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Herkunft der Deutschen

Es gab eine Zeit, wo im größten Teil unsers Landes keine Deutschen wohnten. Unsre Vorfahren sind von außen gekommen, und es ist höchst wahrscheinlich, daß dieses Außen der Norden und' Osten unsers Erdteils ist. Daran ändert nichts, daß sie wie so viele andre Völker überzeugt waren, auf diesem Boden entstanden zu sein, denn diese Überzeugung gehört der Sage an. Dagegen ist es geschichtlich, daß Süd- und Westdeutschland nicht von Deutschen bewohnt waren, als die Römer dorthin vordrangen. Vieles deutet auf die Ostseeländer als ein Gebiet altgemeinsamen Wohnens des Völkerstammes, aus dem die germanischen Zweige der Goten, Skandinavier, Friesen, Deutschen, der vielgemischten Engländer endlich hervorgesproßt sind.

Aber noch weiter deutet die Verwandtschaft der germanischen Sprachen mit dem Lateinischen, Griechischen, Keltischen, Slawischen, Litauischen, Persischen, Indischen und allen ihren Tochtersprachen. Die Sprachen der germanischen Völker sind nur ein Ast am Baume der indogermanischen oder arischen Sprachgemeinschaft. Nacheinander sind Glieder dieser Sprachfamilien nach Mittel- und Westeuropa vorgedrungen. Sie waren zuerst Wanderer, Nomaden, die mit Herden und Zelten oder auf Wagen ruhenden Hütten einherzogen, sie setzten sich dann in dem guten Lande fest, und ihnen folgten andre. Ihre Heimat konnte kein enger Fleck Landes sein. Dazu sind sie zu verschieden. Sie mochte in den weiten Ebenen Asiens liegen, wo sich heute Völker türkischen und mongolischen Stammes tummeln. Und da es dort keine natürliche Scheidung Asiens von Europa gibt, so mochten sich diese Sitze auf das Europa ausgedehnt haben, das eine westliche Fortsetzung Asiens ist, besonders das steppenhafte Südosteuropa. Von hier aus müssen zu oft wiederholten malen Völkerwellen bis ins westlichste und nördlichste Europa ebenso wie in das südliche Asien vorgebrandet sein. Das Volk aber, das uns Tacitus in der Germania geschildert hat, dieser eigenartigste aller hellfarbigen Menschenstämme, kann sich dann nur in nordischer Absonderung entwickelt haben. Kraftvoll, kühn, abgehärtet, Sturm und Kälte nicht scheuend, zur Einfachheit gewöhnt, treten uns die Germanen entgegen, und wir sagen uns: das sind nicht die Kinder eines milden Himmelsstriches. Ebensowenig könnten sie aber der hinausgedrängte Überfluß eines dicht beisammenwohnenden Kulturvolkes sein.

Südeuropa gehört den Nachkommen der Griechen und Römer, der Westen denen der Iberier und Kelten, Osteuropa den Slawen. Die Germanen nehmen aber auch heute nord- und mitteleuropäische Sitze ein, und sie saßen einst nördlicher in ihnen als heute. Es dünkt uns daher am wahrscheinlichsten, daß die Germanen auf den nordeuropäischen Halbinseln und Inseln die Möglichkeit zu jener Sonderentwicklung gefunden haben, die sie als eine geschlossene Rasse, nicht nur als ein Volk, durch alle Wanderungen und Mischungen bis heute erhalten hat.

Innerhalb der Germanen sind die alten Deutschen eine durch nachbarliche Wohnsitze verbundne und nach gemeinsamer Überlieferung verwandte Gruppe. Alle ihre Stämme führten ihren Ursprung auf Tuisto zurück, dessen drei Söhne Ingo, Isto und Irmin den Ingävonen, Istävonen und Herminionen, Nieder-, Mittel- und Oberdeutschen, ihre Namen gaben. Allen dreien war gemein und beeinflußte alle gleich stark die frühe Verbindung mit andern Völkern. Die Skandinavier auf ihren dünnbevölkerten Inseln und Halbinseln, die Friesen und Angeln auf Küstenstreifen und Inseln konnten sich viel eher gesondert halten; die Deutschen, die sich in Mitteleuropa hielten und ausbreiteten, erfuhren von Anfang an bis heute den Fluch und den Segen der zentralen Lage; sie gerieten in die Umarmung andrer Völker, und ihr Leben wurde in Frieden und Krieg ein Kampf um die Erhaltung ihres Volkstums. In den Schwankungen dieses Kampfes mit Nachbarn aller Art erwuchs aus den alten Deutschen ein andres Volk, die Deutschen von heute.

Blonde Haare, helle Haut und lichte Augen bezeichneten den Römern den echten Germanen. Sie kannten aber auch Kelten, die diese Eigenschaften hatten; und hinter den Germanen saßen blonde Slawen, Litauer, Preußen, Esten und Finnen. Auch heute ist die blonde Bevölkerung Europas nicht bloß germanischen Stammes oder bloß germanischgemischt. Selbst blonde Juden sind gerade in Deutschland häufig. Aber die ausgesprochensten Blonden, die weite Gebiete geschlossen einnehmen, sind allerdings die Germanen. In dem großen Verbreitungsgebiet der Blonden, einerlei welchen Stammes, in Europa nehmen nun die Deutschen die südwestliche Ecke ein, die keltischen, romanischen, slawischen und magyarischen Einflüssen am meisten ausgesetzte. Wie ein heller Strom breitet sichs von der Nord- und Ostsee in das Gebirgsland aus, überschreitet breit die Mosel und den Main, erfüllt das oberrheinische Tiefland und endigt mit gerade recht ausgezeichneten germanischen Typen in den Alpen von Steiermark bis zum Berner Oberland. An der Donau hin ragt von Osten das dunkle Element in dieses blonde Gebiet herein. Dazwischen sitzen aber Deutsche mit slawischen und Deutsche mit keltischen Merkmalen, jene am dichtesten im Nordosten, diese im Süden und Westen. Diese Dreiteilung, die mit der geschichtlich wohlbekannten Verbreitung dieser drei großen Völkergruppen Mitteleuropas stimmt, scheint auf den ersten Blick genügend die Rassenelemente der heutigen Deutschen zu erklären.

Allein die vorgeschichtlichen Funde zeigen uns Menschen auf deutschem Boden viele Jahrtausende vor den Kelten, Germanen und Slawen. Und diese vorgeschichtlichen Deutschen sollten ganz verschwunden sein? Kaum wird man geneigt sein, diese Frage zu bejahen, wenn man sieht, wie in den verschiedensten Schichten des vorgeschichtlichen Bodens Skelettreste und Werke menschlicher Hände eine reiche Folge von uralten Bewohnern des deutschen Bodens verkünden. Der diluviale Mensch ist auf deutschem Boden in Mooren Oberschwabens, in Höhlen des Frankenjura, auf dem Muschelkalke Thüringens nachgewiesen. Taubach bei Weimar gibt unzweifelhafte Zeugnisse, daß er mit Rhinozerossen, Elefanten, Bisonten, Löwen, Hyänen, Höhlenbären in einer wärmern Interglazialperiode lebte, während an der Schussenquelle in Oberschwaben die in den Schluß der Eiszeit zu setzenden Renntiere, Vielfraße, Bären, Wölfe und Polarfüchse seine Gesellschaft sind, eine hochnordische Fauna. Zahlreiche andre Funde lassen keinen Zweifel übrig, daß Menschen auch in andern Höhlen zur Diluvialzeit gelebt haben. Zerschlagne Knochen, Quarzitmesser, Geräte aus Renntierhorn, Harpunen, Reibsteine liegen bei Andernach unter dem Bimsstein einer vulkanischen Eruption. In der postglazialen Steppe Mitteleuropas hat der Mensch das Renntier und das Wildpferd, das Mammut und den Riesenhirsch gejagt. In den ältesten Pfahlbauten finden wir die Menschen in Gesellschaft der wichtigsten Haustiere, zu denen man sich neue Rassen östlichen Ursprungs, immer mehr Früchte des Ackerbaus und stufenweise die Metalle Kupfer, Bronze und Eisen fügen sieht, bis in den jüngsten Pfahlbauten bereits römische Einflüsse auftreten, und die ganze Erscheinung geschichtlich wird.

Deutschland hat also schon in vorgeschichtlicher Zeit Einflüsse von Süden und Osten her erfahren. Der Süden steht unter dem Einfluß der norditalischen Kultur, die man nach den Etruskern zu nennen pflegt, und entwickelte am Nordrande der Alpen den nach Hallstadt genannten Zweig, dessen Bronze- und Eisenerzeugnisse in der nach dem Pfahlbau La Têne genannten Periode von neuen Formen in Bronze und Eisen verdrängt wurden, die auch nach Norddeutschland vordrangen. In dieser Periode, die wir drei bis vier Jahrhunderte vor unsrer Zeitrechnung setzen, kommt der Gebrauch des Eisens zum Durchbruch, später wohl im Norden als im Süden. An sie schließt sich die römische Kultur, die nun Deutschland mit Einfuhren südlichen und westlichen Ursprungs überschüttet. Weiter zurück, in eine Zeit, wo man in Deutschland noch keine Metalle benutzte, reichen noch andre Einflüsse. Das Auftreten des Kupfers in den jüngern Pfahlbauten am Rande der Alpen und der Bronze vor dem völligen Aufgeben der Steinwaffen und -gerate, des möglicherweise aus Innerasien stammenden zähen grünen Beilsteines Nephrit in Pfahlbauten der jüngern Steinzeit geht auf fremde Beziehungen zurück, wenn auch schon früh Kupfer aus mitteleuropäischen Erzen gewonnen wurde.

Was nun von Resten des Menschen selbst in allen diesen Ablagerungen gefunden wurde, läßt keinen tiefen Unterschied von Gliedern des geschichtlichen Volkes der Deutschen erkennen. Es sind der ältern Reste nur wenige; aber sie zeigen deutlich genug, daß die körperlichen Merkmale der heutigen Deutschen älter sein müssen als die nach den Sprachen unterschiednen, geschichtlichen Völker und Stämme auf deutschem Boden: dieselben Schädel, deren Trümmer man auf diluvialen Fundstätten aufgehoben hat, sitzen auch zwischen den Schultern von heutigen Deutschen.

Die Stämme

Da diese vorgeschichtlichen Bewohner ebensowenig ruhig auf engem Boden sitzen geblieben sein werden wie die geschichtlichen, können wir auf die scharfe Gliederung der Deutschen in Stammesgruppen und Stämme durchaus kein entscheidendes Gewicht legen. Beständig durchkreuzten sie Völkerbeziehungen und -bewegungen, und im Osten sind alle drei Gruppen in enge Verbindung mit den Slawen getreten. Soweit der niederdeutsche Pommer, der mitteldeutsche Sachse und der oberdeutsche Kärntner sprachlich voneinander entfernt sein mögen, die Zumischung slawischen Blutes reicht doch in allen dreien tiefer als ihr dialektischer Unterschied. Zwar hat der deutsche Boden seinen Anteil an dem Unterschiede zwischen Nieder- und Oberdeutsch, dem ungefähr der geschichtlich so tief greifende Unterschied zwischen Tiefland und Hochland entspricht. Ebenso umfaßt das dazwischen liegende Mitteldeutsche die Welt der Mittelgebirge und ihrer Vorländer. Die Grenze zwischen Ober- und Mitteldeutschland, die vom nördlichen Wasgau nach dem Böhmerwalde zieht, stellt dem alpinen und subalpinen Boden Oberdeutschlands das weichere hügelige Mitteldeutschland gegenüber. Und dieses Oberdeutschland ist alter keltischer Boden. Um einige weitere Beispiele natürlicher Stammesgrenzen zu nennen, trennt der schmale Rücken des Thüringer Waldes mit seinem merkwürdigen Grenzweg, dem Rennsteig, obersächsisches und thüringisches Volk von fränkischem. So wie nördlich davon die Saale östliche Gebiete mit mehr slawischer Beimischung von westlichen, reinern Deutschen scheidet, so trennt weiter im fränkischen Lande die bei Gemünden in den Main fließende Sinn die östlichern, mit Slawen gemischten Ostfranken von den westlichem Rheinfranken. Und die Hessen westlich der Werra zeichnet die Freiheit von slawischen Beimischungen von den östlich davon wohnenden Thüringern aus. So begrenzen auch südlich von der Donau der Ammersee und die Amper die schwäbischen Vorposten im Gebiet der Bayern, während der Lech das geschlossene Gebiet der Schwaben von dem der Bayern sondert.

Von allen diesen Trennungen geht sprachlich die zwischen Mitteldeutsch und Niederdeutsch am tiefsten; Mitteldeutsch gehört sprachlich zum Oberdeutschen. Niederdeutsch grenzt sich im Süden ab zuerst durch eine Linie Venlo – Düsseldorf. Niederdeutsche Elemente enthält aber noch der von hier aus bis Bonn reichende Kölner Dialekt. Rechts vom Rhein sind die Mitscheide, das Rothaargebirge, der Habichtswald Grenzhöhen. Münden, einst fränkisch, ist jetzt niederdeutsch. Dann trennt der Kaufungerwald. An der Werra ist Hedemünden niederdeutsch, das eine Stunde höher gelegne Gerthausen fränkisch. Im Harz liegen Klausthal und Andreasberg in einer mitteldeutschen Sprachinsel. Die Grenze berührt dann nördlich von Nienburg die Saale; und diese ist nun bis zu ihrer Mündung die Grenze, wie von da abwärts die Elbe. Mitteldeutsch ist heute Wittenberg, niederdeutsch der Fläming. Die Grenze zwischen den Provinzen Sachsen und Brandenburg ist weiterhin ungefähr die Sprachgrenze, die Kreise Krossen und Züllichau sind mitteldeutsch. Bei Birnbaum trifft diese Grenze mit der deutsch-polnischen Sprachgrenze zusammen.

An manchen Stellen ist diese Linie mehr als Sprachgrenze. Sie teilt z. B. das Fürstentum Waldeck, und da schildert man uns den Unterschied des bedächtigen und hochgewachsnen niederdeutschen Waldeckers von dem gedrungnen beweglichern oberdeutschen Waldecker. Das breite niederdeutsche Bauernhaus steht hier dem schmalen an die Dorfstraße gedrängten fränkischen gegenüber. Einst schied die Sprachgrenze auch abweichende Sitten und Trachten und selbst Abweichungen des Ackergeräts. Aber es wäre verfehlt, Niederdeutsch und Oberdeutsch als polare Gegensätze des deutschen Volkes aufzufassen. Im oberdeutschen kehren Merkmale des niederdeutschen Gebietes wieder, die dem mitteldeutschen Gebiete fehlen. Das alemannisch-oberschwäbisch-bayrische Wohnen im »Einödhof« ist doch wieder sehr ähnlich dem im westfälischen Langhaus, wenn man beide mit der fast städtischen Dorfanlage in Franken vergleicht. Alemannen und Mecklenburger, die unsre größten Dialektdichter geboren haben, verstehen sich sprachlich nicht, stehen einander aber seelisch viel näher als dem Mitteldeutschen. Im Schatten der Alpen und am Rande des Meeres sind knorrigere, eigenartigere Volksstämme aufgewachsen als im nivellierenden, dichtbewohnten, gewerb- und städtereichen, von Osten her am tiefsten slawisch beeinflußten Mitteldeutschland. Ist es nicht bezeichnend, daß das Mitteldeutsche gegen das Niederdeutsche gerade so rührig vordringt wie gegen das Oberdeutsche? Im Harz ist es an der Stiege und Allrode ins Bodetal gewandert, und jede große Stadt im mittlern Norddeutschland wird zur mitteldeutschen Oase. So hat es auch südlich vom Thüringer Wald an Boden gewonnen, und selbst in Böhmen ist das Übergewicht der mitteldeutschen Nordböhmen über die westlichen Deutschböhmen oberdeutschen, bayrischen Stammes nicht zu bestreiten.

Möchte nun nicht der Unterschied zwischen den Ober-, Mittel- und Niederdeutschen als der geographisch, sprachlich und geschichtlich berechtigtste erscheinen? Er teilt die Deutschen des Reichs so ziemlich gleich in drei große Gruppen, während außerhalb unsrer Grenzen die Oberdeutschen überwiegen.

Nur übersehe man dabei nicht, daß bei keinem andern großen Volke Europas die Stammesunterschiede so fließend sind wie bei den Deutschen, in die besonders vom breiten Osten her immer neue fremde Elemente eindringen, und von denen im Osten und Süden immer von neuem urdeutsche Bestandteile abbröckeln. Treitschke hat im Eingang zu seiner Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert die Deutschen als das jüngste Volk Europas bezeichnet, weil sie in unsern Tagen den Bau ihres Staates auf völlig neuer Grundlage zu beginnen hatten und erst jetzt wieder »als geeinte Macht in die Reihe der Völker« eingetreten sind. Vielleicht würde es deutlicher sein und weniger leicht Mißverständnisse hervorrufen, wenn man sagen würde, statt das jüngste Volk das zuletzt verjüngte und vermöge seiner Lage sich immer neu umgestaltende Volk, das am spätesten fertig werdende von allen Völkern Europas. In diesem Prozeß liegen die nie zu übersehenden Altersunterschiede unter den deutschen Stämmen. Unser Volk ist im Westen älter als im Osten. Dort reichen die Friesen, Sachsen, Franken, Alemannen und Bayern bis in die Zeit der Völkerwanderung zurück. Jüngere Völker haben sich dagegen im Osten herausgebildet und sind noch heute in der Neubildung durch Vermischung deutschen Blutes mit slawischem und litauischem begriffen. Hier sind die Unterschiede der Kultur, die zum Teil in Rasseneigenschaften begründet sind, viel größer als die Sprachverschiedenheiten.

Gegenüber all diesen sich durchkreuzenden Abwandlungen dürfen wir festhalten, daß wer in Deutschland besonders zwischen Süd und Nord schneidende Unterschiede herauszufinden strebt, und sie sind mit frevelhaftem Eifer gesucht worden, die tiefe Übereinstimmung der natürlichen Anlage und Gaben des Landes, also gerade die geographischen Bedingungen übersieht. Die Geschichte konnte kleine Gegensätze der Länder und Provinzen zu großen auswachsen lassen, aber diese natürliche Anlage sorgte dafür, daß immer eine Summe von Gemeinsamkeiten übrig blieb. Gerade sie gehören zum Wesen des deutschen Volkes. Selbst West und Ost, die natürlich und geschichtlich am weitesten voneinander entfernten Teile Deutschlands, rücken einander immer näher. Eine Hauptaufgabe des Reiches ist, diese Bewegung zu begünstigen. Ostpreußen und Rheinländer haben sich seit 1814 unter dem preußischen Adler, Rheinpfälzer und Niederbayern unter dem bayrischen Löwen leichter zusammen gefunden, als jene voraussahen, die nicht daran dachten, daß der Gegensatz des Normannen und Provenzalen, des Schotten und des Mannes von Essex, des ligurischen Piemontesen und des phönikischen Sizilianers überhaupt in Deutschland nicht vorkommt und nicht aufkommen könnte. Dem Verkehr Süddeutschlands, der Schweiz und Österreichs nördlich der Alpen sind die Wege nach Norden gewiesen. Und der Osten wird nicht immer industriearm bleiben. Der deutsche Bauer baut Getreide und Kartoffeln von den Alpen bis zur Nordsee, sein Pflug, sein Wohnen, selbst der Ofen, hinter dem er sitzt, sind ähnlich. So sind seine Lebensanschauungen, so war vor der verhängnisvollen kirchlichen Trennung seine religiöse Auffassung dieselbe. Die Natur hat Deutschland darin eine große Kraft gegeben, deren Bewußtsein verblassen konnte, die sich aber glücklicherweise der Belebung fähig erwiesen hat.


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