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Klima. Pflanzen- und Tierwelt. Bodenkultur

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Klima

Deutschland hat ein gemäßigtes Klima. Daß damit nicht bloß eine Eigenschaft bezeichnet sondern ein Vorzug ausgesprochen ist, empfinden viele Deutsche unter dem Eindruck der Veränderlichkeit der Witterung nicht. Unser unberechenbares, vorwiegend feuchtes, an Rückfällen reiches, zu Nebeln und Wolken neigendes Klima ist geeignet zu mißfallen. Man wird es anders beurteilen, wenn man es nicht vergißt, in welcher Zone Deutschland liegt. Europa steht unter dem Einfluß klimatischer Vergünstigungen, wie sie so groß nicht mehr vorkommen. Deutschland liegt noch nicht so tief im Innern des Erdteils, um nicht von diesen Vergünstigungen noch einen großen Teil zu empfangen. Zwar greifen von Osten her Wirkungen des kontinentalen Klimas herüber, und da Deutschland auch nach Norden weit offen, nach Süden zu aber durch die Alpen verschlossen ist, überwiegen die rauhern Züge in dem Bilde der Mäßigung und Abgleichung seines Klimas. Das macht sich besonders fühlbar beim Vergleich mit Frankreich. Doch ist das immer nur eine leichte Variation der entscheidenden Tatsache, daß Deutschland ganz dem gemäßigten Erdgürtel angehört. Wenn das Leben hier nicht so weich und warm verläuft wie unter mildern Himmelsstrichen, so stellt ihm dafür die Natur andre Aufgaben, die anregend und kräftigend zurückwirken: dem Menschen wird es nicht zu leicht gemacht, dafür wird er erzogen.

Die größten Unterschiede des Klimas liegen in Deutschland zwischen Westen und Osten. Den Süden nähert dagegen die Erhebung und der Alpenwall dem Norden an. Bayern und Schwaben sind kühler als Friesland oder Holstein. Vergleichen wir Münster mit Leipzig, so ist der Winter dort bedeutend wärmer, auch Frühling und Herbst sind wärmer, der Sommer aber ist kühler; mit einem Wort: die Jahreszeiten sind weniger scharf voneinander gesondert. Die Ostsee kann nicht in solchem Maße mildernd wirken; ist sie doch kleiner, abgeschlossener und empfängt nur wenig Wärme vom Atlantischen Ozean. Aber noch die Kurische Nehrung zeigt Ausgleichung durch fast ununterbrochnen Luftzug, spät eintretende, aber anhaltende Wärme. Tiefer im Binnenland sind beide Jahreszeiten echter, charakteristischer entwickelt, d. h. der Sommer ist wärmer, der Winter kälter, und dadurch treten auch Frühling und Herbst deutlicher heraus. Frankfurt a. M. erfreut sich eines verhältnismäßig sehr milden Klimas, aber sein Winter ist bedeutend kälter und sogar sein Herbst etwas kühler als der westfälische, was freilich sein sehr warmer Sommer wieder gut macht. Man kann im allgemeinen einen aus Nordwesten stammenden, ausgleichenden Einfluß anerkennen, der so ziemlich über ganz Deutschland mit mildernder Hand hingeht und den Sommer kühler, den Winter wärmer macht, als beide sonst in diesen Breiten sein sollten. Die Unterschiede der mittlern Jahrestemperaturen betragen innerhalb Deutschlands höchstens 4 Grad Celsius, wenn man von den höhern gebirgigen Lagen absieht, die auf den Gipfeln des Schwarzwaldes schon ein um 6 bis 7 Grad kälteres Klima als am Fuß des Gebirges erzeugen. Hamburg mit 9 Grad, Leipzig mit 8,5 Grad, Regensburg mit 8,6 Grad, München mit 7,5 Grad mittlerer Jahreswärme zeigen, daß Orte, die nahezu auf demselben Meridian 6 Breitengrade zwischen Norden und Süden voneinander entfernt liegen, höhere Mitteltemperaturen im Norden als im Süden aufweisen. An schärfsten ist der Gegensatz ausgeprägt, wenn wir Ostpreußen mit 6 bis 7 dem oberrheinischen Tiefland mit 10 bis 11 Grad Mitteltemperatur zur Seite stellen. Aber auch dieser Unterschied ist klein neben dem zwischen Triest und Krakau, zwischen Marseille und Dünkirchen, der 7 Grad erreicht. Doch haben wir auf der ostpreußischen Seenplatte am Spirdingsee ein Januarklima, das in Westdeutschland erst auf der Höhe des Brockens seinesgleichen findet. Ja das Klima des äußersten Nordwestens nannte der Kenner des ostfriesischen Klimas, Prestel, im Vergleich mit dem des äußersten Nordostens im Winter fast tropisch.

Deutschland ist ein feuchtes Land. Es regnet in allen Jahreszeiten, doch ist der Hochsommer im allgemeinen niederschlagsreicher als der tiefe Winter. Dem feuchten Sommer entspricht das frische Grün unsrer Wiesen und Wälder, der Reichtum unsrer Quellen und Bäche. Die Luft ist bei uns so gefüllt mit Feuchtigkeit, daß kaum ein Tag vollkommen trocken genannt werden kann. Fällt kein Schnee, so schlägt sich die überschüssige Feuchtigkeit als Reif an der Erde nieder; ähnlich bildet sich der Tau fast allnächtlich in den Sommermonaten, während feuchte Nebel die Lücken zwischen den Regengüssen ausfüllen. Daher ist der Boden fast immer feucht und bewahrt selbst nach trocknen Sommerwochen Feuchtigkeit in geringer Tiefe. Es liegt also auf der Hand, daß eine Angabe wie die: Berlin hat 124 Regen- und 30 Schneetage, die Feuchtigkeit des Klimas nicht erschöpft. Gerade die intensiv wirkenden, in den Boden dringenden Tau-, Reif- und Nebelniederschläge, die auch für den Pflanzenwuchs so wichtig sind, vollenden erst den Charakter des feuchten Klimas. Wie verschieden sind auch die Regentage! Die Regen fallen bei uns sowohl im regenreichern Nordwesten und Süden als im regenärmern Osten häufig, aber in geringer Menge. Ein deutscher Regentag hat, verglichen mit einem des tropischen oder ozeanischen Klimas, etwas Abgeschwächtes. Schon die endlosen einförmigen Landregen der Alpen sind in Mittel- und Ostdeutschland seltne Erscheinungen. Die Regen fallen mit Unterbrechungen. Wir können wohl von nassen und trüben Sommern oder Herbsten, aber nicht von Regenzeiten sprechen, so wenig wir die regelmäßig wiederkehrenden Trockenzeiten Südeuropas kennen. Die verhältnismäßige Seltenheit ausgedehnter Überschwemmungen ist eine wohltuende Folge dieser Tatsache. Die großen Überschwemmungen sind bei uns lokale Katastrophen, die entweder beim Schneeschmelzen, beim Eisstoß oder endlich als Folge sogenannter Wolkenbrüche auftreten. Wo das Klima in Deutschland unfruchtbare Jahre heraufführt, kommen sie entweder von dem Überfluß der Regen im Sommer, da nasse Jahre bei uns auch immer kalte sind, oder von dem Mangel an Schnee im Winter, der, besonders wenn Regen statt Schnee dem Froste voranging, die Saaten durch Erfrieren tötet. Getreidemißwachs führt bei uns in der größern Zahl der Fälle auf den letztern Grund zurück.

Es ist wichtig, des Schnees nicht zu vergessen, der das winterliche Deutschland zuzeiten einhüllt. Die weiße Decke ist uns ein praktisches und ästhetisches Bedürfnis. Dieser Schatz von Licht und Glanz, der die Verarmung der herbstlichen Natur freigebigst verhüllt und mit seinen weichen, zartumrissenen Formen sogar mancher ungefälligen Erscheinung im Bereich unsrer Wohnstätten ein freundliches Gewand anzieht, sollte nicht bloß von den Kindern, die sich der zierlichen Flocken erfreuen, dankbar hingenommen werden, und nicht bloß geschätzt werden, weil er die Wintersaaten schützt und die Quellen nährt. Man denke an den englischen Winter mit seinen Regen und Nebeln, der oft selbst in London kaum einen Schneefall bringt. Manch flache oder hügelige Landschaft hat im Schnee mehr künstlerisch Schönes als im Grün des Grases und Laubes. Sollen wir schon einmal keinen sonnigen Winter haben, so ist der schneereiche Winter besser als der neblige, zumal weil dem Schneefall erfahrungsmäßig gern helle, sonnige Tage folgen.

Wie überall auf der Erde die Masse der Niederschläge mit der senkrechten Erhebung des Bodens bis zu einer gewissen Höhe steigt, so ist auch in Deutschland der höher gelegne Süden regenreicher als der Norden, und die Grenze zwischen Tiefland und Hochland kann im allgemeinen auch als Grenze größerer und geringerer Niederschläge angesehen werden. Alle Gebirge Deutschlands, auch die kleinern, mehr vereinzelten Gruppen, wie z. B. der Harz, sind immer regenreicher als ihre niedrigem Umgebungen. Dieser Einfluß der Erhebung zeigt sich sogar in dem pommerschen Seehügelland, auf dem sich zwischen Danzig und Kolberg ein niederschlagsreicheres Gebiet bis nach Stargard erstreckt, und in der ganzen Ausdehnung des preußischen Seenhügellandes. Niederschläge bis zu 2000 Millimetern kommen nur am Nordrande der Alpen vor, aber 1000 Millimeter werden auch in den Mittelgebirgen erreicht. Damit hängt die den Gebirgswandrer so oft enttäuschende Häufigkeit der Nebel zusammen, die gerade die schönsten Aussichtspunkte am hartnäckigsten verhüllen. Manche deutschen Berge verdienten den Namen Nebelklippe, den die Färöer tragen. Auf dem Brocken gibt es 241 Tage Nebel, und davon sind zwei Dritteile echte Nebeltage. Der Nebel in verdünnter Form, als Dunst und Duft, hemmt immerhin die Fernsicht, wenn in die klare Luft auch nur ein Tröpfchen trübender Flüssigkeit gegossen zu sein scheint. Vom Schneeberg bei Glatz sieht man die 13 Meilen entfernte Schneekoppe durchschnittlich nur an sechs Tagen im Jahre recht klar.

Der Duft, der einen ganz feinen Schleier vor die fernerliegenden Abschnitte einer Landschaft zieht, ist zum Teil recht irdischen, gemeinen Ursprungs. Es ist oft nichts als der Höhenrauch, auch Haarrauch und Moorrauch genannt. Der letztere Name deutet auf den Ursprung der Erscheinung hin. In den Flußgebieten der Ems und Hunte und an der deutschen Nordseeküste verbrennt man in den ausgedehnten Moorländereien die oberflächliche Vegetationsschicht, um dem tiefer liegenden Boden mit der Asche eine vorübergehende Fruchtbarkeit zuzuführen. Der dicke, übelriechende, graubraune Schwaden, der sich hierbei entwickelt, kann bis 3000 Meter senkrechte Höhe erreichen und wird dann von den obern Luftströmen über Flächenräume von Tausenden von Quadratmeilen ausgebreitet. Bis nach Süddeutschland kennt man die Sommer- und Herbsttage mit »trocknen« Nebeln, an denen der wolkenlose Himmel wie verschleiert ist, und die Sonne in einer Feuersbrunst von tiefem, flammendem Rot untertaucht. Kaum dürfte indessen jede derartige Erscheinung auf Moorbrennen ohne Ausnahme zurückgeführt werden. Aus entgegengesetzter Richtung tragen Südwinde nebelerzeugenden Passatstaub über die Alpen, der als »Blutregen« den Firn braunrot färbt.

Anders ist der Nordseehimmel umwölkt, wenn die Wolken mit zerfransten Rändern bis auf das schwärzliche, leicht bewegte Meer herabhängen, anders der Himmel am Rand der Alpen, in dessen klarem Blau festgeballte, scharf umrissene Wolkenschiffe dahinsegeln, um an den höchsten Bergen vor Anker zu gehen. Wieder anders wirken die langen, fast geradlinig von unten begrenzten Bänke der roten und goldnen Wolken, die bei Sonnenuntergang über den runden Höhen eines unsrer Mittelgebirge so fest liegen, als ob sie niemals wieder von der Stelle weichen wollten. Über der tiefen, drei bis vier Monate dauernden Schneedecke Ostdeutschlands oder des Voralpenlandes wölbt sich ein glänzenderer Januarhimmel als über den auch im Winter feuchten und regenreichen Niederungen Nordwestdeutschlands. Ähnlich kontrastiert im Herbst das sonnige Firmament höher gelegner Strecken mit den nebelbedeckten Flußtälern.

Deutschland steht unter der Herrschaft der Depressionen, die vom Atlantischen Ozean kommen. Daher das Vorwiegen der Windeaus westlichen und besonders aus südwestlichen Richtungen. Die Winde sind über dem norddeutschen Tiefland stärker als in dem gebirgigen Mittel- und Süddeutschland und auf den süddeutschen Hochebenen. Die Windgeschwindigkeit ist an der untern Elbe mehr als zweieinhalbmal stärker als am Fuß der Alpen. Daß die geographische Verbreitung der Windmühlen in Deutschland im allgemeinen mit der Ausdehnung des Tieflandes zusammenfällt, hat auch darin seinen guten Grund. Die Winde sind im Tiefland auch andauernder, während sie im Hügelland und auf den Hochebenen mehr stoßweise auftreten. Dazu kommt, daß die Südwestwinde wegen ihrer Richtung überhaupt im Norden Deutschlands einen freiem Spielraum finden als im gebirgigen Süden, und daß ferner das südliche Deutschland noch unter dem Einfluß der südlichen Zyklonen steht, die am südlichen Rande der Alpen ihren Weg nach Osten nehmen, wobei Winde von östlicher Richtung besonders in dem Lande südlich von der Donau auftreten. Zugleich treten am Nordrande der Alpen starke Fallwinde auf, in denen das Herabsteigen ein auffallendes Maß von Wärme freigemacht hat. Sie sind in jedem Gebirge nachzuweisen, aber hier üben sie als Föhn einen entschiednen Einfluß auf den Gang der Witterung aus; sie unterbrechen den Winter mit hellen, sonnigen Tagen, fördern die Schneeschmelze und begünstigen im Frühling das Pflanzenwachstum.


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