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Portrait

Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein

[Vorreden]

Vorrede zur ersten Auflage.

Wenn Plutarch einmal in Erinnerung bringt, daß er nicht Geschichte schreibe, sondern Biographie, so berührt er damit eine der vornehmsten Schwierigkeiten der allgemein historischen sowohl wie der biographischen Darstellung. Indem eine lebendige Persönlichkeit dargestellt werden soll, darf man die Bedingungen nicht vergessen, unter denen sie auftritt und wirksam ist. Indem man den großen Gang der welthistorischen Begebenheiten schildert, wird man immer auch der Persönlichkeiten eingedenk sein müssen, von denen sie ihren Impuls empfangen.

Wie viel gewaltiger, tiefer, umfassender ist das allgemeine Leben, das die Jahrhunderte in ununterbrochener Strömung erfüllt, als das persönliche, dem nur eine Spanne Zeit gegönnt ist, das nur da zu sein scheint, um zu beginnen, nicht um zu vollenden! Die Entschlüsse der Menschen gehen von den Möglichkeiten aus, welche die allgemeinen Zustände darbieten; bedeutende Erfolge werden nur unter Mitwirkung der homogenen Weltelemente erzielt; ein Jeder erscheint beinahe nur als eine Geburt seiner Zeit, als der Ausdruck einer auch außer ihm vorhandenen allgemeinen Tendenz.

Aber von der andern Seite gehören die Persönlichkeiten doch auch wieder einer moralischen Weltordnung an, in der sie ganz ihr eigen sind; sie haben ein selbständiges Leben von originaler Kraft. Indem sie, wie man zu sagen liebt, ihre Zeit repräsentiren, greifen sie doch wieder durch eingeborenen inneren Antrieb bestimmend in dieselbe ein.

Jedermann weiß, wie sehr dies bei dem Manne unvergänglichen, wiewohl noch zweifelhaften Andenkens, dem die nachfolgenden Blätter gewidmet sind, der Fall ist. Wer hätte jemals sich auch nur oberflächlich mit dem dreißigjährigen Kriege beschäftigt, ohne den Wunsch zu empfinden, über Wallenstein unterrichtet zu werden: – wohl die außerordentlichste Gestalt, die in der weitausgreifenden Bewegung der Epoche auftritt. Er erscheint als eine ihrer eigenthümlichsten Hervorbringungen; sein Emporkommen wird von ihr getragen: er gelangt zu einer Stelle, in der er eine Reihe von Jahren einen maßgebenden Einfluß ausübt, bis er zuletzt von einer Katastrophe erreicht wird, die noch immer unverständlich geblieben ist.

Ueber diese und das gesammte Thun und Treiben Wallensteins sind in den Archiven zu Wien, in welche auch seine Papiere übergegangen sind, in den letzten Jahrzehnten fleißige Forschungen angestellt worden; doch ist man damit über Anklage und Vertheidigung, wie sie im ersten Moment einander gegenübertraten, nicht hinausgekommen.

Und wenn man in anderen Archiven weiter nachforscht, so erhält man nur einseitige Antworten, dem Verhältniß gemäß, in welchem die Staaten, denen sie angehören, zu den Begebenheiten standen.

Die sonst so aufmerksamen Venezianer treten dem inneren Getriebe der in Deutschland kämpfenden Interessen nicht nahe genug, um eine genügende Auskunft geben zu können. Bei weitem unterrichtender sind die römischen Berichte; eingehend beschäftigen sich aber die Nuntien nur mit den Momenten, die mit der Herstellung des Katholicismus zusammenhängen; Wallenstein ist ihnen ein Phänomen, zu dem sie noch in keine unmittelbare Beziehung gekommen waren. Die französischen Sammlungen haben sehr merkwürdige Aufklärungen geboten, die sich jedoch nur auf den Einen Punkt beziehen, über den mit Frankreich unterhandelt wurde; über alle anderen Fragen lassen sie im Dunkel. Aehnlich verhält es sich mit den aus den schwedischen Archiven erhobenen Notizen. Umfassend und von hohem Werth sind die aus den Münchener Archiven stammenden Mittheilungen und Papiere; sie haben fast das Meiste zu der Auffassung beigetragen, welche heutzutage die Oberhand gewonnen hat; aber sie stellen doch hauptsächlich nur den Standpunkt der Feindseligkeit und des Argwohns dar, auf dem sich der damalige Baiernfürst gegen Wallenstein hielt: für die Nachwelt kann dieser nicht maßgebend sein.

Wie die lebenden Menschen einander berühren, ohne einander gerade zu verstehen, oder auch verstehen zu wollen, in wetteifernder oder feindseliger Thätigkeit, so erscheinen die vergangenen Geschlechter in den Archiven, die gleichsam ein Niederschlag des Lebens sind. Da allein läßt sich eine dem Bedürfniß der Forschung entsprechende Kunde hoffen, wo eine solche selbst vorhanden war und ausgezeichnet werden konnte.

In unserem Fall war das nur an zwei einander fernen und an sich entgegengesetzten Stellen zu erwarten: in Dresden und in Brüssel.

Der sächsische Hof, von allem was Wallenstein namentlich in den letzten Jahren seines Lebens vorhatte und unternahm, unmittelbar berührt, stand zuletzt mehr als irgend ein anderer in seinem Vertrauen. Dagegen waren die Bevollmächtigten der spanischen Monarchie, deren Papiere gutentheils in Brüssel aufbewahrt werden, nicht etwa in den früheren, aber in den letzten Jahren, seine entschiedensten und wirksamsten Gegner: die Nachrichten, die sie über ihr eigenes Verhalten geben, sind zugleich die wichtigsten für die Geschichte Wallensteins.

Viele andere, zuweilen sehr bedeutende Documente sind aus Privatarchiven zu Tage gekommen; ich zweifle nicht, daß sie sich noch immer vermehren werden. Aber schon das Vorliegende schien mir hinzureichen, um zu einer objectiven Auffassung des Thatbestandes zu gelangen. Nachdem ich in öffentlichen Vorträgen mehr als einmal davon gehandelt habe, darf ich, in einem sehr vorgerückten Lebensalter nicht säumen, sie dem Publikum, das mich an seine Theilnahme und Nachsicht gewöhnt hat, vorzulegen.

So bin ich auf den Versuch einer Biographie geführt worden, die zugleich Geschichte ist. Eins geht mit dem andern Hand in Hand.

Nur in fortwährender Theilnahme an den allgemeinen Angelegenheiten kann der Mann reifen, der eine Stelle in dem Andenken der Nachwelt verdient. In Zeiten gewaltsamer Erschütterung, in denen die Persönlichkeit am meisten ihr eingeborenes Wesen entwickeln und die Thatkraft sich ihre Zwecke setzen kann, verändern sich auch die Zustände am raschesten: jeder Wechsel derselben beherrscht die Welt oder scheint sie zu beherrschen; jede Stufe der Weltentwickelung bietet dem unternehmenden Geiste neue Aufgaben und neue Gesichtspunkte dar; man wird das Allgemeine und das Besondere gleichmäßig vor Augen behalten müssen, um das eine und das andere zu begreifen: die Wirkung, welche ausgeübt, die Rückwirkung, welche erfahren wird.

Die Begebenheiten entwickeln sich in dem Zusammentreffen der individuellen Kraft mit dem objectiven Weltverhältniß; die Erfolge sind das Maß ihrer Macht.

Die Mannichfaltigkeit der Geschichte beruht in dem Hereinziehen der biographischen Momente; aber auch die Biographie kann sich dann und wann zur Geschichte erweitern.

Vorbemerkung zur sechsten Auflage.

Auf unsere Bitte hin und mit Zustimmung der Erben Leopold von Rankes hatte Herr k. k. Hofrat Dr. Hallwich in Wien die Güte, einzelne Angaben der früheren Auflagen vorliegenden Buches auf Grund der neuesten Wallensteinforschung tatsächlich richtigzustellen. Diese Korrekturen betreffen insbesondere bestimmte Daten auf den Seiten 5, 6, 9, 10, 11, 13, 16, 26, 34, 35, 39, 52, 58, 64, 68, 72, 105, 151, 159, 168, 169, 175, 186, 193, 195, 202, 225 und 333 der gegenwärtigen Auflage. Eine Vergleichung der früheren und der gegenwärtigen Fassung der hierdurch berührten Stellen eines der Hauptwerke unseres Altmeisters wird jeden Sachverständigen auf den ersten Blick überzeugen, daß durch jene notwendig gewordenen, selbstverständlich ausnahmslos in schuldiger Pietät gehaltenen Berichtigungen das Wesen der Rankeschen Arbeit nicht im geringsten berührt wird. Wir halten uns für verpflichtet, Herrn Hofrat Dr. Hallwich unsern verbindlichsten Dank abzustatten.

Leipzig, im März 1910.
Duncker & Humblot.


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