ich machte dich zum Bürger; du warst ein Fremdling aus überalpischen Ländern, ich erhob dich zum Fürsten; und Rechte die mein waren, habe ich dir gegeben. Dafür mußt du meine alten Gewohnheiten und neuen Einrichtungen anerkennen; du mußt eine Sicherheit stellen, daß Barbarenwuth keines meiner Rechte verletze; du zahlst meinen Beamten, die dir aus dem Kapitol zujauchzen werden, 5000 Pfund Silber; du stellst mir hierüber feierliche Urkunden aus; du beschwörst alles zur Beseitigung von Zweifeln und Verdacht.« –

Als der König diese Reden hörte, die nach römischer Sitte noch weit ausgesponnen werden sollten, stand er zornig auf und rief, jene unterbrechend: »ich kann mich nicht genug wundern, daß eure Reden so gar nichts von der gepriesenen altrömischen Weisheit enthalten, daß sie nur angefüllt sind mit dem abgeschmackten Schwulste thörichter Anmaaßung. Vergeblich erhebt ihr die ehemalige Würde und Herrlichkeit Roms; denn nur zu wahr sagte schon jener alte Römer: auch aus diesem Staate ist die Tugend gewichen, auch er vermochte nicht dem Wechsel der Zeiten zu widerstehen. Wollt ihr erkennen, wo Roms weiser Senat, seine tapfere Ritterschaft, sein tüchtiges Volk anzutreffen sey, so seht unseren Staat an. Nicht bloß die Herrschaft ist übergegangen auf die Deutschen, sondern auch die Tugenden. Bei uns ist Zucht und Gehorsam, ausharrender Muth, ruhige Überlegung, Treue und Redlichkeit: bei euch nur Ungehorsam und Willkür, Hochmuth und Wankelmuth, unbesonnene Tollkühnheit und leeres Spiel mit Worten und Eiden. Darum regieren euch deutsche Könige, darum rathschlagen für euch deutsche Fürsten, darum kämpfen für euch deutsche Ritter. – Ihr hättet mich gerufen, um von eurer Gnade Bürgerrecht und Krone zu empfangen? Wer erstaunt nicht über so unerhörte, grundlose Rede! Doch ja, 44 {1155} ich komme gerufen: aber nicht, um von euch zu empfangen, sondern um euch zu retten von innerem und äußerem Zwiste: ich komme wie ein Glücklicher zu Elenden, ein Starker zu den Schwachen, ein Muthiger zu Entnervten, ein Sicherer zu Geängsteten. Ihr fordert mich auf zur Gerechtigkeit und zum Schutze Roms. Sind eure Forderungen ungerecht, so werden keine Worte mich täuschen; sind sie gerecht, so bedarf es keiner belehrenden Weisungen: denn ich schütze den Geringsten, wie vielmehr die Hauptstadt meines Reiches. Ihr verlangt die Bestätigung eurer Gesetze und Freiheiten: wo beständen aber Gesetze verbindlich für euch, die nicht von den Deutschen herrührten? und seit wann gäbe das Volk dem Fürsten, und nicht der Fürst dem Volke die nöthigen Gesetze? Ihr fordert weiter mit eigennütziger Begier, daß ich mein Eigenthum erkaufe: bin ich denn etwa euer Gefangener, bin ich in euren Banden, daß ich mich mit Gelde löse? Wollt ihr mich zwingen zu zahlen, statt freiwillig zu spenden? Nur die pflege ich königlich zu belohnen, welche sich um mich verdient machen; wer aber Ungerechtes ertrotzen will, dem wird mit Recht selbst Billiges verweigert. Ihr verlangt endlich, mit unbegreiflicher Verwirrung aller Begriffe: der König, dem alle Eide geleistet werden, solle euch, den Unterthanen, unzählige Einrichtungen, Gesetze, Begünstigungen u. s. w. beschwören. Wahrlich mein Wille ist unwandelbarer als eure Gesetze, und mein einfaches Wort gilt mehr als eure Eide.«

So sprach Friedrich nicht ohne lebhafte Bewegung; einige der Umstehenden aber fragten die römischen Gesandten: ob sie noch mehres vorzutragen hätten? Diese, erschreckt, daß ihre Worte solchen Eindruck gemacht hatten, erwiederten: »sie müßten das Gehörte erst den Bürgern hinterbringen, und würden zurückkehren, sobald man weitere Beschlüsse gefaßt hätte.«

Friedrich ahnete ihre gewaltsamen Vorsätze, und besprach sich daher mit dem Papste über die zu treffenden Maaßregeln. –»Du wirst noch öfter, lieber Sohn,« 45 {1155} entgegnete dieser, »die List der Römer erfahren; doch diesmal wollen wir sie zu Schanden machen mit ihrer Klugheit, und dein Schwert wird kräftiger wirken als meine geistliche Rede. Sende schnell die Tapfersten deines Heeres voraus, um die Kirche des heiligen Petrus und die leonische Burg zu besetzen; ein Kardinal soll sie begleiten und meine Soldaten zu freundlichem Beistande anweisen.« Dies geschah. Tausend ErleseneNach Otto Fris. II, 21 gingen 1000, nach Günther III, 629 aber 5000 Erlesene voran nach Rom. eilten in der Nacht heimlich nach Rom und besetzten jene Örter. Mit dem Anbruche des Tages, es war der 18te Junius 1155, zog Friedrich, begleitet vom Papste, den Kardinälen und vielen Geistlichen, zum goldenen Thore; gleichzeitig nahte das Heer, trefflich geordnet und geschmückt. Die Brücke, welche bei der Burg des CrescentiusDie heutige Engelsburg. in die innere Stadt führt, wurde schnell besetzt, wodurch das Volk vom rechten Ufer der Tiber ausgeschlossen blieb. Ungestört erreichte man die Peterskirche, und umgeben von seinen Deutschen wurde Friedrich hier nach gehaltenem Hochamte feierlich zum Kaiser gekrönt. Hadrian blieb in dem Palaste unfern der PeterskircheVitae Pontif. 443.  Cassin. monach.  Afflig. auctar., alle übrigen zogen wieder zurück in das Lager vor der Stadt.

Die Römer, welche zu gleicher Zeit die Ankunft Friedrichs und die bereits vollzogene Krönung erfuhren, zürnten aufs höchste, daß dies alles ohne ihr Wissen und ihre Beistimmung geschehen sey; sie versammelten sich mit den Senatoren auf dem Kapitol und beschlossen die Deutschen von allen Seiten anzugreifen. Diese hatten sich zur Erholung von der Sonnenhitze und der Anstrengung entwaffnet, und feierten im Lager an wohlbesetzten Tafeln die Erhebung ihres Königs, als Kunde einlief: daß die Römer über die Tiber gedrungen wären, mehre in der Peterskirche säumende Soldaten erschlagen, die Kardinäle nicht verschont und sich 46 {1155} bemüht hätten, den Papst selbst gefangen zu nehmen. Noch hatte sich das Heer auf des Kaisers Befehl nicht vollständig waffnen können, als die Römer schon das Lager Heinrichs des LöwenÜber die ausgezeichnete Theilnahme Heinrichs des Löwen Helmold I, 80.  Bethon. chron. in Leibn. script. III, 345. angriffen, vom Berge Janikulus her ein zweites, und bei der Burg des Crescentius das gefährlichste Gefecht erhuben. Denn leicht wären die, hier zwischen Strom und Burg eingeengten Deutschen vernichtet worden, wenn man Steine oder andere zur Hand liegende Dinge von der Mauer auf sie herabgeworfen hätte. Allein die, in der Burg eingeschlossenen Weiber stellten mit Erfolg den Männern vor: sie sollten sich ruhig verhalten, nicht durch augenblicklichen Zorn verleitet ihren Untergang herbeiführen, sie nicht aufopfern für das bald tollkühne, bald feige Volk. Dennoch dauerte der Kampf mit Anstrengung und gleicher Tapferkeit bis zum Untergange der Sonne. Da wichen endlich die Römer: an tausend waren getödtet und ertrunken, eine große Zahl verwundet und zweihundert gefangen. Diese überließ der Kaiser dem, von ihnen früher schwer beleidigten Stadtpräfekten PeterVincent. Pragens. zu 1156., welcher auch einige hängen ließ und andere zwang sich für große Summen loszukaufen; alle übrigen erhielten endlich auf Bitten des Papstes ihre Freiheit wieder. »So hätten wir,« sprach der Kaiser, »das Verlangen der Römer erfüllt, und auf deutsche Weise das Kaiserthum erkauftSic emitur a Francis imperium.  Otto Fris. II, 23.  Otto Morena 898.  Chron. mont. sereni.

Ungeachtet dieses Sieges verließen die Deutschen, aus Mangel an Lebensmitteln, am folgenden Tage ihr Lager, gingen bei Magliano über die Tiber und erreichten die fruchtbare Gegend von Tivoli. Gesandte übergaben diese Stadt dem Kaiser; weshalb jedoch der Papst, weil sie zum Kirchenstaate gehöre, so laute Klage erhob, daß jener von 47 {1155} dem Besitze abstand und sich nur die, freilich unbestimmten kaiserlichen Rechte vorbehieltVitae Pontif. 444.  Günther IV, 160, 220.. Am 29sten Junius, dem Tage der Apostel Petrus und Paulus, löste Hadrian alle Deutschen von der Schuld, welche sie scheinbar in der letzten Schlacht durch Tödtung der Römer auf sich geladen hatten: denn der Soldat welcher, dem Fürsten gehorsam, gegen Reichsfeinde fechte, müsse nicht als Mörder, sondern als Rächer betrachtet werden.

Der Papst kehrte von Tivoli nach Rom zurück, während Friedrich sein Heer, um der Hitze des Sommers zu entgehen, nach den gesunden Höhen des Apennins bei Narni führte. Hier lieferten die italienischen Städte den Zins ab, welcher ihnen dem Herkommen gemäß aufgelegt war; nur Spoleto verweigerte anfangs die Zahlung gänzlich, dann sandte sie eine geringe Summe in falscher Münze. Zu diesem Fehltritte kam ein zweiter: die Bürger nahmen Friedrichs Abgesandten, den Grafen Guido gefangen, der, aus Apulien zurückkehrend, freundschaftlich durch ihre Stadt zog, und verachteten im Vertrauen auf die starken Mauern und Thürme ihrer Stadt, alle Befehle jenen wiederum frei zu lassen. Deshalb zog der Kaiser von Narni gen Spoleto, fand aber unterwegs in dem engen Thale Widerstand von Schleuderern und Bogenschützen, bis er sich mit allgemein gepriesener Tapferkeit an die Spitze der seinen stellte, die Spoletaner in die Flucht schlug und mit den Nachsetzenden in die Stadt drang. Während hier Brand und Plünderung überhand nahm, retteten sich viele Einwohner in das wohl befestigte auf hohem Berge liegende Schloß, und glaubten jeder Gefahr entronnen zu seyn; aber durch Beispiel, Aufmunterungen und Drohungen Friedrichs befeuert, erstürmten die Deutschen auch diesen Zufluchtsort. Was dem Brande entging, nahmen die Sieger hinweg, und nur gegen ein ansehnliches, gutentheils von Befreundeten vorgeschossenes 48 {1155} Lösegeld, wurden die Gefangenen entlassen und die Stadt wieder zu Gnaden aufgenommen.

Am folgenden Tage, den 29sten JuliusUghelli Italia sacra I, 1261. verließ das Heer, die ungesunden Ausdünstungen der Leichname meidend, diese Gegend und wandte sich nach Ankona. Gern hätte Friedrich von hier aus, den Aufforderungen der Griechen und der unzufriedenen Normannen folgend, das apulische Reich angegriffen: denn jene boten Geld und Hülfe, und diese hatten sich unter dem Schutze seiner Gesandten schon in den Besitz mancher Städte und Schlösser gesetzt, weil ein Gerücht ging, König Wilhelm sey gestorben und Friedrich nahe mit dem deutschen HeereRobert. de Monte zu 1156.  Günther IV, 320, 375, 450.  Nortmann. chronic. 991.. Aber die Fürsten, denen der Kaiser seine Absichten mittheilte, entgegneten wie schon früher: »zu lange sey man bereits vom Vaterlande entfernt, das Heer durch Gefechte und Krankheiten verringert und der Witterung ungewohnt; mithin erscheine die Unternehmung gefährlich und der Erfolg ungewiß.« Die Wichtigkeit dieser ablehnenden Gründe einsehend, ertheilte Friedrich nunmehr vielen die Erlaubniß zum Rückwege, den einige zu Lande erwählten, während andere nach Venedig schifften: er selbst zog, wie es dem Herrscher gebührt, mit der zahlreichsten Begleitung über Sinigaglia, Fano und Imola nach Bologna, und erreichte Verona im Anfange des Monats September.

Die Bewohner dieser Stadt behaupteten: daß nach einem, ihnen früher von den deutschen Kaisern zugestandenen Vorrechte, kein Heer durch Verona ziehen dürfe, sondern oberhalb der Stadt auf einer Schiffbrücke über die Etsch gehen müsse. Friedrich widersprach nicht; sey es daß er jenes Vorgeben für gegründet hielt, oder gewaltsame Maaßregeln vermeiden wollte. Bei diesem Übergange über die Etsch gedachten aber die Veroneser, im Einverständnisse mit 49 {1155} Mailand, das deutsche Heer zu vernichten. Sie bauten eine Brücke mit vorsätzlicher Nachlässigkeit, verbanden oberhalb derselben große Balken zu starken Flössen, und wollten diese durch die Gewalt des Stromes gegen die Brücke antreiben lassen, wenn erst etwa die Hälfte der Deutschen über dieselbe gegangen sey. Das Einstürzen der Brücke müsse schon vielen den Tod bringen, und auf jeden Fall werde das, alsdann in zwei Theile getrennte Heer, leicht geschlagen und vertilgt. Allein Friedrich ließ seine Mannschaft schneller zuschreiten, als man erwartete, die Balken dagegen trieben langsamer herbei, als man hoffte; und erst nachdem das ganze Heer über die Brücke gegangen war, stürzte diese ein; zum Verderben mehrer Italiener, welche den Deutschen auf dem Fuße folgten.

Nach diesem Mißlingen ihres ersten Planes, entwarfen die Lombarden einen zweiten. Der Weg, den Friedrich die Etsch entlang ziehend einschlagen mußte, war an mehren Stellen so schmal, daß nur ein Wagen Raum hatte, während der Strom links in der Tiefe rauschte und rechts schroffe Felsen emporstiegen. Kaum war das Heer durch einen dieser Engpässe hindurch gezogen, so sah man, daß ihn die Lombarden besetzten; worauf aber, weil das Vorwärtsziehen kein Hinderniß fand, nichts anzukommen schien. Unerwartet sprangen aber die Felsen bei einer Wendung so weit hervor, daß zwischen ihnen und dem Abgrunde nach der Seite des Stromes hin nur ein schmaler Fußweg frei blieb; und auf diesem Felsen stand eine Burg, deren Besatzung unter Alberich, einem wilden beutelustigen Ritter aus VeronaOtto Morena 991 sagt ausdrücklich, daß die Veroneser, von Mailand gewonnen, jenen Hinterhalt legten; andere schweigen oder leugnen. Die doppelten Parteien in den Städten, erklären alles leicht: denn als bloßes Raubgesindel können die Unternehmer nicht betrachtet werden. Vergl. Helmold I, 81.Günther IV, 580 sagt: juvenes ingenui, ex ordine equestri., zum Angriffe entschlossen und von den 50 {1155} örtlichen Umständen aufs höchste begünstigt war. Zwei edle Veroneser, welche Friedrich an jene schickte um sie von ihrem Vorhaben abzubringen, wurden nicht gehört, ja mit Schlägen fortgejagt, weil sie die schlechtere Partei des Gehorsams ergriffen und die edlere der Freiheit verlassen hätten. Der Kaiser befahl hierauf, daß jene sich zurückziehen sollten; allein statt zu gehorchen, warfen sie mit Erfolg Steine herab und verlangten von jedem Reiter Harnisch und Pferd, und vom Kaiser selbst große Summen Geldes. »Gott möge verhüten«, entgegnete dieser, »daß ein Kaiser Räubern und Empörern zinsbar werde, nach solchen Thaten und so nahe dem Vaterlande!« Er ließ das Gepäck ablegen, und durchforschte nun mit jenen ihm getreuen Veronesern nochmals die Gegend, ob sich nirgends ein Ausweg, nirgends eine Möglichkeit des Obsiegens zeige; – und es fand sich endlich heilsamer Rath.

Hoch über die Burg ragte ein Felsen hervor, überhangend, klüftig, unzugänglich; dennoch sollte er erstiegen werden. Durch Berg und Thal und dichte Waldung eilte Otto von Wittelsbach auf weiten Umwegen mit zweihundert leicht bewaffneten Jünglingen mühsam zur hinteren Wand des Felsens: aber wie abgeschnitten streckte er sich in die Lüfte. Nichts jedoch konnte jene Kühnen zurückschrecken. Einer stellte sich auf die Schultern des andern, aus Lanzen wurden Leitern gefertigt, Stufen eingehauen, endlich erreichte man den Gipfel, die kaiserliche Fahne ward aufgepflanzt, und Freudengeschrei erhob sich in der Höhe wie in der Tiefe. Da erschraken die, in der Mitte Eingeschlossenen gewaltig: den Felsen hatten sie nicht geglaubt besetzen zu müssen, der nur Vögeln erreichbar schien!

In dem jetzt unausweichbaren Kampfe wurden an fünfhundert getödtet und mehre gefangen, unter ihnen Alberich nebst eilf anderen Edlen. Vergeblich boten diese Geld für ihre Freiheit; das Todesurtheil ward über sie als Friedensbrecher und Empörer ausgesprochen. Einer der Gefangenen trat jedoch hervor und sprach: »edler Kaiser, höre meine 51 {1155} Worte! Ich bin kein Lombarde, sondern ein Franzose, frei aber arm. Von diesen ward ich aufgefordert, ein Vorhaben ausführen zu helfen, das meine zerrütteten Vermögensumstände schnell herstellen werde. Wie konnte ich ahnen, daß die Nachstellung dem Kaiser galt, und soll ich Unwissender, Verführter schuldlos leiden?« Friedrich schenkte ihm das Leben, allein er wurde gezwungen, Alberich und die gefangenen Edlen mit eigenen Händen aufzuknüpfen.

In der nächsten Nacht erreichte man das Gebiet von Trident, und zog dann das Thal der Etsch aufwärts über Botzen nach BrixenOtton. Fris. II, 27.  Günther IV, 590.  Ursp. chron. 297.  Erfurt. chron. S. Petrinum zu 1154.. Das Heer ward itzt entlassen und jeder eilte, seiner Thaten froh, in die Heimath; den Kaiser aber erwarteten große und schwere Geschäfte: Deutschland bedurfte seiner mächtigen Leitung nicht minder als Italien. 52

 


 


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