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Analekten zur Geschichte der Katastrophe Wallensteins.

[Einführung]

Als Wallenstein im Februar 1634 zu Eger ermordet worden war, bildeten sich über seine Schuld am Hofe zu Wien selbst zwei entgegengesetzte Meinungen. Die Einen bestanden darauf: er habe sich in eine hochverrätherische Conspiration eingelassen, den Kaiser aus Wien verjagen, das Haus Oesterreich in Deutschland, ja selbst in Spanien stürzen wollen; sie verbreiteten sich darüber, in welcher Art er alsdann die europäischen Staaten-Verhältnisse umzugestalten beabsichtigt habe. Die Anderen stellten das alles in Abrede. Sie bemerkten: hätte Wallenstein etwas Böses wider den Kaiser im Sinne gehabt, so würde er das vorlängst ohne Mühe ins Werk haben setzen können; jetzt aber würde er zu solchem Zweck ganz anderer Mittel, ganz anderer Menschen bedurft haben, als die ihm zur Verfügung standen. Zudem aber: lasse es sich denken, daß ein von Krankheiten geplagter Mann, von welchem der Ausspruch der Aerzte gewesen sei, daß er keine zwei Jahre mehr leben könne, überdies ohne Leibeserben, eine der Kronen seines Kaisers sich habe auf das Haupt setzen und den Kampf darüber unternehmen wollen? Die Felonie, die man ihm Schuld gebe, werde sich nimmermehr erweisen. Nach seiner und seiner Vertrauten Ermordung habe man sich ihrer Papiere bemächtigt, aber gewiß nichts Ueberzeugendes gefunden, sonst würde man die Untersuchung rasch und entschieden zu Ende führen.

Unter den deutschen Kriegsführern faßte die Meinung Wurzel, Piccolomini's Ehrgeiz habe den Sturz Wallensteins veranlaßt; in Wien ward ihm ein sehr kalter Empfang zu Theil. Die Meinung bildete sich aus, daß »der General den Fremden aufgeopfert worden sei«. Von Rom her hat man dem kaiserlichen Hofe Vorstellungen über sein Verfahren gemacht: wenn er es nicht rechtfertige, so könne er sich leicht den allgemeinen Haß der Kriegshäupter zuziehen Cardinal Barberino an Rocci am 1. April 1634: dispiace fino all' animo che corra opinione che contro Fridland non vi fosse cosa digna della risoluzione fatta. E necessario che Sua Maestà procuri quanto più può di sradicare queste opinioni.. Die römischen Gelehrten und Staatsmänner brachten eine Stelle aus Tacitus in Erinnerung, nach welcher die vom Kaiser Galba Hingerichteten deshalb, weil man sie nicht gehört und ihnen keine Vertheidigung gestattet habe, für unschuldig galten Inauditi et indefensi tamquam innocentes perierunt. .

In Wien war doch bereits etwas dafür geschehen. Schon im März 1634 erschien eine Apologie der Ermordung durch Die, welche sie vollzogen hatten, in der noch eine absonderliche Deduction verheißen wurde; dann folgte eine lateinische Schrift, Perduellionis Chaos, deren Verfasser jedoch ebenfalls versichert, daß er nur als Privatmann schreibe; der Kaiser fand noch nicht rathsam, sich selbst zu äußern.

Auch die entgegengesetzte Meinung kam indeß zu Wort. Den Gegensatz der Apologie bildet die »Eigentliche Abbildung des Egerischen Bankets, was von denen zu halten, welche ihre mörderische Hand an ihren General gelegt«; – die Handlung erscheint darin als eine meuchelmörderische Schandthat, ein Blutbad, davor sich Sonne und Mond entsetzen: unüberwiesen und unverhört, weder verklagt noch verurtheilt, seien auf einmal der Generalissimus, der Feldmarschall und der eigene Oberst von den Verschworenen, die eben ihnen ihre Stellen verdankten, ihrem eigenen Vorgeben nach ohne gehabte Ordonnanz ermordet worden. Dort erscheint Wallenstein als ein schwarzer Verräther, der Oesterreich vernichten wollte, hier als ein Held, der seinen Kaiser gerettet habe.

Besonders beschäftigten sich die Italiener, denen der große Feldhauptmann ein paar Jahre früher drohend entgegengetreten war, viel mit dieser Sache. In der Bibliothek Corsini sah ich eine Schrift: Difesa sopra la Morte di Waldstein, in der alle Handlungen Wallensteins durchgegangen werden, um zu beweisen, daß er keine Treulosigkeit begangen habe; – in einem Band in der Sammlung der Informationi findet sich: il lamento di Alberto Waldstain con S. Mà. Cesarea, worin er redend eingeführt wird, um den Ungrund aller Beschuldigungen, die man ihm mache, nachzuweisen: – wie sollte er, wenn er auf Verrätherei gedacht hätte, sich nicht gehütet haben, den Haß der Liga, der Spanier, des Kaisers auf sich zu ziehen; die Monarchie einer neuen Welt würde ihn zu keiner Treulosigkeit vermocht haben. Eine dritte Schrift: causa e morte di Waldstain (Bibl. Corsini) befleißigt sich unparteiischer Erwägung. Wie ganz andere Maßregeln hätte Wallenstein ergreifen müssen, wenn er wirklich auf Verrath gedacht hätte! Er würde sich der böhmischen Barone durch enge Verbindung versichert, das Schloß von Prag besetzt und selbst Wien eingenommen, die verdächtigen Generale unter einem oder dem andern Vorwand mit Gewalt beseitigt haben. Die Italiener dachten sich, er hätte wie einst Cäsar Borgia verfahren müssen. Wenn er aber von alledem nichts gethan, so spricht ihn unsere kleine Schrift doch nicht frei. Sie macht ihm sein Verhältniß mit den beiden Churfürsten und dem Herzog von Sachsen-Lauenburg, insbesondere dessen letzte Sendung zum Vorwurf und freut sich des Widerstandes, der ihm durch einen italienischen Cavalier, Piccolomini, geleistet worden sei. Der Unterthan müsse Unterthan bleiben und der Fürst das Commando der Truppen selbst führen.

Mittlerweile waren die Mitschuldigen verhört worden: aus ihren Aussagen hatte man in Wien etwas mehr Stoff gewonnen; und unerläßlich schien es endlich, der sehr verbreiteten Meinung, welche auch jetzt frühere Gegner Wallensteins äußerten, als sei er unschuldig umgebracht worden, durch eine ausführliche Erzählung entgegenzutreten; eine solche ist denn im Jahre 1634 verfaßt und, nachdem sie dem König von Ungarn vorgelegen, im October 1634 publicirt worden. Es ist der sogenannte »Ausführliche und gründliche Bericht«, dessen wir weiter gedenken werden. Wallenstein wird darin einer »ärgeren als Catilinarischen Conspiration« beschuldigt, die durch Gottes sonderbare Schickung entdeckt, und gegen die durch die zu Eger anwesenden Obristen, ihrer Pflicht nach, mit Execution verfahren worden sei.

Noch war man jedoch selbst am Hof nicht vollkommen überzeugt. Die Verfechter der Katastrophe waren sehr glücklich, als ihnen ein paar böhmische Emigranten, die nach Hause zurückzukehren wünschten, nähere Nachrichten über die Verhältnisse Wallensteins zu den Schweden und Protestanten mittheilten. Eine solche enthält die Relation Sesyma Raschins von Riesenburg, im October 1635 von ihm selbst niedergeschrieben, mit der Erklärung, er sei bereit sie eidlich zu erhärten.

Die Controverse ist jedoch dadurch nicht etwa geschlichtet, sondern erst recht hervorgerufen worden.

Wie oft hat man behauptet, daß die Conspiration, welche darin doch als unzweifelhaft vorausgesetzt wird, niemals existirt habe! Wenn man Förster und Hurter liest, so sieht man wohl, daß man, wiewohl besser unterrichtet, heute noch ebenso steht, wie im Anfang. Was der Eine behauptet, leugnet der Andere. Sogar Besitzansprüche mischen sich in den Streit der Historiker oder fachen ihn an.

Ob es mir nun gelungen ist, wie im Eingang bemerkt, aus dem Kreise der Anklage und Vertheidigung herauszutreten und eine historische Anschauung zu begründen, mögen Andere beurtheilen. Doch will ich nicht versäumen, noch einige der wichtigsten Aktenstücke, aus denen meine Ansicht entsprungen ist, mitzutheilen, und besonders die Beschaffenheit der Publicationen zu untersuchen, welche das gegen Wallenstein eingehaltene Verfahren durch eine Erörterung seiner Vergehungen rechtfertigen sollten.

Ich gehe dabei von Khevenhiller aus, der sie in seinen Annalen großentheils reproducirt und ihnen dadurch einen Credit verschafft hat, den sie ohne ihn schwerlich gefunden haben würden.

Sei es mir gestattet, ein paar Worte über Khevenhiller und die Quellen seines Berichtes überhaupt vorauszuschicken.


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