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Der Wasserreichtum und die Quellen

Deutschland hat ein feuchtes Klima und ist fast durchaus wohlbewässert. Wer in Wüsten- oder Steppenländern den Unsegen der Wasserarmut erfahren hat, wo kein Acker und Garten ohne künstliche Bewässerung angepflanzt werden kann, und der Besitz einer Quelle ein Monopol ist, das viele beneiden und bestreiten, der lobt sich ein Land, wo man durchschnittlich keine drei Kilometer geht, ohne einen Bach zu überschreiten, und wo man alle 100 bis 150 Kilometer großen Strömen begegnet. Freilich sind auch nicht alle deutschen Länder gleich wasserreich. Während in den Alpen, auf der süddeutschen Hochebene und auf dem größten Teil des baltischen Höhenrückens der Boden wie ein Schwamm von Wasser trieft, sodaß bei jeder Unebenheit, in jedem Einschnitt Bäche und Quellen zutage treten und ausgedehnte Striche durch beständige Wasserbedeckung vermoort oder vermoost, d. h. in Torf umgewandelt sind, ist andern das belebende Element in viel geringerer Masse zugeteilt. Der Sandboden der Mark und der Pegnitzufer ist von Natur ebenso trocken, wie der schwere Boden der Elbniederungen naß ist. Im spalten- und höhlenreichen Zechstein und Muschelkalk versinkt das Wasser spurlos, um in einiger Entfernung als eine Quelle oder eine Quellenreihe hervorzubrechen, die, kaum geboren, schon zum Fluß geworden ist. So ist es in Paderborn, wo 130 Quellen allein in der Unterstadt oft nur ein paar Schritte voneinander entfernt zutage treten, und in Lippspringe, wo eine Quelle gleich beim Hervortreten eine Mühle treibt. Vorbedingung dieses Überquellens ist aber freilich die Armut an Quellen auf dem nahen Teutoburger Wald und dem Haarstranggebirge. Nicht weniger als sieben Bäche, die zum Teil schon kleine Flüsse genannt werden könnten, versinken im Teutoburger Walde. Dem quellenreichen Paderborn stehen die sogenannten »trocknen Dörfer« zwischen Paderborn und Kassel gegenüber, deren turmtiefe Brunnen fast allsommerlich versiegen. Der Rauhen Alb muß Wasser von unten zugeführt werden. Auch die Kalkalpen sind reich an versinkenden Quellen, reicher noch an Quellen, die nur nach der Schneeschmelze fließen. Der Wandrer sieht im Spätsommer mächtige braungrüne Moospolster am Fuß einer Schutthalde oder um einen Felsspalt: sie bezeichnen das Grab einer Quelle, die im nächsten Frühling einen übersprudelnden Reichtum von eiskaltem Wasser ergießen wird, solange die darüberliegenden Firnflecken abschmelzen. Der für Deutschland so heilsame Reichtum an Heilquellen ist die Folge seines mannigfaltigen geologischen Aufbaus und besonders der vulkanischen Gesteine, aus denen die Säuerlinge und Thermen aussteigen.

Wo das Wasser in der Tiefe seine Wege sucht, da spült es sich Klüfte und Höhlen aus, die, wenn sie zufällig erschlossen werden, zu den sehenswürdigen Seltsamkeiten der Natur gehören. In die Kalksteine des Harzes, die als Korallenriffe im paläozoischen Meere entstanden sind, haben die Wässer, besonders die Bode und der Mühlenbach, tiefe Windungen gegraben, deren Wände bis zu achtzig Metern emporsteigen. Ursprünglich waren sie massig, der Druck hat sie in schichtenartige Platten zerklüftet. Auf diesen Klüften ist das Wasser in die Tiefe gegangen und hat die Höhlen gebildet, deren Tropfsteine in der Baumanns-, Biels- und Hermannshöhle Schaustücke ersten Ranges sind.


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