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Deutschlands Seegeltung

Aus dem Verfall der letzten Jahrhunderte sind die überseeischen Interessen Deutschlands in langsamer, unbeschützter und von innen und außen oft bedrängter Arbeit einzelner Städte, Gesellschaften und unternehmender Einzelner herangewachsen. So ist die mächtige Handelsflotte von 1657 Dampfern zu 1 770 000 Tonnen und 2600 Segelschiffen zu 580 000 Tonnen (am 1. Januar 1905) fast ganz das Werk des privaten und kommunalen Unternehmungsgeistes. Verhältnismäßig spät hat dieser sich an die Seite der großen Seehandelsmächte geschwungen. 1848 sandte Bremen den ersten deutschen Dampfer nach Nordamerika, 1905 verfügte allein der Bremer Norddeutsche Lloyd über 166 Dampfer mit 546 000 Tonnen und die Hamburg-Amerika-Linie über 128 mit 606 000 Tonnen, dazu 100 000 Tonnen im Bau. Will man die 200 000 Tonnen deutscher Schiffe um 1800 mit dem heutigen Bestande vergleichen, so muß man die gesteigerte Leistungsfähigkeit der Dampfer denken, die zum dreifachen der der Segelschiffe angenommen zu werden pflegt; unsre Handelsflotte hat sich dann an Leistung verzehnfacht. Sie nahm im letzten Jahrzehnt um 91,8 Prozent zu, und ihr Anteil an der Welthandelsflotte stieg von 8,1 Prozent im Jahre 1895 auf 10,1 Prozent im Jahre 1906. Hamburg ist als der verkehrsreichste Hafen des Kontinents seit einigen Jahren an die Stelle von Antwerpen getreten. Der Wert der Staats- und Gemeindehafenanlagen an der Küste der deutschen Meere wird auf ¾ Milliarden Reichsmark geschätzt. Die vor einem Menschenalter ganz unbedeutende Hochseefischerei arbeitete 1905 mit 560 Schiffen, davon 156 Dampfern, und 4600 Mann. Dem vollständigen Rückzug der deutschen Schiffahrt aus den polaren Gewässern, wo einst die deutschen Walfischfänger die erste Stelle eingenommen haben und noch 1881 zwei Bremer Dampfer den Seeweg zum Jenissei festlegen halfen, steht der spontane Aufschwung der deutschen Reederei im Stillen Ozean gegenüber, wo sie besonders in der chinesischen Küstenschiffahrt und im Verkehr mit dem südwestlichen Südamerika eine bevorzugte Stelle einnimmt, dann an der Küste von Afrika und neuerdings im Verkehr mit Indien und Australien. Der Verkehr der deutschen Häfen mit außereuropäischen ist in dem letzten Jahrzehnt viel stärker gewachsen als der mit europäischen. Doch hat sich seit 1884 auch die Küstenschiffahrt nahezu verdreifacht, und die deutsche Flagge ist im Verkehr der deutschen Häfen im Wachsen. Die Gesamtzahl der in deutschen Häfen ein- und auslaufenden Schiffe hat sich von 1898 bis 1903 um 37 Prozent gehoben. An diesem Verkehr beteiligen sich unsre Meere sehr ungleich. Trotz seiner Föhrden, Bodden, Buchten, Haffe und Inseln spielt die Ostsee eine kleinere Rolle im Seehandel als die Nordsee. Die Schiffahrtsbewegung in den Nordseehäfen verhält sich wie 7:4 zu der in den Ostseehäfen. Der Kaiser-Wilhelmkanal wird indessen die Ostsee näher an den Weltverkehr heranziehen. So wie die Verbindung der Ost- und der Nordsee das große Problem der Hanse und die Beherrschung des Sundes daher die Grundlage ihrer Größe war, so wird immer die Zusammenhaltung der beiden getrennten Meere eine Hauptaufgabe des Verkehrs und der Seemacht Deutschlands sein. Der Kanal, der von der Kieler Föhrde in die untere Elbe, von Holtenau nach Brunsbüttel, in der Länge von nahezu 120 Kilometern führt, ist daher nicht bloß eine Verkehrsader der Nord- und der Ostseeländer, sondern eine Lebensader des Reiches. Die Zukunft wird ihn vom Lichte einer hervorragenden geschichtlichen Bedeutung umflossen sehen, so wie uns beim Rückblick auf die Geschichte der Hanse der Sund erglänzt.


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