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Die Bodenschätze

Zu Deutschlands Bodenschätzen gehörten schon vor der Römerzeit Metalle, die von Kelten mit primitiven, zuerst aus Stein gearbeiteten Werkzeugen in Gruben von beträchtlicher Tiefe gewonnen wurden. Die Kelten bauten auch Steinsalz ab oder gewannen Salz aus Solen. Auf deutschem Boden lagen auch die Bernsteinküsten, zusammen mit den Zinninseln eins der großen Lockmittel des Verkehrs im Altertum, der wichtigste Zielpunkt kaufmännischer Unternehmungen jenseits des Mittelmeers. Die Wege führten über Weichsel und Oder nach der mittlern Donau, wohl auch nach dem mittlern Rhein. Das Neißegebiet, das den kürzesten Weg von Böhmen zur mittlern Oder bildet, hat sich durch seine reichen Bernstein- und Bronzefunde als ein wichtiges Glied in diesem alten Verkehr erwiesen. In Talhintergründen des Erzgebirges und Fichtelgebirges liegt von unbekannter Zeit her aufgeschüttetes Geröll an aufgestauten Seen und abgeleiteten Bächen, ein wirres moränenartiges Schuttland, heute von großen Fichten beschattet, die in tiefem Moos stehn: Zinnwäschen unbekannten Ursprungs. Die in allen deutschen Gebirgen noch lebendigen Gnomen- und Venedigersagen sind sicherlich nicht rein erdacht. Ob dieser alte Bergbau ganz erloschen war, als die Römer eintraten?

Der Bergbau blühte bei uns erstaunlich früh. Im Harz ist der Silberbergbau schon im zehnten Jahrhundert rege gewesen, und deutsche Bergleute haben im frühen Mittelalter überall in Europa die Erzadern erschlossen. Im heutigen Deutschland beschäftigt der Bergbau über 650 000 Arbeiter in 2100 Bergwerken und fördert Kohlen, Salze und Erze im durchschnittlichen Wert von 1364 Millionen Reichsmark. Fünf Sechstel dieses Ertrags fällt den Kohlen und Braunkohlen zu, die für die alten Bergleute wertlos waren. Die Kohle ist die Nährerin der großen Industrie geworden, mit deren Blüte deshalb der Aufschwung des deutschen Kohlenbergbaus eng verknüpft ist. Deutschland steht in Kohlen- und Eisenerzeugung an der Spitze der kontinentalen Mächte Europas. Daß seine Eisenerzförderung ungefähr doppelt so groß ist als die französische, hat wesentlich dazu beigetragen, daß die französische Industrie von der deutschen überholt wurde. An Blei, Kupfer und Zink ist Deutschland reich. Aber der einst bedeutende Wert der edeln Metalle verschwindet hinter dem der für die Industrie wichtigem unedeln. 1904 betrug der Wert der in Deutschland geförderten Steinkohlen und Braunkohlen 1145 Millionen, der des Eisens, Kupfers, Bleis und Zinks 150 Millionen, der des Goldes und Silbers nur noch 1,2 Millionen Reichsmark.

Steinsalzlager und Salzquellen sind in Deutschland reichlich vorhanden, und die Kalisalze von Staßfurt und Leopoldshall sind von großer Bedeutung für unsre chemische Industrie und unsern Ackerbau geworden. Die lithographischen Steine von Solnhofen gehen durch die ganze Welt. Einzelne Landschaften blühen durch die Förderung und Verarbeitung ihrer Steine. Nachdem im Fichtelgebirge der Erzbergbau erloschen war, ist die Granitindustrie an dessen Stelle getreten. Auch die räumlich ganz beschränkte Gewinnung des Specksteins spielt dort eine Rolle. Tausende leben im Frankenwald und Westerwald vom Schiefer, am mittlern Main von den Buntsandsteinbrüchen, in der Sächsischen Schweiz von den Quadersandsteinbrüchen. Kalksteine der verschiedensten Formationen werden zu Zement verarbeitet. Ein kleines Steinvorkommen mitten im Schutt des Tieflandes kann von gewaltiger Bedeutung werden, wie der Muschelkalk von Rüdersdorf, der die Fundamente von Berlin bauen hilft.

Für Deutschland ist die Lage der Bodenschätze von der größten Bedeutung. Immer ist ein mittlerer Strich in den Mittelgebirgen und an deren Rändern durch seinen Erzreichtum berühmt gewesen. Auch die reichsten Kohlenlager Deutschlands an der Saar, Ruhr, Mulde und Oder gehören ihm an. Diese Lage ist sehr günstig für die Nährung der Industrie des Innern und in den Küstenstädten. Das schlesische Kohlenlager hat über die Grenze weg ein schlesisch-polnisches Industriegebiet ins Leben gerufen. Dafür sind weite Gebiete im Norden und Süden mit Mineralschätzen ungenügend bedacht. Und da Deutschland nachgerade ein altes Land geworden ist, so sind in einigen einst reichen Erzgebieten die Lager erschöpft. Der Schwarzwald und die Vogesen sind heute bergmännisch von geringer Bedeutung, und im Thüringer Wald, Harz und Erzgebirge verkünden begrünte Halden und die mit Wasser gefüllten Trichtergruben (Pingen) eingesunkner Stollen an hundert Plätzen verlassene Bergwerke. Die Silberbergwerke haben durch das Fallen des Silberpreises viel von ihrem Wert verloren. Sachsens Silberbergwerke waren die Hauptursache der frühen Reife dieses Koloniallandes; 1901 brachten sie nur den 32. Teil des Ertrags der sächsischen Kohlengruben. Die einst durch sie angezogne Bevölkerung bildete den Grundstock der dichten Industriebevölkerung in rauhen Gegenden des Erzgebirges. Auch die Goldwäscherei hat in deutschen Flüssen seit mehr als einem Menschenalter gänzlich aufgehört. Sie war einst besonders am Rhein und in Thüringen ertragreich gewesen. Die hellgelben Dukaten aus Rheingold und die aus Gold thüringischer Bäche geschmiedeten Brautringe deutscher Fürstenkinder gehören schon der Geschichte an.


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