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Elftes Capitel.
Kriegsereignisse des Spätjahres 1633.

Es gab damals zwei große Kriegstheater in Deutschland, das eine in Schlesien und Sachsen, das andere am oberen Rhein und der oberen Donau, oder, wie man schon damals sagte, im Reich; auf dem einen und dem andern rangen die schwedisch-protestantischen und die kaiserlich-katholischen Streitkräfte mit einander um das Uebergewicht. Der Zusammenhang zwischen ihnen war zwar nicht sehr genau, aber doch niemals ganz unterbrochen.

Einst vor Nürnberg hätte eine Entscheidung nach beiden Seiten hin bewirkt werden können; Wallenstein vermied es aber, zu schlagen. Er hatte dann eine solche in Sachsen hervorzurufen gemeint; da aber war Maximilian von Baiern nicht mehr bei ihm, und die Schweden nöthigten ihn zurückzuweichen. Er blieb dennoch der Meinung, daß er durch eine Verbindung von Unterhandlung und Waffen vor allem Sachsen und Brandenburg in ein Verhältniß des Bundes und der Unterordnung unter den Kaiser zurückbringen müsse.

Darauf beruhte sein Vordringen, Bedrohen, Stillstandschließen, Unterhandeln und Wiederlosbrechen im Sommer 1633; er hat wohl gesagt, er spiele mit den Feinden, wie die Katze mit der Maus; er meinte, wenn er wolle, seines Uebergewichtes allezeit sicher zu sein. Gelang es ihm mit der Unterhandlung, so war dadurch zugleich eine feste Grundlage für den Austrag aller Händel und für seine eigene Größe an der Spitze der Reichsfürsten gewonnen.

Da nun der Versuch, Oxenstierna zu dieser Combination herbeizuziehen, nicht gelang, nicht gelingen konnte, so mußte das ursprüngliche Vorhaben nicht allein ohne die Schweden, sondern im Gegensatz mit ihnen durchgeführt werden.

Wenn Wallenstein die Sachsen und Brandenburger aufforderte, ihre Waffen mit den seinigen zu vereinigen, so war das zunächst gegen den schwedischen Heerhaufen gemeint, der unter dem Grafen Thurn in Schlesien stand, und mit dem sie bisher in Waffengemeinschaft gestanden hatten.

So sehr Arnim übrigens den großen Gesichtspunkt Wallensteins theilte, so wäre er doch unfähig gewesen, eine Handlung zu begehen, die er selbst für eine schlechte, wie er sagte für ein Schelmstück hielt. Seinem Fürsten schreibt er, man müsse mit Wallenstein mit gleicher Wage handeln; würde man ihm widerstehen, so würden die Tractate um so leichter und sicherer werden Generallieutenants von Arnim Schreiben, Aufhebung des Stillstandes betreffend; im Archiv zu Dresden.. Noch entschiedener erklärten sich die brandenburgischen Führer gegen Wallensteins Antrag; sie meinten, er habe sie mit seinen Tractaten nur schwächen und mit den »Sachverwandten« im Reich in unversöhnlichen Streit verwickeln wollen; man müsse sich dafür sogar an ihm rächen Bericht über den Verlauf des Krieges vom 21. Sept./1. Oct. bis 7./17. Nov.; im Archiv zu Berlin..

Oxenstierna, den der Churfürst von Sachsen um Hülfe gegen Wallenstein anging, erwiderte: die Armee in Oberdeutschland sei so stark mit dem Feind engagirt – das ist das Wort, dessen er sich bedient –, daß das für den Augenblick nicht möglich sei; aber er denke, die sächsischen Truppen würden, wenn man sie verstärke und mit der Landmiliz vereinige, im Stande sein, die wichtigen Plätze und Pässe besonders an der Elbe so lange zu behaupten, bis er Hülfe schicken könne 30. Sept. 1633; Abschrift im Archiv zu Magdeburg.. Das war die allgemeine Erwartung. Arnim versichert, die Kaiserlichen seien nicht so vollkommen im Besitz des Uebergewichts, daß sich nichts gegen sie ausrichten lassen sollte. Um die sächsischen Gebiete zu schützen, rückte er mit dem größten Theil seiner Truppen dahin ab. Er pries sich glücklich, noch zur rechten Zeit dafür angekommen zu sein: »mochte nur die Sache indeß auch im Reiche nicht unglücklich gehen« Schreiben aus Bischofswerda, 9. October..

Die Schweden in Schlesien scheinen den Bruch des Stillstandes sogar gern gesehen zu haben. Sie glaubten, während Wallenstein mit Arnim und den Sachsen schlage, würden sie sich der sämmtlichen Oderpässe bemächtigen, ihre Quartiere in Niederschlesien besser einrichten und nach Oberschlesien hin erweitern, vielleicht nach Böhmen vordringen können; zunächst legten sie Hand an, um ihr Lager, das sie bei Steinau aufschlugen, zu befestigen. Aber eben gegen sie waren wie die politischen so die militärischen Absichten Wallensteins gerichtet. Er ließ die Sachsen nur durch seine leichte Reiterei, die Kroaten, verfolgen und wandte sich mit seiner Hauptmacht unerwartet, in starken Tagemärschen vorrückend, gegen die Schweden. Er kam über sie, ehe sie ihre Verschanzungen errichtet hatten. Sein Reitergeneral Schaffgotsch warf die Schweden, die den Paß bei Köben inne hatten, auseinander; als dann ein Theil der bei Steinau versammelten Truppen sich gegen ihn wandte, schlug er auch diese in die Flucht; hierauf erschien Wallenstein selbst mit seinem Fußvolk und einem sehr zahlreichen Geschütz vor dem Lager. Bei diesem Anblick verzweifelten die Offiziere und Soldaten. Als der General die Geschütze gegen ihre schwachen Verschanzungen richtete und ihnen zugleich anbieten ließ, ihnen Leben und Freiheit zu gönnen, wenn sie sich unterwerfen wollten, schlossen sie – denn an Widerstand konnten sie nicht denken –, ihren Accord mit ihm und legten ihre Fahnen nieder. Die Gemeinen traten meistens in die kaiserliche Armee ein; die höheren Offiziere, die das nicht thun wollten, hielt Wallenstein so lange in Gefangenschaft – er behauptete, vermöge des Accords das Recht dazu zu haben –, bis ihre Plätze in Schlesien an ihn übergegangen sein würden. Zunächst fiel Liegnitz in seine Hand; den Schweden, die in Glogau waren, ließ er drohen, einen ihrer Obersten, den er bei sich hatte, vor ihren Augen aufhängen zu lassen, wofern sie einen Schuß thun würden, worauf der Platz, der sich ohnehin nicht hätte halten können, ihm durch Capitulation überliefert wurde.

Ein plötzlicher Schlag, welcher der Welt bewies, daß der alte Friedländer noch lebe und dem, was man gesagt hatte, zum Trotz die Sache des Kaisers mit aller seiner Geschicklichkeit und Energie vertheidige. Welch einen Eindruck dies Ereigniß über Norddeutschland hin machte, sieht man daraus, daß Sten Bielke, der als schwedischer Legat in Pommern stand, auf der Stelle überrannt zu werden fürchtete. Er traf einige Vorkehrungen zur Bewaffnung des Landes. Hauptsächlich suchte er sich der Warte zu versichern: Landsberg wurde nach Kräften in Vertheidigungsstand gesetzt. Aber den Kaiserlichen, welche Frankfurt a./O. ohne Mühe eingenommen, gelang es durch Einverständniß mit den Polen, die Warte an einer andern Stelle zu überschreiten. Als die Schweden die Feinde in ihrem Rücken sahen, gaben sie die Stellung auf, ohne auch nur den ersten Kanonenschuß zu erwarten. Die Kroaten durchstreiften hierauf die Mark und Pommern aufs neue.

Seinerseits nahm Wallenstein, der von Steinau nach der Lausitz ging, in denselben Tagen Görlitz und Bautzen ein, das erste mit Sturm, das zweite in Folge der Furcht, welche die gräßlichen Ereignisse, die diesen Sturm begleitet hatten, zu erwecken nicht verfehlten. In wenigen Tagen hatte er die größten Vortheile errungen. Die österreichischen Erblande in ihrem früheren Umfang waren wieder in seinen Händen, die Schweden aus Schlesien verjagt, wie einst die Dänen: sie fürchteten jetzt für die Seeküste; auch über den beiden Churfürsten schwebte der Schrecken seiner Waffen.

Mit weit größerer Aussicht auf Erfolg konnte er nun seine alten Anträge an die Churfürsten erneuern. Den Churfürsten von Brandenburg ließ er auffordern, mit den sächsischen zugleich seine Truppen unter sein Commando zu stellen, um den Frieden in Deutschland auf der Grundlage des Zustandes vor dem Kriege, wie er unter Kaiser Matthias Statt gefunden, und der religiösen Gleichberechtigung zu erneuern »Zur Restabilirung des Religion- und Profanfriedens, wie derselbe tempore Rudolphi, Matthiae, und dann bei jetziger Kaiserl. Majestät vor diesem entstandenen Unwesen – das Jahr bleibt unbestimmt – Kais. Regierung sich befunden gegen diejenige, so denselben ferner zu turbiren abstiniren.« So lautet, den archivalischen Texten gleichförmig, eine brandenburgische Mittheilung bei Chemnitz II, 273.. Er fußte dabei auf die seit ein paar Monaten gewechselten Vorschläge. Georg Wilhelm war sehr dagegen: denn die Absicht sei nur dahin gerichtet, den Churfürsten ihre eigenen Waffen aus den Händen zu nehmen und sie mit der Zeit zu unterjochen. Er wünschte die Meinung Johann Georgs von Sachsen darüber zu hören. Wie dieser im Momente gedacht hat, erhellt nicht so deutlich. Denn an der Verbindung mit Schweden war ihm weniger gelegen; und er wußte wohl, daß die angetragene Verpflichtung gegen Alle, die sich dem Frieden widersetzen würden, nicht allein gegen die Schweden, gemeint war. Im Hauptquartier zu Görlitz wurden die Unterhandlungen wieder angeknüpft; selbst Eggenberg in Wien hielt sie eines Tages für abgeschlossen.

Wallenstein nahm noch einmal eine grandiose Stellung ein.

Er war militärisch Meister des östlichen Norddeutschland, an der Spitze einer Armee, welche in unverbrüchlichem Gehorsam gegen ihn gehalten, auch durch neue Waffenthat an seinen Namen geknüpft wurde. Um so fester hielt er an dem einmal gefaßten Plan, das Reich in seine früheren politischen und religiösen Zustände herzustellen und gegen alle Feinde selbständig zu organisiren.

Damals sah es aus, als würde sich auch auf dem süddeutschen Kriegstheater alles in entsprechender Weise gestalten.

Daß Wallenstein seine Einwendungen gegen das Vorrücken der spanischen Truppen fallen ließ, wiewohl immer mit dem Vorbehalt des eigenen Generalcommandos – unter anderem sollte sein Generallieutenant Gallas den spanischen Heerführern im Rang vollkommen gleich sein –, hatte die besten Wirkungen. Feria erschien mit 12,000 Mann; unter kaiserlicher Zustimmung verband sich Aldringer mit den Spaniern; den Vereinigten, zu denen auch der Churfürst von Baiern seine Reiterei stoßen ließ, gelang es dann, die beiden wichtigsten Plätze, mit deren Belagerung die protestantischen Kriegsheere eben beschäftigt waren, Constanz und Breisach, glücklich zu entsetzen. Vor allem auf Breisach kam es an, das, von zwei Seiten berannt, sich aus Mangel an Lebensmitteln hätte ergeben müssen, wenn nicht noch zur rechten Zeit die Hülfe erschienen wäre. Man behauptete, es sei von den Schweden bereits an die Franzosen verhandelt: welch ein Vortheil würde für Frankreich darin liegen, wenn es sich dieses unter den Conflicten jener Zeit in der That überaus wichtigen Platzes bemächtigt hätte; ihre Absicht gegen das deutsche Reich würde sich dann unmittelbar verwirklicht haben. Wallenstein wollte auch den oberdeutschen Krieg in seiner Hand behalten. Er schickte einige Hülfe unter Gallas, dem er auch deshalb den höheren Rang in der Armee verlieh, damit Aldringer demselben gehorchen solle, und kündigte an, demnächst persönlich folgen zu wollen, um die Lande des Kaisers und der gehorsamen Fürsten zu beschützen 3. Nov. Görlitz. »Allermaaßen ich selbst einen Zug hinauf würde zu nehmen und was Ihro Maj., dann dero getreuen Chur-Fürsten, insonderheit I. L. angehörigen Landes Rettung und Wohlstand erfordert, zu Werth zu setzen mir angelegen sein lassen werde.« Bei Aretin, Baierns auswärtige Verh. 327.. Für den Augenblick, meinte er, habe man in Oberdeutschland Truppen genug, um sich behaupten zu können, zumal der Herzog Bernhard bereits im Heranzug nach Sachsen hin begriffen sei So stellte man im December 1633 im geheimen Rathe von England vor: che qualche avantaggio in che s' erano posti Imperiali per il successo di Volestain in Silesia e di Feria in Alsatia havesse alterato il corso delle occurrenze. Gussoni, Dispacci d' Inghilterra 9. Dec..

Und allerdings schien Bernhard dem bedrängten Stammesvetter und den thüringisch-sächsischen Landen Beistand bringen zu wollen. Plötzlich aber nahm er eine andere Richtung; durch Oxenstierna's Fürsorge verstärkt, in der wohlbedachten Absicht, zu Gunsten Sachsens eine Division hervorzubringen, versuchte er sein Glück aufs neue an der Donau: nachdem er den Paß von Neuburg eingenommen, rückte er zu einer entscheidenden Unternehmung vor. Soeben waren Donauwörth und Eichstädt dem Feinde in die Hände gefallen, und sehr in der Nähe hielt sich Johann von Werth; aber das hinderte Bernhard nicht, am 3. November vor Regensburg zu erscheinen, welches nur ungenügend besetzt und nicht im Stande war, sich lange zu vertheidigen. Dem Herzog kam es zu Statten, daß der feindliche Oberst gleich im Anfang schwer verwundet wurde. Die vornehmste Hülfe aber leistete ihm die Stadt Nürnberg, welche das Heer mit Munition und Pulver versah; nach einem heftigen und wirksamen Feuer, als alles zum Sturme fertig war, capitulirte die Garnison (14. November). Die katholischen Geistlichen verließen die Stadt oder mußten sie verlassen; in Gegenwart des Herzogs, seines Hofhaltes und der Armee wurde der evangelische Gottesdienst im Dom abgehalten.

Es läßt sich nicht beschreiben, welchen Eindruck nun wieder dies Ereigniß in aller Welt hervorbrachte.

In einem seiner Briefe sagt Bernhard: dies Unternehmen sei das schleunigste, sicherste und fast einzige Mittel gewesen, den ins Sinken gerathenen evangelischen Staat wiederherzustellen. In demselben Grade aber war das Gelingen desselben für die katholische Sache nachtheilig; nicht allein Baiern, wie vor Augen liegt, sondern auch Oesterreich waren dadurch bedroht, wie sich denn die Truppen Bernhards sofort gegen Vilshofen und Passau in Bewegung setzten. In Wien fühlte man sich unmittelbar gefährdet und forderte Wallenstein mit stürmischer Ungeduld auf, sich mit aller seiner Macht gegen die Donau zu wenden und den Feind aus der genommenen so höchst bedeutenden Position zu verjagen.

Wallenstein schrieb den Unfall der Unvorsichtigkeit Feria's und Aldringers zu, welche wohl hätten bemerken können, wohin sich Herzog Bernhard, der sich von dem ihnen gegenüberliegenden Heere absonderte, wenden würde. Er hatte diesen Irrthum eigentlich selbst getheilt: der unerwartete Erfolg, der daraus entsprungen war, betraf ihn in so fern selbst, als die Schweden, in denen er die vornehmsten Gegner seines Friedens sah, zu einem Uebergewicht in Süddeutschland gelangten, das seinem allgemeinen Ansehen Eintrag thun mußte. Und den Kaiser durfte er nicht durch sie gefährden lassen. Er versprach ihm, noch vor dem Beziehen der Winterquartiere dem Herzog von Weimar den gewonnenen Vortheil zu entreißen. Er wollte ohne schweres Geschütz herbeieilen: das werde ihm der Churfürst von Baiern geben: der möge nur sein Kriegsvolk indessen zusammenhalten.

Ohne Zeitverlust machte er sich auf; sein Marsch ging durch den Leitmeritzer Kreis über Rakonitz nach Pilsen, wo wir ihn gegen Ende November finden. Er traf dort mit dem Grafen Trautmannsdorf zusammen, dem er vorstellte, warum er sehr ansehnliche Heeresabtheilungen in der Mark und in Schlesien habe zurücklassen müssen; hier namentlich neige sich alles auf die Seite des Feindes; aber auch auf Arnim, der dreimal stärker sei, habe er Rücksicht zu nehmen. Die Disposition der doch noch immer sehr ansehnlichen Macht, die er heranführte, war nun die, daß ein Theil derselben im Kreise Pilsen bleiben sollte, um gegen einen Angriff Arnims zur Hand zu sein; einen andern Theil schickte er unter dem General Strozzi unmittelbar dem Herzog von Baiern zu Hülfe; mit den Uebrigen, 100 Compagnien der besten Reiterei, ungefähr 4000 Pferden, einem kleinen, aber ausgesuchten Haufen Fußvolkes, Kroaten und Dragonern und einigen kleinen sechspfündigen Feldstücken brach er den andern Morgen, 28. November, gegen Straubing zu auf, um eine Cavalcade gegen Herzog Bernhard zu unternehmen. Er hatte den Plan seinen Obersten vorgelegt, die ihn billigten und vor Eifer brannten, ihn auszuführen.

Der General selbst hatte kein rechtes Herz zu der Fortsetzung des Krieges. Er sagte dem Grafen: wenn der Kaiser noch zehn Siege erfechte, werde er dennoch nichts erreichen; eine einzige Niederlage oder, wie er sich ausdrückte, eine Schlappe werde ihn vernichten Der Brief Trautmannsdorfs, mitgeteilt in der österreichischen militärischen Zeitschrift 1812, Heft I, war eigentlich das erste Actenstück, das auf die Falschheit der bei Khevenhiller mitgetheilten Relation ein grelles Licht warf..

Am 30. November traf er dann in Furt ein; – aber indeß war die Lage schon so weit verändert, daß Straubing in die Hände der Schweden gefallen und die militärische Richtung der weimarischen Truppen wieder eine andere geworden war.

Ursprünglich hatte Bernhard seinen Zug die Donau abwärts fortzusetzen und Passau einzunehmen gedacht, aber dann überlegt, daß der Feind, wie es auch die Absicht war, sich in seinem Rücken vereinigen und ihn von Regensburg abschneiden könne, er fand es rathsam, vor allen Dingen das Erworbene zu behaupten. Er wußte, daß Wallenstein gegen ihn heranrücke, und hatte den Ehrgeiz – denn er fühlte, daß er demselben gewachsen sein werde –, mit ihm zu schlagen. Für die weitere Kriegsführung Wallensteins war es nun die zunächst vorliegende Frage, ob das nahe Cham, das eine wiewohl nur schwache feindliche Besatzung hatte, belagert werden solle oder nicht. Die Obersten waren dafür, da sie die Sache für leicht ausführbar hielten: sie stellten die Möglichkeit, daß Herzog Bernhard zum Entsatz herbeikomme, nicht in Abrede; aber sie meinten ihn im Felde bestehen zu können. Der General selbst war entfernt davon, diese Meinung zu theilen. Er bemerkte, daß er zu einer Belagerung weder Infanterie noch Geschütz habe, und daß die Armee in diesen Gebirgen, wo eben der strengste Winter eintrat und für keine Lebensmittel gesorgt war, nicht auszuhalten vermöge Lettera del Conte del Maestro, bei Aretin: Wallenstein, Anhang Urk. nr. 24. E ben vero, che la stagione è tanto crudele, che non si può stare in Campagnia.. Statt zur Belagerung zu schreiten und sich einem Zusammentreffen mit Herzog Bernhard auszusetzen, hielt er für gut, nach Böhmen zurückzugehen und dort sein Winterquartier zu nehmen.

Man hat damals und später fast ohne Widerspruch angenommen, der Beweggrund dazu sei der Widerwille Wallensteins gegen Maximilian von Baiern gewesen, dem die Wiedereroberung Regensburgs unmittelbar zu Statten gekommen wäre. Das Wahre daran ist, daß die Schwächung dieses Fürsten, der das dem General von jeher feindselige Prinzip der Liga und der Restitution der Kirchengüter darstellte, ihm nicht eben unangenehm sein konnte. Aber er mußte sich auch hüten, ihn zu veranlassen, sein Heil in einem Bund mit Frankreich und einer Abkunft mit den Schweden selbst zu suchen. Mit den Schweden hatte er vollkommen gebrochen; gerade über sie war sein letzter großer Sieg erfochten worden, was sie auf das bitterste empfanden: nichts hätte ihm erwünschter sein können, als ihnen an der Donau einen Streich zu versetzen, wie dort an der Oder. Welch ein Vortheil hätte für ihn darin gelegen, wenn er durch Wiedereroberung von Regensburg das Uebergewicht der Waffen auch in Oberdeutschland wieder errungen hätte: der Churfürst von Baiern wäre dann selbst von ihm abhängig geworden und hätte um so weniger einen Vertrag mit Frankreich eingehen können; die alt-österreichischen Erblande an der Donau hätten ihm die Rettung verdankt, er hätte seine Position nach allen Seiten hin verstärkt.

Man darf ohne Bedenken behaupten, daß ihn vor allem Andern militärische und strategische Gründe zu seinem Entschluß bewogen haben. An dem Besitz von Cham lag so viel nicht; wie aber, wenn die Besatzung, die sich auf das entschlossenste aussprach, doch längeren Widerstand leistete, als man erwartete, und inzwischen der brave Herzog Bernhard herbeigekommen wäre, um es zu entsetzen, und die kaiserliche Armee, die schon zu leiden anfing, angegriffen hätte Nach Antelmi bemerkte er: » l'impossibilità di tener sopra la neve ed il ghiacciu la sua gente in campagna lungamente mentre di già ominciava essa a soccomber sotto il rigore dei primi disaggi? Entscheidend war es für Wallenstein, daß die militärische Combination, um deren willen er seinen Marsch ungewöhnlich beschleunigt hatte, unausführbar geworden war; nun dennoch an ein untergeordnetes Unternehmen zu gehen und sich dabei dem zweifelhaften Glück einer Feldschlacht auszusetzen, würde seiner Strategie überhaupt entgegengelaufen sein: das Heer und dadurch der kaiserliche Staat selbst würde dabei haben zu Grunde gerichtet werden können. Viel besser: die Armee in ihrem Bestand zu erhalten und einen Einbruch in die Erblande zu verhindern. Passau und Oberösterreich hielt er durch die dahin abgegangenen Regimenter für hinreichend geschützt. Wie leicht andernfalls bei dem Wechsel der Ereignisse, daß die Aufforderung der Schweden bei den Sachsen Gehör gefunden und sie zu einem Einfall in Böhmen bewogen hätte! Selbst bei einem glücklichen Erfolg gegen Bernhard würde Friedland nach Böhmen zurückgegangen sein, um Sachsen und Schlesien im Auge zu halten, wo der Boden noch immer bebte. Wo wäre dann bei dem ersten Unfall, den er erlitt, vollends jene Abkunft mit den Churfürsten von Sachsen und Brandenburg geblieben? Aus dem Zwiegespräch mit Trautmannsdorf sieht man, daß er sein Augenmerk auf den Abschluß des Friedens, in dem er eine Nothwendigkeit sah, und auf seinen Antheil an demselben zugleich mit den Commissaren des Kaisers gerichtet hatte. Dem Churfürsten von Baiern sagte er zu, sobald die Jahreszeit es erlaube, im Felde zu erscheinen, um den eingedrungenen Feind zu verjagen.

In den ersten Tagen des December finden wir ihn wieder in Böhmen, wo er die Truppen, ohne viel zu fragen, auf die verschiedenen Kreise nach seinem Gutdünken verlegt.

Darüber erwachte nun aber die Antipathie und Afterrede der Gegner in verdoppelter Stärke.

Alle Welt hatte an dem schlesischen Feldzug des Generals Anstoß genommen, Jedermann wußte zu sagen, wann und wo er dem Feind überlegen gewesen, ohne seinen Vortheil zu benutzen: er habe sich auf Unterhandlungen eingelassen, die nur zum Vortheil des Feindes ausgeschlagen und ohne Resultat geblieben seien. Seine pacificatorische Mission war den meisten ein Geheimniß. Wenn seine Absicht dahin gerichtet war, ein militärisches Uebergewicht zu gewinnen, um die Feinde zur Annahme seiner Bedingungen zu nöthigen, so begriff man nicht, warum er es nicht benutzte, um sie zu Grunde zu richten.

Diese Verstimmung bekam durch ein schon berührtes dienstliches Verhältniß noch eine besondere Bedeutung.

Von dem größten Vortheil war es für Wallenstein während seines ersten Generalates gewesen, daß damals Collalto, ein Freund von alter Zeit, der in der Hauptsache einverstanden war, als Hofkriegsrathspräsident an der Spitze der militärischen Verwaltung stand und ihn in allem, was er vornahm, unterstützte. Bei seinem zweiten Generalat war das Gegentheil der Fall. An der Spitze des Hofkriegsraths stand Graf Schlick, derselbe, der in dem Kriege gegen Dänemark eigentlich die entscheidenden Schläge ausgeführt hatte. Er konnte schon damals als der Nebenbuhler des friedländischen Ruhmes gelten und nahm nach der Hand eine abgesonderte und selbständige Stellung ein. Vor Wallensteins zweiter Ernennung war Graf Schlick dazu bestimmt, mit dem König von Ungarn, dem damals die Heerführung anvertraut werden sollte, zu Felde zu gehen. Sehr ernstlich ist davon die Rede gewesen; Schlick hatte eingewilligt und sich bereits zu dem Feldzug fertig gemacht, als durch Eggenbergs Vermittelung Wallenstein nochmals bewogen wurde, die Heerführung anzunehmen. Ohnehin gehörten Schlick und Wallenstein zwei verschiedenen Richtungen an, wie diese den Hof überhaupt theilten; auch in der Religion war Schlick unwandelbar katholisch. Förderlich konnte es für Wallenstein nicht sein, daß Schlick im Jahre 1632 mit dem Präsidium im Hofkriegsrath betraut ward. An sich war er für diese Stelle sehr geeignet. Er war der Kriegswissenschaften, denen er sich inmitten seiner Feldzüge in den Niederlanden gewidmet hatte, in ihrem damaligen Umfang kundig und besaß ein unvergleichliches Gedächtniß für Localitäten und Persönlichkeiten. Man rühmte ihn, daß Niemand besser den Werth und das Talent der Offiziere zu unterscheiden gewußt habe Khevenhiller, Conterfet II, 114..

Zwischen dem Hofkriegsrathspräsidenten, der die Ansprüche seiner Stellung geltend machen wollte, und einem General, der sich Unabhängigkeit von jedem fremden Einfluß ausbedungen hatte, konnte der Natur der Sache nach kein Verständniß obwalten. Wir erwähnten den Besuch, den Graf Schlick im August 1633 in dem Feldlager Wallensteins in Schlesien machte, die Differenz, die damals zwischen ihnen eintrat, und den gutachtlichen Bericht, den Schlick nach seiner Rückkehr an den Kaiser erstattete. Er gab demselben Nachricht von den weitaussehenden Entwürfen, mit denen man dort umging. Gott solle ihn behüten, sagt er, daß er darum an der Treue des Generals zweifle; aber durch seine unsicheren, hochfliegenden Anschläge könne doch eine ähnliche Gefahr herbeigeführt werden, als wenn er treulos wäre. Er habe dadurch einen unersetzlichen Zeitverlust veranlaßt, so daß die geistlichen Fürsten im Reich in Verzweiflung, die Erblande in die äußerste Besorgniß gerathen seien. Den größten Nachdruck legte er mit Recht darauf, daß man Lothringen so wenig gegen Frankreich unterstütze, wie vor Kurzem Savoyen. Seine Klagen waren jedoch verhallt, als der große Schlag bei Steinau erfolgte und Breisach entsetzt wurde: auf den beiden Kriegstheatern waren die Ereignisse unter der Oberleitung Friedlands glücklich gegangen. Da traten die Gefahren von Herzog Bernhard ein. In Wien hätte man gewünscht, daß Wallenstein auf der Stelle nach Franken gekommen wäre, um daselbst die Winterquartiere zu nehmen und zugleich die Schweden zu beschäftigen: Regensburg würde dann nicht verloren gegangen sein So Osiate in einem ausführlichen Bericht vom 27. November.. Daß er aber darauf keine Rücksicht genommen hatte und nun auch die Stadt in Feindes Händen ließ, gab allen Beschwerden gegen ihn ein neues Leben und dem Hofkriegsrath Anlaß sich zu regen.

Die Differenz betraf zunächst die Winterquartiere, welche Wallenstein in Böhmen aufschlug.

Der Hofkriegsrath gab einen Plan an, nach welchem »der Exercitus anderwärts mit besserer Commodität überwintern könne, zu Abbruch des Feindes und längerer Schonung dieser Lande«. Er brachte eine Ausdehnung der Quartiere von der Mark bis nach Thüringen in Vorschlag.

Wallenstein hielt für gut, den Plan und die Weisungen seinen Obersten vorzulegen. Sie erklärten sich mit dem größten Eifer dagegen. Denn die angewiesenen Plätze würde man erst erorbern müssen; dabei werde die Armee zur Verzweiflung gebracht und Böhmen, wenn dann ein feindlicher Einfall geschehe, erst wahrhaft zu Grunde gerichtet werden.

Die Sache ist sehr einleuchtend; Wallenstein ergriff die Gelegenheit, den Forderungen des Hofkriegsrathes das Gutachten seiner Obersten entgegenzusetzen; denn mit dem Kaiser, in dessen Namen die Befehle ergingen, zu rechten vermied er soviel als möglich.

Noch einen andern Antrag aber hatte man von Wien aus an ihn gestellt, und zwar im engsten Einverständniß mit dem Churfürsten von Baiern. Man muthete ihm an, nun doch noch auf Herzog Bernhard loszugehen und über die Donau vorzudringen. Auch diese Forderung, die der General zugleich mit der andern den Obersten vorlegte, wurde von ihnen verworfen: denn der Herzog habe Regensburg und andere wohlgelegene Orte zu beiden Seiten der Donau inne, so daß er ihn nicht zum Schlagen bringen könne; das kaiserliche Heer werde keine festen Posten, keine Lebensmittel haben; Roß und Mann würden unfehlbar umkommen. Man dürfe, sagten sie, den Vorschlag gar nicht vor den gemeinen Mann kommen lassen, es würde ein allgemeiner Aufruhr daraus erfolgen. Die Obersten erinnerten den Kaiser an ihre Hoffnung auf Erstattung geleisteter Vorschüsse, den rückständigen Sold und was dem mehr ist: man werde sie nicht zur Desperation treiben wollen.

Zwischen dem Hofkriegsrath und dem Feldlager stellte sich ein sehr gespanntes Verhältniß heraus, das bereits in einzelnen Momenten als offener Streit über die höchste militärische Autorität erschien. Einem der Feldobersten, Suys, gab man von Hof aus Befehle, denen er nachkommen müsse, wenngleich ihm von anderer Seite andere Ordonnanzen zukämen; als solche nun doch eintrafen, gehorchte Suys dem General und nicht dem Kaiser. Es folgte ein sehr ungnädiges Schreiben an Wallenstein, worin der Kaiser die Abberufung des Suys und seine Ersetzung durch einen Befehlshaber verlangte, welcher dem kaiserlichen Befehl mit größerer Discretion nachlebe: sonst werde er zu Bezeigungen gedrungen werden, an welchen sich Andere würden zu spiegeln haben.

Ein Verhältniß zwischen dem General und der obersten Kriegsbehörde am Hofe, welches in den höchsten Kreisen den Gehorsam zweifelhaft machte und die Disciplin auflöste, ganz im Widerspruch mit der bisherigen Ordnung der Dinge. Dem General wurde die Unabhängigkeit der Leitung, die er bisher besessen hatte, das ihm zugestandene absolute Generalat der Armee bestritten. Was zunächst als eine Frage des Dienstes erschien, hatte doch noch tiefere Ursachen in der Stellung der Parteien, deren Einwirkungen gegen einander anstritten, und eine allgemeine Bedeutung für den Staat so wie den Krieg. Ohne anderweiten Rückhalt hätte der Hofkriegsrath seinen Widerspruch gegen den General niemals gewagt; aber auch dieser hatte noch einen mächtigen Rückhalt, vor allem in der Ergebenheit seiner Armee.

Fassen wir hier das Verhältniß, auf das Wallenstein sich stützte, und dann den Gegensatz, der sich gegen ihn bildete, noch einmal ins Auge.


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