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Dreizehntes Capitel.
Absicht einer autonomen Erhebung.

Revers von Pilsen.

In die einander entgegenlaufenden Tendenzen traf eine Botschaft, die einen Versuch der Annäherung in sich schloß, aber, da sie ohne Erfolg blieb, den Gegensatz erst recht zum Bewußtsein brachte.

Die Infantin Isabella war Ende November gestorben, und der Cardinal-Infant Don Fernando brannte vor Begier, seinen Zug nach den Niederlanden ohne längeren Aufschub ins Werk zu setzen. Denn dort, so sagt er in einem Briefe an Oñate, finde jetzt eine Aufregung Statt, die nur durch seine Anwesenheit beruhigt werden könne; wenn er nicht baldigst komme, müsse man den Verlust dieser Landschaften besorgen Muy aventurados quando no perdidos. Schreiben vom 17. Dezember.. Welchen Weg er aber auch zu nehmen versuchen mochte, bei der allgemeinen Kriegsbewegung war es unmöglich, ohne eine ansehnliche Hülfe des Kaisers durchzukommen. Er forderte den Botschafter auf, diese bei dem Kaiser auszuwirken, dem er vorstellen möge, wie viel an der Sache liege, die zuletzt seine eigene sei.

Was konnte aber der Kaiser in diesen Angelegenheiten beschließen oder verfügen, ohne seinen Generalissimus? Im Auftrag des Kaisers zugleich und des spanischen Botschafters begab sich Pater Quiroga in das Hauptquartier Wallensteins, um ihn zu dieser Hülfleistung zu vermögen.

Quiroga traf am 5. Januar in Pilsen ein; in einer Audienz, die ihm noch am Abend gewährt wurde, führte er dem Herzog die Bedeutung des Dienstes vor, die er dem König von Spanien, seinem alten Gönner, damit leisten könne, und theilte ihm die dazu gemachten Entwürfe mit. Sie waren an sich nicht dazu angethan, um seinen Beifall zu finden. Er sollte eine starke Abtheilung leichter Reiterei – etwa 6000 Mann – entweder nach dem Elsaß schicken, um den Cardinal-Infanten den Rhein abwärts zu geleiten, oder demselben von Böhmen aus, wohin er kommen werde, mitgeben, um ihn durch Franken nach Cöln zu führen. Das Eine und das Andere schien dem General wegen der entlegenen Orte, der Jahreszeit und der Nähe überlegener Feinde unausführbar; sein Rath war, die Reise erst im Frühjahr und dann unter dem Geleit westphälischer und niederländischer Truppen zu bewerkstelligen. Die Einwendungen Wallensteins waren ohne Zweifel sehr gegründet; auf Quiroga machte aber nur die Weigerung, die sie enthielten, Eindruck. Er bemerkte nicht ohne Gereiztheit, der König von Spanien, sein Herr, möge begehren, was er wolle, so finde er damit nur Schwierigkeiten und bekomme zuletzt nur abschlägliche Antworten Quiroga an Oñate, 16. Januar 1634..

Unleugbar ist die Aufforderung der Spanier aus der dringenden Verlegenheit hervorgegangen, in der sie waren; aber wie sie durch die Weigerung, so fühlte sich Wallenstein durch die Anmuthung verletzt; er sah darin die Absicht, sein Heer aufzulösen, oder ihm die Autorität über dasselbe zu entreißen.

Gleich durch die ersten Eingriffe des Hofkriegsraths in die Kriegsverwaltung war er in heftige Aufwallung gerathen. In Gesprächen seiner Art, die vertraulich zu sein scheinen, ohne es doch eigentlich zu sein, erging er sich darüber, was er bei der Lage der Dinge in Europa ausrichten könne, wenn er ohne andere Pflicht sich nur mit etwa 1000 Reitern ins Feld werfe: noch seien die Gestirne ihm günstig, und er könne noch einmal das Glück versuchen. Er sprach viel von seiner Abdankung, auch gegen Pater Quiroga, als von einer bereits beschlossenen Sache. Er hat ihm aber zugleich die Bedingung namhaft gemacht, unter welcher es geschehen könne: man müsse ihn, sagte er, in den Stand setzen, die Vorschüsse, welche die Obersten unter seiner Bürgschaft gemacht, zu befriedigen, oder aber diese vermögen, ihn des Wortes, das er ihnen gegeben habe, zu entlassen Nach Antelmi erklärt er: ch' egli era pronto di rinuntiare la carica sempre che delli crediti contratti dalli capi dell' armata sotto la parola di lui o commandi Cesare il saldo, o essi si disponghino remettendoli disobligarne la parola d' esso Generale a ch' egli nel congresso or da far con loro li harrebbe persuasi. Man darf das annehmen, weil das Uebrige, was Antelmi von Quiroga vernommen zu haben behauptet, mit dem übereinstimmt, was wir urkundlich erfahren..

Das innerste Verhältniß der Armee, auf dem ihre Zusammensetzung beruhte, ward dadurch berührt.

Schon war in der Armee, auf das Gerücht, der Generalissimus stehe schlecht am Hofe, die Besorgniß erweckt, daß eine Veränderung, die einen jeden in seinen persönlichen Verhältnissen empfindlich betreffen würde, bevorstehe. Wallenstein hatte die Obersten zu einer Zusammenkunft nach seinem Hauptquartier in Pilsen berufen. In großer Aufregung und davon durchdrungen, daß sein Abgang ihnen allen zum Schaden gereichen werde, trafen sie daselbst ein. Man war in Wien besorgt; doch fürchtete man noch nicht das Aeußerste: man meinte, es werde nur auf die Bitte der Armee abgesehen sein, den General in seinem Commando zu lassen. Die Sache nahm jedoch einen dem Hofe viel entschiedener entgegengesetzten Verlauf.

»Mein,« sagte Feldmarschall Ilow – damals mit Terzka der vornehmste Vertraute Wallensteins – einem der Ankommenden, Mohr von Waldt: »der Herr ist einer der ältesten Obersten, was meint der Herr zu den scharfen Schreiben, die der Herzog vom Hofe erhalten hat?«

Die allgemeine Meinung war, es gebe dort eine Faction von Beamten und Geistlichen, welche der Armee, was ihr gebühre, entziehen und den General stürzen wolle. Der Kaiser könne, der Hof wolle ihnen nichts geben. Was solle daraus werden, wenn der König von Ungarn mit seiner spanisch-mönchischen Umgebung die Heerführung in die Hand bekomme? Man nahm selbst ein Mißverständniß zwischen dem Kaiser und dem jungen König darüber an.

Am 12. Januar wurden nun den versammelten Obersten die vom Hofe gekommenen Anträge vorgelegt: sie urtheilten sämmtlich, daß es damit blos auf den Ruin der Armee abgesehen sei. Daran anknüpfend erklärte Feldmarschall Ilow: der General, dem man diese Dinge zumuthe, die er nicht ausführen könne, und den man dann verfolge, weil er das nicht thue, gehe damit um, abzudanken; aber dürfe man das wohl geschehen lassen? Was solle aus den Obersten werden, die ihre Regimenter aus ihrem eigenen Vermögen errichtet, vollzählig gemacht und mit Waffen versehen, im Vertrauen auf das Wort des Generals, der ihnen für den Ersatz ihrer Kosten eine Belohnung gut gesagt: sie würden alle ruinirte Leute sein, wenn er sie verließe. Unter den Anwesenden war es besonders Heinrich Julius von Lauenburg, Bruder Franz Alberts, der aus dem Gesichtspunkt der allgemeinen Interessen den Antrag unterstützte. Da könne, sagte er, auch ein anderer sich zum General ernennen lassen, ehrliche Leute durch Zusicherungen in Schaden bringen und, wenn er sein Wort halten solle, durch Abdankung den Kopf aus der Schlinge ziehen. Es schien, als wolle man dem General das Recht, niederzulegen, abstreiten. Der Beschluß war, ihn durch eine aus Ilow und drei Obersten bestehende Deputation zu ersuchen, von diesem Vorhaben abzustehen. Und nun kam der entscheidende Moment für Wallenstein. Was er für seine Resignation begehrt hatte, daß die Obersten ihn seiner Verpflichtung entlassen sollten, dagegen erklärten sie sich mit Nachdruck; sie bestanden auf der Unauflösbarkeit ihrer gemeinschaftlichen Interessen. Es bedurfte mehr als Eines Ansuchens, ehe er denselben nachgab. Endlich versprach er, seine Abdankung noch so lange aufzuschieben, bis er sehe, welche Veranstaltung der Kaiser für die Armee treffe, überhaupt sich ohne ihr Vorwissen nicht von ihnen zu trennen. Dagegen stellte auch er aber eine Forderung auf: es war die, daß ihm von ihrer Seite die entsprechende Zusage gemacht werde, bei ihm standhaft auszuhalten, damit ihm nicht etwa ein Schimpf widerfahre Aussage des Obersten Mohr von Waldt. Archiv österreichischer Geschichtsquellen XXV, S. 360.; – man verstand, damit das Ereigniß von Regensburg nicht wiederholt werde. Diese Worte sind es, wodurch die Angelegenheit in ihre Krisis trat. Wallenstein unternahm es, sich des Gehorsams der Armee auch für den Fall zu versichern, daß der Kaiser ihn des Generalats enthebe. Die Stimmung war so aufgeregt, daß man die Tragweite seines Begehrens kaum bemerkte: die Versammlung ging darauf ein. Ein Revers ward verlesen, in welchem, nach dem Ausdruck dankbarster Unterthänigkeit für die Zusage des Herzog-Generals, nun auch die Obersten auf das feierlichste an Statt eines körperlichen Eides gelobten, sich auf keine Weise von ihm zu trennen, noch trennen zu lassen, hierbei mit ihm und für ihn den letzten Blutstropfen aufzusetzen. Sollte einer von ihnen hiergegen handeln, der solle als ein Mann ohne Ehre betrachtet werden, ein jeder solle einen solchen Abfall selbst an Leib und Leben an ihm rächen.

Wohl fiel es auf, daß kein, die Verpflichtung auf die Dauer des Generalats beschränkender Vorbehalt eingeflochten war. Ilow bemerkte jedoch, das habe nichts zu bedeuten, da der Dienst des Kaisers im Eingang doch erwähnt war. Herzog Heinrich Julius hat die Frage aufgeworfen, ob dies nicht als gegen den Kaiser angesehen und ihm persönlich nachtheilig werden könne. Terzka und Ilow beruhigten ihn damit, daß sich auch Gallas, dessen Loyalität Niemand bezweifele, einverstanden erklärt habe. Zuerst unterschrieb Herzog Heinrich, weil er der Vornehmste von Allen war, wiewohl nicht ohne Zögern. Dann folgten die Anderen. Bei einem Bankett, welches Ilow gab, ist dieser Revers, wiewohl nicht ohne entgegengesetzte Aufwallungen zu wecken, vollends unterschrieben worden So entnimmt man aus dem Bericht des bairischen Agenten, der dort anwesend und wohlunterrichtet war..

Wer hat nicht von diesem Bankett gehört? Die unzählige Male wiederholte Ueberlieferung ist, in dem Revers habe die Clausel, durch welche die Verpflichtung der Obersten auf die Zeit beschränkt worden, daß der General in dem Dienst des Kaisers sei, ursprünglich in der That gestanden: vor dem Bankett sei der Revers mit dieser Clausel verlesen, nach demselben aber in einem andern Exemplar ohne dieselbe vorgelegt und, ohne daß man in der Aufregung des Weines darauf geachtet habe, unterzeichnet worden.

Diese Erzählung ist aber ohne Zweifel zu verwerfen: der Revers war ohne die Clausel bereits vor dem Bankett vorgelegt und war trotz des Widerspruchs von den Meisten unterzeichnet worden. Eine so grobe Betrügerei wäre keinem von diesen energischen Kriegsmännern zuzutrauen. Die Obersten wußten sehr wohl, was sie unterschrieben.

Der spanische Botschafter Oñate, der sich über diese Dinge auf das genaueste unterrichtete, schweigt davon, theilt jedoch eine andere Nachricht verwandten Inhalts mit, welche die Entstehung der Sage erklärlich macht. Er versichert, die Clausel, in welcher der Dienst des Kaisers vorbehalten worden sei, habe ursprünglich in dem Revers gestanden, sei aber von Friedland, noch ehe man ihn vorlegte, ausgestrichen worden.

Und daß eine ähnliche Beschränkung von Wallenstein mit vollem Bewußtsein vermieden worden ist, liegt in der Sache. Es konnte ihm nichts helfen, daß er das Generalat auf den Wunsch der Obersten beibehielt, wenn diese alsdann ihm nur so lange verpflichtet sein sollten, als es dem Kaiser gefalle, ihn im Besitz desselben zu lassen.

Da nun aber doch vor dem Bankett und bei demselben Aeußerungen gefallen waren, welche Bedenken und Mißtrauen verriethen, hielt Wallenstein für gut, noch einmal mit den Obersten zu sprechen. Er stellte noch einmal die Motive vor, welche ihn zu dem Entschluß der Resignation bewogen; eines der vornehmsten war die letzte Anmuthung, den Infanten mit seiner Cavallerie zu geleiten, in der bitteren Kälte, in weite Ferne: wenn diese Reiterei zu Grunde gerichtet sei, wie wolle man eine neue bekommen? Er zeigte sich über die Dinge, die man ihm nachsagte, nicht weniger aufgeregt, als über die, welche man ihm zumuthete. »Die Ehre, die ich durch achtundzwanzig Kriegsjahre hindurch rühmlich erhalten, geräth in Gefahr, was ich nicht verdiene. Ich möchte lieber todt sein, als so leben.« Und Niemand, fügte er hinzu, dürfe besorgen, daß er etwas wider den Dienst des Kaisers oder die katholische Religion im Sinne habe. Er denke nur, selbst dem Widerspruch, den er dabei erfahre, zum Trotz den Frieden mit den beiden Churfürsten zu Stande zu bringen. Er wiederholte, daß er einem jeden für seine Zahlung gut stehe Die Rede, welche Mailath aus archivalischer Quelle mittheilt, las man bereits bei Khevenhiller in dem nämlichen Wortlaut und zwar noch ausführlicher, als in dem Gründlichen Bericht. Die Sache selbst erhellt auch aus den bei Churfürst Maximilian eingegangenen Berichten, die dieser nach Wien mittheilte. Aretin, Wallenstein Urk. S. 169..

Mit dieser Versicherung entließ er sie; sie fanden sich bewogen, den ausgestellten Revers nochmals zu bestätigen. Er ward in verschiedenen Exemplaren ausgefertigt, um auch den Abwesenden mitgetheilt und von ihnen unterschrieben zu werden.

So war der wesentliche und beglaubigte Verlauf der Zusammenkunft in Pilsen.

Unter den Obersten sind die heftigsten Reden gegen den Hof und die Jesuiten, gegen die Spanier und die Ausländer überhaupt gefallen. Die meiste Schuld gab man den Spaniern, welche, wie sie die Oberhand im kaiserlichen Rath besäßen, so dieselbe auch in der Armee zu erlangen trachteten: ihre Absicht sei, die Stellen in derselben nach dem Range der Geburt, nicht nach dem militärischen Verdienste zu vertheilen. Die Armee müsse sich zum Heile des Kaiserthums, das sonst zu Grunde gerichtet werde, behaupten; sie müsse um siebzig tausend Mann vermehrt werden, um die Feinde zu verjagen und den Frieden in Deutschland zu Stande zu bringen.

Zwischen dem General und seinen Obersten ist noch von nichts weiter die Rede gewesen, als davon, dem spanischen und jesuitischen Einfluß, der, sonst getrennt, jetzt zusammenwirkte, gegenüber Front zu machen und zusammenzustehen. Für harmlos aber kann man ihre Verbindung nicht erklären. Wäre sie dabei stehen geblieben, was man in Wien erwartete, hätte die Armee nur eben die Beibehaltung des Generals gefordert, so würde dabei die Prärogative des Kriegsherrn gewahrt worden sein. Daß die erwähnte Clausel in dem Revers von dem General ausdrücklich verworfen oder doch weggeblieben war, deutet auf die Absicht, demselben, wenn es nöthig werde, zu widerstreben. An die Stelle der Bitte, den General ihnen zu lassen, trat die Drohung, an demselben festzuhalten, wenn man ihn entsetze, was nur unter dem verderblichen Einfluß der Spanier und der Jesuiten geschehen könne. Doch war das nicht ausdrücklich gesagt: man konnte den Revers lesen, ohne die weggelassene Formel zu vermissen.

Auch ist der Gegensatz anfangs nicht zu vollem Ausdruck gekommen.

Im Feldlager Friedlands hatten sich bisher auch zwei Prinzen von Toscana als Volontärs befunden, aber unter diesen Umständen für gut gehalten, es zu verlassen. Der vornehmste Mann in ihrem Gefolge, Marchese Guicciardini, erschien in Wien, um den Kaiser von der bitteren Stimmung, die in Pilsen geherrscht habe, der zweifelhaften und bedenklichen Fassung der dort gefaßten Beschlüsse und der Gefahr, die ihm daraus erwachsen könne, Kunde zu geben. Anfangs machte er einen trüben Eindruck, der durch einige aus dem Feldlager eintreffende Briefe noch verstärkt wurde. Bei ruhiger Ueberlegung meinte man jedoch zu finden, daß die Sache so weitaussehend nicht sei. Man erblickte in dem Vorgang nichts weiter, als den Versuch Wallensteins, das Generalat zu behaupten und die Obersten wegen ihres Credites sicher zu stellen: darin liege mehr eine Confusion als eine Conspiration. Es schien in der That, als hätte der Kaiser nicht einmal gern gesehen, wenn sein Sohn das Commando übernommen hätte; er ließ eine gewisse Eifersucht deshalb durchblicken. Die Warnungen der Toscaner und der Spanier, die auf das engste verbunden waren, erschienen als Ausbrüche des nationalen Widerwillens, dem er kein Gehör geben dürfe Antelmi: » Restano gli animi qui in gran modo distratti fra queste discrepanze emulationi e gelosie interne.«.

Der Kaiser machte keine Schwierigkeit, einen seiner Hofräthe, Gebhard, in das Hauptquartier des Generals abzuordnen, um an den Friedensunterhandlungen Theil zu nehmen, welche der Herzog von Friedland vorbereitet hatte, und in denen sich seine Absichten zusammenfaßten.

Verhandlungen Wallensteins mit Sachsen.

Noch immer beruhten sie zuletzt auf dem Gedanken, welcher der Wiederannahme des Generalates zu Grunde lag, die Protestanten in Norddeutschland von der Verbindung mit den Schweden loszureißen, und zwar durch Widerrufung des Restitutionsedictes, welches ihre Verbindung mit denselben veranlaßt hatte.

Die Ausführung dieser Absicht war aus zwei Ursachen unmöglich geworden, dem persönlichen Ansehen Gustav Adolfs, welches die vorwaltenden Fürsten beherrschte, und der Besorgniß derselben, daß man, wenn sie mit ihm gebrochen haben würden, in Wien dann dennoch bei den alten Plänen verharren und alles wieder den katholischen Religionsformen unterwerfen würde.

Durch den Tod des Königs waren nun die Bande persönlicher Dankbarkeit zerrissen: die Aufstellung des Reichskanzlers, oder vielmehr die Autorität, welche ein schwedischer Edelmann in deutschen Angelegenheiten, und zwar mehr als der König im französisch-schwedischen Interesse ausübte, rief in den deutschen Fürsten und Ständen Verstimmung hervor; in keinem mehr, als in dem damals angesehensten und mächtigsten von allen, dem Churfürsten von Sachsen. Da mußte es doppelten Eindruck machen, wenn nun der kaiserliche Feldhauptmann, dessen Vollmacht man kannte, nicht allein die alten Erbietungen erneuerte, sondern auch hinzufügte, er wolle sie durchführen, wenn man sich einmal vereinbart habe, der kaiserliche Hof möge wollen oder nicht.

Bei den Erfahrungen, die man gemacht hatte, und dem Verhältniß der Persönlichkeiten ist die Voraussetzung, an dem Hofe werde die entgegengesetzte Richtung doch wieder die Oberhand bekommen, sehr erklärlich. Daß nun der kaiserliche General, der mit einer Macht ohne Gleichen ausgestattet war, sein Wort für die Ausführung der erträglichen und annehmbaren Uebereinkunft, die im Vorschlag war, verpfändete, bildete für die Protestanten ein entscheidendes Motiv, auf die Unterhandlung mit ihm einzugehen. Sie hatten gehofft, die Schweden dazu herbeizuziehen. Da das nicht möglich war und Wallenstein das volle Uebergewicht der Waffen in ihren Gebieten besaß, so waren sie jetzt geneigt, mit ihm in der That abzuschließen.

Sollten sie aber mit ihm gegen Schweden gemeinschaftliche Sache machen, was Irrungen mit Frankreich bringen mußte, so hatte es eine innere Nothwendigkeit, es war gleichsam eine Forderung des nationalen Gedankens, der schon einst dem schmalkaldischen Krieg seine Wendung gegeben, daß auch die Spanier von dem Boden des Reiches ausgeschlossen blieben. Mit der Neigung des sächsischen Hofes, gegen die Schweden aufzutreten, gingen die Zögerungen des Herzogs von Friedland, die spanisch-italienischen Truppen unter Feria auf dem Reichsboden zuzulassen, Hand in Hand.

Die autonome Autorität des General-Herzogs bildete in so fern zugleich ein protestantisches und nationales Interesse. Mit dem Versuche Friedlands, seine Armee in seinem Gehorsam gegen alle Eingriffe des Hofes zu erhalten, hingen auf das genaueste – das Eine war fast die Bedingung des Andern – seine Unterhandlungen mit den norddeutschen Fürsten zusammen, die seit dem letzten Feldzug in Schlesien und der Lausitz wieder im vollen Gange waren.

Einer der damals vertrautesten Anhänger Friedlands, Franz Albert von Lauenburg, hatte die Anbahnung einer Vermittelung in den Händen. Er ist derselbe, den man beschuldigt hat, den König von Schweden, der in seinen Armen starb, ermordet zu haben. So abscheuliche Handlungen aber lagen ihm fern. In seinen Briefen erscheint er guter Dinge, von scherzhafter Munterkeit, leicht zu entmuthigen, wenn die Sache nicht nach Wunsch geht, aber immer freudig zu den Waffen und zu allen guten Diensten bereit. Er war einer der jüngsten Sprossen aus einer sehr zahlreichen reichsfürstlichen Familie Franz II., durch seine Mutter ein Enkel Heinrichs des Frommen, Aeltervaters des Churfürsten von Sachsen, hatte von seiner ersten Gemahlin zwei Söhne und zwei Töchter, von der zweiten, einer Prinzessin von Braunschweig, Tochter des Herzogs Julius, fünf Töchter und sieben Söhne; unter diesen Franz Julius geb. 1584, Julius Heinrich geb. 1586, Franz Albert geb. 1598.. Der Rang, den ihm seine Herkunft gab, kam ihm in seinen persönlichen Beziehungen zu Statten.

Damals mit den Unterhandlungen nicht allein über den Abschluß einer allgemeinen Uebereinkunft, sondern auch über die Vereinigung der Armeen beauftragt, meldet er dem Herzog, daß er die beiden Herren, die Churfürsten von Brandenburg und von Sachsen, zu dem Frieden sehr geneigt findet: in deren Namen solle er ihn auffordern, in seinen Bemühungen dafür fortzufahren; ein höheres Lob könne er sich ja nicht erwerben, als wenn er »das in höchsten Gefahren schwebende Vaterland« in Ruhe setze; schon wegen ihres churfürstlichen Amtes würden sie alles Mögliche dazu beitragen; aber bedenklich scheine es ihnen doch, ihre Waffen mit den kaiserlichen zu vereinigen, ehe die Vorschläge, die sie zum Frieden gemacht, »billige und christliche Mittel«, angenommen oder etwas Sicheres darüber beschlossen worden: sei doch das menschliche Leben unsicher, und höchst ungewiß, wenn etwa ein Fremder an des Herzogs Stelle trete, ob er gleiche Absichten hege »Das sie itziger Zeit, da noch nichts gewisses abgehandelt und geschlossen, man auch nicht versichert, wenn etwa ein Todesfall dazwischen komme, und an Ew. L. Stelle eine frembde Person, ob die zu gleichem Zweck zielen möchte, bei solcher Ungewißheit (ihre Leute) unter eines andern Directorio geben sollten, würde sehr besorglich sein.« (Archiv zu Dresden.).

Es mag dahingestellt bleiben, ob sie der menschlichen Sterblichkeit in Bezug mehr auf den Kaiser oder den General gedachten; der Nachdruck liegt darin, daß nur der Herzog von Friedland ihr Vertrauen besitzt: Veränderung im Generalat würde jede Vereinbarung vollends unmöglich machen.

Wohl hatte nun auch der Kaiser sich entschlossen, unmittelbar die Hand zu Friedensunterhandlungen zu bieten, und behufs derselben einen Bruder Franz Alberts, Franz Julius, der in seinen Diensten stand, nach Dresden abgeordnet, wobei dem Churfürsten von Sachsen freigestellt wurde, ob er lieber mit dem Herzog, oder mit dem Hofe von Wien unterhandeln wolle. Johann Georg verschob es, ihn zu hören, bis Franz Albert, der auf Wallensteins Aufforderung im Begriff war, sich zu ihm nach Pilsen zu begeben, von dort wieder zurückgekommen sein würde.

Den neu zu eröffnenden Unterhandlungen am kaiserlichen Hofe, von dem man meinte, er wolle zwar den Frieden, aber nicht nach den gemachten Vorschlägen, zog man in Dresden die mit Wallenstein angeknüpften, auf seine Persönlichkeit gegründeten vor. Soeben traf ein sächsischer Offizier aus Pilsen ein, von dem man erfuhr, daß der General über die ihm wegen seines letzten Rückzuges gemachten Vorwürfe sehr mißvergnügt sei und sich an denen zu rächen gedenke, die ihm die Armee aus den Händen reißen wollten: er wünsche nichts mehr, als Arnim bei sich zu sehen, um mit ihm Rücksprache zu nehmen. Der sächsische Hof wurde durch diese Verstimmung des Generals nicht abgehalten, sondern eher angefeuert, sich ihm zu nähern. Ein besonderes Motiv dafür lag in dem Vorhaben der Schweden, eine starke Armee bei Magdeburg aufzustellen, und ihrem Versuch, den Churfürsten von Brandenburg auf ihre Seite zu ziehen. Um das zu hintertreiben, hielt Arnim baldigste Vereinbarung mit dem Kaiser für nothwendig, die dann am leichtesten sein werde, wenn der Herzog von Friedland mit der Verhandlung beauftragt werde, – wie das jetzt Franz Julius in Aussicht stellte. Er eilte aus seinem Hauptquartier Finsterwalde nach Dresden, um mit dem Churfürsten, wie dieser wünschte, die großen Angelegenheiten zu besprechen.

Zwischen den alten Kriegskameraden, Hans Georg von Arnim und Wallenstein, hatte sich seit der Entzweiung, die in dem polnisch-schwedischen Unternehmen von 1629 zwischen ihnen entstanden war, doch wieder ein näheres Verständniß herausgebildet; – der Idee einer friedlichen Vereinigung der beiden religiösen Parteien, welche Wallenstein auf Seiten der katholischen repräsentirte, kam Arnim von Seiten der protestantischen entgegen, wobei er jedoch in seinem Protestantismus unmittelbar feststand; ohne Sicherheit für das Bekenntniß hätte er keinen Frieden gewünscht. Dem Churfürsten von Sachsen, dem er damals als Generallieutenant diente, und der ihm viel Vertrauen schenkte, hat er, so wenig er die Schweden liebte, doch nie gerathen, sich auf Gefahr der Religion hin von denselben zu trennen. Aber seinem Ehrgeiz und seinen Ideen entsprach es, die Verhandlungen aufzunehmen, welche Wallenstein im Sommer 1633 eingeleitet hatte, indem er zugleich die Versicherung gab, daß er eine zu Stande kommende Abkunft persönlich gegen Jedermann vertheidigen wolle. Von ihren versöhnenden Zwiegesprächen war die Unterhandlung ausgegangen; durch sie ward sie im Gang erhalten: unter den obwaltenden Umständen schien es möglich, selbst im Widerspruch mit dem Hofe, sie durchzuführen. Wenn Arnim später seine Vermittelung als harmlos und unverfänglich für den kaiserlichen Hof geschildert hat, so täuschte ihn entweder sein Gedächtniß, oder er ließ sich durch die veränderten Umstände bestimmen: aus den vorliegenden Briefschaften ergiebt sich, daß er über die dem kaiserlichen Hofe entgegenlaufenden Intentionen Friedlands sehr wohl unterrichtet war. Gerade die stärksten Betonungen derselben finden sich in den Briefen Franz Alberts an Arnim. Von der Zusammenkunft von Pilsen, die indeß Statt gefunden, meldet er, die Obersten seien bereit, für den Herzog zu leben und zu sterben; er erklärt das für einen guten Anfang zu dem Werke, das man vorhabe; damit aber etwas daraus werde, müsse sich Arnim nach Pilsen verfügen, denn der Herzog brauche Jemand, um ihm zu helfen; alles sei fertig; es fehle nur an Arnim, der Anleitung geben müsse, wie man dem Faß den Boden ausstoßen solle; Wallenstein sei zu tief verwickelt, um sich zurückzuziehen: hoffentlich werde er dem Rathe Arnims folgen Briefe vom 11. und 18. Jan. n. St., eine erwünschte Mittheilung bei Kirchner: Schloß Boytzenburg 272..

Als Arnim in Dresden anlangte, war Franz Albert von Pilsen bereits zurückgekommen. Er hatte den General, der sich nicht wohl befand, vielleicht nur eine Viertelstunde gesehen, aber eine Resolution, wie er sie brauchte, von ihm erhalten. Wallenstein sprach ihm seinen Entschluß, den Frieden zu Stande zu bringen, aufs neue aus, zugleich mit dem Wunsch, daß Brandenburg dazu herbeigezogen werde, und vor allem, daß Arnim ehestens kommen möge: er möge die einst vorgelegten Punkte mitbringen, sie seien vernünftig gefaßt, er, der General, habe sie noch meistens im Kopf; zur Verhandlung darüber werde ein Beamter des Reichshofrathes, Gebhard, bei ihm eintreffen; man müsse die Sache fördern, ehe etwas dazwischen komme. Er hatte Franz Albert getrieben, sogleich wieder nach Dresden zurückzugehen. Dieser sprach die Ueberzeugung aus, daß der Herzog den Frieden zu Stande bringen werde, der Kaiser möge wollen oder nicht.

Von der größten Wichtigkeit für alle religiösen und politischen Verhältnisse war es dann, oder schien es doch zu sein, welche Vorschläge – denn alles Bisherige war nur vorläufig gewesen – Sachsen definitiv einbringen würde.

Franz Albert erstattete seine Relation in einer Sitzung des geheimen Rathes, welcher der Churfürst persönlich beiwohnte: am 17. Januar des Morgens. Am Nachmittag versammelte sich der geheime Rath wieder, um das Verfahren festzustellen. Der erste Punkt, den der Churfürst, der wieder zugegen war, zur Sprache brachte, betraf die vorläufige Verständigung mit Brandenburg, das man nicht ausschließen könne, zumal da Friedland selbst dessen Beitritt begehre. Arnim hatte eine Zusammenkunft der beiden Churfürsten für sehr wünschenswerth erklärt, und zwar ohne Aufschub, weil auch der Reichskanzler eine Conferenz mit dem Churfürsten von Brandenburg zu veranstalten denke, deren Folgen man zu fürchten habe. Johann Georg wandte ein, daß sich kein schicklicher und geeigneter Platz dazu finde; weiteren Verzug aber wünschte auch er zu vermeiden, um so mehr, da man mit Wallenstein ja nicht einmal Stillstand, also vor seinen Feindseligkeiten keine Sicherheit habe. Man kam endlich überein, daß Arnim selbst nach Berlin gehen solle; denn eine persönliche Besprechung mit Georg Wilhelm von Brandenburg schien wegen des Widerstreites, in dem seine Räthe begriffen waren, unumgänglich. Nur forderte Arnim, daß man vorerst über die vorzuschlagenden Punkte hier am Ort und dann mit Brandenburg Vereinbarung treffe; denn eine gemeinschaftliche Basis der Unterhandlung müsse man haben. Man nahm die alten, von Brandenburg wenn auch nicht in aller Form genehmigten Friedensanträge vor die Hand, in denen die Herstellung des Zustandes von 1618 mit der Reform der Reichsverwaltung nach dem Anliegen der Protestanten gefordert worden war. Auf diese bezog sich die im Allgemeinen billigende Aeußerung Friedlands. Arnim machte jedoch einige Punkte namhaft, mit denen er in einer förmlichen, in Gegenwart eines kaiserlichen Rathes vorzunehmenden Unterhandlung nicht durchzukommen fürchtete. Es waren ihrer drei: ihre Aufstellung reichte in die Zeiten vor dem Kriege zurück.

Arnim meinte nicht, daß der Kaiser zur Besetzung seiner Räthe zugleich mit Protestanten, oder zu Annahme der alten ferdinandeischen Declaration gebracht werden könne, noch auch zur Cassirung des geistlichen Vorbehaltes oder der Beschränkung desselben auf den ursprünglichen Wortlaut, wonach der Uebertritt ganzer Stifter mit ihren Bischöfen gestattet war, wie das jene Vorschläge enthalten. Er trug auf eine Ermäßigung derselben an; und man hat in Dresden deshalb einige Sitzungen gehalten, in denen unter Anderem auch ein Gutachten von Hoe verlesen wurde. Man konnte sich aber nicht sofort entschließen. Alles Weitere wurde auf den Erfolg des Verständigungsversuches mit Brandenburg verschoben.

Am 26. Jan./5. Febr. traf Arnim am Hofe zu Berlin ein. Dem Herrenmeister Schwarzenberg, der eine Verständigung mit dem Kaiser und mit Sachsen anstrebte, standen einige andere Räthe entgegen, welche die Allianz mit Schweden jeder andern Combination vorzogen. Diese überwogen im geheimen Rath; Arnim bekam auf seinen Antrag eine officielle Antwort, in welcher alles weitere Eingehen auf denselben von einer vorgängigen Rücksprache mit Schweden abhängig gemacht wurde »Protocoll, so bei Ablegung I. Exc. des Herrn Generallieutenants Hrn. Hans Georg von Arnim auf Boitzenburgk Relation, als er von I. Chf. Durchlaucht zu Brandenburgk von Berlin wieder zurückgekommen, den 3. Febr. (13.) anno 1634 gehalten worden.« (Archiv zu Dresden.).

Im persönlichen Gespräch hatte jedoch der Churfürst geäußert, Schweden rede zwar viel vom Frieden, wolle aber keinen. Daran anknüpfend bat ihn Arnim um einen besseren Bescheid: denn nur zu gewiß sei es, daß weder Schweden noch Frankreich den Frieden wolle, weil er ihren Intentionen noch nicht entsprechen könne: um diese zu erreichen, würden sie in Deutschland alles zu Grunde gehen lassen. Und nicht geradezu und auf immer dürfe man mit den Katholiken brechen; wollte man sie ausrotten, so würde man gewiß auch den König von Frankreich nicht auf seiner Seite haben: Oesterreich müsse bestehen, um ein Gegengewicht gegen die französische Macht zu bilden. Er erinnerte den Churfürsten an die Willkürlichkeiten, welche sich der schwedische Kanzler gegen die Chur und das ganze Reich zu Schulden kommen lasse, und die geringe Aussicht, die das Haus Brandenburg bei andauernder Macht der Schweden behalte, jemals zu seinen Ansprüchen auf Pommern zu gelangen So bereits in dem Anschreiben vom 24. Jan./3. Febr.. Durch diese Vorstellungen wurde Georg Wilhelm wirklich so weit gebracht, daß er aussprach, er wolle sich nicht von Sachsen sondern; er willigte ein, daß bei der Unterhandlung jene Vorschläge zu Grunde gelegt würden, selbst ohne auf den drei von Arnim in Zweifel gezogenen Sätzen zu bestehen. Eine Erklärung in aller Form konnte Arnim nicht erlangen: ein paar Worte, die der Churfürst unterschrieb, waren ihm zu allgemein gehalten; er erwiderte darauf, er werde sie demgemäß auslegen, was er aus dem Munde des Churfürsten vernommen habe. Mit dem Resultat seiner Sendung nicht unzufrieden, begab sich Arnim wieder nach Dresden.

Auch da war nun über die drei angeregten, die Reichsverfassung betreffenden Punkte keine definitive Entschließung zu erlangen; Churfürst Johann Georg behielt sich vor, im Laufe der Unterhandlung darüber befragt zu werden. Bei der wieder aufgenommenen Verhandlung kamen jedoch noch einige andere, für das ganze Verhältniß zu Wallenstein wichtige und entscheidende Momente zur Sprache. Darüber sind Anfrage, Antwort, erneuerte Anfrage und nochmalige Antwort gewechselt worden. Ich will nur des Wichtigsten gedenken.

Arnim fragte, wenn Friedland sein Mißvergnügen über den Kaiser, welcher doch auch der Feind von Sachsen sei, offen ausspreche und ein auf den Verderb des Hauses Oesterreich zielendes Vorhaben verrathe: wie habe er sich dann zu erzeigen und wie weit dürfe er gehen? Johann Georg antwortete: um Privathändel könne er sich nicht kümmern, er habe nur die öffentliche Wohlfahrt im Auge; auch er sei von der Kaiserlichen Majestät hart beleidigt, aber darum doch nicht gemeint, einen immerwährenden Krieg zum Ruin seines oder irgend eines Hauses zu führen Churfürstliche Resolution vom 3./13. Februar, Nr. VI.. Genug, von einer principiellen Feindseligkeit gegen das Haus Oesterreich, auch im Verein mit Friedland, wollte der Churfürst nichts hören. Um so mehr Gewicht hatte die weitere, die vorliegende Verhandlung betreffende Frage Arnims: wie er sich zu verhalten habe, wenn Friedland die Vollmacht des Kaisers überschreite, mit den Evangelischen eigenmächtig eine Vereinbarung treffe, diese aber gegen alle Widersacher zu behaupten sich verpflichten wolle. Hochlöblich sei die Absicht des Churfürsten, an einem gegen den Kaiser und sein Haus gerichteten Angriff nicht Theil zu nehmen: wenn nun aber Friedland mit solchen Plänen umgehe und sich dafür an Frankreich und Schweden wende, wie solle man ihn auf einen besseren Weg führen, ohne seinen Verdacht zu erwecken und sich ganz zu entblößen Herrn General Arnimbs fernere Erinnerung in etzlichen Puncten, 4. Februar. Der Ausdruck ist ziemlich unklar: »Wenn der Herzog auf solche Gedanken (gegen den Kaiser) gefallen und zu beforchten, wenn man ihn ganz damit abwiese, er sich an Frankreich und Schweden hangen möchte, so were hierin gemessener Befehlich hochnötig, ob man sich bemühen solle, ihn auf einen bessern Wegk zu führen; damit man nicht neue suspicion auf sich lüde, und Ihre Churfürstl. Durchlaucht ganz entblösete.«? Die zweite Antwort war: in einem solchen Falle solle der Bevollmächtigte sich allerdings bemühen, ihn auf besseren Weg zu führen Resolution vom 5. Februar: »S. Ch. D. lassen ihr gefallen, uf den in diesem Punkte (dem 6.) exprimirten Fall, daß er sich alles Fleißes bemühe und ihm angelegen sein lasse, S. F. Gn. uff einen bessern Wegk zu führen.«. Die Andeutung Arnims ist, daß das nur geschehen könne, indem man Wallenstein nicht zurückstoße; sie ist so behutsam wie möglich ausgedrückt; noch behutsamer ist die Antwort; aber ihr Sinn geht unleugbar dahin, daß das nicht geschehen solle. Ebenso werden auch die anderen Fragen in der Hauptsache im Sinne Arnims entschieden. Er soll auf die Unterhandlung eingehen, wenn sie auch die Vollmacht des Kaisers überschreitet und demselben nichts weiter als die Ratification vorbehält; wenn der Tractat zum Besten der Evangelischen gereicht und Friedland sich anheischig macht, ihn gegen die Widersacher zu behaupten, so soll Arnim denselben annehmen. Die Möglichkeit blieb, daß der Kaiser zur Ratification genöthigt werden könne, selbst nicht ohne Gewalt; man soll dabei vermeiden, daß ein Krieg des Churfürsten gegen das Haus Oesterreich entstehe, aber doch auch nicht veranlassen, daß Wallenstein die Franzosen oder die Schweden zu Hülfe rufe. Das war die Linie, auf der sich Arnim, dem dafür ziemlich freie Hand gelassen wurde, zu bewegen hatte.

Eine hiermit genau zusammenhängende weitere Frage betraf die Vereinigung der Waffen und den Anspruch Friedlands, das Commando der gesammten Truppen zu führen. Der Churfürst sagte zuerst, den Oberbefehl über seine Truppen könne er nicht aus den Händen geben, noch einem Fremden anvertrauen. Arnim erwiderte: wenn der Churfürst nicht zugegen sei, ob dann wohl der Befehlshaber der Truppen dem Generalissimus gehorchen solle: denn dieser werde keinen Anspruch auf Unabhängigkeit dulden. Der Churfürst antwortete, wenn alles zum Schluß komme, werde er sich zu bequemen wissen, er werde sich alsdann mit seinen Generalen und Obersten darüber verständigen.

Und noch einen dritten Punkt von weitester Aussicht brachte Arnim zur Sprache. Er fragte an, ob der Churfürst dem Herzog von Friedland zu einer billigen und rechtmäßigen Entschädigung für seine Bemühungen behülflich sein wolle. Der Churfürst erwiderte: wenn der Friede durch die Mitwirkung desselben zu Stande komme, so könne er ihm eine solche wohl gönnen. Arnim erinnerte, daß hier nicht von Gönnen, sondern von Dazuhelfen die Rede sei. Der Churfürst erklärte schließlich: wenn auch seine Postulate in Bezug auf seine Schuldforderung zur Anerkennung gebracht würden, so werde er sich zu allem, was ehrbar, thunlich und seinen Glaubensgenossen unschädlich sei, willig erfinden lassen; doch müsse er wissen, was der Recompens sei, welchen der Herzog von Friedland begehre Die erste Antwort vom 3. Februar; der letzten Antwort vom 8. Februar a. St. sind die Privatanliegen des sächsischen Hofes beigelegt..

So verständigte man sich an dem churfürstlichen Hofe in Dresden. Der Churfürst trat in allen wichtigen Punkten, wenn auch zögernd und mit Rückhalt, den Vorschlägen seines Generals bei, der als einverstandener Vertrauter Wallensteins erscheint. Man kann in den Entwürfen ein festes und ein eventuelles Element unterscheiden. Das erste ist die Absicht, den Zustand des Reichs, wie er vor dem Ausbruch der Unruhen im Jahre 1618 gewesen war, wiederherzustellen und die Streitfragen, welche damals schwebten, im Sinne der Evangelischen zu entscheiden. Der Besitz der reformirten Stifter sollte ihnen nicht allein zurückgegeben, sondern bestätigt, die Parität in den gerichtlichen Behörden des Reiches, das Gleichgewicht der Religionen überhaupt hergestellt, alles, was seit der Bildung einer compacten katholischen Majorität im Fürstenrath durchgesetzt worden war, großentheils mit der Mitwirkung Sachsens, sollte unter dem Vortritt dieses damals mächtigen Churfürstenthums wieder rückgängig gemacht werden. Ich denke, es ist einer der größten Momente in der sächsischen Geschichte, in welchem alles, was unter Moritz, im Einverständniß mit dem deutschen Oesterreich, angebahnt worden, im Gegensatz mit demselben durchgeführt werden sollte. Johann Georg war weit entfernt von der kriegerischen Energie und eingreifenden Thatkraft seines Großoheims; er hatte Eigenschaften, die ihn in seinem Hause und seiner Familie selbst um Credit und Zuneigung brachten Feuquieres schildert ihn als » passionné, superbe, glorieux, brutal, grand ivrogne, mesfiant«.; in den vorangegangenen Verhandlungen hatte er sich schwach bewiesen; aber seitdem man ihn einmal am eigensten Leben angegriffen, war er zu voller Entschlossenheit erwacht; durch die Allianz mit Schweden hatte er sich selbst und das evangelische Wesen überhaupt von dem offenbaren Verderben errettet. Diese ward ihm weniger unter dem König als unter dem Reichskanzler widerwärtig; um sich ihrer zu entschlagen und doch die evangelische Sache zu behaupten, trat er jetzt in Verbindung mit dem Herzog von Friedland, dessen persönliches Interesse eben dahin zielte, so daß er hoffte, er werde den Kaiser zur Nachgiebigkeit bringen. Wie nun aber, wenn dies, wozu es keinen Anschein hatte, in Güte nicht möglich war? Johann Georg hat es über sich gewonnen, ihm dann auch in den Tendenzen der Selbständigkeit, die er einschlug, nur nicht bis zum Verderben des Hauses Oesterreich, seine Unterstützung in Aussicht zu stellen. Er selbst behielt sich dann die Uebertragung der Lausitzen als volles Eigenthum, den Besitz von Magdeburg und Halberstadt in einer oder der andern Form für sich und sein Haus vor. Was für Friedland erreicht werden sollte, ist nicht so klar. Ich finde keinen Grund, warum man nicht auf den ursprünglichen Plan, die Erwerbung der Unterpfalz, zurückkommen sollte, obgleich davon nicht ausdrücklich die Rede ist. Auch eine andere Ausstattung blieb möglich.

Verhältniß zu Frankreich.

Wie aber? wird man fragen, war nicht die Absicht Wallensteins auf die Erwerbung der böhmischen Krone gerichtet? Hat er nicht darüber in einer unleugbaren Unterhandlung mit dem französischen Hofe gestanden?

Es ist gewiß, daß die Idee der Erwerbung der böhmischen Krone für Wallenstein, auf welche dieser früher nicht einging, ohne sie gleichwohl zurückzuweisen, im Anfang des Jahres 1634 wieder ergriffen worden war. Es ist aufs neue durch den Grafen Kinsky geschehen. Sowie die Dinge sich zum Bruch anließen, am 10. Januar, wendete er sich an Feuquieres mit der Meldung, daß die im August besprochenen Entwürfe von dem Manne, auf den es ankomme, nunmehr aufgenommen werden würden Ho tanto avanzato e penetrato che quella persona principale – so bezeichnet er Wallenstein – si è resoluta di accomodarsi in tutto conforme al desiderio di V. E. et articoli da lei a me proposti. Denn so möchte die bei Röse, Bernhard der Große I, 455 mitgetheilte Stelle zu lesen sein.. Feuquieres, der sich damals in Frankfurt a. M. befand, verschob die Verhandlung mit Kinsky bis auf die Zeit, wo er wieder persönlich in die Nähe des Feldlagers gekommen sein würde, zögerte aber keinen Augenblick, seinem Hofe Nachricht von der ihm gemachten Mittheilung zu geben. Und wie hätte das dort nicht Beifall finden sollen, da Cardinal Richelieu soeben die halbe Welt gegen Spanien zu vereinigen suchte? Noch einmal zeigte sich die Aussicht, den General, der das größte Heer commandirte, welches Oesterreich jemals im Felde gehabt hatte, zugleich mit demselben auf französische Seite zu bringen und als Werkzeug zu benutzen. Der französische Hof erklärte sich bereit, dem General eine Ausstattung mit Land und Leuten zuzusichern, derjenigen gleich, welche er früher in Deutschland gehabt habe, und ihm selbst die Krone von Böhmen zu versprechen, wenn etwas anders nicht zu gewinnen sei. Wie das der Wunsch der Emigranten war, so scheinen die einheimischen Magnaten ebenfalls dafür gestimmt gewesen zu sein. Ein eigentliches Verständniß darüber oder der Abschluß eines Vertrages lag jedoch in weiter Ferne. Die Franzosen erklärten sich sogar bei der nunmehrigen Verhandlung nicht mehr so geneigt wie bei der ersten, den General zum König von Böhmen zu machen. Bei der Instruction, welche Feuquieres empfing, findet sich ein Nachtrag, der, wie er denn etwas mehr Kunde der wirklichen Lage der Dinge in Deutschland verräth, als jene, so auch gemäßigtere Rathschläge enthält. Der französische Hof knüpft darin an die Erklärung Wallensteins an, daß der kaiserliche geheime Rath durch den Einfluß der Spanier beherrscht werde, und fordert denselben auf, zunächst mit der Protestation hervorzutreten, daß er seine Heeresmacht zur Herstellung eines haltbaren Friedens verwenden wolle; da sich dieselbe nicht hoffen lasse, wenn Spanien nicht gezwungen werde, einzuwilligen, so möge er dafür die Vermittelung des Königs von Frankreich in Anspruch nehmen. Richelieu hielt es selbst nicht für gut, daß Wallenstein von dem weißen Felde geradezu auf das schwarze übergehe. Und noch immer hegte man in Frankreich Mißtrauen gegen den General; man wollte sich mit ihm nicht weiter einlassen, ehe er den Tractat förmlich abgeschlossen und die geforderte Protestation erlassen habe. Wenn behauptet worden ist, zwischen Richelieu und Wallenstein sei es zu einem definitiven Verständniß über die böhmische Krone gekommen, oder Wallenstein habe sich, um zu derselben zu gelangen, in die Hände der Franzosen zu werfen beabsichtigt, so ist das viel zu viel gesagt. Allerdings ist einmal verkündigt worden, Ludwig XIII. solle römischer Kaiser, Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland, römischer König werden, wahrscheinlich doch auf den Grund der ihm zugedachten böhmischen Krone. Aber so pflegt es immer in großen Krisen zu gehen: wenn die beherrschenden Verhältnisse der Welt zu schwanken anfangen, erscheint auch das Unmögliche wahrscheinlich. Ernstlich und eingehend war von beiden Seiten von so weitausgreifenden Plänen nicht die Rede. Die Franzosen dachten hauptsächlich, die Irrungen zwischen dem Kaiser und dem General zu ihrer eigenen Sicherung gegen die spanische Politik zu benutzen, ungefähr wie sie sich der Schweden zu demselben Zweck bedienten. Wallenstein wurde zu seinen Verhandlungen mit ihnen auch dadurch vermocht, daß der Churfürst von Sachsen dieselben fürchtete und sich um so eher entschloß, auf die Vorschläge, die ihm gemacht wurden, einzugehen. Wenn es der Umgebung Friedlands, wie Terzka ausdrücklich bekennt, hauptsächlich um eine Geldunterstützung zu thun war, so entsprach es seinem eigenen Sinn, sich für alle möglichen Fälle auch diese Aussicht offen zu halten und einen äußersten Rückhalt zu suchen.

Ein Verständniß mit den Schweden war unmittelbar nicht angebahnt; doch haben die Franzosen dem Reichskanzler von den ihnen geschehenen Anträgen Mittheilung gemacht.

Wenn man nur auf die politischen Intentionen Rücksicht nimmt, so hatte es Wallenstein zu einer für einen Privatmann einzigen Stellung gebracht. Die beiden größten Interessen, die die Welt bewegten, das antispanisch französische, und das protestantisch-antikatholische, ein europäisches und ein deutsches, noch sehr im Widerstreit mit einander, suchten Verbindung mit ihm, da er doch an sich der entgegengesetzten Ordnung der Dinge angehörte. Es war, als sollte er zwischen den im Kampfe begriffenen Elementen der Welt Maß geben und über ihre Ansprüche entscheiden: und zwar nicht wie etwa Richelieu als Rathgeber seines Fürsten und im Einverständniß mit demselben, sondern selbst im Gegensatz mit ihm. War er dazu wirklich im Stande?

Alles beruhte auf dem Gehorsam der Armee, der auf einer neuen Zusammenkunft zu Pilsen, die auf den 9./19. Februar angesetzt war, bestätigt werden sollte.


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