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Erstes Capitel.
Emporkommen Wallensteins in den österreichischen Erblanden.

Will man sich einen Begriff von der Persönlichkeit Wallensteins verschaffen, wie sie in den ersten Mannesjahren erschien, in denen ein Jeder seine Stellung zu ergreifen pflegt, unmittelbar an der Schwelle des praktisch-thätigen Lebens, so liegt dafür ein sehr phantastisches Document vor, dessen man sich aber doch bedienen mag.

Johann Kepler hat sich die Mühe genommen, die Constellation, unter welcher Wallenstein – 1583, 14. September 4 Uhr Nachmittags – zur Welt kam, zu berechnen und seine Bemerkungen daran zu knüpfen.

Es war nicht blos ein durch Bedürfniß und Armuth gebotenes Gewerbe, wenn der große Astronom von der Astrologie nicht abließ: er hatte sehr ernstlich die Meinung, daß die Configuration der Gestirne, wie sie in dem Momente gestaltet ist, in welchem der Mensch geboren wird, auf seinen inneren Lebenstrieb und seine Seele einen bestimmenden Einfluß ausübe Coelum praeter lucem nihil ad nos demittit; anima seu potius vita est, quae nascente homine influit in hanc quasi formam radiorum sideralium sic vel sic configuratorum in puncto nascentis hominis. Si configuratio est harmonica, pulchram formam nanciscitur animus vel animalis facultas. 1607. Opp. I, 385. . Ueber das Schicksal des Menschen und seinen Lebensgang wache die Vorsehung und der schützende Genius, den sie ihm gegeben hat: sein Wesen conformire sich nach der Regel der Welt und der Stellung der beherrschenden Gestirne. Wenn nun der Meister, welcher den Satz verficht, daß seine Ansicht durch die Erfahrung bestätigt werde, die Nativität, die er aufstellt, zugleich erklärt, so entnimmt man daraus – denn etwas Nichtzutreffendes konnte er nicht sagen wollen –, wie Wallenstein in seinem sechs und zwanzigsten Jahre den Menschen erschien: die Deutung der Gestirne wird unwillkürlich eine Charakteristik Zuerst mitgetheilt von Helbig: Ferdinand II. und Wallenstein (der auch das Jahr der Abfassung auf 1609 bestimmt) mit einigen Anmerkungen von Wallensteins Hand versehen. Die Copie muß wenigstens 15 Jahre später sein, da in der Aufschrift der Titel Herzog von Friedland erscheint..

Den größten Werth legt Kepler auf die Verbindung von Saturnus und Jupiter, die in dem ersten astrologischen Hause, dem Hause des Lebens, stattgefunden habe. Saturnus deutet auf melancholische, allezeit gährende Gedanken, Nichtachtung menschlicher Gebote und selbst der Religion, Mangel an brüderlicher und ehelicher Liebe. Denn dies Gestirn macht unbarmherzig, ungestüm, streitbar, unverzagt. Da nun aber Jupiter sich mit Saturnus vereinigt, so darf man hoffen, daß die meisten dieser Untugenden sich in reifem Alter abschleifen werden. Kepler spricht die Meinung aus, zu dem Schicksal der Menschen sei der Himmel doch nur der Vater, Niemand dürfe ein Glück hoffen, zu dem keine Anleitung in seinem Gemüth sei, die eigene Seele des Menschen sei gleichsam die Mutter; den der Seele innewohnenden Kräften schreibt er eine verborgene Beziehung auf die Configuration der Gestirne zu. Eine Ansicht der Persönlichkeit des Menschen von phantastischer Färbung, aber von einer gewissen Großheit. Vom jungen Wallenstein urtheilt Kepler, er habe ein unruhiges Gemüth, mehr Gedanken, als er äußerlich spüren lasse, er trachte nach Neuerungen durch unversuchte Mittel. Aus der Verbindung saturnischer und jovialischer Einflüsse schließt er, daß ihn das ungewöhnliche Naturell zu hohen Dingen befähigen werde. Er schreibt ihm ein Dürsten nach Ehre und Macht zu, eigensinnigen Trotz und verwegenen Muth, so daß er sich einmal zu einem Haupt von Mißvergnügten aufwerfen könne; viele und große Feinde werde er sich zuziehen, aber ihnen meistens obsiegen. Nicht geringen Eindruck mußte es auf den jungen Wallenstein machen, wenn man ihm sagte, er sei unter demselben Gestirne geboren, wie einst der Kanzler Zamoisky von Polen und die Königin Elisabeth von England, von denen jener im Osten, diese im Westen von Europa fast zu gleicher Zeit die größte Rolle gespielt hatten.

Dieser imaginären Welt durften wir wohl gedenken, weil die Menschen der Epoche, und zwar selbst die Thatkräftigsten und die Gelehrtesten, nun einmal in dem Glauben daran befangen waren. Wenden wir nun den Blick nach den Antrieben, die ein junger Mann, an seiner Stelle, aus der realen Welt empfangen konnte und mußte.

Wallenstein – denn wir wollen bei der Form des Namens bleiben, die damals am meisten gäng und gäbe war und seitdem in Poesie und Historie in allgemeinen Gebrauch gekommen ist In einem officiellen Anschreiben vom 21. März 1621, im Friedländer Archiv, wird er als Oberst Wallenstein bezeichnet. – stammte von einem der czechischen Herrengeschlechter in Böhmen, den Ralsko, ab, das sich in die Wartenberg und die Waldstein schied Schleinitz bei Dobner. Monumenta Boemiae I, 222.; er gehörte einer der mindestbegüterten Familien der letzteren an, die auf einem einzelnen Gut, Hermanic, im Kreise Königin-Grätz, wirthschaftlich Haus hielt, aber alle Ansprüche ihrer angesehenen Verwandtschaft theilte. Einen geistlichen Stand gab es in der böhmischen Verfassung nicht mehr; die Herren, welche sich im Besitz der eingezogenen geistlichen Güter behaupteten, bildeten den ersten Stand im Königreich. Allgemeine Bedeutung verlieh es ihnen, daß sie bei jeder Thronvacanz die Behauptung erneuerten, daß ihr König wählbar sei: Rudolf II. hielt es nicht für rathsam, sich mit ihnen darüber in Streit einzulassen. Auf das engste wurden sie dadurch mit dem deutschen Reich verbunden, wo man damals den Besitz von Böhmen beinahe als eine Bedingung für die Wahl zum Kaiserthum betrachtete. Seit den hussitischen Zeiten war Böhmen niemals wieder ganz zur katholischen Kirche zurückgekehrt: hier fanden die reformatorischen Bewegungen des sechzehnten Jahrhunderts den am besten vorbereiteten Boden; man gerieth in Folge derselben in ununterbrochene Beziehungen zu den Protestanten in Deutschland und in Frankreich. Aber auch der Katholicismus hatte hier tiefe Wurzeln; durch die Weltstellung der Dynastie und deren Verbindung mit Italien und Spanien ward er in lebendiger Wirksamkeit erhalten. Wenn nun die beiden religiösen Bekenntnisse auch in Böhmen mit einander kämpften, so ist doch kein Zweifel, daß das evangelische das Uebergewicht besaß. Es gewann hauptsächlich durch die böhmisch-mährischen Brüder, die sich eine von den Anderen abweichende Verfassung gaben, zugleich einen national-czechischen Charakter. Nicht allein, daß die gelehrten Arbeiten der Brüder den größten Antheil an der sogenannten goldenen Epoche der böhmischen Literatur haben: ihre Cantionale gelten als der innigste Ausdruck des religiösen Gefühls, der in dieser Sprache jemals zum Vorschein gekommen ist. Die Gesangbücher, mit ihren kunstreichen Randverzierungen, auf festem Papier, zum Theil auf Pergament mit guten Lettern gedruckt, zeugen von dem religiösen Eifer und von der Theilnahme der Begüterten. Als das herrlichste Product der Epoche betrachten die Czechen die Kralicer Bibel, das gemeinschaftliche Werk der Gelehrten der Brüderunität; die czechische Bibel ist wie die deutsche ein Denkmal der Sprache; auch den katholischen Czechen geht das Herz auf, wenn sie darin die Formen der Syntax und Grammatik finden, deren sie sich noch heute bedienen Gindely, Geschichte der böhmischen Brüder II, 309..

Und einen sicheren Anhalt fand die Unität, der evangelische Protestantismus überhaupt in Böhmen, so gut wie in anderen Ländern, an den städtischen Gerechtsamen. Die Herren übten in ihren Gebieten eine nicht viel minder durchgreifende Gewalt in religiöser Beziehung aus, als die deutschen Fürsten in den ihren. Die ständischen Ansprüche verschmolzen mit den Concessionen, welche der Fürst, der selber an der Einheit der katholischen Kirche festhielt, ihnen machte.

Aber auch in Böhmen drang die katholische Restauration, die ihre Grundlage in den Schlußsitzungen des tridentinischen Conciliums der Verbindung des Papstes mit den höchsten Gewalten verdankte und deren Rechte verfocht, mächtig vorwärts. Der Orden der Jesuiten setzte sich in Folge der Vorkehrungen, die noch Kaiser Ferdinand I. getroffen hatte, in der Literatur und der Schule den böhmischen Brüdern mit Succeß entgegen. Er gewann durch Familienverbindungen, zu denen die Weltstellung des Hofes Anlaß gab, Vermählungen z. B. spanischer Damen mit böhmischen Magnaten, deren Unterstützung. Zu seinem besonderen Vortheil gereichte ihm der Zusammenhang mit Italien und der Einfluß der italienischen Cultur, die nicht mehr in voller Blüthe stehen mochte, aber noch das größte Ansehen in der Welt genoß, in Bezug auf Wissenschaft, Kunst und gesellschaftliches Leben, und überwiegend einen katholischen Geist athmete.

Es versteht sich nun, daß dieser große und durchgreifende Gegensatz, der allenthalben in dem kleinen Königreich zur Erscheinung kam, in jedes persönliche Leben bestimmend eingriff.

Der junge Wallenstein (Albrecht Wenzel Eusebius) gehörte durch Herkunft und Landesart der evangelischen Partei an; sie hatte im Königin-Grätzer Kreise von jeher ihren vornehmsten Sitz gehabt und herrschte daselbst vor; der Vater und die Mutter bekannten sich zu ihr. Aber diese starben ihm, ehe er zwölf Jahre zählte; einer seiner mütterlichen Oheime, Albrecht Slawata, nahm ihn auf seine Burg Koschumberg zu sich, um ihn dort zugleich mit seinem Sohne erziehen zu lassen, und zwar in einer Schule der Brüderunität.

Die friedliche Disciplin der Brüder war jedoch wenig geeignet für den jungen Menschen, der von Kindesbeinen nur für das Soldatenwesen Sinn zeigte und durch wilde Streiche sich schon früh den Beinamen: der Tolle, zuzog. Eher wurden die Jesuiten in Olmütz mit ihm fertig, zu denen ihn ein anderer seiner mütterlichen Oheime brachte; er lernte da wenigstens Latein; einer der Patres hat da den Einfluß eines leitenden Freundes über ihn gewonnen. Wallenstein hat später einmal gesagt, dem verdanke er Alles.

Nicht eine bloße Veränderung in Schule und Disciplin war dies: es wurde zu einem Wechsel der Lebensrichtung. Von dem national-czechischen Element, das in der beschränkten Form der Erziehung ihn abstieß, riß der junge Mann sich los und gesellte sich dem andern bei, das den italienischen Charakter einer allgemeinen Cultur an sich trug und ihm ein weniger gefesseltes, seinem Naturell mehr entsprechendes Dasein in Aussicht stellte Palacky hat in den Jahrbüchern des böhmischen Museums II, 1 glaubwürdige Notizen hierüber aus einer Schrift von Cerwenka, der von 1668 bis 1681 in Gitschin lebte, mitgetheilt. Daraus aber, daß Cerwenka noch ziemlich spät einige Nachrichten zusammengebracht hat, welche Anderen unbekannt waren, geht noch nicht hervor, daß das, was er nicht erwähnt, unrichtig ist. Daß der Albrecht Waldstein, der in den Auszügen aus den Annalen der Universität Altdorf vorkommt, ein anderer von demselben Namen sei, ist schwer zu glauben. Auch in dem Empfehlungsschreiben Zierotins an Molart, welches Palacky aus Cerwenka mittheilt, wird unser Wallenstein, ohne Unterscheidung von einem andern, die doch in diesem Falle nöthig gewesen wäre, einfach le Baron de Waldstein genannt, wie in der Altdorfer Matrikel Albertus de Waldstein Bar. Boh. Die Jugendgeschichte Wallensteins, wie sie früher angenommen wurde, möchte ich jedoch auch nicht wiederholen..

Damit ist nun aber Wallenstein nicht etwa zu dem streng katholischen System übergegangen.

Wir finden ihn auf der lutherischen Universität Altdorf, wo er ein Andenken unbezähmbarer Heftigkeit hinterlassen hat – nur aus Rücksicht auf seine hohen Verwandten in Böhmen ist ihm die förmliche Relegation erspart worden –, und bald darauf soll er die venezianische hohe Schule, die sich damals nicht durch jesuitisch-papistische Gesinnung hervorthat, besucht haben. Die Italiener rühmen ihn, wie ganz er sich ihrer feineren Sitte und Lebensart angeschlossen habe.

Auf die wissenschaftliche Schule folgte die militärische. Wallenstein that seinen ersten Kriegsdienst unter Basta, in jenem Heere, das zugleich den Türken widerstehen und den Nacken der protestantischen Ungarn beugen sollte. Nach dem Frieden näherte er sich jedoch dem Erzherzog Matthias, der die Protestanten in seinen Schutz nahm; der Mann empfahl ihn, der selbst an der Spitze der evangelischen Stände von Mähren stand, seinem Schwager Zierotin. Der verfehlte nicht, zu bemerken, daß der junge Wallenstein die Messe besuche, obwohl er wisse, so fügt er hinzu, daß das bei dem Erzherzog wenig austrage. In diesen Kreisen kamen andere Verhältnisse doch noch mehr in Betracht als das Bekenntniß. Albrecht Wallenstein ward als ein junger Mensch von Herkunft, Bildung und guten Eigenschaften empfohlen, der auch für sein Alter hinreichend verständig sei. Er suchte sich einen Dienst in der persönlichen Umgebung des Erzherzogs, wie es ausdrücklich heißt, zu einem Anfang weiteren Emporkommens.

Zu einem solchen wurde ihm aber noch ein anderer Rückhalt geboten.

Unter Vermittelung des Erzbischofs zu Prag – denn wie die Senioren der Unität, machten sich auch die katholischen Geistlichen mit den Vermählungen in den Herrengeschlechtern, durch welche Güter und selbst auf die Religion bezügliche Gerechtsame vererbt wurden, viel zu schaffen – verheirathete sich der junge Wallenstein mit einer älteren Dame, Lucrezia Nekyssowa von Landeck, nach deren frühem Ableben ihre ansehnlichen in Mähren belegenen Güter – sie war die letzte ihres Geschlechts – in seinen eigenen Besitz übergingen.

Seitdem trat Wallenstein erst selbständig und wahrhaft ebenbürtig in die Reihe der mährisch-böhmischen Magnaten; er versäumte nicht, unter Kaiser Matthias den Hof zu besuchen. Von seinem Vater hatte sich eine ökonomische Ader auf ihn vererbt: er pflegte zu sammeln, bis er mit ungewöhnlichem Glanz am Hofe erscheinen konnte, den er wieder verließ, wenn sein Geldvorrath erschöpft war So erzählt die erste Lebensbeschreibung in Khevenhiller, Conterfet Kupferstich II, 219, eine Sammlung, in der sich manches Originale findet, das man in den Annalen vermißt. – Der lange Titel, den er damals führte, bei Dobner, Mon. I, 329..

Die wachsenden Mittel setzten ihn in den Stand, bei der ersten Gelegenheit, die sich darbot, noch ganz anders zu erscheinen; nicht an dem Hof des alternden Kaisers, mit Dienern und Gefolge, sondern in dem Feldlager des jugendlichen Nachfolgers, des Erzherzogs Ferdinand von Steiermark, der bereits zum König von Böhmen und von Ungarn gekrönt war, mit einer Truppenschaar, die er selbst ins Feld stellte.

Ehrgeiziges Emporstreben, Prachtliebe, gute Haushaltung verbanden sich bei ihm mit militärischen Intentionen.

König Ferdinand war damals in seinem eigenen erzherzoglichen Gebiet mit den Venezianern in Krieg gerathen. Ursache und Veranlassung gaben die Uskocken, welche, aus den nahen türkischen Gebieten ausgetreten, in Zengg unter dem Erzherzog Schutz fanden und hierauf nicht allein die türkische Grenze unsicher machten, sondern auch das adriatische Meer und die Seefahrt der Venezianer, die dann Repressalien ausübten und die österreichischen Grenzlande angriffen. Sie nahmen einige Schlösser im Golfe zu Triest und bedrohten Gradiska, wogegen dann Steiermark, Kärnthen und Krain zur Abwehr aufgeboten wurden. Kaiser Matthias und der Director seines geheimen Raths, Cardinal Klesel, mißbilligten den Krieg, weil ein im Jahre 1612 geschlossener Vertrag durch den Erzherzog nicht gehalten worden sei. Aber Ferdinand hatte die Unterstützung der Spanier, die, in mannichfaltigen Irrungen mit den Venezianern begriffen, ihnen die ausschließende Herrschaft auf dem adriatischen Meere zu entreißen und eine unmittelbare Verbindung zwischen Neapel und Triest einzurichten gedachten. Der Krieg war auf die friaulischen Grenzmarken – am Karst und am Isonzo – beschränkt; aber die Theilnahme der beiden Parteien, welche Europa spalteten, giebt ihm eine allgemeine Bedeutung. Von Mailand und den katholischen Niederlanden waren spanische Kriegsvölker eingetroffen: unter Pedro de Toledo, Marradas, Dampierre; dagegen hatten die Venezianer holländische Hülfe unter dem Grafen Ernst von Nassau; eine Anzahl deutscher Fürstensöhne von evangelischem Bekenntniß diente unter ihren Fahnen.

Im Sommer 1617 nun belagerten die Venezianer Gradiska mit überlegener Macht. Schon war ein Versuch, es zu entsetzen, mißlungen: es schien, als ob die Festung durch Mangel an Lebensmitteln in Kurzem zur Capitulation genöthigt sein werde. Da war es, daß Wallenstein, in Folge einer an die persönliche Ergebenheit der reichen Landsassen gerichteten Aufforderung des Erzherzogs, im Lager eintraf. Er hatte einige tüchtige Schaaren zu Fuß und zu Pferd auf seine eigenen Kosten geworben, die er auf sechs Monate im Felde zu halten versprach. Er kam eben zur rechten Zeit, um an dem Unternehmen Dampierres, den bedrängten Platz mit Lebensmitteln zu versehen, durch Rath und That Theil zu nehmen. Es gelang vollkommen. Auf dem Hinweg wurden die venezianischen Reiter, auf die man stieß, auseinandergeworfen; auf dem Rückweg wurde das zum Kriege untaugliche Volk, das man aus der Festung entfernen wollte, glücklich zwischen den venezianischen Geschützen hindurchgebracht Khevenhiller, Ann. Ferd. VIII, 1050. Nani, Storia Ven. I, 138..

Eine rechtzeitige Hülfleistung, von dem erwünschtesten Erfolge begleitet: die Venezianer gaben auf, den Platz zu erobern und, wie sie vorhatten, zu schleifen. König Ferdinand hat in späteren Jahren des Dienstes, der ihm dadurch geleistet worden war, oftmals dankbar gedacht.

Im Feldlager spielte Wallenstein, der, wie ein Vasall alter Zeiten, Diensteifer und Unabhängigkeit vereinigte, eine große Figur. Den Extravaganzen, die sein Thun und Lassen begleiteten, gesellte sich ein äußerer Glanz hinzu, welcher um so mehr Eindruck machte, und eine Freigebigkeit, die ihm Zuneigung gewann. Bemerkenswerth ist, daß schon damals die Feinde, die Venezianer, sich eben an ihn gewandt haben. In einem geheimen Buche des Rathes der Zehn findet sich die Notiz, daß einer der Getreuen, Namens Obizi, eine vertrauliche Conferenz mit Wallenstein hatte; sie betraf die Besorgniß eines neuen Friedensbruches, der dann auch – man erfährt freilich nicht, ob unter seiner Einwirkung – vermieden worden ist Communicatione alli savii della confidente conferenza a regionamenta ch'el fedel N. Obizzi mandato dal proveditor generale ha passato in Gradisca col Baron Volestain circa il moto causato in archiducali con pericolo di nuova rottura per avisi havuti da Venezia ( 1. Febr. 1618. Liber I Sectorum)..

Ueberhaupt aber ergriff Wallenstein bei diesem Kriegszug eine politische und gesellschaftliche Stellung, die für sein Leben entscheidend geworden ist.

Es waren die Zeiten der großen Agitation der Erzherzoge für die Nachfolge Ferdinands im deutschen Reich: wenn nicht geradezu im Gegensatz, doch auch nicht im Einverständniß mit Kaiser Matthias und seiner Regierung. Der venezianische Krieg hing mit dem Plane zusammen, den Erzherzog Maximilian gefaßt hatte, die Succession im Reich, wenn es nöthig sei, mit bewaffneter Macht durchzusetzen Gutachten Erzherzog Maximilians über die Wahl, Khevenhiller VIII, 888: Es würde in kaiserl. Majestät Belieben stehen, ob sie in währender Venedischer Unruhe mit derselben Occasion ein mehres Kriegsvolk auf die Beine bringen und so lange erhalten wollen, bis das löbliche Werk (der Succession) allenthalben incamminirt und zu erwünschter Endschaft prosequirt wäre.: ohne Rücksicht auf den Austrag in den religiösen Streitigkeiten, welche der Director des kaiserlichen geheimen Raths, Cardinal Klesel, vorangehen zu lassen für nothwendig hielt. Diesem selbst gab man es Schuld, wenn die Ideen des Erzherzogs Maximilian unter den deutschen Fürsten verlautbarten, was dann das Mißtrauen, das man gegen ihn hegte, zur Feindseligkeit steigerte. Auch von Denen, welche die Umgebung des Kaisers Matthias bildeten, den Großen seines Hofes und seines geheimen Rathes, wandten sich die meisten von Klesel ab, dessen einseitiger Einfluß auf den Kaiser ihnen nach und nach unerträglich wurde. Der Hofkriegsrathspräsident Molart – durch welchen Wallenstein einst an Matthias empfohlen worden –, der Oberstkämmerer Freiherr von Meggau, der Obersthofmeister der Kaiserin, Graf Trautmannsdorf, der sonst als ein Geschöpf Klesels betrachtet wurde, alles sehr wirksame und angesehene Persönlichkeiten, entzweiten sich mit ihm und standen auf der Seite des Erzherzogs Auszüge aus dessen Briefwechsel bei Hammer, Khlesl Bd. III und IV.. Wie viel mehr mußte dies der Fall sein mit der Umgebung und den Räthen des Königs Ferdinand, der seine bisherige Stellung und seine Aussichten dem Erzherzog verdankte, der nur für ihn arbeitete! An ihrer Spitze stand Hans Ulrich von Eggenberg, der, ursprünglich Protestant, sich doch längst dem katholischen System angeschlossen und selbst in den Niederlanden noch unter dem Herzog von Parma Kriegsdienste gethan hatte; schon ein bejahrter Mann von gereifter Erfahrung und guter Lebensart Ein vernünftiger, in allen Professionen wohlerfahrener trefflich beredter und compiter Herr, etc. (compit ist accomplished). Khevenhiller, Conterfet II, 14. Außer den Nachrichten in dieser Sammlung lag mir ein Nuntiaturbericht von 1620 aus Bibl. Corsini in Rom vor., nahm er an dem Hofe zu Grätz eine Stellung ein, wie Lerma und Uzeda am Hofe zu Madrid: König Ferdinand widmete ihm von Anfang an ein unbedingtes Vertrauen. Eggenberg hatte die eine seiner Töchter mit Neidhard Freiherrn von Mersberg, einem geschickten und mannigfaltig brauchbaren Mann aus alter Familie, der damals die Leibgarde des Königs befehligte, verheirathet, die andere mit Leonhard Graf von Harrach, der den König bei seinen Reisen als Hofmarschall begleitete. Der Vater Leonhards, Carl von Harrach, vertrat Eggenberg, wenn derselbe, wie schon damals oft geschah, den Hof verließ, und war überhaupt eines der thätigsten und angesehensten Mitglieder des kleinen Hofes und Staates. Ihm hauptsächlich waren die auf die Succession im Reiche bezüglichen Geschäfte anvertraut; aus den venezianischen Berichten sieht man, daß der Abschluß des Friedens zwischen Ferdinand und Venedig beinahe ausschließend in seinen Händen lag. Die Venezianer wurden durch seine standhafte Weigerung, den Frieden ohne das zu unterzeichnen, zu einer Nachgiebigkeit bei der Räumung der eingenommenen Plätze vermocht, die von ihrem Senat unangenehm empfunden wurde. Harrach stand in vorgerückten Jahren: er hatte Kindeskinder; aber er wetteiferte mit jedem jungen Mann in Thätigkeit im Cabinet wie im Feld. Er liebte heitere Gesellschaft und hatte Freude an Unterhaltung.

Neben ihnen machte sich unter anderen Graf Collalto, ein geborener Friauler und Unterthan der Republik, der vom Hofe des Kaisers unzufrieden geschieden war und sich zu Ferdinand gewandt hatte, bemerklich; er genoß die volle Gunst Eggenbergs und der übrigen Minister.

Alle wurden durch die Spanier zusammengehalten, wie denn der Vertrag über die eventuelle Abtretung der Vorlande die Grundlage der ganzen Combination mit Ferdinand und seinem Hofe bildete Vergl. die Abhandlung: Zur Reichsgeschichte. Werke VII, 244.. Oñate, der sie geschlossen, war ein ebenso großer Gegner Klesels, als sein Vorgänger Zuñiga unter anderen Umständen dessen Freund gewesen war.

Und an diese Combination nun schloß sich Wallenstein an. Er hat sich einige Jahre später mit einer Tochter des einflußreichen Carl von Harrach, Schwester Leonhards, vermählt, mit der er, so oft er sich auch von ihr trennen mußte, doch immer in einem innigen gegenseitigen Verhältniß geblieben ist; sie hat ihm eine Tochter geboren. Durch seine Gemahlin kam er in die nächste Verwandtschaft mit den beiden Familien, die den Hof und die Rathschläge des Königs beherrschten.

Unverzüglich zeigte sich, was das zu bedeuten hatte.

Der venezianische Friede war kaum geschlossen, so brachen die böhmischen Unruhen aus. Die Böhmen wollten sich gegen eine Regierung, wie sie sie von dem Jesuitenfreund Ferdinand erwarteten, im voraus sichern; mit unbedachter Gewaltsamkeit entledigten sie sich einer Landesregierung, die bereits in seinen Ideen verfuhr.

Cardinal Klesel, dem die Gefahren des Hussitenkrieges vor Augen schwebten, hielt es auch dann noch für rathsam und selbst für möglich, den Frieden zu erhalten. Selbst als er sich entschloß, kriegerische Anstalten zu machen, dachte er die Leitung derselben in die Hände eines Mannes zu bringen, der so eben mit den Unterhandlungen beschäftigt war, des einzigen Mitgliedes des geheimen Raths, auf das er noch rechnen durfte. Alle anderen waren dagegen, und die Erzherzoge beschlossen, es so weit nicht kommen zu lassen. Es war gleichsam ein politisches Naturereigniß, daß, indem in Prag die eingerichtete Ordnung der Dinge, die auf gegenseitiger Anerkennung beruhte, durch die Gewaltsamkeit der Protestanten durchbrochen wurde, nun auch in Wien die Regierung stürzen mußte, welche sich auch dann noch die Vermittelung angelegen sein ließ. Der Direktor des kaiserlichen geheimen Raths, Cardinal Klesel, wurde wider den Willen des Kaisers von den Geschäften entfernt. Ein Collalto war es, der ihm ankündigte, daß er ein Gefangener des Hauses Oesterreich sei. Die bisherigen Collegen Klesels im geheimen Rath wußten es dahin zu bringen, daß der Kaiser die Abbitte der Erzherzoge annahm. Dieser selbst überlebte den Sturz des Ministers, der gleichsam seine eigene Abdankung in sich schloß, nicht lange. Dann setzte sich aus den beiden geheimen Räthen zu Grätz und zu Wien ein einziger zusammen, in welchem Eggenberg, Harrach, Trautmannsdorf vorwalteten, denen sich auch die Liechtenstein anschlossen und der sich nun durch alles, was vorgegangen war, genöthigt fühlte, den Krieg zu unternehmen. Der gestürzte Minister hatte ihn zu vermeiden gewünscht; ohne selbst ausschließend der streng kirchlichen Richtung anzugehören, der nur ihr Fürst unbedingt huldigte, fühlte sich doch die neugebildete Regierung in die Nothwendigkeit versetzt, ihr Raum zu geben.

Sie war hinreichend gerüstet, um den Kampf zugleich gegen die ständischen Vorrechte und den Protestantismus, in welchem Rudolf erlegen war, wieder aufzunehmen.

In welche innere Verlegenheit mußten nun die ständischen Führer gerathen, die bei der Beschlußnahme in den Landschaften mitzureden hatten! Auf der einen Seite die Ueberzeugung, daß die höchste Gewalt sich in einem den ständischen und religiösen Freiheiten des Landes entgegengesetzten Sinne constituiren würde, auf der andern das Recht, welches schon dem anerkannten und gekrönten König zustand. Männern, wie Zierotin versagte die Weisheit Salomonis, die man ihm zuschrieb.

Für Wallenstein war es der zweite große Moment seiner religiös-politischen Laufbahn. Er hatte sich von den religiösen Sympathien seiner Landsleute losgerissen: sollte er auch die Tendenzen ständischer Freiheit verleugnen, mit denen sie sich durchdrungen hatten?

Wallenstein gehörte nun einmal durch seine persönliche Stellung der in Wien zur Herrschaft gekommenen Partei und ihrer Richtung an; für ihn war schon keine Wahl mehr möglich.

Aber es erregte doch allgemeines Aufsehen, wie seine Gesinnung mitten in dem Ereigniß tumultuarisch hervorbrach.

Als man vernahm, niederländische Kriegsvölker seien im Anzug, um der katholischen und monarchischen Reaktion in den österreichischen Erblanden Bahn zu brechen, erwachte in den Böhmen das Bewußtsein ihrer ständischen Macht, die in dem letzten Kampfe gegen das Passauer Kriegsvolk Rudolfs II. die Oberhand behauptet hatte. Allenthalben waren die Stände bewaffnet; man meinte, durch eine Union Böhmens und der incorporirten Lande mit Oesterreich und Ungarn nicht allein der Gefahr vorzubeugen, sondern durch einen raschen Anlauf auf Wien in den Stand zu kommen, der höchsten Gewalt das Gesetz vorzuschreiben, oder sie in die eigene Hand zu bringen. Zu diesem Zweck rückte der böhmische Obergeneral Graf von Thurn Mitte April 1619 ins Feld.

Schlesiens war man bereits sicher; Alles schien zunächst an Mähren zu liegen. Die Mähren hatten etwa 5000 Mann ständischer Truppen; einer ihrer Obersten war Albrecht Wallenstein.

Aus den Briefen Thurns von seinem Feldzug sieht man, daß er über die gute Aufnahme, die er in Mähren fand, selbst erstaunte. Bei weitem die Mehrheit der Edelleute erklärte, daß sie mit ihren Brüdern und Nachbarn, den Böhmen, für Einen Mann stehen wollten. Die Bevölkerung war im Allgemeinen derselben Ansicht; sie hatte das Gefühl, daß sie sonst in einen Nachtheil gerathen würde, der ihr religiöses Leben bedrohe. Und auch in den gemeinen Soldaten der ständischen Regimenter herrschte diese Gesinnung vor; sie betonten, daß sie von den Ständen und dem Land geworben seien. Einer andern Meinung aber waren die Obersten und höheren Officiere, die sich dem Kaiser als ihrem Kriegsherrn verpflichtet fühlten, vor allen der Oberst Wallenstein. Mit der rücksichtslosen Entschlossenheit, die ihm eigen war, ergriff er für den Kaiser Partei. Seiner Truppen war er nicht mehr mächtig; er verließ sie lieber, als daß er sich den Ständen gefügt hätte. Aber so ganz mit leerer Hand dem Könige zuzuziehen, widerstrebte seiner Denkweise: Wallenstein hielt es für erlaubt, die Kriegskasse, obgleich sie eine ständische war – sie mochte neunzigtausend Thaler betragen –, mit sich fort zu nehmen. Nicht so sehr seinen Abfall, als diese Handlung machten seine Landsleute ihm zum Vorwurf: er habe eine Sache gethan, über die jeder Cavalier erröthen würde. Wie sei die hoffärtige Bestie da gefallen!

König Ferdinand hat die Kriegskasse wieder herausgegeben; die Handlung Wallensteins sah er als einen Beweis seiner Treue und Hingebung an, die er mit höchsten Gnaden erwiderte. Auch von allen anderen Seiten trafen flüchtige Getreue bei ihm ein. Wenn sich die Stadt Wien selbst zu dem Sinne der Landschaften in der Nähe und Ferne neigte, so gruppirte sich dagegen in der Hofburg um den König her Alles, was an der erblichen Autorität und ihrer Verbindung mit dem katholischen Bekenntniß festhielt.

Welches Ereigniß wäre es gewesen, wenn es dem Grafen Thurn gelungen wäre, sich, wie er hoffte, durch einen Handstreich der Stadt zu bemächtigen! Er wagte einen Streifzug gegen Wien Aus den Briefen Thurns bei Müller, Fünf Bücher vom böhmischen Krieg. S. 169., ohne sein Gepäck und sein schweres Geschütz mitzunehmen. Aber er erschien da zu schwach, um etwas auszurichten; er konnte nicht einmal den Zuzug der Verstärkung der kaiserlichen Truppen, welcher die Donau heraufkam, verhindern; sie trafen eben in dem dringendsten Augenblicke ein, als der König in der Nothwendigkeit zu sein schien, den Ständen nachzugeben.

Ferdinand erklärte, er wolle eher betteln gehen, als das thun; es ist die entscheidende Handlung seines Lebens, daß er Stand hielt. Und wie dabei die religiösen Motive vornehmlich einwirkten, so hat die kirchliche Sage sich des Moments bemächtigt und ihn legendenartig ausgeschmückt. Seine kirchliche und politische Stellung beruhte fortan darauf. Die aus den Niederlanden und aus Oberdeutschland eintreffende Hülfe erweckte ihm und seiner Umgebung Zuversicht zu ihrer Sache: Sie verschmähten jede Abkunft, in der Hoffnung, die in Aufruhr und Abfall begriffenen Länder sämmtlich wieder zum Gehorsam zu bringen »Die Länder alle zum Gehorsam zu bringen ist ihr Intent.« Aeußerung des jungen Rheingrafen nach einer kurzen Gefangenschaft bei Boucquoy. Bei Müller, vom böhm. Kriege 183.. Berühren wir mit wenigen Worten, wie das geschah und welchen Antheil Wallenstein daran hatte.

Einer der ersten Momente für die Begebenheit ist die Niederlage, welche Boucquoy im Augenblick jener Krisis den Böhmen bei Natolitz und Tein beibrachte, 10. Juni 1619. Und gewiß haben die auf Kosten Wallensteins in Flandern geworbenen 1000 Kürassiere In dem Verzeichniß der Kriegsvölker Boucquoy's, das nach Spanien geschickt wurde, stehen sie oben an. Villermont, Ernest de Mansfeldt I,148., welche unter seinem Oberstlieutnant de Lamotte an der Schlacht Theil nahmen, zur Entscheidung derselben wesentlich beigetragen. Boucquoy setzte sich persönlich an ihre Spitze und warf die Cavallerie Mansfeld's, welche damals für die beste Truppe in Böhmen galt, auseinander.

Noch einmal jedoch, und in Wahrheit dringender als im Juni, wurde Wien im October 1619 gefährdet, als der Fürst von Siebenbürgen mit Böhmen und Mähren vereinigt heranzog; die österreichischen Stände, in Horn vereinigt, wünschten nichts mehr als seinen Sieg. Sie machten geltend, daß die Landschaften, selbst die Edelleute, sämmtlich mit wenigen Ausnahmen ihrer Meinung seien. Die, welche zu den Ausnahmen gehörten, die entschlossenen Anhänger der königlichen Gewalt, bildeten, in Wien vereinigt, gleichsam eine Schar von Emigranten; ihnen mußte alles daran liegen, die Autorität wiederherzustellen, unter der sie allein wieder zu ihren alten Besitztümern gelangen konnten. Wallenstein war einer der thätigsten von ihnen. Wir hören, daß er der Horner Versammlung mit größerem Nachdruck einredete, als General Boucqouy, wiewohl auch er ohne Erfolg.

Da wurde es nun von entscheidender Bedeutung, ob sich Wien dem Angriff gegenüber behaupten würde. Am 24. October trafen Bethlen Gabor und Thurn bei weitem überlegen an Macht mit Boucquoy und Dampierre an der Wiener Brücke zusammen. Diese waren in offenbarem Nachtheil; alle umliegenden Wälder und Höhen waren von dem Feinde eingenommen, der noch immer Verstärkungen bekam: bei dem Rückzug über die Brücke entstand eine Unordnung, welche zu einer Niederlage zu führen drohte. Unter denen, welche inmitten eines starken Kanonenfeuers Stand hielten, erscheint nun auch Wallenstein mit seinem Regiment Khevenhiller IX, 693.. Man hatte eine Schanze vor der Brücke aufgeworfen, welche den Feind so lange fernhielt, bis der Uebergang über den Fluß in vollkommener Ordnung bewerkstelligt war, so daß man sich jenseits des Flusses dem Feinde wieder entgegenstellen konnte.

Doch würden auf diese Weise allein Ferdinand und seine Getreuen schwerlich jemals ihren Zweck erreicht haben, wären ihnen nicht die großen europäischen Angelegenheiten zu Statten gekommen.

Soeben war Ferdinand hauptsächlich durch das Uebergewicht der katholischen Partei im Churfürstenrath zum Kaiser gewählt worden: wenn dagegen Friedrich von der Pfalz von den Böhmen zu ihrem König gewählt wurde, so befestigte das allerdings ihre ständisch-protestantische Combination und gab ihr einen Mittelpunkt; aber die zweifelhafte Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens erweckte dem neuen Kaiser Sympathien, die ihm sonst schwerlich zu Theil geworden wären, im deutschen Reich und in Europa. Das Erbrecht des Fürstenthums war der Eckstein der Verfassung aller Reiche; man wollte es nicht durch den Erfolg der Böhmen erschüttern lassen.

Gleich damals vor Wien wurde die Entscheidung dadurch herbeigeführt, daß Sigismund III. von Polen, eigentlich auch im Widerspruch mit seinen Ständen, einem royalistisch gesinnten ungarischen Oberhaupt gestattete, sich in polnischem Gebiete zu rüsten; ein Vortheil, den seine Truppen, meistens Kosaken, in Oberungarn erfochten, nöthigte Bethlen, den Rückzug anzutreten.

Eine sehr erfolgreiche Hülfe leisteten die Spanier, welche diese Sache für ihre eigene hielten; sie stellten zwei Armeen, von denen die eine unter Marradas von Mailand her nach Böhmen, die andere unter Spinola von den Niederlanden nach der Pfalz vorrückte. Der eingeborene Ehrgeiz der damaligen Spanier regte sich in seinen vollsten Impulsen; sie unternahmen es selbst, ihre alte Oberherrschaft über Holland herzustellen.

Aber das Wichtigste war doch, daß die angesehensten deutschen Fürsten für den Kaiser Partei nahmen: der Churfürst von Sachsen aus dynastischer Sympathie, der Herzog von Baiern und seine Liga zugleich aus religiösem Eifer. Ein mächtiges Bündniß bildete sich wider den ständischen König von Böhmen, welcher vollkommen vereinzelt bei dem ersten Zusammentreffen unterlag.

Bei welthistorischen Ereignissen treten Persönlichkeiten, die nicht gerade zur Führung berufen sind, nothwendig zurück. Wallenstein war nicht in der Schlacht am weißen Berge, aber sein Regiment; man findet, daß ein Bericht seines Stellvertreters Lamotte über die feindliche Stellung, die er recognoscirt hatte, den Anlaß zu dem unmittelbaren Angriff gab, den die kaiserlichen Generale nicht billigten. Erst bei der Abwehr neuer Anfälle Bethlen Gabors und des Fürsten von Jägerndorf auf Mähren erscheinen die Wallensteinischen Heerhaufen mit einer gewissen Selbständigkeit. Sie erfochten Vortheile und schickten erbeutete Standarten nach Wien.

Der Sieg des Kaisers war nun aber zugleich der Sieg der Getreuen, die sich ihm angeschlossen, über die Gegner, welche den ständischen König anerkannt hatten, und die nun sämmtlich als Hochverräter betrachtet und mit Verlust ihrer Güter bestraft wurden. Wem anders aber sollten diese zu Theil werden, als eben den Getreuen?

Ein Fürst wie Wilhelm der Eroberer würde ein neues Lehensystem darauf gegründet haben. Wie weit in der Ferne aber lagen Ideen dieser Art! Die Güter wurden von der kaiserlichen Kammer als an sie heimgefallen betrachtet und verkauft, d. h. verschleudert. Man klagt besonders den Statthalter Fürsten von Liechtenstein an, daß er dies Verfahren zu seinem eigenen Vortheil in Gang gebracht und durch eine absichtlich herbeigeführte Münzconfusion begünstigt habe Notizen aus den Cameralacten bei Hurter: Zur Geschichte Wallensteins, und am Schluß der Geschichte Ferdinands II. Zu dem Gewinn bei dem Geldwechsel wird die Differenz der spanischen Realen, in denen die spanischen Subsidien herüberkamen, mit den neugeprägten Münzsorten das Meiste beigetragen haben.. Da konnte nun ein Mann, der unleugbare Verdienste besaß, in hoher Gnade war und immer im Besitz baren Geldes zu sein wußte, große Geschäfte machen. Wallenstein, der beides, Leidenschaft und Talent für Landerwerbung, besaß, bediente sich der Gelegenheit mit Habgier und Einsicht. Die ansehnlichen Güter eines seiner nahen Verwandten, der als einer der Rebellionsrectoren galt, wurden ihm ohne Weiteres zu Teil. Der wirkliche Ankauf begann im Herbst 1621 mit einigen minder bedeutenden Gütern der mächtigen Berka von Dub, dann brachte er die Herrschaften Friedland und Reichenberg an sich, deren bisherige Besitzer die Waffen für den ständischen König getragen hatten, für 150,000 Gulden. Stadt und Schloß Friedland gehörten einst auch dem mächtigen Berka von Dub. Der Platz war vor Zeiten empörischen Magnaten entrissen und einem deutschen Geschlecht übertragen worden Nemethy, Schloß Friedland.. Jetzt sollte er wieder an eine einheimische, ursprüngliche czechische Familie zurückkommen; im September 1622 erhielt ihn Wallenstein als Erblehn und ewiges Fideicommiß. Im Jahre 1623 wurden große Smirzitzkysche Güter im Bunzlauer Kreise und mehrere andere hinzugefügt, so daß man ihrer bald mehr als sechzig zählte. Die niedrigen Preise und die Gegenforderungen, welche Wallenstein für seine Vorschüsse aufzustellen hatte, der Einfluß seiner Freunde bei Hofe und das Ansehen, das er durch seine Haltung und seine Erfolge allmählich in Böhmen sich errungen, wirkten zusammen, daß ihm niemand mit Erfolg in den Weg trat. In Kurzem der reichste Besitzer im Lande, wurde er im September 1623 zum Fürsten von Friedland erhoben.

Wenn man fragt, wie sich Wallenstein zu der Rekatholisirung Böhmens verhielt, die damals mit unerhörtem Nachdruck durchgeführt wurde, so ist kein Zweifel, daß er sie in soweit unterstützte, als es auf die Entfernung der Prediger und Lehrer in Böhmen ankam. Aus der Herrschaft Friedland wurden die lutherischen Pastoren sammt ihrem Superintendenten ausgewiesen, und ein katholischer Dechant trat an seine Stelle. In dem Berichte des päpstlichen Nuntius findet sich sogar, daß Wallenstein daran dachte, in seinen Besitzungen, also auch auf seine Kosten, ein Bisthum zu gründen Caraffa, Ragguaglio: Il Sre Colonello Walestain barone richissimo ha risoluto di erigere un vescovado in una delle sue città, con fondarsi dal suo proprio la mensa episcopale. – Die Angabe wird durch einen Contrakt vom Juni 1624 bestätigt, in welchem der Käufer einiger Wallensteinscher Güter sich verpflichtet, die gewöhnlichen Robottarbeiten beim Baue der bischöflichen Kirche zu Gitschin durch seine Unterthanen leisten zu lassen. Tadra in den Fontes rerum Austriacarum Bd. 41 (1879) S. 284.. Denn die ständische Erhebung, welche als Hochverrath bestraft wurde, hing mit dem evangelischen Bekenntniß auf das genaueste zusammen. Die Institutionen der katholischen Kirche schienen ganz dazu angethan, die bereits eingetretene politische Umwandlung zu befestigen. Ein besonderes Bisthum in dem erworbenen Gebiete würde dem Fürsten, der in dem Entwurfe der Stiftungsurkunde sich selbst und seinen Nachfolgern, Fürsten von Friedland, das Recht, den Bischof und die demselben beizugebenden vier Prälaten zu ernennen, ausdrücklich vorbehielt, eine besondere Selbständigkeit gegeben haben. Zu dieser Begründung eines isolirten erblichen Fürstenthums ist es jedoch nicht gekommen Dobner ( Monumenta I, 384) fügt der Mittheilung des Entwurfs die Worte bei: At Episcopatus hujus fundatio quibusquibus demum de causis postea effectu caruit.. In der wachsenden Verwirrung von Europa nahm der Ehrgeiz und die Thätigkeit Wallensteins eine umfassendere Richtung.


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