Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 2
Friedrich von Raumer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Hauptstück.

Nachdem im Jahre 1158 der Friede zwischen König Wilhelm, den Griechen und dem römischen Stuhle hauptsächlich durch die Klugheit und ThätigkeitDoch gingen die afrikanischen Besitzungen bis auf Mahdia und Susa im Jahre 1156, und im Jahre 1160 auch das übrige an den Mohaden Abd-el-Mumen verloren.  Abulfeda, Novairi 29, 62.  Gregorio II, 232.  Meo annal.  Die Hauptquelle für alles folgende ist Hugo Falcandus. Siehe oben S. 72. des Admirals Majo hergestellt war, zeigte sich dieser täglich stolzer, ehrgeiziger und grausamer. Über seine mächtigsten Gegner hatte er bereits obgesiegt: denn Robert Fürst von Kapua und Gaufred Graf von Monte Caveoso waren gefangen und geblendet worden, Graf Simon von Polycastro einem gleichen Schicksale nur durch den Tod entgangen und der, allein noch übrige, Graf Eberhard von Squillace würde einem großgesinnten Manne nicht mehr Gegenstand der Verfolgung geblieben seyn. Majo wollte aber auch ihn stürzen und überredete den König: daß der Graf, welcher mit nur wenigen Begleitern auf die Jagd geritten war, entflohen sey um Empörungen anzuzetteln. Hievon benachrichtigt eilte Eberhard sogleich in der Hoffnung zurück, den König ohne Mühe von der Nichtigkeit jener Anklage zu überzeugen; dennoch erlag er den Nachstellungen und wurde schuldlos geblendet und der Zunge beraubt. Kein tüchtiger und 290 {1160} ehrenwerther Mann konnte Majos Argwohne, kein schönes und edles Weib seinen Nachstellungen entgehen und Klagen, welche er insgeheim über des Königs Nachlässigkeit und Untüchtigkeit erhob, erneuten den Verdacht, daß er auch ihn zu stürzen trachte. Niemand wagte es, – so sehr schreckte Graf Eberhards Schicksal –, den König auf diese Gefahr aufmerksam zu machen; viele Städte und Edle in Apulien und Kalabrien gelobten indeß eidlich: sie würden keinem Befehle des Admirals mehr gehorchen. Alle königlichen Abmahnungsschreiben blieben unwirksam, weil man mit einer leicht gefundenen Wendung behauptete: auch diese habe Majo entworfen. Hierauf schickte er den Bischof von Mazara ab, um die Gemüther der Verbündeten zu beruhigen, allein dieser bestärkte sie vielmehr in ihren heftigen Beschlüssen. Da glaubte endlich der Admiral: nur dem Matthäus Bonellus könne er vertrauen und durch ihn die Ruhe wieder herstellen. Bonellus war aus einem sehr vornehmen und reichen Geschlechte, verwandt mit den meisten Edlen Kalabriens, in schönster Blüthe der Jugend, tapfer, kriegsgeübt und von großen Anlagen des Geistes. Hingegen mangelte ihm Festigkeit des Charakters und leicht ließ er sich für entgegengesetzte Ansichten gewinnen, wenn man seine Leidenschaften und sein übertriebenes Selbstvertrauen in Anspruch nahm. Des Ehrgeizigen hatte sich Majo in diesem Augenblicke dadurch bemächtigt, daß er ihm Hoffnung auf die Hand seiner noch sehr jungen Tochter machte; obgleich Bonellus insgeheim bereits die Gräfinn Klementia von Catanzaro, eine natürliche Tochter König Rogers, liebte.

Jetzt eilte er indeß nach Kalabrien und verwandte sich in der Versammlung aller verbündeten Edlen aufs lebhafteste für den Admiral; worauf ihm einer der angesehensten, Roger von Marturano, antwortete: »wenn innere Verwirrung des Gemüthes, oder äußere Noth, oder Hoffnung der Ehrenstellen und des Gewinnes, oder angeerbte Feigheit zu niedriger Schmeichelei und zur Unterthänigkeit gegen Frevler verführen, so ist dies nicht unerhört und 291 {1160} unnatürlich; wohl aber erregt es Erstaunen, daß du, aus hohem tadellosem Geschlechte, reich an Gütern und Ehre, voll Muth, Geist und Einsicht, den Admiral schuldlos zu nennen wagst, du, einer gegen alle, gegen unzählige Beweise! Wähnst du, er werde jemals herrschen und du ihm dann der Nächste seyn? Mit dem Morde des Königs ist auch der Untergang des eidbrüchigen Günstlings gewiß: denn im Falle die Edlen zögern könnten ihre Schwerter in sein Blut zu tauchen, würden ihn die Hände des Volkes steinigen. Damit du nun in den Untergang Majos nicht auch verwickelt werdest, so wende dich von ihm, verschmähe die Verbindung mit dem Unedlen und kämpfe, deinem angestammten Berufe gemäß, für die Freiheit des Adels. Nur auf diesem Wege findest du nicht allein den wahren Ruhm, sondern auch den Lohn der Liebe: Klementia von CatanzaroBonellus gewann nie die Hand der Gräfinn von Catanzaro, der König ließ sie mit ihrer Mutter in Palermo gefangen setzen und ihre mütterlichen Oheime hinrichten.  Rocch. chron. 28., die von so vielen vergeblich Ersehnte reicht dir dann freiwillig ihre Hand.« – Der Jüngling wankte, Furcht, Scham und Liebe bestürmten sein Gemüth; endlich trat er dem Bunde bei und versprach zu dem Untergange des Günstlings eifrig mitzuwirken.

Während Majos Glücksstern so durch die Untreue seines künftigen Schwiegersohnes zu sinken begann, veruneinigte er sich auch mit dem Erzbischofe Hugo von Palermo. Schon nahte nämlich der Tag, an welchem man den Mord des Königs nach gemeinsamen Beschlüssen vollziehen wollte; vorher mußte jedoch bestimmt entschieden werden: wem die Obhut der Prinzen und die Aufsicht über die königlichen Schätze anzuvertrauen sey. Majo verlangte beides: denn für die Last der Geschäfte, welche ihm allein zufalle, gebühre ihm auch der größte Lohn, und die Schätze würden kaum hinreichen, um Mannschaft zu besolden und etwanige Empörungen zu unterdrücken. – Der Erzbischof hingegen 292 {1160} widersprach diesen Behauptungen: weil eine Vormundschaft des Admirals dem Volke verdächtig seyn müsse und die Meinung befestige, er strebe nach alleiniger Herrschaft. Selbst ohne Rücksicht auf die hier besonders nöthige Vorsicht, weise das gemeine Recht überall einen verdächtigen Vormund zurück und setze ihn ab. Unläugbar seyen die Erzbischöfe, Bischöfe und andere ehrwürdige Geistliche die unverdächtigsten und sichersten Bewahrer der königlichen Kinder und der königlichen Schätze. Von diesen solle zur Bestreitung der Staatsausgaben ein Zuschuß erfolgen, sobald die gewöhnlichen Einkünfte unzureichend erschienen; was man jedoch nicht voraussetzen dürfe, sondern beweisen müsse.

Beide, der Erzbischof wie der Admiral beharrten auf ihrem Verlangen bis der letzte nach heftigem Wortwechsel äußerte: »er allein sey im Stande, dies und jedes andere Unternehmen durchzusetzen und habe nur aus freier Gunst des Erzbischofs Theilnahme gesucht. Überdies gereue ihm der zum Untergange des Königs gefaßte Beschluß, weshalb es weder der That noch des Beistandes weiter bedürfe.« – Zwar glaubte der Erzbischof diesen Worten nicht, billigte aber, sich gleichmäßig verstellend, Majos veränderte Gesinnung; denn auch ihm habe es immer geschienen, als sey dieser grausame Plan nicht ohne Gefahr und böse Nachrede zu vollbringen. So verwandelte sich bei fortdauerndem Scheine der Einigkeit die alte Freundschaft dieser Ehrsüchtigen in tödtlichen Haß. Majo verläumdete den Erzbischof und bewirkte leicht, daß der ohnehin geizige König ihm 700 Unzen Goldes abforderte; der Erzbischof hingegen wiegelte das Volk heimlich gegen den Admiral auf und gewann mehre seiner Anhänger durch geschickte Vorstellungen.

Unterdeß erfuhr Bonellus, welcher auf dem Rückwege bereits bis in die Nähe Palermos gekommen war, daß der Admiral von seinem Benehmen geheime Anzeigen erhalten habe und den Undankbaren aufs härteste zu strafen gedenke. Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf ihn zu täuschen, und schrieb ihm mit großer Kühnheit: »durch meine 293 {1160} Bemühungen sind die Unruhen in Kalabrien glücklich unterdrückt und alle Feinde in Freunde verwandelt worden; nun mußt du aber den treuesten Vollführer deiner Befehle auch nicht länger täuschen, sondern ihm, laut des oft wiederholten Versprechens, deine Tochter zur Ehe geben. Von Furcht und Sorge habe ich dich als Freund erlöset, dafür befreie du mich auch von der Sehnsucht der Liebe.« Durch diese List wurde der Admiral glücklich gewonnen, schalt diejenigen Verläumder, welche früher Bonellus anschuldigten und lud ihn ein herbei zu eilen, denn alles solle geschehen nach seinen Wünschen. Wirklich war dessen Aufnahme in Palermo ehrenvoll, und wegen seiner baldigen Verheirathung setzte man das Nöthige sogleich fest.

Bonellus erkannte jedoch sehr wohl das Gefährliche seiner Lage und entdeckte sich dem Erzbischofe, welcher, uneingedenk der heiligen Pflichten seines Standes, überall zu den heftigsten Maaßregeln anfeuerte. Nur darauf kam es also unter den gleich argen Frevlern und Verräthern an, wer allen übrigen zuvorkommen werde. – Um diese Zeit erkrankte der Erzbischof, eine Folge des Giftes, das ihm Majo hatte beibringen lassen. Aber zu langsam war dessen Wirkung und die Furcht nicht unnatürlich, jener werde nach etwaniger Herstellung die Ursache seines Leidens entdecken und auf Rache sinnen. Deshalb ging Majo am 10ten November 1160Amato 66. zu dem Erzbischofe, klagte bitterlich über den bevorstehenden Verlust seines besten Freundes, über seine künftige Rathlosigkeit, über die Thorheit mit treu Gesinnten zu hadern! Und als er nun meinte, das Gemüth Hugos sey auf diese Weise hinreichend erweicht und zutraulich geworden, zog er eine Flasche hervor und bat ihn: er möge diese, von den kundigsten Aerzten bereitete Arznei nehmen, denn sie werde gewiß die Heilung, welche auch er so sehnlich wünsche, herbeiführen. Der Erzbischof aber erwiederte (den Verrath ahndend oder 294 {1160} der Wahrheit gemäß): er habe kaum Kraft die nöthige Nahrung zu genießen und jede Arznei sey ihm ekelhaft; – worauf Majo die Ausführung verschob und das Gespräch auf andere Gegenstände lenkte, damit kein Verdacht böslicher Absichten entstehe. Gleich verrätherisch verlängerte der Erzbischof nun seinerseits die Unterredung auf alle Weise und ließ eiligst an Bonellus sagen: er wolle den Admiral so lange als möglich bei sich aufhalten, ihm dagegen liege ob das Nöthige einzuleiten. Sogleich berief dieser seine Mitverschworenen und vertheilte sie beim Anbruche der Nacht in drei Gassen, welche sämmtlich an einer Stelle zusammenliefen, wo der Admiral auf dem Heimwege vorbeikommen mußte. In demselben Augenblicke verbreiteten sich, ungewiß woher, ängstliche Gerüchte: der König werde in dieser Nacht auf dem Wege zu dem kranken Erzbischof ermordet werden. Bonellus aber ließ sich, besser unterrichtet, hiedurch in seinen Planen nicht irre machen. Schweigend warteten alle eine geraume Zeit, endlich kam der Admiral, unbesorgt und im Gespräche mit dem Bischofe von Messina begriffen. Schon war er der Stelle nahe wo seiner die Mörder warteten, als der Notar Mathäus und der Kämmerer Adenolf zu ihm traten und ihn leise über die eben entdeckte Gefahr unterrichteten. Majo erschrak, behielt jedoch die Fassung und befahl laut: man solle Bonellus herbeirufen. Daran erkannte dieser, er sey verrathen, sprang mit entblößtem Schwerte hervor und rief: »hier bin ich, um dich zu strafen für deine Schandthaten, für die Erdrückung des Adels und das Streben nach dem Königthume.« Geschickt entging Majo den ersten Streichen. Als aber seine Begleiter vor der Überzahl der nahenden Verschworenen entflohen, erlag er den wiederholten Angriffen. Sobald die Nachricht von seinem Tode in der Stadt kund ward, jubelte das Volk nach seiner Weise, beschimpfte den Leichnam des Ermordeten und plünderte sein Haus und die Häuser seiner Verwandten. Der König und die Königinn zürnten dagegen sehr: denn ihnen habe man den 295 {1160} etwanigen Verrath Majos anzeigen, ihre Beschlüsse erwarten, keinesweges aber sich auf so frevelhaftem Wege selbst rächen sollen.

{1161} Weder Bonellus noch der Erzbischof wurden ihres Sieges froh: denn jener mußte in eine benachbarte Stadt entweichen und dieser starb bald nachher an dem beigebrachten Gifte. Erst als Zeugnisse vieler angesehenen Männer die Schuld Majos darthaten und die Würdezeichen eines Königs in seinem Nachlasse gefunden wurden, änderten sich die Gesinnungen Wilhelms, und gern zog der Geizige seines ehemaligen Günstlings Schätze und Besitzungen ein, welche das einem Unterthanen gebührende Maaß zu übersteigen schienen. Auch Bonellus kehrte jetzt wieder nach Palermo zurück; während man ihn aber am Hofe vielleicht nur mit verstellter Freundlichkeit empfing, ehrten ihn Volk und Adel aufrichtig als den Befreier von Willkür und Tyrannei. An diese Verehrung reihten Majos frühere Anhänger, besonders dessen Busenfreund, der Kämmerer Adenolf den Plan, ihn zu verderben. Sie stellten dem Könige und der Königinn vor: Bonellus habe gefährliche Verbindungen, sey anmaaßlich über Gebühr, muthig nur zu Frevelthaten, ungerecht und undankbar, wie das Verfahren gegen seinen Wohlthäter beweise. Nicht aus edleren Gründen, sondern allein um freie Bahn für seinen Ehrgeiz zu gewinnen habe er Majo getödtet und die königlichen Würdezeichen, welche man bei diesem gefunden, wären zum gewöhnlichen Neujahrsgeschenke für seinen verehrten Herrscher bestimmt gewesen.

So erzeugte sich Furcht und Argwohn in des Königs, ohnehin schwachem, Gemüthe. Bonellus wurde nur selten nach Hofe berufen, allmählich von allen Geschäften entfernt und eine alte Forderung des königlichen Schatzes, welche er für geschenkt hielt, strenge von ihm beigetrieben. – Schon jetzt würde Bonellus das Gewaltsamste unternommen haben, wenn ihn nicht die angestammte Furcht vor dem Herrscher und noch mehr die Ungewißheit des 296 {1161} Ausganges zurückgehalten hätte. Um sich dessen bei der täglich wachsenden Gefahr zu versichern, unterrichtete er die zusammenberufenen Genossen seiner früheren Entschlüsse von den eingetretenen Umständen, und alle erklärten einstimmig: »nur muthiges, einträchtiges Verfahren könne vom allgemeinen Untergange retten.« Getheilt aber waren die Meinungen über die nächsten Maaßregeln. Einige wollten nämlich den Kämmerer Adenolf sogleich und um jeden Preis fangen und tödten; andere hingegen läugneten, daß dem Übel hiedurch gründlich abgeholfen werde: man müsse es mit der Wurzel vertilgen und nicht blos einen Zweig abschneiden, der schnell und üppiger wieder hervorwachse. Diese Ansicht überwog und damit war man dem alten, so laut verworfenen, Planen Majos sehr nahegekommen: denn das geheime Grundmittel der Heilung ging dahin, den ungerechten, unnützen König auf einer Insel oder an einem anderen passenden Orte einzusperren und seinen hoffnungsvollen neunjährigen Sohn Roger als König auszurufen.

{1162} Viele der angesehensten Männer (z. B. Graf Simon des Königs HalbbruderHugo Falcand. 285., Tankred Herzog Rogers Sohn, der Graf von Avellino u. s. w.) traten dieser Verschwörung bei. Ohne Beistand des Schloßvogts konnten sie jedoch ihren Plan nicht wohl ausführen: denn 300 erwählte, geschickt vertheilte Söldner bewachten den Palast so streng, daß jeder Eindringende sein Leben wagte und bei der geringsten Zögerung dem leicht benachrichtigten Könige Zeit zur Flucht blieb. Weil nun jener Schloßvogt, ein einfacher seiner nächsten Pflicht getreuer Mann, die Versucher zurück scheuchte, so wandten sie sich an den Gavarreten des Palastes, welcher jenem zunächst untergeordnet war und die Aufsicht über die Gefangenen führte. Gern ließ sich dieser für einen Plan gewinnen, dem die meisten seiner Freunde schon beigestimmt hatten: man verabredete den Tag und die Stunde der Ausführung und rechnete dabei auf 297 {1162} den Beistand der Gefangenen, welches keineswegs gemeine Verbrecher, sondern mehrentheils edle und bedeutende Männer waren, die der König aus Furcht oder Grausamkeit ihrer Freiheit beraubt hatte. – Bonellus eilte jetzt nach Mistretto, seiner festen Burg unfern Palermo, um daselbst Waffen und Lebensmittel für den weitern Gang der Ereignisse zu sammeln; im Fall der Noth möge man ihn sogleich herbeirufen, sonst aber die höchste Vorsicht beobachten. Dieser Rath ward indessen nicht befolgt, sondern einer der Verschworenen erzählte den ganzen Plan seinem vertrauten Freunde, in der sicheren Hoffnung ihn zu gewinnen. Auch stimmte dieser eifrig bei, und nun forderte jener keinen Eid der Verschwiegenheit, entweder weil er dies für unnöthig hielt, oder weil er es leichtsinnig vergaß. Allein der Neugeworbene verabscheuete im Herzen das Vorhaben und vertrauete einem Zweiten: »er wolle dem Könige alles entdecken, damit nicht die Schande einer solchen That ganz Sicilien beflecke.« Dieser Zweite, welcher äußerlich den Entschluß sehr billigte, war aber selbst einer der Verschworenen und hinterbrachte eiligst das Gehörte dem Grafen Simon. Nur durch die höchste Beschleunigung könne man sich retten, das war die einstimmige Meinung der Verschworenen.

Als der König des folgenden Tages, nach seiner Gewohnheit, um die dritte Stunde aus dem Palaste hervorging, um sich auf einem freien Platze innerhalb der Mauern mit dem Erzpriester von Katana über die Angelegenheiten des Reiches zu besprechen, sah er unerwartet seinen natürlichen Bruder Simon und seinen Neffen Tankred herzueilen und fragte heftig: »was sie suchten und wer ihnen einen so freien Zutritt ertaubt habe?« In demselben Augenblicke nahten aber auch schon von allen Seiten die bewaffneten Gefangenen, der König ward ergriffen; ja er würde ohne die ernstlichen Vorstellungen Richards von Mandra ermordet worden seyn. – Erst nachdem die Verschworenen den Palast geplündert, die gefundenen Mädchen 298 {1163} und Weiber geraubt hatten, dachten sie an das Wichtigere, führten Roger den Sohn des Königs auf einem weißen Zelter durch die Straßen und riefen ihn zum Könige aus. Das Volk stimmte fröhlich bei nachdem Rogers Hofmeister, der Erzpriester Walter von Cephaludia, König Wilhelms unerträgliche Tyrannei dargelegt und Bonellus als Haupt des Unternehmens genannt hatte. Einigen zwar erschien es sehr bedenklich, daß man dem Grafen Simon, als einem Prinzen die Verwaltung des Reiches bis zur Großjährigkeit Rogers eidlich bestätigen und ihm huldigen solle; dennoch wagte niemand einen lauten Widerspruch. Als aber die Verschworenen hiedurch zu schnell beruhigt keine weiteren Sicherheitsmaaßregeln ergriffen und Bonellus persönlich aufzutreten versäumte, ward unter Mitwirkung einiger Bischöfe die Ansicht allgemein: »es wäre schändlich, daß wenige Frevler mitten in der Hauptstadt sich der Herrschaft angemaaßt hätten, den König gefangen hielten und die öffentlichen Gelder vergeudeten.« Schnell kam man von Worten zu Thaten: die Verschworenen wurden im Palaste belagert und entgingen der Wuth des Volkes nur dadurch, daß König Wilhelm ihnen, seiner eigenen Sicherheit wegen, freien Abzug bewilligte. Sie begaben sich nach Cacabo und alles schien in den vorigen Stand zurückzukehren; mancher Edle hatte jedoch in diesen Bewegungen sein Leben verloren, die Schätze blieben unersetzt und der Tod des Prinzen Roger trübte alle Aussichten für die Zukunft. Der allgemeineren Erzählung zufolge war er bei dem Stürmen des Palastes durch einen Pfeil schwer verwundet worden; während die, welche das Geheimere zu wissen vorgaben, behaupteten: der Vater habe aus Zorn über die Erhebung und Lobpreisung des Sohnes den Glückwünschenden mit dem Fuße zurückgestoßen und dadurch seinen Tod beschleunigt.

Sonst zeigte König Wilhelm, – wars nun Ernst oder Verstellung –, sich tief gebeugt, saß oft weinend auf der Erde, nannte alle diese Unfälle eine gerechte Strafe des 299 {1163} Himmels und versprach zuletzt dem Volke öffentlich Besserung von seinen Fehlern. Durch diese Demuth gewann er manche Gemüther, und noch mehr durch den Erlaß der Abgaben für die zur Stadt gebrachten Lebensmittel.

Um diese Zeit zeigten sich aber die Verschworenen von neuem so thätig, daß sie der König über die Absicht ihrer Zusammenkünfte und ihrer Rüstungen befragen, Bonellus aber insbesondere tadeln ließ, daß er mit solchen Verräthern gemeinsam wirke und nach so unglücklichem Ausgange sich nicht von ihnen lossage. Dieser erwiederte: »ich habe weder an den Beschlüssen noch an den Thaten der Verschworenen Theil genommen; allein es schien mir grausam, so viele Edle zurückzuweisen, die mich in großer Gefahr um Schutz anflehten. Auch wird es der König bei ruhiger Prüfung wunderbarer finden, daß so viele eine so lange Zeit hindurch seine Regierung ruhig erduldeten, als daß sie endlich einen Versuch machten sich zu befreien. Jetzt verlange ich im Namen des gesammten Adels daß die Gesetze, welche Robert Guiskard einführte und des Königs Großvater Roger aufrecht erhielt, wiederum bestätigt, alle Neuerungen aber abgeschafft werden. Dahin gehört unter anderem der Befehl, daß kein Edler seine Töchter ohne Genehmigung des Hofes verheirathen dürfe: denn in der eigennützigen Absicht den Heimfall von Lehnen herbeizuführen, versagte man diese Genehmigung oft widerrechtlich so lange, bis jene unvermählt starben oder man ertheilte sie erst, wenn die Mädchen Alters halber unfähig waren Kinder zu gebähren und ihren Stamm fortzupflanzen.«

Der König wies alle diese Anträge zurück: »erst nach Ablegung der Waffen werde er den persönlich darum Bittenden gewähren, was billig erscheine.« Mit Heeresmacht zogen hierauf die Verschworenen gen Palermo und hätten die unbeschützte Stadt im raschen Angriffe gewiß erobert, wenn sie nicht auf die Botschaft, daß Wilhelm aus mehren Gegenden Mannschaft herbeiziehe, übereilt zurückgegangen wären. Die Ungewißheit des weitern Erfolges führte aber 300 {1163} neue Unterhandlungen und endlich einen Frieden herbei, nach welchem einige der angesehensten das Reich verließen; Bonellus, der Graf von Avellino und Richard von Mandra aber volle Verzeihung und die Erlaubniß erhielten, nach Palermo zurückzukehren. Mit diesem Vergleiche waren manche von den geringeren Verschworenen, die nur in fortdauernden Unordnungen Gewinn sahen, sehr unzufrieden; sie beunruhigten und verfolgten anfangs die im Lande ansässigen Saracenen, dann sogar Christen und es wurde dem Könige vorgestellt: schwerlich möchten sie so viel Kühnheit zeigen ohne den Rath und den Beistand von Bonellus. Dennoch begab sich dieser, Warnungen verschmähend, in den Palast und hoffte irrig die Furcht vor dem Meineide und der Rache, werde von gewaltthätigen Maaßregeln zurückschrecken: der König ließ ihn gefangen nehmen und blenden. Sobald diese Unthat bekannt wurde gerieth das Volk in Wuth und suchte den Palast erst zu stürmen, dann nieder zu brennen. Beides mißlang und nun erkaltete allmählich die Liebe und die Furcht vor der Strafe nahm so zu, daß fast niemand mehr den Freunden Bonellus beigezählt seyn wollte. Ivo jedoch, einer von seinen Begleitern, tödtete, um ihn zu rächen, den Kämmerer Adenolf und litt standhaft die Strafe dieser That.

{1164} Hiemit endeten die Unruhen in Sicilien und bald nachher auch in ApulienDie Zeitrechnung hat für alle diese Begebenheiten große Schwierigkeit. Cassin. monach. und Chron. fossae novae setzen die Siege in Apulien und Kalabrien auf 1162; Murat. annal. die Gefangenschaft des Königs auf 1163. Das Chron. Norm. 998 läßt Roger von Basseville 1161, Trivet 1162, Robert de Monte 1163 schlagen u. s. w.. Seitdem ergab sich der König so unbedingt dem Müssigang und den Vergnügungen, daß er zuletzt verbot, ihm jemals irgend etwas Unangenehmes zu hinterbringen.

Bald nach diesem Befehle, am 14ten Mai 1166 starb der unwürdige König. Sein Sohn und Nachfolger 301 {1166} Wilhelm II war sehr schön und durch den gelehrten Peter von Blois sorgfältig erzogen; konnte aber, weil er erst vierzehn Jahre zählte, die Regierung nicht selbständig führenChron. fossae novae 873.  Romuald II. chr. 205.  App. ad Malat.  Pagi zu 1166, c. 10.  Abweichungen über das Todesjahr Chron. Cav. 925.  Neritin. chr.  Guil.Nang.  Peter von Blois war nur ein Jahr Erzieher, nachher libris abjectis rex ad otium se contulit palatinum.  Petri Bles. ep. 66.. Deshalb übernahm seine Mutter Margarethe, die Tochter des Königs Garcias IV von Navarra, die Vormundschaft und ergriff mehre Maaßregeln, welche das Volk beruhigten und die Hoffnung besserer Zeiten erwecktenTesta 18-27..

Daß nun aber diese Hoffnungen nicht ganz in Erfüllung gingen, daran waren gutentheils die Ränke Schuld, welche unter den ersten Beamten und Rathgebern nicht bloß wie bisher fortdauerten, sondern durch die Theilnahme Fremder an den Geschäften noch verwickelter wurden. Der saracenische Freigelassene Pietro Gayto, der Notar Matthäus, Richard Palmer der erwählte Bischof von SyrakusPirri Sicil. sacra I, 621.  Burigny III, 297. und Roger der Bischof von Reggio hatten anfangs den meisten Einfluß. Dieser letzte war sehr groß und von der höchsten Magerkeit, sein Gesicht schwärzlich und doch todtenblaß, seine Stimme schwach und zischend. Keine Arbeit erschien ihm zu schwer, sofern sie Gewinn brachte. Unter dem Scheine der Frömmigkeit hungerte und durstete der Geizige über menschliche Kräfte bis ihn jemand zu Tische bat; da wußte er sich für die lange Entbehrung schadlos zu halten. Dieser Mann hatte durch folgerechte Heuchelei den Ruf der Heiligkeit erworben und verläumdete jetzt, um sich die Aussicht auf das Erzbisthum Palermo zu eröffnen, den Bischof von Syrakus bei Pietro Gayto als herrschsüchtig und gefährlich. Durch die mildern Gesinnungen der Königinn entging Richard zwar den 302 {1167} äußersten Gefahren, sollte aber doch vom Hofe entfernt werden als die Ankunft des Grafen Gilbert von GravinaTesta 60. die Stellung der Parteien veränderte. Dieser, entsprossen aus dem Geschlechte der Grafen von Perche, hegte den Vorsatz nächst der Königinn Margarethe seiner Verwandtinn, als Statthalter zu herrschen; wogegen sie damit umging, ihm sogar die Gewalt zu nehmen, welche er schon besaß. In ihrer Gegenwart gerieth er in einen heftigen Wortwechsel mir Pietro Gayto und äußerte: »alle Edeln seyen äußerst erzürnt, daß man geringen Dienern die höchste Gewalt anvertraue und den, allein verständigen, Bischof von Syrakus vom Hofe entfernen wolle.« Margarethe erwiederte: »nur des Königs frühere Befehle würden erfüllt, dem Grafen stände es indessen frei, als Genosse des Pietro Gayto am Hofe zu bleiben und ihn mit Rath zu unterstützen.« Da rief der Graf: »wohl sehe ich, welchen Ehrenplatz du deinem Verwandten neben deinem Knechte zuwenden willst; aber solch Benehmen wird deine Herrschaft untergraben und leider ist nur zu wahr, was im ganzen Lande von deiner Verwaltung erzählt wird.« Die Königinn weinte, beharrte aber auf ihrem Willen; der Graf entfernte sich im höchsten Zorne; Pietro endlich hatte dessen Gesinnung unverholen erkannt und war entschlossen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Je mehr er aber sein Gefolge verstärkte, mit desto wenigern Begleitern erschien unbesorgt der Graf von Gravina und erweckte dadurch in jenem den Argwohn, daß ein versteckter Plan wider ihn im Werke sey. Während sich Pietro vergeblich abmühte diesen zu entdecken, suchten ihm einige jede Besorgniß auszureden; andere hingegen erhöhten in ihm die Furcht vor immerwährenden heimlichen Nachstellungen, bis sein unentschlossenes Gemüth durch diesen Wechsel der Ansichten und Vorstellungen in die höchste Unruhe gerieth und alle Hülfsmittel als unzureichend verschmähte. Eingedenk des bitteren Schicksals 303 {1167} so vieler Vorgänger wartete er die äußerste Gefahr nicht ab, sondern gab seine unsichere Stellung auf und floh in der Nacht mit allen Schätzen nach Afrika.

Der Graf von Gravina hielt seinen Sieg für vollkommen und tadelte, allgemeine Beistimmung erwartend, in einer großen Versammlung den Unsinn des Beschlusses, einen saracenischen Sklaven an die Spitze der Regierung zu stellen. Aber Richard Graf von Molisa, der Königinn Rathgeber antwortete: »der verstorbene König hat Gayto freigelassen, der jetzige hat das Geschehene bestätigt und ich bin bereit die Rechtlichkeit des Entwichenen wider jeden im Zweikampfe zu beweisen.« Mit Mühe ward dem Blutvergießen zwischen beiden Männern vorgebeugt und durch die Königinn eine, wenigstens scheinbare, Aussöhnung vermittelt. Nach diesem Auftritte, welcher den Muth der Feinde des Grafen von Gravina erhöhte, las der Notar Matthäus selbst verfertigte Briefe vor, welche verkündeten, daß Kaiser Friedrich im Begriffe sey das Reich anzugreifen. Nur der Graf von Gravina (das behauptete Matthäus laut mit seinen Freunden) sey fähig und würdig als Statthalter Apuliens einem solchen Feinde gegenüber zu treten. Zwar erkannte der Graf sehr wohl den Nebenzweck dieses Lobes; weil ihn aber die gemachten Erfahrungen überzeugten, daß er gegen den Willen der Königinn und aller übrigen Räthe keinen wesentlichen Einfluß erlangen werde, so nahm er jene, ihn vom Hofe entfernende, Ehrenstelle äußerlich mit Dank an.

Nunmehr erneuten sich die Bemühungen, auch den erwählten Bischof von Syrakus zu entfernenPagi zu 1167, c. 24.. und dem von einem eigennützigen Kardinale im Namen des Papstes ausgesprochenen Verlangen: daß er seine Bestätigung und Weihe persönlich in Rom nachsuche, ließ sich, weil auch die Königinn beistimmte, so wenig etwas erhebliches entgegensetzen, daß Richard nur um eine Verlängerung der Frist 304 {1167} einkam. Diese Bitte ward jedoch abgeschlagen und der Sieg seiner Gegner schien gewiß. Da trat aus einer Versammlung der Prälaten und Barone, allen unerwartet, der von Richard durch Geschenke und Ueberredung gewonnene Graf von Molisa auf und sagte nach seiner Gewohnheit mit heftiger Stimme: »ich wundere mich, daß man ohne Rücksicht auf das Wohl des Landes den klugen und unentbehrlichen Bischof von Syrakus entfernen will. Der vorige König ehrte dessen Treue, empfahl ihn ernstlich und eifrig seinem Nachfolger und die Königinn wird seine Abreise unter keinem Vorwande bewilligen dürfen.« Wirklich änderte auch diese, freiwillig oder von Richard beherrscht, ihren Entschluß und alle Plane der Feinde des Syrakusaners waren hiemit plötzlich vernichtet.

Um ähnlichen Reibungen vorzubeugen oder doch in solchem Falle einem unparteiischen Manne vertrauen zu können, berief die Königinn einen ihrer Verwandten, den Grafen Stephan von PercheFilius comitis Perticensis.  Hugo Falc. 313. und ernannte ihn erst zum Kanzler, dann, mit Beistimmung des Papstes, zum Erzbischof von Palermo. In dem Maaße aber, als sich dieser durch Uneigennützigkeit und Gerechtigkeit bei dem Volke beliebt machte, zürnten ihm die zurückgesetzten Adelichen und die vorher unabhängigern Räthe. Der eigene Bruder der Königinn, Graf Heinrich von MontecaveosoEx patre Navarrae rege nothus frater, hatte eine uneheliche Tochter König Rogers geheirathet.  Rocchi chr. 33.  Testa 60., ein Mann, welcher ohne Festigkeit und Charakter jeder Laune und jedem Laster zügellos nachhing, ließ sich von den Mißvergnügten verleiten an die Spitze einer, gegen das Leben des Erzbischofs gerichteten, Verschwörung zu treten. {1168} Schon war in Messina alles zur Ausführung vorbereitet als Graf Heinrich in der Nacht auch einen der königlichen Richter Namens Roger berief und verlangte, daß er ihm Gehorsam schwöre. Roger verweigerte die Eidesleistung vor weitern 305 {1168} Eröffnungen; sobald ihm aber der Graf diese ertheilte, stimmte er dem Plane bei und versprach am nächsten Tage, nach reiflicher Überlegung der Sache, zu schwören. Statt dessen meldete er dem Erzbischofe: daß Graf Heinrich im Einverständnisse mit mehren Bischöfen, Edlen und einem Theile der Bürger von Messina, ihn am nächsten Tage umbringen wolle. Erschreckt über so nahe Gefahr versammelte jener seine treuesten Freunde, die Grafen von Gravina, von Avellino und einige andere. Sie beschlossen: Roger solle den verlangten Eid schwören, damit Graf Heinrich nicht Verdacht schöpfe (denn solch Verfahren zur Rettung des Reiches sey kein Meineid); dann gingen alle zur Königinn und erzählten was entdeckt worden sey. Gleich groß war ihr Schmerz und ihre Verlegenheit: denn es erschien grausam den Bruder peinlich zu strafen, und noch ungerechter und für die Ruhe des Reichs gefährlicher, den Kanzler dem Undankbaren preis zu geben; daher faßte man endlich den Beschluß, Graf Heinrich müsse verhaftet und im Wege Rechtens gegen ihn verfahren werden. Zu diesem Zwecke berief man am andern Morgen einen großen Staatsrath, worin mit dem Grafen viele seiner Anhänger erschienen; größern Andrang hinderten jedoch die Söldner des Kanzlers. Dieser trug, auf alle Fälle gefaßt, einen Harnisch unter dem Kleide und Waffen waren heimlich versteckt. Nachdem alle sich versammelt hatten, erhub Graf Heinrich von Montecaveoso Klage über seine Dürftigkeit und die Menge seiner Schulden: man möge ihm zur Unterstützung das Fürstenthum Tarent oder eine einträgliche Grafschaft überlassen. Diese Reden hatten ihm seine Genossen aufgetragen, um eine Veranlassung zum Streite mit dem wahrscheinlich widersprechenden Kanzler herbeizuführen. Zu Heinrichs Erstaunen antwortete ihm aber Graf Gilbert von Gravina: »hätte dein Betragen der Erwartung entsprochen, zu welcher die großen dir bereits von dem Könige und der Königinn erzeigten Wohlthaten berechtigen, so würde man dir gern noch größere Vortheile 306 {1168} bewilligen; allein du hast Empfangenes und widerrechtlich Geraubtes gleich schnöde vergeudet, du hast freventlich gestrebt Uneinigkeit zu stiften zwischen dem Könige und der Königinn, der Mutter und dem Sohne. Jener riethest du: sie möge Burgen befestigen und dort ihre Schätze verbergen, denn leicht könne der König ihr nach erlangter Volljährigkeit feindlich gesinnet seyn; diesen belogst du, als sey die Regierung seiner Mutter schädlich dem Reiche und schändlich für seinen eigenen Ruhm. Du nur wolltest herrschen und lenken; aber weise gab der König dir zur Antwort: mehr als je die Mutter müssest du selbst ihm verdächtig erscheinen. So zurückgeschreckt hast du dich jetzo verschworen gegen den Kanzler ohne Ursach und Vorwand, nur dem Neide und thörichter Rachsucht ergeben. Sey ihm gleich an Mannheit, an Verstand, an Tugend, dann wird dir nie derjenige Einfluß mangeln, den solche Vorzüge immerdar begründen, den du aber deiner Sünden wegen nie gewinnen kannst. Denn du bist erfunden ein Verschwender, Räuber, Aufrührer und Verschwörer; verwirkt ist deine Habe, ja sofern königliche Gnade nicht des Rechtes Ausspruch mildert, auch dein Leben.«

Als diese Anklage durch Rogers des Richters Zeugniß bestätigt wurde, läugnete Graf Heinrich nur verwirrt und sich selbst widersprechend: man setzte ihn gefangen und sandte seine entwaffneten Soldaten nach Kalabrien. Getheilt aber waren die Meinungen, wie man sich gegen die übrigen Mitverschworenen benehmen solle: ihrer großen Zahl und vielfachen Verwandtschaft halber riethen einige zur Milde, während andere den Vorzug strenger Bestrafung durch das glückliche Beispiel König Rogers darzuthun suchten. Der Kanzler, keineswegs rachsüchtig gesinnt, erklärte sich für die erste Ansicht: nur der Graf von Molisa solle im Gefängnisse bleiben und Graf Heinrich das Land verlassen; hiemit wären die gefährlichen Häupter entfernt und die Menge rathlos. Auch erfolgte in der That, als ein neuer Aufstand ausbrach, nur die Gefangennehmung 307 {1168} des Bischofs von Agrigent und des Notar Matthäus: keiner wagte seitdem dem Kanzler zu widerstehn.

Und dennoch änderten sich plötzlich die Verhältnisse von neuem1168 trafen schreckliche Erdbeben Sicilien, wo besonders Catanea zerstört wurde.  Jordani chron. in Murat. antiq. Ital. 981.. Odo Quarello, welcher den in Reggio gefangenen Grafen Heinrich nach Spanien bringen sollte, zögerte unter eigennützigen Vorwänden in Messina; es kam zu Schlägereien zwischen seinen Leuten und den Bürgern, und als die Obrigkeit mit Nachdruck die Ordnung herstellen wollte, wurden ihre Diener durch Steinwürfe verjagt. Königliche, zur Ruhe ermahnende, Schreiben blieben ohne Wirkung und in diesem Augenblicke, wo immer lauter und härter wider des Kanzlers Einfluß und die gesetzwidrigen Bedrückungen der FranzosenGuil. Nang. erzählt zu 1168: die Großen hätten sich verschworen alle Franzosen umzubringen; der König habe aber die Urheber der Verschwörung hinrichten lassen. Hugo Falc. sagt hievon nichts. Vergl. Petri Bles. epist. 90. gesprochen wurde, rief plötzlich jemand: »vor allen Dingen muß Odo Quarello getödtet und Graf Heinrich von Montecaveoso befreit werden!« Und so rasch und heftig ergriff die Menge diesen Aufruf, daß ein Theil nach Reggio segelte und den Grafen befreite, während der andere Odo aus dem königlichen Palaste herausholte, verkehrt auf einen Esel setzte und durch die Stadt führte. Von ungeziemendem Spotte fand der Pöbel, wie immer, leicht den Übergang zur Gewalt: Odo ward erschlagen, sein Leichnam zerstückelt, ja einige sogen ihm in wildem Hasse das Blut aus. – Nunmehr zogen die Aufrührer gen Taormina und verlangten, daß der Schloßhauptmann ihnen den Grafen von Molisa übergebe. Als ihn weder Versprechungen noch Drohungen von seiner Pflicht abbringen konnten, zeigten sie ihm sein Weib und seine Kinder (die in ihrer Gewalt waren) und sprachen: »diese sind des Todes, sofern du dich länger unserem 308 {1168} Verlangen widersetzest.« Er aber antwortete: »der Tod aller der meinen ist ein geringeres Unglück, als ein schändliches Leben.«– Ungerührt durch dies großartige Benehmen verrieth der Gavarret des Schlosses seinen Vorgesetzten: der Graf von Molisa und der Notar Matthäus wurden befreit.

{1169} Als Kunde von diesen Ereignissen nach Palermo kam, umlagerte der Pöbel das feste Haus des Kanzlers; und weil dieser dessen Einnahme fürchtete, seine Feinde aber voraussahen, daß der Eifer der Belagernden bald erkalten würde, kam es zu einem Vertrage zwischen beiden Theilen des Inhalts: der Kanzler legt sein Amt nieder und pilgert nach Palästina, die mit ihm angelangten Franzosen kehren in ihre Heimath zurück und die Aufrührer erhalten Verzeihung. – König Wilhelm und seine Mutter mußten dies alles genehmigen; der neue Kanzler Matthäus und der neue Erzbischof von Palermo Walter OffamigliaRich. S. Germ. 969.  Romuald. chr. 208.  Pirri Sicilia I, 103, 699.  Testa 186.  Amato 61, 68. (ein geborener Engländer) leiteten die Geschäfte seitdem größtentheils nach ihrem Gutdünken.

Eine solche ununterbrochene Reihe von innern Unruhen und schlechten HofränkenPeter von Blois schilt sehr auf Sicilien, wo die Berge Feuer speien, der Eingang zur Hölle ist, die Einwohner nur Fenchel und Eppich essen und von der Erde verschlungen werden. Er lobt Dulcedinem nativi aëris anglici und nennt die Sicilianer sophistici amici et occulti atque perditissimi proditores. Vivant in Sicilia, qui proditiones et venena procurant.  Epist. 46, 93. findet sich fast nirgends in der abendländischen Geschichte jener Jahrhunderte und bildet, an die Byzantiner erinnernd, ein sehr merkwürdiges Gegenstück zu den Freiheitskämpfen der Lombarden und den großen Anstrengungen der Kaiser und Päpste. Auch ergiebt sich aus unserer umständlichen Erzählung, warum das normännische Reich in diesem Zeitraume keineswegs mit entscheidendem Nachdrucke nach außen wirken konnte. Hätten die Lombarden den Kaiser nicht beschäftigt, so würde der 309 {1169} Schutz der beiden Wilhelme dem Papste Alexander, und dessen Bannsprüche jenen Königen nicht viel geholfen haben: jetzt entschied Friedrichs UnterstützungÜber die kleinen Fehden der Normannen und der Kaiserlichen siehe das Chron. fossae novae zu 1165, 1166, 1168, 1174. normannischer Unzufriedenen so wenig das Schicksal des untern Italiens, als apulische Anreizungen und Geldhülfe das Schicksal der Lombardei.

{1170 bis 1185} Selbst in seinen späteren Regierungsjahren konnte Wilhelm II nie ganz der Hofränke Meister werdenSismondi II, 259.  Gervas. Tilber. 943.. Im Innern Siciliens lebten Saracenen fast unabhängig und die Barone wußten wenig von Gehorsam; doch herrschte im ganzen mehr Friede und Ordnung als vorher. Bedenkliche Verhältnisse mit Genua und MarokkoOberti annal. 337.  Ottobon. 356.  Die Normannen nahmen 1180 die Tochter des Königs von Marokko gefangen, was den vortheilhaften Frieden beförderte, der auf zehn Jahre geschlossen ward.  Robert. de Monte.  Cassin. monach. wurden zu beiderseitiger Zufriedenheit festgestellt, gegen die Griechen selbst mit Erfolg gekämpft und der Reichthum des Landes durch größere Thätigkeit vermehrt. Aber welch Geschick, so fragten alle, wird diesem schönen hochbegabten Lande zu Theil werden, wenn König Wilhelm kinderlos stirbt? Seine Gemahlinn Johanna, die Tochter König Heinrichs II von EnglandJohanne erhielt eine ansehnliche Morgengabe. Die Heirath im Januar 1177.  Rob. de Monte.  Bromton 1113.  Roger. Hov. 551.  Rad. a Diceto imag.  Bened. Petroburg. 143, 199, 216.  Der Plan, Kaiser Emanuels Tochter zu ehelichen, scheiterte angeblich durch dessen Schuld.  Nicetas V, 110.  Daß Kaiser Friedrich ihm seine Tochter habe anbieten lassen, erzählt Inveg. ann. 428.  Caruso II, 1, 189., war nämlich unfruchtbar und vom königlichen Hause der Normannen nur Konstanze noch übrig, die Tochter König Rogers. Da gedachte der Kaiser, ob er jetzo nicht mit einem Male erreichen könne, was den 310 {1185} Anstrengungen seines ganzen Lebens mißlungen sey. Wenn er Konstanze, die Erbinn, seinem Sohne Heinrich vermähle, so gewinne er das schönste Land Italiens, schließe den Kirchenstaat von allen Seiten ein und zeige drohend den Lombarden hohenstaufische Reiche gegen Mittag und gegen Mitternacht. – Je mehr aber dieser Plan den Kaiser erfreute, desto mehr erschreckte er den Papst, welcher durch dessen Gelingen alles zu verlieren schien, was Alexander III über die weltliche Macht erstritten hatte. Ehe sich jedoch Lucius zu einer bestimmten Maaßregel entschließen konnte, starb er am 25sten November 1185; und obgleich sein Nachfolger der zeitige Erzbischof Humbert Crivelli von Mailand, welcher den Namen Urban III annahm, dem Kaiser und allen Deutschen wegen strenger Behandlung seiner FamiliePipin c. 11.  Aquic. auct.  Bonon. hist. mist.  Moscardo 141.  Ecclesia 144.  Bullar. Rom. I, 48.  Concil XIII, 651. persönlich abgeneigt warFriedrich hatte bei der früheren Einnahme Mailands mehre Verwandte Urbans gefangen setzen, ja vielleicht körperlich strafen lassen.  Gesta Trevir.  Mart. 216.Turbanus, cum in odium imperatoris volebat turbare ecclesiam.  Burchardi vita 83.  Urbanus III tanta execratione Teutonicos habuit, ut eos a communi eleemosyna sua amovere praeceperit.  Landun. chr. 704.; so konnte er doch die Verlobung Heinrichs und Konstanzens nicht mehr hintertreiben, seitdem am sicilischen Hofe die Partei des Erzbischofs Walter von Palermo, über den Notar Matthäus und die Widersacher der Deutschen entschieden die Oberhand gewonnen hatte. Mehr als 150 Saumthiere zogen mit Gold, Silber, Sammet, Kleidern und anderen herrlichen Sachen beladen, nach dem nördlichen Italien und überbrachten den reichen Brautschatz KonstanzensJohann. de Mussis zu 1185.  Pipin c. 2.  Es ist unnöthig die erwiesen falschen Berichte über Konstanze zu wiederholen. – Arnold. Lubec. III, 16.  Otto S. Blas. 28.  Memor. Reg. 1076.  Herm. Altahens.  Alberic. 357, 367, 391.  Gervas. Tilber. 943.  Radulph. a Diceto imag. 629.  Erfurt. chr. S. Petrin.  Godofr. mon.  Aquic. auct.  Otto Fris. chron. VII, cap. ult.   Cassin. monach.  Patav. mon. 668.  Udalr. chron. August.  Antich. Longob. Milan. II, 94.. In Mailand, der so lange 311 feindlichen, jetzt dem Kaiser befreundeten Stadt wurde zu ehrenvoller Auszeichnung am 27sten Januar 1186 die Vermählung mit höchster Pracht in der Kirche des heiligen Ambrosius vollzogen. Der Erzbischof von Vienne krönte hiebei den Kaiser, der Patriarch von AquilejaSaxii archiep. II, 602.  Vicende 120. den König Heinrich, und ein deutscher Bischof die Königinn Konstanze. Darauf folgten Feste aller Art, wozu Bühnen für die Zuschauer errichtet wurden; ja so groß war der Andrang von Fremden, daß man in größter Eile hölzerne Wohnungen von außerordentlichem Umfange errichten mußte. Deutsche Fürsten, normannische Barone, lombardische Abgeordnete lebten in fröhlicher Eintracht neben einander, und ein vom Kaiser für ganz Italien ausgesprochenes Nichtgedenken früherer Vergehen, verbreitete diese Fröhlichkeit selbst in ferne Gegenden. – Nur eine Hoffnung blieb itzt den Feinden der Hohenstaufen: daß der König Wilhelm noch lange leben und auch wohl Kinder zeugen könne, oder das Mißverhältniß des Lebensalters die Ehe der Neuvermählten vielleicht unfruchtbar mache; doch zählte Konstanze erst ein und dreißig, Heinrich nur ein und zwanzig JahreKonstanze war nach ihres Vaters Tode geboren, und wenn sie auch wohl nicht speciosa nimis erschien, wie Viterb. Panth. 462 behauptet, so war sie doch noch weniger clauda et in visu obliqua, wie die parteiische Hist. sicula 778 sagt. Früher war es einmal im Werke, daß Heinrich eine Tochter des Königs von Frankreich heirathe, aber Alexander wirkte dagegen.  Mart. coll. ampl. 889, 991..

Der Kaiser hoffte, daß Papst Urban, da die Ehe zwischen Heinrich und Konstanze einmal abgeschlossen war, die Hand zu einer Aussöhnung bieten werde; statt dessen entsetzte er alle Prälaten, welche an jenen Feierlichkeiten Theil genommen hatten, weigerte sich, nach wie vor, den König 312 {1186} zu krönen und fand Verbündete in Italien wie in Deutschland. Dort zürnten die Cremoneser über die Begünstigung Mailands und die befohlene Herstellung CremasDie Cremoneser hatten keine Gesandten zur Hochzeit geschickt. Die Mailänder erhielten neue Vorrechte und einige ältere Besitzungen.  Galv. Flamma c. 210-212.  Sicard. 602.  Cremon. chr. 635.  Memor. Regiens. 1076.  Dumont I, Urk. 195.  Tiraboschi Letterat. IV, 3.  Murat. antiq. Ital. IV, 229.; der Kaiser aber besiegte sie, – welch unerwartetes Schauspiel – an der Spitze seiner neuen Freunde, der Mailänder, und reizte vielleicht die Römer zu neuen Einsprüchen wider die Herrschaft der Päpste. Jetzt ergingen umständlichere Beschwerden Urbans: daß der Kaiser die mathildischen Güter der Kirche vorenthalte, die Geistlichen besteuere und vor weltliche Gerichte stelle, den Nachlaß der Bischöfe einziehe, viele zu Nonnenklöstern gehörige Güter an sich nehme und erledigte Stellen unter dem Vorwande nothwendiger Umgestaltungen nicht besetzeLudwig. reliq. II, 411, 435.. Friedrich antwortete hierauf anfangs mit Gründen: als aber der Papst diese ungenügend fand, Heinrichs Krönung fortdauernd verweigerte, FolmarnGervas. Tilber. 943.  Aquic. auctar.  Arnold. Lubec. III, 17. Konrad von Salzburg ward nach Christians Tode wieder Erzbischof von Mainz, aber nicht beliebt, weil er den Geistlichen eine Steuer auflegte.  Conradi chr. mogunt. 769. aller Gegenvorstellungen ungeachtet zum Erzbischofe von Trier weihte und deutsche Prälaten, vor allen die Erzbischöfe von Mainz und Köln, sich der päpstlichen Ansicht besonders in Bezug auf jene zweite Anklage geneigt zeigten, so wurden strengere Maaßregeln ergriffen. König Heinrich hielt den Papst in Verona fast gefangen, besetzte den größten Theil des Kirchenstaates, belagerte Orvieto, sperrte alle Zugänge über die Alpen, ließ einem Boten, der Gelder zum päpstlichen Hofe bringen wollte, die Nase abschneiden und einen Bischof körperlich züchtigen, welcher auf dreimal wiederholte Frage 313 {1186} beharrlich antwortete: »er habe seine Würde allein vom PapsteInnoc. III, regist. Imper. 29.

Unterdessen war der Kaiser nach Deutschland geeilt und hatte sich in Worms der Gesinnungen vieler Bischöfe aufs neue versichert; nur Philipp von Köln, der mächtigste und tüchtigste unter ihnen, – welchem der Papst Vollmacht gegeben hatte, während der Sperrung gegen Italien das Wohl der Kirche in Deutschland wahrzunehmen –, erschien nicht auf die ergangene Ladung. Später verabredete man jedoch eine persönliche Zusammenkunft, wo Philipp auf Friedrichs Vorwürfe antwortete: »meine alte Treue ist unverändert, doch billige ich allerdings die Forderung des Papstes, daß beim Absterben eines Bischofs der König weder das bewegliche Gut noch die Einkünfte des laufenden Jahres an sich ziehe, und dem Nachfolger alles erschöpft und ausgeleert hinterlasse. Sobald du eingedenk der frühern Dienste und der Milde, welche jeden Herrscher schmückt, diese, wo nicht ungerechte doch ungeziemende Einrichtung aufhebst, werden die Bischöfe als demüthige Vermittler zwischen dir und dem Papste auftreten, sonst aber der Wahrheit nichts vergeben.« Hierauf sprach der Kaiser: »ich weiß, daß meine Vorgänger zufolge uralten Rechtes die Bisthümer nach Willkür, ohne fremde Einmischung tüchtigen Männern ertheilten; weil sie dies jedoch aus eigenem Willen änderten, habe ich es dabei gelassen. Hingegen soll mir von allen, bis jetzt noch unwandelbar erhaltenen, Rechten auch nicht das geringste entrissen werden. Durch die freie Wahl der Bischöfe ist wahrlich schon zu viel eingeräumt: denn mehr würdige Männer fand man unter diesen, als die Stellen noch von den Kaisern nach Verdienst besetzt und nicht, wie seitdem, nach Gunst vertheilt wurdenBeweise von Friedrichs Ernst und Vorsicht bei Besetzung der Bischofsstellen.  Bouquet XVI, 694, 695..

314 {1186} Ungeachtet dieser, keineswegs ganz ungegründeten Vorwürfe blieb Erzbischof Philipp bei seiner Meinung und durfte deshalb nicht auf dem nächsten Reichstage in Gelnhausen erscheinen. Hier trug Friedrich den versammelten Prälaten und Fürsten die schon erwähnten Punkte nochmals vor und fügte hinzu: »er habe dem Papste in allem Billigen nachgegeben und ihm freundlich Rede gestanden; noch jetzt sey er bereit ihn als verehrungswürdigen Vater anzuerkennen, wenn er von ihm als geliebter Sohn behandelt werdeLudwig. reliq. II, 445.. Statt dessen zeige sich Urban überall feindselig, mache neue Forderungen, begünstige die gebannten Cremoneser, verweigere Heinrich VI die Krönung, behalte die der mailändischen Kirche gebührenden Einnahmen inne, drücke die Geistlichen mit Abgaben und stelle die Behauptung auf: kein Laie dürfe Zehnten erheben, welche ursprünglich einer geistlichen Stiftung beigelegt wären. Allein diese Forderung erscheine eben so ungerecht, als alle übrige. Denn durch alte Verträge und durch unvordenkliches Herkommen sey gewöhnlich den Schutzherren der Kirche, – die ihr in unruhigen Zeiten wahrlich sehr nützten –, eine Belohnung ausgeworfen worden, die man ihnen unter keinem Vorwande entreißen dürfe. In dieser Lage müßten die Bischöfe ihre Gesinnungen ohne Hehl offenbaren und erklären: ob sie dem Kaiser geben wollten was des Kaisers, und Gotte was Gottes sey?«

Konrad der Erzbischof von Mainz antwortete im Namen allerRadulph. a Diceto 632.  Pegav. chr. contin.  Belgic. chron. magn. 210.: »bei so großen und gleichen Verpflichtungen gegen den Papst und den Kaiser, wage man keinen entscheidenden Ausspruch; rathsam möge es jedoch seyn, wenn der Papst im Namen der Bischöfe zum Frieden und zu billigen Gesinnungen aufgefordert werde.« – Dies geschah, und Urban erstaunte um so mehr in ihrem Schreiben alle 315 Beschwerden des Kaisers mit vorwerfendem Tone wieder zu finden, als er nur den Wünschen der deutschen Bischöfe gefolgt und als Vertheidiger ihrer RechteAlberic. 374.  Godofr. mon.  Der Kaiser habe die Bischöfe theils mit List, theils mit Gewalt gewonnen.  Bosov. annal. aufgetreten war.

Friedrich, nunmehr seiner Überlegenheit in Deutschland gewiß, setzte Rudolf in Trier ein und zwang Folmarn erst nach Frankreich, dann, – weil ihm König Philipp auf des Kaisers Verlangen den Schutz verweigerte –, nach England zu fliehen; er nöthigte die Bischöfe von Metz und Verdun (welche einer, durch Folmar berufenen Kirchenversammlung beigewohnt hatten) ihren Stellen zu entsagen, sperrte die Rheinfahrt nach Köln, und war im Begriff den Erzbischof wie einst Heinrich den Löwen zu behandeln. – Der Papst hingegen, seiner geistlichen Macht sich nicht minder bewußt und durch diese Ereignisse, so wie durch König Heinrichs hartes Verfahren aufgereizt, wollte die äußersten Maaßregeln ergreifenPapae apud Veronam commoranti negata est facultas quoquam procedendi.  Dandolo 312.. Schon hielt man eine völlige Spaltung zwischen Reich und Kirche für unvermeidlich, als die Nachricht einlief: »Saladin habe die Christen bei Tiberias gänzlich geschlagen, Saladin habe Jerusalem erobert!« Da verbreitete sich in der ganzen Christenheit ein unermeßlicher Jammer; alle Beschwerden, Fehden und Kriege verloren ihre Bedeutung und nur ein Ziel erschien noch groß und würdig: das Grab des Erlösers den Ungläubigen wieder zu entreißen!

 


 


 << zurück weiter >>