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Fünfzehntes Capitel.
Katastrophe Wallensteins.

Unter den kleinen Meisterstücken der französischen Historiographie druckt man noch immer ein Fragment von Sarasin, einem Zeitgenossen, über die Verschwörung Wallensteins. Es beginnt mit einem Prachtstück von Charakteristik, in welchem die Ostentation und Extravaganz Wallensteins als absichtlich, seine Freimüthigkeit selbst als berechnet betrachtet wird, um damit Andere zu täuschen: er habe die Absichten Anderer immer klar durchschaut und die seinen mit Geschicklichkeit auszuführen gewußt. Ich weiß jedoch nicht, ob man nicht gerade die letzte Eigenschaft an Wallenstein vermissen dürfte. Die Anschläge seiner Gegner hat er zwar im Allgemeinen gekannt, aber nicht im Einzelnen durchschaut noch gewürdigt; er würde ihnen sonst nicht so leicht erlegen sein. Er lebte nur immer in seinen großen Entwürfen, in denen sich allerdings das öffentliche Interesse mit Privatabsichten mischte, aber, wenn wir ihn nicht mißverstehen, diese überwog, mit einer Zuversichtlichkeit, die ihn selbst verblendete. Man muß nur beklagen, daß die Absichten, die er gefaßt hatte, nicht von allen falschen Zuthaten rein gehalten und mit größerer Umsicht und Feinheit verfolgt wurden. In dem Verhältniß zu seinen Generalen zog Wallenstein nur in Betracht, wie viel persönliche Dankbarkeit sie ihm schuldig waren, aber nicht, daß sie in ihrer Lage und in anderweiten Beziehungen einen Antrieb haben konnten, sich ihm zu widersetzen. Viel zu viel rechnete er auf jene Reverse, bei denen immer auch die Möglichkeit einer Verständigung vorausgesetzt wurde, mit denen er die Obersten nicht fesselte und den Kaiser doch beleidigte. Ihm selbst und seinen Freunden kamen die Patente, nach denen man seinen Befehlen nicht mehr gehorchen sollte, unerwartet. Die Obersten, welche am 20. Februar in Pilsen beisammen gewesen waren, hörten davon auf den ersten Stationen ihrer Heimreise; einige von ihnen eilten zurück, um den General selbst zu befragen, wie es sich damit verhalte; sie meinten noch, es sei nur ein Streit zwischen ihm und seinen Generaloffizieren. Er sagte wohl, er könne nicht glauben, daß der Kaiser die Patente dieses Inhalts gegen ihn erlassen habe.

War es aber so, wie es sich denn nicht länger mehr bezweifeln ließ, so war er auch darauf gefaßt.

Die Vereinigung der Truppen auf dem weißen Berge gab er auf, da sie dort unmöglich geworden war; aber er ordnete eine andere an, die in Laun stattfinden sollte. Da sollte jedes Regiment das Standquartier nehmen, das ihm Terzka anweise; die Obersten sollten sich in Eger, wohin er selbst zu gehen beschlossen habe, bei ihm vorstellen. Aus den für sie bestimmten Befehlsschreiben sieht man, wie ganz er seine Gesichtspunkte und Ideen noch festhielt. Er führte ihnen zu Gemüthe, daß er nichts gegen den Dienst des Kaisers zu unternehmen gedenke. Mit größtem Befremden vernehme er, daß einige Generalspersonen, um die er es nicht verdient habe, bemüht seien, die Truppen von dem Gehorsam gegen ihn abwendig zu machen. Er bestand darauf, daß ihm derselbe ausschließlich gebühre, wenn auch der Kaiser eine unverdiente Ungnade auf ihn geworfen haben sollte. Und was könne aus der Entzweiung der Armee anderes erfolgen, als ihr Untergang, der Vortheil der Feinde, der Verlust der kaiserlichen Lande? Er forderte sie auf, sich durch keinen Menschen in der Welt abhalten zu lassen, ihre Regimenter nach Laun zu führen und persönlich in Eger zu erscheinen: man erwarte, daß sie ihre Schuldigkeit thun würden Originalschreiben im Archiv zu Wien, mit einem für das Datum freigelassenen Raum; noch verschieden von denen, die bei Hurter excerpirt sind; jetzt mitgetheilt von Hallwich, Wallensteins Ende II, S. 241, N. 1087..

In einem Entwurfe zu einem zweiten Schreiben findet sich die Versicherung, daß er nicht gesonnen sei, irgend einen andern Tractat – ich verstehe, als den über den Frieden, den sie kannten – einzugehen »S. F. Gn. nit gesinnt, einzigen andern Tractaten mit dem Feindt einzugehen.« Hallwich a. a. O. S. 243..

Und so mag seine Gesinnung in der That gewesen sein; aber zugleich hatte er doch für so rathsam gehalten, nun auch die andere Seite seiner Entwürfe zur Ausführung zu bringen. Vor allem suchte er Rückhalt an den Schweden.

Noch einmal – Anfang Februar – war der alte Zwischenträger an Oxenstierna, der damals eben in Halberstadt verweilte, geschickt worden; abermals durch Bubna wurde dem Kanzler die Eröffnung gemacht, daß Wallenstein jetzt in der That im Begriff sei, von dem Kaiser abzufallen; was er aber auch sagen mochte, Oxenstierna blieb bei seiner alten Erklärung, daß er nicht mit Friedland verhandeln wolle, bevor dieser seinen Abfall offen und wirklich vollzogen habe: dann aber wollte er nicht allein zu ihm schicken, worauf man jetzt antrug, sondern selbst zu ihm kommen und einen Vergleich mit ihm treffen »wegen alles dessen, so er da ihm begehren würde, sich mit ihm vergleichen.« Bei Dvorsky, 36.. So hatte auch Herzog Bernhard auf Meldungen derselben Art geantwortet. Wallenstein möge erst das Wunder thun, d. h. seinen Abfall ins Werk setzen, dann wolle er an ihn glauben. Nun aber war bereits am 21. Februar Franz Albert mit neuen Meldungen und den dringendsten Anmahnungen in Regensburg angelangt. Er stellte die eingetretenen Verhältnisse vor, – hauptsächlich das Uebergewicht der spanischen Gesandten an dem kaiserlichen Hofe, wo nach und nach alle Räthe, einzig Questenberg ausgenommen, von ihnen abhängig geworden seien: – die Ungnade des Kaisers sei erklärt und der Herzog entschlossen, sich von ihm loszusagen. Vielen Werth legte er auf die Verpflichtungen der Obersten und bot zunächst gleichsam als das Pfand der Freundschaft die Ueberlieferung der beiden wichtigen Pässe an der Oder und Warthe, Frankfurt und Landsberg, an. Anfangs hielt Herzog Bernhard auch dann noch an sich; aber die Nachrichten, die aus den benachbarten österreichischen und bairischen Gebieten eintrafen, bewiesen ihm doch, daß man ein Ereigniß wie das bei Steinau nicht zu fürchten brauche. Von Feldmarschall Ilow traf Post auf Post mit immer präciseren Forderungen ein. Bernhard möge seine Dragoner nach Pilsen schicken, damit man sich des Platzes versichern könne, zumal da sich daselbst viel kaiserliches Geschütz befinde. Er möge die Bauern im Lande ob der Enns wieder in die Waffen bringen; die dortigen Regimenter seien gut friedländisch gesinnt, würden sich leicht mit den schwedischen verbinden und den Baiern die Spitze bieten Nach Bernhards eigenem Schreiben erklärte Franz Albert, der Herzog Wallenstein sei »nunmehr vom kaiserlichen Hofe aufs äußerste disjunctirt, das er länger zu bleiben nicht vermöchte, derhalben sich zu separiren gedrungen würde.« Bei Dudik: Forschungen in Schweden, 437. Sehr bemerkenswerth ist das dort mitgetheilte Schreiben von Chemnitz.. Und hauptsächlich nach dem Ereigniß zu Prag: es sei nun zu völligem Bruch gekommen. Bernhard möge seine Reiter und Dragoner nach Eger vorrücken lassen, um sich im Nothfall mit ihm zu vereinigen.

Wie weit entfernt war man noch von wirklichem Verständniß! Herzog Bernhard fürchtete noch immer, daß vielleicht noch Betrug – wie er sagt, ein Schelmstück – dahinter stecke, ein Angriff auf Franken, auf Nürnberg selbst beabsichtigt werde: aber es leuchtete ihm doch ein, welch ein Vortheil für ihn daraus entspringen müsse, wenn es sich so verhielt, wie man sagte. Auf beide Fälle gerüstet, setzte er sich nach Eger hin in Bewegung.

Wallenstein hatte in diesen Regionen noch eine ganze Reihe starker Grenzposten in seinen Händen: Ellenbogen, Hohenberg, Falkenau, die Königswarter Schanzen. Er glaubte, kein verächtlicher Bundesgenosse zu sein.

In Eger sollte nun auch Arnim eintreffen, der sich eben auf den Weg machte, um die Verbindung, über die er damals mit seinem Churfürsten definitive Verabredung genommen hatte, zu schließen. In der Mitte seiner Obersten dachte ihn Wallenstein dort zu empfangen, die angebahnte Vereinbarung zu Stande zu bringen, sie dem Kaiser vorzulegen und, wenn er sie verwerfe, in Verbindung mit Sachsen, mit dem er bereits übereingekommen, und mit Schweden, mit welchem er sich zu verständigen hoffte, den Weg der Gewalt zu beschreiten.

Dann aber schien noch alles möglich.

Unter den Aeußerungen Wallensteins aus dieser Zeit, die von glaubwürdigen Zeugen berichtet werden, verdienen besonders zwei eine gewisse Beachtung: die eine, man müsse der Welt zeigen, daß es Kaiser auch noch aus einem andern Hause geben könne als dem österreichischen, das sich von den Spaniern regieren lasse: die andere in Bezug auf seine persönliche Stellung. Wolle der Kaiser ihn nicht mehr als seinen General erkennen, so wolle auch er ihn nicht mehr zu seinem Herrn haben; er würde leicht einen andern Fürsten finden, dem er sich anschließen könnte; aber er wolle überhaupt keinen Herrn mehr über sich haben; er wolle selbst Herr sein und habe Mittel genug, um sich als solcher zu behaupten.

Nicht das war für ihn zunächst die Frage, ob er die Pfalz, oder vielleicht, ob er selbst die Krone von Böhmen erwerben werde. Was er soeben erfahren, erweckte in ihm den Ehrgeiz, alle Unterordnung von sich abzustreifen und eine unabhängige Stellung unter den Oberhäuptern der Welt einzunehmen. Dazu gab ihm die politische Mission, welche er einmal übernommen hatte, einen Anlaß, mit dem er sich rechtfertigen zu können meinte. War es nicht möglich, sie im Einverständniß mit dem Kaiser durchzuführen, so sollte es im Gegensatz mit ihm und dem Hause Oesterreich überhaupt geschehen.

Er ist nicht von diesem Gedanken ausgegangen; aber er ward mit einer gewissen Folgerichtigkeit dahin geführt.

Nachdem er einst zugleich als Unterthan und als großer Herr unter kaiserlicher Autorität, aber doch durch eigenen Antrieb auf seine Kosten die Waffen ergriffen hatte, mit dem größten Erfolg nach beiden Seiten hin: welche Entwürfe hatte er dann fassen können! König von Dänemark zu werden, oder das türkische Reich zu stürzen, oder nach hundert Jahren Rom noch einmal mit deutschen Truppen heimzusuchen; in Deutschland die Macht der Churfürsten und der Fürsten, namentlich das hierarchische System überhaupt, zu sprengen: alles zum Dienst des Kaisers und des Hauses Oesterreich, aber zugleich zu seiner eigenen immer steigenden Größe und Macht. Nach seinem Wiedereintritt in den Dienst dachte er diese und zugleich den Frieden im Reiche auf die Bedingung der Gleichberechtigung der beiden Bekenntnisse noch im Einverständniß mit dem Kaiser zu begründen. Und nichts wäre für die Zukunft der deutschen Nation wichtiger gewesen, als eine Ausführung dieses Planes, unter Wahrung der kaiserlichen Hoheit und der Reichsordnung im Allgemeinen. Darauf warf sich nun sein ganzer sehr persönlicher und doch auch nach dem Idealen strebender Ehrgeiz, mit dem überspannten, gegen alles Andere abschätzigen, auf die vermeinte Gunst der Gestirne gegründeten Selbstgefühl, das ihm eigen war. Die Schwierigkeiten, die ihm am Hofe erwuchsen, meinte er durch eine feste Haltung an der Spitze der Armee zu überwältigen. Es geschah ihm jedoch, daß er dabei auch mit dem dynastischen Interesse zusammenstieß, welches durch einen entschlossenen und geschickten Botschafter, in dem die Idee der spanischen Monarchie alle anderen Gesichtspunkte überwog, vertreten wurde. Wenn ihm nun unter dessen Einfluß der Oberbefehl über die Armee entzogen wurde, deren unbedingte Unterordnung unter seine Befehle die Grundlage seiner Entwürfe ausmachte, wie er sie denn eben unauflöslich an sich zu fesseln trachtete, so gerieth er, denn zurückzuweichen war er nicht gesonnen, fast mehr durch den Drang der Umstände als nach vorgefaßtem Plane auf den Gedanken, sich von der Gewalt des Hauses Oesterreich überhaupt loszureißen. Er hatte mit den Gegnern desselben, auch mit Frankreich, eine eventuelle Verbindung eingeleitet. Sollte er nun etwa im Namen dieser Macht auftreten, wie einige seiner Anhänger meinten? Dazu war nichts vorbereitet, und es hätte ihm dem deutschen Reiche gegenüber eine falsche Position gegeben. Der Muth stand ihm hoch genug, um die Gründung einer selbständigen Macht ins Auge zu fassen, welche die Gegner des Hauses Oesterreich um sich her vereinigen sollte, um es in Deutschland und in Italien zu stürzen.

Unleugbar gerieth er dadurch mit seiner eigenen Vergangenheit in Widerspruch. Denn eben durch das dynastische Interesse, die Verbindung beider Häuser seit dem friaulischen Kriege, war er hauptsächlich gefördert worden. Er hatte sich dann als den Vertheidiger der höchsten Gewalt in den Erblanden aufgestellt und die ständischen Vorrechte niedergekämpft, die er jetzt wieder zu beleben gedachte. Auf der Autorität des Kaisers beruhte alles, was er jemals gethan und ausgerichtet hatte. Noch genoß der kaiserliche Name allgemeine Verehrung: noch waren alle Die gescheitert, welche es unternommen, die erblichen Gewalten, auf denen die europäischen Reiche und socialen Zustände beruhten, anzutasten, und selbst zu Grunde gegangen. Sollte es ihm damit gelingen?

In Wien sah man das Unternehmen keineswegs als gefahrlos an.

Der Kaiser beabsichtigte, sich selbst nach Budweis zu begeben, um durch seine persönliche Gegenwart die Gefühle der Loyalität und Treue, auf die er sich jetzt vor allem stützte, zu beleben. Der König von Ungarn bat um die Erlaubniß, ihn ins Feld zu begleiten. Die Königin vereinte ihre Bitte mit der seinen, um den König von Spanien zu einer durchgreifenden Hülfleistung aufzufordern.

Der spanische Gesandte schreibt seinem König: die Veranlassung hierzu könnte nicht dringender sein. Wenn man Friedland hätte weiter fortschreiten lassen, so würde er, das sei gewiß, den Kaiser binnen eines Monats aus Deutschland verjagt haben. Und wenn er es jetzt erreichen könne, daß ein ansehnlicher Theil seiner Armee ihm folge, so werde er um so größeres Ansehen bei den Feinden haben. In den dringendsten Ausdrücken forderte der Gesandte den König zu einer außerordentlichen Beihülfe auf, »damit nicht doch noch alles zusammenbreche« Se haran meyores sus fuerzas con deminution de las del emperador, que tanto necessitava de aumentarsq. Bericht an den König, 21. Februar..

Aldringer ward mit der allgemeinen Direction der Vorkehrungen betraut. Er begab sich zunächst zu Maximilian von Baiern, der sich entschloß, seine Truppen gegen Vilshofen und Passau vorrücken zu lassen, um einem gemeinschaftlichen Angriff der wallensteinischen und weimarischen Truppen, den man fürchtete, mit gemeinschaftlicher Anstrengung Widerstand zu leisten.

Gallas sollte, dem Kaiser und dem König zur Seite bleibend, in Budweis die militärischen Anordnungen treffen; von allen Seiten zogen die Truppen nach diesem Sammelplatz.

Piccolomini war bereits in voller Thätigkeit. Ohne viele Mühe wurden die kaiserlichen Truppen Meister von Pilsen; schon kam es zu Scharmützeln zwischen ihnen und den Regimentern, die an Wallenstein festhielten.

Von Schlesien setzte sich Colloredo in Bewegung; wer nicht mit uns ist, sagt er in einem seiner Briefe, ist wider uns. Er meinte der wallensteinischen Aufstellung bei Leitmeritz in den Rücken zu kommen.

Wie unter den Anhängern Wallensteins von den Confiscationen, die man über die Gegner verhängen wollte, so war unter den kaiserlichen von nichts mehr die Rede, als von den Erwerbungen, die sie durch die Confiscation der Güter ihrer Gegner machen würden.

Einer der Oberstlieutenants Terzka's, der sich bei dem Kaiser einstellte und sein Regiment zu ihm selbst überzuführen versprach, wurde nicht allein selbst zum Obersten desselben erklärt, sondern es wurden ihm auch Schreiben an die anderen Offiziere Terzka'scher Regimenter mitgegeben, in denen man die Oberstlieutenants, welche dem Kaiser treu bleiben und ihre Soldaten eben dazu vermögen würden, zu Obersten erklärte, sowie die Oberstwachtmeister zu Oberstlieutenants Schreiben Richels vom 22. Februar. Der älteste Ritter sollte Oberstwachtmeister werden, »und da sich Ainer durch Terzky verführen lassen, wolle ihm der Kaiser völlig pardonniren.«.

Eins dieser Regimenter war es nun, in dessen Mitte sich Wallenstein begab, als er sich nach Eger wandte. Sein Astrolog hatte, so wird berichtet, in den Sternen gelesen, daß ihm eine große Gefahr bevorstehe, daß er sie aber bestehen und zu glänzendem Glück emporsteigen werde Galeazzo Priorato, der in seiner Lebensbeschreibung eigenthümlichen Nachrichten folgt, die nicht zu verwerfen sind..

Er fühlte um so weniger Besorgniß, weil die dortige Besatzung unter ein paar schottischen Offizieren stand, dem Oberstlieutenant Gordon und dem Oberstwachtmeister Leßley, beide Protestanten, deren persönliche Sympathien sich verdoppeln zu müssen schienen, wenn er sein Schwert gegen die Spanier und die eifrigste Faction der Katholiken zog. Anfangs scheinen sie einiges Bedenken getragen zu haben, ihm Eintritt in die Stadt zu gewähren; doch entschlossen sie sich dazu, wie sie später erklärten, aus Mangel an Aufklärung über die Lage der Sache. Aber General Diodati – der erste von allen, der sich auf die Seite des Hofes geschlagen hatte – versichert nicht allein, daß er Gordon unterrichtet und an seine Pflicht gemahnt habe, sondern, da Wallenstein dennoch Aufnahme in Eger fand, so erklärte er Gordon selbst für einen ehrvergessenen Verräther. Man meinte, der schottische Oberstlieutenant sei durch den calvinischen Geist verführt worden Auszüge aus den Briefen bei Mailath III, 365. Die Apologia ist in der Absicht geschrieben, auch das frühere Verfahren zu rechtfertigen..

Am 24. Februar, Nachmittags, zog Wallenstein in Eger ein: auf einer von zwei Pferden getragenen Sänfte, ohne den alten Glanz seiner Hofhaltung: mit seinen nächsten Vertrauten und einem nicht sehr zahlreichen militärischen Gefolge, und zwar einem solchen, dem er selbst nicht einmal traute. Die Dragoner des Obersten Butler, die er mit sich brachte, mußten in den Orten, wo man übernachtete, außerhalb der Thore bleiben; nur der Oberst und die Fahnen wurden in dieselben aufgenommen. Wie anderwärts, so geschah das auch in Eger.

In jenen Zeiten, in denen sich England inmitten einer streitenden Welt tiefen Friedens erfreute, war es den kriegführenden Mächten unverwehrt, in den englischen Gebieten zu werben. Protestantische Fürsten warben in Schottland, die katholischen in Irland. Kriegslustige Irländer oder Schotten suchten selbst die ihrem religiösen Bekenntniß entsprechenden Dienste auf. In Wallensteins Lager, wo man den Unterschied der Religion nicht achtete, trafen beide zusammen.

Aus dem vornehmen Geschlechte der Butler, d. i. Schenken von Irland – zu denen auch die Ormond gehören –, waren schon seit einiger Zeit wackere Capitäne bald in polnischem, bald in spanischem, bald in kaiserlichem Dienste erschienen. Einer von diesen war Walter Butler – ein jüngerer Sohn Peters von Roscrea, welcher dem jüngeren Zweige der Linie Poolestown angehörte; schon einmal in schwedische Gefangenschaft gerathen, hatte er, als er nach Zahlung einer ansehnlichen Summe frei geworden war, aufs neue Truppen für den kaiserlichen Dienst geworben Vgl. Collius Peerage IX, 73. Einige Nachrichten über Butler findet man in Carves Itinerarium: sie sind jedoch weder in Bezug auf die irische Genealogie, noch auch auf seine Kriegshandlungen genügend. Nach dem allgemeinen Ruf schilderte er ihn als virum in armis promtum, omni bellico apparatu nil potius spectantem, quam ut Imperio Romano pristinam restitueret pro virili tranquillitatem.. Eben bei Eger hatte er einst durch einen tapferen Reiterangriff das Vertrauen Wallensteins gewonnen; doch standen sie darum nicht in gutem Vernehmen; wir werden versichert, Butler, obwohl ein Fremder, habe doch ein lebhaftes Gefühl für die Hoheit des kaiserlichen Namens in sich getragen: sehr ungern machte er sich auf den Befehl Wallensteins auf, um an der angekündigten Vereinigung der Regimenter auf dem weißen Berge Theil zu nehmen; er sah davon nichts, als Unheil für sich und die Armee voraus. Er sagte, er wolle eher hundert Leben verlieren, als das Schwert gegen den Kaiser ziehen. Ein zufälliges Zusammentreffen auf der Straße von Pilsen nach Mies veranlaßte, daß er auf Wallensteins Wunsch denselben nach Eger begleitete. Aber indem er ihm folgte, war er doch mit den Generalen, die von ihm abfielen, einverstanden. Er ließ diesen sagen, Gott führe ihn diesen Weg vielleicht nur darum, damit er eine heroische That ausführe, und welche diese sei, hat er einem von ihnen, Gallas, unumwunden angekündigt. Wenn eine Gefahr eintrete, war es sein Vorsatz, gegen den Generalissimus Gewalt zu brauchen, ihn gefangen zu nehmen oder zu tödten. Nach dem Orte, wo die Ausführung der neuen Pläne versucht werden sollte, führte Wallenstein selbst den mit, der, durch Religion und Politik angetrieben, ihn zu verderben entschlossen war.

Der Beichtvater Butlers, Patrik Taaffe, der, zur Versicherung der unverbrüchlichen Treue desselben ermächtigt, sich nach Pilsen zu Piccolomini begeben hatte, empfing von diesem den Auftrag, dem Obersten zu sagen, wenn er kaiserliche Gnade und Beförderung erwerben wolle, möge er Wallenstein todt oder lebendig herbeischaffen. Der Beichtvater kam zu spät zurück, als daß diese Meldung Einfluß auf Butler hätte ausüben können; aber er fügt hinzu, Piccolomini habe ihm zugleich bemerkt, er werde das dem Obersten selbst auf einem andern Wege zu wissen thun Bericht Taaffe's bei Mailath III, 371..

Es war ein Gedanke, der, wenn man so sagen darf, schon lange in der Luft lag; er war gleich damals entsprungen, als Wallensteins Haltung bei der ersten Zusammenkunft von Pilsen seine Treue zweifelhaft machte. Die Anhänger des Hofes, in seiner Verbindung mit Spanien, sprachen, wie Navarro an Oñate meldet, den Rath aus, vor allen Dingen die Ansprüche der Truppen zu berichtigen und dann den General entweder abzusetzen, oder zu tödten Se puede licentiar o matar el general (22. Jan.).. Oñate selbst sagte nur, man müsse sich dieses Menschen auf eine oder die andere Art entledigen In poniendo lo por un camino o por un otro en estado que no puede hazer mal – –. ; doch hat es augenscheinlich denselben Sinn. Hat doch selbst der besonnene bairische Vicekanzler, als von der Gefangennehmung Wallensteins die Rede war, dagegen bemerkt, es werde leichter sein, ihn niederzumachen Schreiben bei Aretin, Urk. Nr. 36.. Auch Eggenberg widersprach ihm darin nicht. Nun aber war weder die Absetzung noch die Gefangennehmung durchgeführt worden; es schien vielmehr, als stehe ein Waffengang mit Wallenstein bevor, von dem man nicht wußte, wie wenig Rückhalt er hatte. Oñate bemerkt, man thue alles, um ihm und seinen Anhängern Widerstand zu leisten, oder dieses Feuer, indem es aufgehe, zu löschen. Man gedachte des alten Spruches, daß der Scorpion auf der Wunde, die er schlage, zerdrückt werden müsse.

Piccolomini hat sich bei seiner Weisung auf einen ihm durch eine Botschaft Oñate's zugegangenen kaiserlichen Befehl bezogen Auszug bei Hurter: Wallensteins vier letzte Lebensjahre, S. 458.. Unmöglich kann man annehmen, daß Ferdinand selbst, der es immer auf das entschiedenste mit feierlichem Nachdruck geleugnet hat, mit voller Kunde der Sache einen solchen Befehl gegeben habe. Aber in dem Getümmel der Anklagen und Besorgnisse, der leidenschaftlichen Aufregung gegen Wallenstein, ließ er der Partei der Action freie Hand gegen ihn, deren Losungswort es jetzt geworden war: Wallenstein entweder lebendig oder todt einzubringen.

Noch wußten jedoch die Schotten, denen das Commando von Eger anvertraut worden, nichts davon.

Noch einmal am Abend, auf Anlaß eines eingetroffenen und eingelassenen Couriers, welcher die kaiserlichen Patente überbrachte, hatte Friedland eine Conferenz mit dem Oberstwachtmeister. Er hielt diesen für vollkommen zuverlässig und sprach ihm ohne Rückhalt von seinen Verbindungen mit Bernhard von Weimar, mit Brandenburg-Culmbach, sowie mit Sachsen, und gab die Absicht kund, die Truppen des Herzogs Bernhard in Eger und Ellenbogen aufzunehmen. Daß es so weit gekommen sei, hatte aber Leßley doch nicht gemeint; der Anfang eines offenbaren Abfalls von dem Kaiser lag darin. Bestürzt darüber, wenigstens ganz erfüllt davon, begab er sich in die Burg zurück.

Man begreift die Verlegenheit, in welche die Offiziere geriethen.

Die Idee des Gehorsams ward auf eine harte Probe gestellt. Von dem Kaiser waren sie angewiesen, von den drei Männern, die jetzt in ihren Mauern waren, keinen Befehl anzunehmen; dennoch suchten diese sie jetzt für Anordnungen zu gebrauchen, die dem Dienst des Kaisers, den sie bisher noch vorbehalten hatten, unzweifelhaft entgegenliefen. Sie waren dem Feldhauptmann und besonders dem Grafen Terzka verpflichtet, der sie in ihre Stellen gebracht hatte. Um keinen Antheil weder für noch wider zu nehmen, geriethen sie wohl auf den Gedanken, eine Warnung nach Ellenbogen gelangen zu lassen, von Eger aber, das nicht mehr gerettet werden könne, flüchtig zu werden. Aber auch dazu war ihnen kein Raum gelassen. Am andern Morgen, 25. Februar, wurden die drei Offiziere zu Ilow geladen, bei dem sich auch Terzka einfand, und aufgefordert, im vollsten Gegensatz mit dem kaiserlichen Patent, von keinem andern, als von Wallenstein und den Seinen Befehle anzunehmen und sich unbedingt zu seinem Dienst zu verpflichten. Es war der für die Obersten entscheidende Moment. Gordon erwiderte: er habe dem Kaiser geschworen; wer spreche ihn von diesem Eide los? erst wenn dies geschehen und er wieder ein der eingegangenen Verbindlichkeiten entledigter freier Cavalier sei, der sein Glück versuchen könne, dann werde er seinen Entschluß fassen. Ilow war betroffen und schwieg. Terzka: die Herren sind Fremde im Reich, was fragen sie nach dem Kaiser? der Herzog kann und wird sie reich belohnen. Ilow erinnerte an die Undankbarkeit des Hauses Oesterreich, die eben jetzt der Herzog von Friedland erfahre. Aber durch diese Vorstellungen von Vortheil und Gewinn waren Gordon und Leßley nicht zu bestimmen, welche in den strengen Schulen von Schottland gelernt hatten, die Pflicht des Gewissens jeder andern vorzuziehen. Man hätte nicht meinen sollen, daß eben in den Fremden ohne Unterthanenpflicht der militärische Gehorsam gegen den Kriegsherrn das bewegende Motiv sein würde, den Anmuthungen des Herzogs zu widerstehen. Die militärische Unterordnung wird erst durch den Eid geheiligt.

Man schied ohne Vereinbarung, aber noch ohne Zwist von einander. Es waren die Tage der Fastnachtsschmäuse: ohne alles Bedenken luden sich Ilow und Terzka bei Gordon, der in der Burg wohnte, auf den Abend zu Gaste. Sie scheinen gemeint zu haben, ihn und die Anderen bei dem Gelage doch auf ihre Seite zu bringen.

Zugleich bekam der Oberstwachtmeister den Befehl, den andern Tag eine Versammlung der Bürger zu veranstalten und sie mit allen Mitteln der Gewalt dahin zu bringen, sich dem Herzog anzuschließen und ihm eine ansehnliche Summe Geldes zu zahlen. Die Absicht war, dort am Orte festen Fuß zu fassen, um von da zu weiteren Unternehmungen zu schreiten.

Die Frage für die Offiziere war jetzt nicht allein, ob sie sich von dem Herzog lossagen, sondern eben so wohl, ob sie sich ihm beigesellen wollten, um mit ihm gemeinschaftliche Sache gegen den Kaiser zu machen.

Auf diesem äußersten Punkt angekommen, haben sich die protestantischen Schotten dem katholischen Irländer, dem sie anfangs mit Mißtrauen begegnet waren, genähert und sich mit ihm verständigt. Sie sahen in der Anmuthung Friedlands selbst eine persönliche Gefahr. Denn wenn sie ihm gehorchten, so verletzten sie ihren Eid der Treue, ihre militärische Ehre, und machten sich einer Sache theilhaft, die ihnen an sich fremd war; wo aber nicht, so hatten sie seine und seiner Freunde Rache zu fürchten; denn er drohte nicht allein, sondern pflegte seine Drohungen auszuführen; es kostete ihm nur ein Wort, so verloren sie das Leben.

Noch einmal haben die Schotten den Gedanken geäußert, sich lieber zu entfernen; Butler verwarf denselben, weil in Abwesenheit der Befehlshaber die Stadt für den Kaiser verloren gehen müsse. Man kam darauf, den General-Herzog gefangen zu nehmen; aber das hatte doch auch mancherlei Bedenken. Wie leicht, daß zwischen den Compagnien der Obersten und den unerschütterlichen Anhängern Wallensteins ein Tumult ausbräche, während dessen der Feind in die Stadt eindringen könnte! Leßley wird als ein langer, hagerer, schweigsamer Mann mit dem Ausdruck des Nachdenkens auf der Stirn geschildert cogitabundo, wie der toscanische Bericht sagt.; die Spanier hatten ihn nie geliebt; dagegen besaß er das volle Vertrauen Friedlands: eben in ihm aber vollzog sich zuerst der Entschluß zu seinem Verderben. Indem man die dringenden Umstände, die Zweifellosigkeit und Gefahr des Abfalles erwog, brach Leßley, in dem steigenden Eifer der Erwägungen, in die Worte aus: laßt uns sie tödten, die Verräter! Butler, der bis dahin an sich gehalten hatte, war glücklich, die Absicht, die er im Sinne trug, von fremder Lippe zu hören. Gordon sträubte sich eine Weile, endlich aber trat er bei. Die drei Offiziere erinnerten sich des Sprichwortes, daß man nur die Todten nicht zu fürchten brauche: sie zogen, wie sie sagen, in Betracht, daß nur auf diese Weise das hochlöbliche Haus Oesterreich »wahrhaft und stracks gesichert werde«.

Gordon verstand sich zu dem Gräßlichen, die Gäste, die sich bei ihm angemeldet hatten, an seiner Tafel ermorden zu lassen. Butler bot seine Irländer zu dem blutigen Werke an; dem Oberstwachtmeister der Garnison fiel die äußere Anordnung anheim. Er besetzte die Wache der Burg und auf dem Marktplatz der Stadt mit Hauptleuten, deren er sicher war. Von seinem eigenen Regiment war nur ein einziger dabei, die übrigen waren Irländer von dem Butler'schen Regiment; der Schotte machte mit den Irländern Partei und ließ ein paar Compagnien derselben in aller Eile in die Stadt kommen.

Am Abend stellten sich nun die Gäste zu dem Gelage ein: mit Terzka und Ilow kam auch Kinsky und der Rittmeister Neumann, der in den Geschäften vornehmlich die Feder führte und als der Kanzler des Herzogs gelten konnte. Sie waren bereits gefangen, als sie sich in dem Erker eines großen Saales zum Gelag niedersetzten. Doch hatten sie noch eine Stunde unbenommenen Muthes. Sie tranken Hochs auf den General und seine Intentionen, namentlich auf seine Absicht, nicht mehr Diener, sondern Selbstherr zu sein. Man war beim Nachtisch, alle Diener hatten sich entfernt; indem es über neue Hochs zum Wortwechsel kam, ließ Leßley die Zugbrücke der Burg, deren Schlüssel man ihm brachte, aufziehen und zugleich dem Butler'schen Oberstwachtmeister sagen, jetzt sei es Zeit. Der hielt sich bereits mit den sechs zur Execution ausgewählten handfesten Iren in einem anstoßenden Gemach; jetzt brach er mit den Worten: »Viva Kaiser Ferdinando« in das Speisezimmer herein, während eine Schaar anderer Irländer durch die andere Thür eindrang, die sie besetzt hielten, damit Niemand entfliehen könne. Gordon, Leßley und Butler antworteten mit entsprechendem Geschrei. Indem die Eingeladenen nach ihren Degen griffen, wurden sie bereits niedergemacht; nur von Ilow weiß man mit einiger Zuverlässigkeit, daß er sich zur Wehre setzte, er soll Gordon in diesem Augenblick zum Zweikampf herausgefordert haben Ich nehme dies an, weil es Leßley dem toscanischen Gesandten erzählt hat.; aber sie fielen alle unter den kurzen Schwertern oder langen Dolchen der Irländer. Eine Mordthat zugleich und eine Execution; denn einen autorisirten Befehl, außer etwa jener doch nur mündlich überlieferten, auch nur auf Wallenstein bezüglichen Weisung Piccolomini's, hatten die drei Offiziere nicht; es war ihr eigenes freiwilliges Werk. Aber es war die Meinung der Zeit, daß man in Angelegenheiten dieser Art, wo der Fürst sich selten deutlich erklärte, seinen Willen zugleich auslegen müsse. Das wußten sie wohl, daß sie damit der jetzt vorherrschenden Partei, die von dem spanischen Botschafter abhing, einen großen Dienst leisteten, der ihnen zum Vorteil gereichen mußte: sie entledigten den Hof seines entschlossensten und gefährlichsten Gegners. In ein paar gräßlichen Minuten war alles geschehen. Der Führer der böhmischen Emigranten, Wilhelm Kinsky, der noch die Meinung hegte, einen König von Böhmen aus ständischer Wahl hervorgehen zu sehen; der Mann der erfolgreichen Werbungen, Adam Erdmann Terzka, der damals fünf Kürassierregimenter, zwei zu Fuß und ein Dragonerregiment zusammengebracht hatte und commandirte, Sohn einer Mutter, die in ihrem Herzen nie mit dem Kaiser Frieden gemacht hatte; Feldmarschall Ilow, der in dem Gedanken lebte und webte, daß in Kurzem noch ein dreimal so starkes friedländisches Heer im Felde stehen würde, als je ein früheres; und der Rittmeister, der eine geschickte militärisch-politische Geschäftsführung mit dem tiefsten Haß gegen das Haus Oesterreich verband: sie waren mit Einem Mal, wie man sagte, vom Leben zum Tode hingerichtet und schwammen in ihrem Blute.

Auf der Burg war alles still; als der Oberstwachtmeister herausgehen wollte, ist auf ihn selbst geschossen worden, weil man meinte, er sei ein flüchtiger Rebell; diese Schüsse alarmirten die Wache am Markt: Leßley hielt für gut, ihr ihn kurzen Worten zu sagen, was vorgefallen sei; die Leute schwuren, zu dem Kaiser zu halten und für ihn zu leben und zu sterben; die Butlerischen Dragoner sprengten durch die Straßen, um jede mögliche Regung zu ersticken. Leßley verwaltete noch selbst sein Wachtmeisteramt zu dem vorgesetzten Zweck; die Ausführung überließ er den Irländern. Es wäre jetzt möglich gewesen, Wallenstein gefangen zu nehmen, und noch einmal ward das erwogen. Aber dagegen zog man aufs neue in Betracht, daß der Feind in unmittelbarer Nähe stehe und ein unglücklicher Zufall alles vereiteln könne. Es blieb dabei, daß er ebenfalls umgebracht werden müsse. Wallenstein hatte in dem ansehnlichsten Hause der Stadt Wohnung genommen; eine von außen angelegte Wendeltreppe führte zu seinen Zimmern. Diese stiegen der irländische Capitän Devereux und einige Soldaten hinauf, um das zweite blutige Werk zu vollbringen. Wallenstein hatte soeben ein Bad genommen und war im Begriff, schlafen zu gehen. Sein Mundschenk, der ihm in goldener Schale den Schlaftrunk gebracht hatte, begegnete den Hereinstürmenden und wollte ihnen empfehlen, die Ruhe des Herrn nicht zu stören. Aber ihm selbst versetzten sie eine Wunde und erhoben das Geschrei: »Rebellen!« Indem Wallenstein bei diesem Lärmen wie er war und im bloßen Hemd nach dem Fenster ging, wahrscheinlich um die Wache zu rufen, stieß der Capitän mit seinen Leuten die Thür auf und schrie ihm die Worte zu: »Schelm und Verräther!« Ob Wallenstein einen Begriff von dem hatte, was sich begab? Ob er fühlte, daß der letzte Schritt der Empörung, den er soeben gethan, die Rache der Kaiserlichgesinnten unmittelbar über sein Haupt zog? Wahrscheinlich doch, daß ihm der Zusammenhang der Dinge mit Einem Mal vor die Seele getreten ist. An einen Tisch angelehnt, die Lippen bewegend, aber ohne einen Laut von sich zu geben, spannte er die Arme weit aus und streckte seine Brust der Hellebarde entgegen, mit der ihn, gerade in die Mitte derselben treffend, Devereux erstach. Man wickelte die Leiche in ein rothes Tuch und fuhr sie in die Burg zu den übrigen Entleibten.

Noch war in der Stadt alles ruhig: die späte Stunde und ein starker Sturm, der bis Mitternacht anhielt, verhinderten die Verbreitung der Nachricht. Butlers Dragoner hielten Thore und Straßen bewacht. Am Morgen früh wurden zuerst die Offiziere der Garnison in die Burg beschieden, wo ihnen ein deutscher Cavalier – denn die Iren und Schotten wären dazu unfähig gewesen – das Vorgefallene auseinandersetzte und sie fragte, ob sie dem Kaiser getreu sein wollten, was sie denn bejahten. Dann wurden Rath und Bürgerschaft – in wie ganz anderem Sinne, als in welchem den Tag zuvor beabsichtigt worden war – zusammenberufen und in Kenntniß gesetzt: sie erneuerten ihren Schwur der Treue. Eben rückte Gallas heran, um Eger zu belagern: es war nicht mehr nöthig. Auch alle die anderen Posten an der Grenze wurden für den Kaiser gesichert. Franz Albert von Lauenburg, der ohne etwas zu ahnen herbeikam, um Nachricht von Herzog Bernhard zu bringen, wurde angehalten und dann nach Pilsen geführt, – zugleich mit den Leichen seiner ermordeten Freunde.

Merkwürdig, wie die verschiedenen europäischen Nationalitäten an diesem Ereigniß betheiligt waren. Die Schweden haben den General vorlängst zu einem Unternehmen dieser Art vorwärts getrieben; ihnen lag vor allem die Zurückführung der böhmischen Ausgewanderten am Herzen; – die Franzosen griffen in der Absicht ein, einen Umsturz des Hauses Oesterreich überhaupt hervorzubringen. Am nächsten standen die protestantischen Norddeutschen dem General: in seiner Größe sahen sie den Rückhalt, dessen sie bedurften; sonst aber beabsichtigten sie nichts, als eine Herstellung der alten Zustände, eine Verständigung zwischen den Reichsständen und ihrem Oberhaupt: den Ruin des Hauses Oesterreich wollten sie nicht. Das war nun aber einmal die Stellung Wallensteins geworden, daß die großen Interessen der Religion und Politik um ihn her einander entgegentraten. Bittere Feinde waren ihm die deutschen Katholiken, die alten Ligisten; doch würde ihnen genügt haben, ihn noch einmal und auf immer des Generalates beraubt zu sehen. Die Spanier, denen er jetzt als der Gegner ihrer Weltmacht erschien, hatten geradezu sein Verderben im Auge; in seinem Widerstreben gegen die kaiserliche Autorität sahen sie eine todeswürdige Schuld. Zu ihrer Seite standen, wie damals überhaupt, die Italiener. Sie versahen diese mit den besten Beweisstücken zu seiner Anklage und trugen das Meiste dazu bei, die großen Heerführer von dem Obergeneral abtrünnig zu machen. Die Freunde waren lau und fern, die Feinde feurig und entschieden und in unmittelbarer Thätigkeit; unter ihrem Einfluß haben, selbst ohne legale Ermächtigung, zu welcher sich der Hof nicht entschließen konnte, die fremden Soldaten die letzte Katastrophe herbeigeführt. Es waren die sonst immer Entzweiten, Schotten und Irländer, Protestanten und Katholiken. Die ersten bewog das Gefühl militärischen Gehorsams gegen den Kriegsherrn und die durch den Diensteid eingegangene nicht einseitig aufzulösende Verpflichtung. In den Irländern lebte die Hingebung gegen die bestehenden höchsten Gewalten und der Eifer für die Religion, welche sie in ihrem Vaterlande verfochten, auch in der Fremde.

Wallenstein hatte, wie Oxenstierna von ihm sagt, mehr unternommen, als er ausführen konnte. Der Idee der kaiserlichen Gewalt und der Macht des Hauses Oesterreich mußte er erliegen, so wie sie sich gegen ihn kehrte. Wie mußte nun aber sein Untergang eben dieser Idee und den Bestrebungen der Spanier, die daran anknüpften, zu Statten kommen!

In Folge eines neuen dringenden Anschreibens des Cardinal-Infanten hatte Oñate soeben den Kaiser an seinen Antrag erinnert, über die Vereinigung der kaiserlichen Waffen mit den spanischen Bestimmung zu treffen und einen Plan für den künftigen Feldzug zu entwerfen: doch war der Hof mit allem seinem Sinnen und Trachten noch viel zu sehr mit der Angelegenheit Wallensteins beschäftigt, um darüber Berathung zu pflegen: alles war noch ungewiß, als die Nachricht eintraf, daß er ermordet sei.

»Eine große Gnade,« ruft Oñate aus, »die Gott dem Hause Oesterreich erwiesen hat.« So sagt Piccolomini, von den Fremden sei der Sache Gottes und des Kaisers ein sehr wichtiger Dienst geleistet worden. Wenn die Spanier bisher gefürchtet hatten, der Kaiser werde nach Italien fliehen müssen, so stand nun der Herauskunft des Cardinal-Infanten mit seinen spanisch-italienischen Streitkräften nichts weiter im Wege. Zuerst war ihre Meinung, daß eine starke kaiserliche Heeresabtheilung unter Aldringer sich im Elsaß mit ihm vereinigen müsse; aber bald erkannten sie doch selbst, daß dies bei der fortdauernden Gefährdung der Erblande durch Sachsen und Schweden nicht thunlich sein werde. Sie gingen auf den Vorschlag der kaiserlichen Minister ein, daß der Cardinal-Infant sich mit dem großen Heer an der oberen Donau vereinigen möge: dann solle er sicher bis an die Grenze der Niederlande geführt werden. Auch dem Infanten selbst war das recht: denn die Sache der Majestäten sei ein und dieselbe. Oñate bemerkt, vor allem sei es nothwendig, im deutschen Reiche mit vereinten Kräften so zu wirken, wie es der gemeinschaftliche Vortheil erheische. Dann werde man weder für die Niederlande, noch für Italien oder die Grafschaft Burgund besorgt zu sein brauchen.

Er war sehr zufrieden damit, daß die von Wallenstein abtrünnig gewordenen Generale aus dessen Gütern und denen seiner Anhänger auf das reichlichste belohnt wurden. Dagegen mußten die, welche ihm treu geblieben waren, zu Grunde gehen. Der tapfere Schaffgotsch, der auf freier Haide im ritterlichen Kampfe zu sterben gehofft hatte, kam auf dem Schaffot zu Regensburg um.

Die Wiedereroberung Regensburgs ist der erste namhafte Erfolg der umgestalteten Armee, die nun erst wirklich eine kaiserliche wurde und unter dem König von Ungarn das Feld behauptete Man berechnete die Armee, die sich aus den alten Soldaten bilden und unter den damaligen Umständen aus den Erblanden ausführen lasse, auf 20,000 Mann zu Fuß und 12,000 Pferde.; man empfand ihre hohe Bedeutung; zwischen Gallas und Piccolomini reitend kam der abziehende schwedische Commandant auf den König zu, stieg ab und sagte ihm, er überliefere ihm mit der Stadt die Schlüssel des römischen Reiches. Da konnte dann der Cardinal-Infant ohne Besorgniß den ihm angedeuteten Weg unternehmen: mit seinen Italiern und Spaniern erschien er dem Vetter und Schwager zur Seite in Oberdeutschland. Die Obersten aus der Schule Wallensteins und Spinola's stellten sich mit dem Ehrgeiz dynastischer Hingebung unter die jungen Repräsentanten des Hauses Oesterreich beider Linien; noch einmal erschien das katholisch-spanische Interesse in centralisirter Macht. Die ihr gegenüber vereinigten Deutschen und Schweden waren nicht fähig, ihren Anfall zu bestehen; bei Nördlingen erlitten sie eine Niederlage, die sie nahezu vernichtete. Nie hatte die Verbindung der beiden Linien des Hauses Österreich einen glänzenderen Triumph davongetragen. Der Herzog von Lothringen ließ vernehmen, er werde in drei Monaten vor Paris stehen.

Unter dem Eindruck dieses Umschwunges in der allgemeinen Lage wurden dann die Unterhandlungen über den Frieden, die durch den Tod Wallensteins unterbrochen worden, wieder ausgenommen. Auch dabei hatten die Spanier, die eine Abkunft für nothwendig hielten, um ihren Krieg gegen Frankreich zu unternehmen, ihre Hand. Ein Anschreiben des Königs von Spanien lief in Dresden ein; Oñate hat die Verhandlungen des Königs von Ungarn mit dem sächsischen Hofe in Gang gebracht. Nie aber hätte er Bedingungen genehmigt, wie sie früher im Werk gewesen waren. Für den Protestantismus war Wallensteins Untergang das schwerste Mißgeschick. In dem Frieden, welchen Sachsen endlich zu Prag annahm, wurde nicht dem früheren Antrag gemäß das Jahr 1618 zum Normaljahr bestimmt, sondern das Jahr 1627, ein Zeitpunkt, in welchem die katholische Reaction bereits ihre Absichten großentheils durchgeführt hatte. Halberstadt blieb im Besitz eines Erzherzogs, die churpfälzische Chur im Besitz von Baiern; eine Reihe anderer Bedingungen wurde aufgestellt, die den Protestantismus in die engsten Schranken verwiesen und ihm keinerlei freie Entwickelung gestattet hätten. In der Form dem ähnlich, was mit Wallenstein verabredet worden, war es doch in der Sache das Gegentheil davon. Und indeß kam der Krieg mit Frankreich, den Wallenstein, der die Kräfte der Staaten erwog, vermeiden wollte, zu vollem Ausbruch. Er hat ein Vierteljahrhundert gewährt und sich anfangs glücklich angelassen, schließlich aber doch zu dem Ergebniß geführt, daß die Entscheidung in allen europäischen Angelegenheiten an Frankreich gelangte. In Deutschland traten nun erst die Kriegsjahre ein, welche eine allgemeine Verwüstung herbeigeführt haben; zuletzt hat dann die Uebermacht der Fremden und in Bezug auf die Verfassung des Reiches nicht der kaiserliche, selbst nicht einmal der wallensteinische, sondern mehr der Gedanke Gustav Adolfs den Platz behalten; die Auflösung des Reiches bahnte sich an.

Mannichfaltige Betrachtungen über die Epoche ließen sich hieran knüpfen, jedoch ich halte inne: nur über ein ganz allgemeines Verhältniß, das hierbei in Aussicht tritt, sei mir noch eine Bemerkung gestattet.

In der Reihe der großen Generale, die nach Selbständigkeit getrachtet haben, steht Wallenstein in der Mitte zwischen Essex in England, Biron in Frankreich auf der einen, Cromwell auf der andern Seite, auf dessen Spuren sich später der gewaltige Corse bewegte, dessen noch weit umfassendere Erfolge ihn in den Stand setzten, ein neues Kaiserthum zu gründen. Was ist der Unterschied zwischen ihnen? Warum gelang es den Einen und ist es den Anderen mißlungen? Essex, welcher der Königin Elisabeth von England eine andere Politik aufzwingen wollte, als welche ihr Geheimerrath und sie selbst beliebten; Biron, der sich in Verabredungen mit den Feinden seines Königs einließ; Wallenstein, der erst das Eine sehr entschieden und mit einer gewissen Berechtigung, und darauf das Andere wiewohl nur schwach versuchte, – hatten mit geborenen Fürsten zu kämpfen, deren Autorität seit Jahrhunderten fest begründet und mit allen anderen nationalen Institutionen verbunden war. Sie erlagen ihr. Cromwell und Napoleon dagegen fanden die legitime Autorität, als sie es unternahmen, sich unabhängig zu machen, bereits gestürzt. Sie hatten mit republikanischen Gewalten zu kämpfen, welche noch keine Wurzeln geschlagen hatten und nur eine bürgerliche Macht besaßen, die dann dem Führer der Truppen gegenüber, sobald sie sich entzweiten, keinen Widerstand leisten konnten. Weiter fortgehend wird man fragen, warum nun doch das Protektorat mit dem Tode des Protektors verging, aus den Ruinen des gestürzten Kaiserthums aber in unseren Tagen ein neues, das als die Fortsetzung des ersten auftritt, sich erheben konnte. Der vornehmste Grund liegt darin, daß Cromwell die socialen Verhältnisse, wie sie einmal gebildet waren, erhalten vorfand und eher in Schutz nahm als umzustürzen suchte, so daß sie nach seinem Abgang eine ihnen analoge Regierung nothwendig machten. Dagegen fand Napoleon eine sociale Revolution in den größten Dimensionen durchgeführt vor; er brauchte sie nur zu consolidiren und mit seiner militärischen Gewalt zu durchdringen, um ein neues Imperium aufzurichten.


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