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Fünftes Capitel.
Epoche des Restitutionsedictes.

Wallenstein und die Churfürsten.

Von Anfang war es die politische Stellung von Oesterreich, zu deren Vertheidigung Wallenstein die Waffen ergriffen hatte. Er acceptirte die intime Vereinigung des deutschen Oesterreich mit Spanien, durch die er selbst emporgekommen war, und verfocht sie, obwohl nicht gleichmäßig in jeder Form, die sie annahm, an seiner Stelle. Seine eigene Macht und fürstliche Würde war damit identificirt und repräsentirte das gewonnene Uebergewicht.

Eigenthümlich bedeutend war die Stellung, die er schon seit einem Jahr im Reiche einnahm, und konnte es noch mehr werden.

Wallenstein setzte sich zum Ziel, vor allem die Macht des Kaiserthums herzustellen, auf die er seine eigene Thätigkeit basirte. Denn nur auf eine oberste Autorität gestützt, konnte er sein Heer aufbringen, im Reiche erhalten, über die weitesten Gebiete ausdehnen, zugleich die Gegner als Rebellen behandeln und die große Waffe des Kaiserthums anwenden, das Recht der Confiscation; die Aussicht, an diesem ungeheuren Erwerb Antheil zu nehmen, hielt sein Heer zusammen; es war, obwohl durch seine persönlichen Anstrengungen und seine Vorschüsse zusammengebracht, doch auf den Namen des Kaisers geworben.

Der Gedanke der Religion, der einst bei der Dämpfung der böhmischen Rebellion, in der sich Protestantismus und ständische Rechte verbanden, eine so große Rolle gespielt hatte, trat hierbei weit zurück. Bei jener Abkunft mit Eggenberg nach dem türkischen Feldzug, deren wir gedacht, hatte sich Wallenstein ausdrücklich ausbedungen, daß er sein Heer so gut aus Protestanten zusammensetzen könne, wie aus Katholiken. Eine Anzahl von Fürstensöhnen aus protestantischen Häusern, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, diente in seinem Heer. Einer seiner damaligen vornehmsten Kriegsgehülfen, Hans Georg von Arnim, war ein unerschütterlicher Protestant. Man bemerkte, daß die Regimenter, die sie befehligten, großentheils in protestantischen Landschaften einquartiert wurden und sich mit der Population in erträglich gutem Verhältniß hielten. Wie hätte der General an ihrer Spitze die Wiederherstellung und Ausbreitung des Katholicismus zu seinem besonderen Zweck machen können?

Bei ihm beherrschte die Idee der militärischen Autorität alles Andere. Wir kennen die Conflicte, in die er wegen seiner Werbungen und Durchzüge mit den Fürsten der Liga und ihrem Heere gerieth. Wenn dieselben im Jahre 1627 noch so leidlich vermittelt wurden, so daß Tilly selbst an dem Feldzug nach Holstein anfangs Theil nahm, so brachen sie gleich darauf, sobald man keinen mächtigen Feind im Felde gegenüber hatte und die Vortheile des Sieges zu vertheilen waren, in vollen Hader aus. Mit scharfem Befehl hatte Wallenstein, schon voll von seinem Erwerbungsplan, das Heer der Liga von den Quartieren in Mecklenburg ausgeschlossen, was diese, die auch ihrerseits nicht ohne Absicht auf das Land war, auf das empfindlichste verletzte.

Das Verhältniß mag daran ermessen werden, daß die katholischen Churfürsten schon gegen Ende des Jahres 1627 in wenig verhüllten Worten auf die Enthebung Wallensteins vom Generalat antrugen »Daß dero kaiserlichem Exercitus mehreres eingezogen – – und ein solches ansehnliches Directorium verordnet werde, zu welchem die Stände ein gutes Vertrauen, die Soldateska aber allen schuldigen Respect haben müssen, und also den geklagten, länger unleidlichen Pressuren abgeholfen werde. – Hurter, zur Geschichte Wallensteins, S. 111. und dieser dagegen die Meinung kund gab, nur dem Kaiser stehe es zu, Garnison in den eingenommenen Plätzen zu haben, nicht der Liga.

Und ohne alle Rücksicht auf die erhobenen Klagen, gemachten Erinnerungen wurden die Regimenter Wallensteins unaufhörlich verstärkt. Man hatte gemeint, die schwachen würden aufgelöst und ihr Bestand den übrigen hinzugefügt werden; aber die Werbungen gingen vielmehr mit so vielem Erfolge fort, daß auch jene zu einer regelmäßigen Stärke gebracht wurden. Die Kaiserlichen behaupteten nicht allein ihre alten Quartiere, sondern erweiterten sie unaufhörlich. Der Unwille, den die Ligisten hierüber faßten, war der Grund, weshalb sich im Sommer 1628 Wallenstein vor Stralsund so ganz vergeblich um eine Hülfe bemühte, die dort hätte entscheidend werden können. Ganz im Gegentheil, man ging darüber zu Rathe, wie die Bundesarmee zur Abwehr der Bedrückungen der friedländischen Soldateska verwendet werden könnte.

Der Generalfeldhauptmann versäumte nichts, um die Excesse der Truppen zu verhindern. Aber das Meiste mußte dabei doch den unteren Befehlshabern überlassen werden. Und in der Natur dieses durch freie Betheiligung und Hoffnung auf Genuß und Gewinn zusammengebrachten Heeres lag es, daß eine strenge Mannszucht doch nicht gehandhabt werden konnte. Dies war von jeher die unglückliche Eigenschaft deutscher Landsknechtshaufen gewesen. Bei dem Uebergang der Kriegführung in größere militärische Körper trat sie noch einmal auf das stärkste hervor. Die Bewegungen der Regimenter waren mit Gewaltsamkeiten und Verwüstungen bezeichnet. Und an eine allgemeine Ordnung war um so weniger zu denken, da die oberste Leitung selbst gespalten war. Einander gegenüber suchten die beiden Armeen sich wechselseitig die besseren Quartiere abzugewinnen. Es war nahe daran, daß sie gegen einander die Waffen ergriffen hätten.

Die alten Ordnungen und Institute, durch welche die Landschaften sich zu schützen gedacht hatten, wurden nicht mehr beobachtet. Die Durchzüge wurden unternommen, ohne bei den Landes-Obrigkeiten anzufragen; denn diese selber wurden mehr oder minder als Feinde angesehen. Die Gewalt mit Gewalt zurückzutreiben waren sie bei weitem zu schwach.

Die ganze bestehende Verfassung, aus anderen Zuständen hervorgegangen und den militärischen Einrichtungen früherer Zeiten entsprechend, gerieth dadurch in Frage.

Und widersprach nicht die Aufstellung eines Heeres mit der absoluten Autorität, wie sie Wallenstein ausübte, der Reichsverfassung selbst? Eben darauf war diese berechnet gewesen, die höchste Gewalt in enge Schranken einzuschließen, die nun nach allen Seiten durchbrochen wurden. Die Aufstellung einer kaiserlichen Armee, in dem Umfang wie sie geschah, unter einem Führer mit den ausgedehntesten Rechten, welcher sich vom Hofe her nicht viel gebieten ließ – denn er selbst wisse am besten, was zur Herstellung der kaiserlichen Autorität gehöre –, mit dem System der Contributionen, von welchen die Landschaften, und der Confiscationen, von welchen die Fürsten und Herren heimgesucht wurden, bildete den größten Eingriff in die Reichsverfassung, den man seit Jahrhunderten erlebt hatte.

Da war nun aber nichts so wichtig, als die Uebertragung Mecklenburgs an den kaiserlichen Feldhauptmann.

Wiewohl man ein Vorbild dafür in der Uebertragung der pfälzischen Chur an Baiern sah, so waltete doch der große Unterschied ob, daß die geistlichen Churfürsten – in jenem Augenblick die Mehrheit des Collegiums, an dessen Bestimmung der Kaiser bei Handlungen dieser Art gebunden war – dafür gewesen waren, die Uebertragung von Mecklenburg dagegen sammt und sonders verwarfen. In dringenden Anschreiben nahmen sie sich der verjagten Herzöge an.

Aber schon war es dahin gekommen, daß sie hierbei auf ihrer Hut sein mußten. Wallenstein hatte seine Truppen in der Wetterau und der Eifel; von dort konnte er jeden Augenblick den Churfürsten von Mainz, von hier aus den Churfürsten von Trier überwältigen: Cöln war ohnehin unbewehrt. Den Churfürsten von Brandenburg hatte er durch die Besatzungen in der Mark in Fesseln gelegt. Der Churfürst von Sachsen ward im Besitz der Lausitz bedroht.

Der einzige, der auf eignen Füßen stand, war der nunmehrige Träger der pfälzischen Chur, Maximilian von Baiern. Er nahm sich der verjagten Herzöge, die an ihm ihre vornehmste Stütze zu haben meinten, mit besonderem Eifer an. Wie die churfürstliche Prärogative, so verfocht er auch die Erbrechte der Fürstenhäuser mit lebendiger Sympathie. Die Absicht, aus den Spolien des Hauses Braunschweig Tilly und Pappenheim mit reicher Dotation auszustatten, wies er, obgleich diese Offiziere der Liga waren, ebenso energisch zurück, wie die Erhebung Wallensteins zum Herzog von Mecklenburg.

Es war nicht so sehr ein persönlicher Streit, nicht einmal zwischen Friedland und Maximilian, noch viel weniger zwischen den beiden Generalen, der die katholische Welt in Deutschland zersetzte, als der natürliche Gegensatz der großen Stellungen, welche im Kampf ergriffen worden waren: der kaiserlichen, die in ihrer militärischen Repräsentation aller alten Schranken spottete, und der churfürstlichen, welche, durch die erstere neu constituirt, doch nun die Befugnisse der alten reichsständischen Opposition für sich in Anspruch nahm.

Wallenstein, der sich auf jedem Schritte durch die Churfürsten gehemmt und selbst gefährdet sah, ließ sich in seiner hochfahrenden Weise gegen sie vernehmen. Er hatte noch keinen anderen Begriff, als den, daß vor der höchsten Gewalt jede andere Berechtigung weichen oder von ihr zu Grunde gerichtet werden müsse, wie das vor Kurzem die mächtigen Stände in Böhmen erfahren hatten. Waren die Churfürsten und Fürsten des Reiches nicht ebenfalls Stände? Man hörte ihn sagen: es bedürfe ihrer nicht mehr; der Kaiser müsse Herr in Deutschland werden, so gut wie die Könige von Frankreich und Spanien in ihren Gebieten das seien. Man sprach damals viel von einer bevorstehenden Kaiserwahl. Man meinte, Wallenstein denke dabei den engen Verpflichtungen, die dem Kaiser bei seiner Wahlcapitulation aufgelegt zu werden pflegten, ein Ende zu machen. Er wollte nichts von den Rücksichten hören, die deshalb auf die Churfürsten genommen zu werden pflegten. Er ließ verlauten, es bedürfe keiner Wahl; dem Sohne des Kaisers stehe das Recht der Succession auch ohne Wahl zu.

An den churfürstlichen Höfen sammelte man alle Nachrichten aus der Umgebung Wallensteins, die sein hoffärtiges, von großen und weitaussehenden Entwürfen erfülltes Wesen kennzeichneten. Man schloß daraus, er habe die Vernichtung der churfürstlichen Macht und allgemeine Unterwerfung der Reichsstände beschlossen. Dort in Bingen sprachen sie dem Kaiser die Besorgniß aus, »daß ein neuer unhergekommener Dominat zu endlicher Eversion der löblichen uralten Reichsverfassung eingeführt werden wolle« Actenstück bei Hurter, Wallenstein 229. Die zuerst von Aretin publicirten und von Hurter aufgenommenen Mittheilungen über Wallenstein verdienen nur da Beachtung, wo sie von factischen Zuständen Meldung thun. Ihre Schlußfolgerungen beruhen großenteils auf Unkunde oder Verdacht..

Um es dahin nicht kommen zu lassen, haben sie ihre religiösen Antipathien so weit überwunden, daß sie den beiden protestantischen Churfürsten eine Vereinigung der Waffen zu diesem Zweck, die Aufstellung einer aus beiden Parteien zusammengesetzten Armee, der kaiserlichen gegenüber, in Vorschlag gebracht haben.

Wohin würden aber Sachsen und vollends Brandenburg gerathen sein, wenn sie das Ansehen des Churfürstenthums, so weit es an ihnen haftete, und ihre Truppen der überwiegenden Macht der Liga zur Verfügung gestellt hätten?

Aus der Mitte der churfürstlichen Mehrheit ging in Folge des Einflusses, den sie als die Präeminenz der Churfürsten repräsentirend ausübte, ein Beschluß hervor, welcher die Gesammtverfassung des Reiches auf ständischer Grundlage und das Fortbestehen der Religion, die sie bekannten, sehr gefährdete.

Das Restitutionsedict und Kaiser Ferdinand II.

Von allen Fragen, welche die Zukunft der deutschen Nation bestimmen mußten, bei weitem die wichtigste war damals doch die, welche den Protestantismus der geistlichen Stifter in Norddeutschland betraf: große Gebiete, in denen die dem Genius der Nation entsprechende, durch dessen eigenste Anstrengungen ins Leben gerufene Form der Religion die tiefsten Wurzeln geschlagen hatte, die reichsten Früchte hervorzubringen verhieß. Die Uebertragung der Stifter an protestantische Administratoren, die man sich bei dem Eingehen des Religionsfriedens und der Annahme des geistlichen Vorbehalts durch den Sinn, in welchem man diesen auslegte, offen gehalten hatte, knüpfte die Fürsten, den Adel, die Städte und die Einwohner der benachbarten Gebiete an einander und gab ihnen ein Gemeingefühl von einer Größe und Bedeutung, die selbst als ein nationales erscheinen konnte, so lange das Gesammtbewußtsein der Nation als solcher unentwickelt blieb, oder durch den geistlichen Einfluß zurückgedrängt wurde. Dennoch war hauptsächlich durch die klerikalen Mitglieder der Reichsversammlung der Beschluß gefaßt worden, in Folge der alten Satzungen des Reiches und der Kirche, die sie nie aufgegeben hatten, jene Stifter zurückzufordern Ich beziehe mich auf die näheren Ausführungen in der Abhandlung »Zur Reichsgeschichte«. Werke VII.. Die Majorität des Reichsfürstenrathes war dafür gewonnen: sie meinte sich dadurch im Besitz der Reichsgewalt, die constitutionell großentheils eine ständische war, zu behaupten, oder vielmehr erst vollkommen dazu zu gelangen.

Durch den Gegensatz, welchen diese Tendenzen hervorriefen, war der letzte Reichstag zersprengt worden; alle Versuche einen Ausgleich herbeizuführen waren an ihrer Stärke gescheitert; sie hatten zur Wahl Kaiser Ferdinands II. vornehmlich beigetragen und zu den Diensten angefeuert, die ihm dann im Felde geleistet wurden; doch hatte der Kaiser noch immer nicht das letzte Wort gesprochen; die Entscheidung, welche in einer authentischen Interpretation des geistlichen Vorbehalts im antiprotestantischen Sinne bestehen sollte, hatte er noch nicht gegeben. Ehe man in voller Entschiedenheit darauf drang, mußte es sich doch erst möglich zeigen.

Die Niederlage Christians IV., der das entgegengesetzte Princip verfocht, eröffnete die erste gegründete Aussicht; wir erfahren, daß auf die erste Nachricht von dem Ereigniß in einer Zusammenkunft des kaiserlichen und des bairischen Gesandten mit dem päpstlichen Nuntius die Rede davon gewesen ist. In der Sache selbst waren sie einverstanden; aber über die Anwendung der eingezogenen Güter gingen die Meinungen auseinander. Der kaiserliche Gesandte war der Ansicht, daß sie zur Belohnung der wohlverdientesten Großen des Hofes, der bairische, daß die Einkünfte wenigstens fürs erste zur Befriedigung der Soldaten, der Nuntius, daß sie unmittelbar zum Unterhalt rechtgläubiger Bischöfe und zur Herstellung der katholischen Kirche verwendet werden sollten Tagebuch Preysings 12. Sept. 1626, bei Aretin, Baierns auswärtige Verhältnisse 211..

An anderer Stelle hat man den Gedanken gefaßt, die Verfügung über die geistlichen Güter zu einem Mittel der Reduction lutherischer Fürsten, z. B. des Churfürsten von Sachsen, dem man zugleich das Patronat über die von ihm eingezogenen Stifter lassen dürfte, zu machen Consultatio de modis Lutheranos reducendi, bei Moser, Patriot. Archiv VI, 385. Die Schrift kann nicht, wie dort angegeben ist, in das Jahr 1640 gehören, da Ferdinand II. darin als Kaiser erscheint.. Aber der geschäftliche Weg, auf dem die Sache sich bereits bewegte, war nicht der der Unterhandlung, sondern der Beschlußnahme der Reichsgewalt.

Auf das ernstlichste kam sie auf dem Churfürstentag in Mühlhausen zur Sprache. Die katholischen Churfürsten erklärten in einem besonderen Gutachten, daß der Kaiser als oberster Richter im Reiche die Befugniß habe, die Herausgabe der von protestantischen Ständen eingezogenen Güter zu befehlen. Sie erinnerten ihn, daß ihm als dem Vogt der katholischen Kirche auch die Verpflichtung dazu obliege: die Verhältnisse seien nunmehr so angethan, daß er ohne alle weitere Besorgniß dazu schreiten könne. Es war nicht eine neue Verfügung, zu der sie ihn aufforderten, sie verlangten nur eine Declaration über den Sinn des Religionsfriedens, namentlich des geistlichen Vorbehalts.

Die protestantischen Reichsstände hatten von jeher dem Kaiser ein solches Recht bestritten. Sie hatten weder dem Kammergericht noch auch dem Reichshofrath das Recht zuerkennen wollen, irgend eine maßgebende Bestimmung über die Frage zu treffen. Denn nur der Versammlung aller Stände auf einem Reichstag könne es geziemen, eine Satzung zu interpretiren, die unter ihrer Theilnahme gefaßt worden sei.

Wohl willigten nun in Mühlhausen die protestantischen Churfürsten ein, daß der Kaiser zur Erörterung der von den Ständen eingebrachten Beschwerden nach Maßgabe des Religions- und Profanfriedens aufgefordert werden sollte; sie thaten es in einem Gedanken des Friedens, damit das Mißtrauen gehoben werde; sie fügten ausdrücklich hinzu, es solle nur so weit geschehen, als es dem Kaiser anheimgestellt sei.

Diese Worte »so viel und so weit darin submittirt« bilden, man möchte sagen, die Zunge in der Waage der allgemeinen deutschen Verhältnisse Tagebuch Preysings vom December 1627, bei Aretin, Baierns a. V. 274.. Sie waren in den Gesammtbeschluß der Churfürsten aufgenommen und enthielten eine sehr bestimmte Beschränkung des kaiserlichen Willens; in dem Wortlaut waren auch die protestantischen Beschwerden mitbegriffen, sie wurden ebenfalls einer Erörterung durch gemeinschaftliche Berathung vorbehalten. In dem besonderen katholischen Gutachten ist von einem Bedenken dieser Art nicht die Rede; die Voraussetzung herrscht darin vor, daß die Entscheidung unbedingt in der oberstrichterlichen Befugniß des Kaisers liege. Die Ausübung derselben erschien als eine Abstellung der Beschwerden der Katholiken, die eben durch die Vorenthaltung des obersten Richterspruchs beeinträchtigt seien.

Es war, wie man sieht, zugleich eine Frage über die kaiserliche Autorität überhaupt. Kaum läßt sich denken, daß man in den kaiserlichen Räthen dieser formellen Schwierigkeit besondere Beachtung gewidmet haben wird; anders verhielt es sich mit der Entscheidung in der Sache selbst. Niemand konnte sich ihre Tragweite verhehlen. Sie enthielt die Summe dessen, was für die Herstellung des Katholicismus geschehen sollte, aber auch dessen, wogegen die Protestanten immer angekämpft hatten. Daß der Krieg, der bisher noch immer als Unterdrückung der Beleidigung der kaiserlichen Majestät, Züchtigung der Rebellen und ihrer Anhänger betrachtet worden war, namentlich da, wo Friedland mit seinen Truppen waltete, durch Action und Reaction das Gepräge eines Religionskrieges erhalten mußte, lag am Tage.

Es war der letzte Schritt in der Abweichung von der Politik, die bei dem Religionsfrieden und seit demselben eingehalten worden war. Sollte Ferdinand II. sich dazu entschließen?

Zeitgenossen und Spätere haben in Ferdinand gleichsam das Ideal eines katholisch-religiösen Fürsten zu erblicken gemeint Lamormain, Ferdinandi II. christliche und heroische Tugenden, Khevenhiller XII, 2399. Daraus Hurter (Ferdinand, XI, 576), dessen Charakteristik eine Erneuerung der Lamormain'schen ist, mit etwas moderner Färbung.. Dabei ist jedoch viel Uebertreibung. Er hatte eine Vorliebe für Musik, die weit über das hinausging, was das Bedürfniß der Capelle erfordert hätte, und eine Leidenschaft für Baizen und Pirschen Relation eines Nuntius, 1621: Ha S. M. gusto indicibile non solo nelle caccia, ma anche di poi in raccontare le faticho fatte in quella, la grossezza degli animali uccisi con tutte le circonstanze avvenutegle in campagna.. Man besitzt noch seine Schreibkalender, in denen er die Erfolge seiner Jagden aufgezeichnet hat, die Zahl der Thiere, die er jedesmal erlegt hatte, ihr Gewicht, die Enden der Hirsche. Mit scherzhaftem Behagen schreibt er einmal an Collalto, daß er nun auch einen Bären gefällt habe, von der Gattung, die man Ameisbären nennt – d. h. einen Myrmekophagen –; er habe ihn bei 70 Schritt aufs Korn genommen und so gut getroffen, daß das Thier sogleich verendete. Auch auf den Jagden begleitete ihn die junge, schöne Gemahlin, die sich immer in einem sehr zärtlichen Verhältniß zu ihm hielt. In späteren Jahren fanden seine Aerzte die Jagden nicht mehr rathsam; aber er ließ sich darin nicht stören. In seiner Diät hielt er nicht viel besser Maß, als einst Carl V. Der Impuls der Natur war auch in ihm meistens stärker, als die Erwägung. Er war leutselig von Natur und liebte es, so zu erscheinen. Nach seiner Capelle kommend und gehend nahm er Bittschriften entgegen, die dann meistens Rückstände betrafen, die man von seiner Hofkammer zu fordern hatte: er las sie durch und sprach wohl mit einem Petenten von der Sache, wenn er ihm auf der Straße begegnete; daß ihm aber Abhülfe seiner Beschwerde zu Theil geworden wäre, war damit keineswegs gesagt. Man fand es unverantwortlich Venier, relatione di 1630, in Fiedlers Sammlung I, 145: Si scandalizzano molti cho per poter esser prodigo non ascolti l'instanze di tanti miserabili., daß er seine Jäger und Musiker beschenkte, aber seine Gläubiger unbezahlt ließ. Böser Wille lag dabei nicht zu Grunde: das Geld verschwand, sowie es in seine Hände kam. Wie er den Genuß des Lebens liebte, so war es ihm ein Bedürfniß, seine Umgebung zu beschenken: er liebte, seine Minister und Generale groß zu machen, wenn es auch auf fremde Kosten, mit zweifelhaftem Rechte, oder in Folge der Kriegsentscheidungen geschah. Man zweifelte selbst an der Aechtheit seiner kirchlichen Gesinnung, wenn man sah, daß er seinen zweiten Sohn, Leopold Wilhelm, mit Pfründen überhäufte und dann doch zögerte, ihm die Weihen ertheilen zu lassen, weil es rathsam schien, damit zu warten, bis die Nachkommenschaft des älteren Bruders gesichert wäre. Seine Kirchlichkeit ging immer mit den Interessen der Familie und des großen Hauses, dem er angehörte, Hand in Hand.

Nicht als ob seine Religiosität erheuchelt gewesen wäre: sie war ohne Zweifel von lichtester Farbe, nach dem Sinne der Zeit. Ferdinand hat Pferde zu Tode jagen lassen, um nicht zu spät bei der Vesper zu erscheinen. Einer Procession aus der Hofkirche nach St. Stephan in Wien wohnte er in einem jener Regengüsse bei, die dort sonst Jedermann ins Haus treiben: man mußte Bretter über die entgegenströmenden Bäche legen: so überschritt er sie mit niedergeschlagenen Augen, die Hände unter dem durchnäßten Mantel: die Stulpen seines Hutes hingen ihm ins Angesicht, das Wasser lief ihm den Hals hinunter. Dafür, sagte man damals, sei einer seiner gefährlichsten Feinde in derselben Stunde geschlagen worden. Denn das war überhaupt die herrschende Gesinnung. Die mancherlei Rettungen und unerwarteten Successe, die dem Kaiser begegneten, führte man auf Gelübde, die dann gelöst wurden, zurück. Man hat ihm gesagt, selbst seine Kaiserwahl habe er einer Erscheinung der Jungfrau Maria, die dem Churfürsten von Mainz in seinen Besorgnissen Muth eingesprochen habe, zu verdanken. Er selbst gab zu vernehmen, es gebe keine bessere Bastion für eine Festung, als eine Kirche unserer lieben Frauen. Er hat ihr Bild in die Hauptfahnen seines Kriegsheeres aufnehmen lassen. Er betrachtete sich selbst wohl als den Kriegsherrn: für das alleroberste Kriegshaupt erklärte er die allerseligste Jungfrau und Mutter Gottes.

Nicht mit Unrecht, da diese Verehrung die Summe des Dienstes in sich schloß, von dem sich die Protestanten abgewendet hatten, und zu dem sie zurückgebracht werden sollten.

Die Religiosität hatte insofern eine sehr individuelle, man möchte sagen, egoistische Ader, als sie zugleich als das vornehmste Mittel zur Herstellung und Ausbreitung der Macht betrachtet wird.

Nun war Ferdinand in seiner Jugend, zu Ingolstadt, mit den Doctrinen durchdrungen worden, die dem Protestantismus weder eine theologische, noch eine politische Berechtigung zugestanden. Die große Rolle an der Universität zu Ingolstadt spielte damals Gregor von Valencia, der die Unentbehrlichkeit einer infalliblen Autorität in der Kirche in der Weise behauptete, die später immer in Geltung geblieben ist, und diese Autorität dem römischen Stuhle vindicirte; er wurde von Canisius mit kirchenrechtlichen, von Gretser mit reichsgeschichtlichen Argumenten unterstützt. Man betrachtete den Protestantismus als eine Wiederholung früherer Ketzereien, welche, wie diese, nicht allein ohne jede Berechtigung sei, sondern mit allen Mitteln vernichtet werden müsse.

Welchen Eindruck mußte es nun auf den Kaiser hervorbringen, daß ihm das vornehmste Collegium im Reich, auf dessen Rath er durch die Verfassung angewiesen war, die Pflicht vorstellte, hierin eine Entscheidung zu geben, der Niemand zu widerstreben die Macht haben werde!

Nach den großen Ereignissen des Jahres 1627, bei der Anwesenheit des Hofes in Prag, kam die Sache in ernstliche Erwägung. Man begründete die Aufforderung dazu auf das zwiefache Motiv, daß es das Seelenheil so vieler Hunderttausende gelte und Gott die kaiserlichen Waffen gesegnet habe. Der Kaiser erwiderte, alle seine Intentionen seien auf die Wohlfahrt der katholischen Kirche gerichtet, wie er das wegen der göttlichen Wohlthaten, die er empfangen, schuldig sei. Noch einmal belebte ihn der politisch-theologische Begriff des Mittelalters, in dem die weltlichen Interessen mit denen der Kirche als einer Sache Gottes identificirt erscheinen. Der päpstliche Nuntius unterstützte die Anmuthung mit dem Gewicht seiner Autorität.

Bei der Lage der allgemeinen Angelegenheiten und dem fortdauernden Schwanken der Kriegsgeschicke verwundert man sich nicht, wenn die Entscheidung noch verschoben ward. Erst als Wallenstein in Norddeutschland festen Fuß gefaßt und, wenngleich Stralsund nicht erobert, aber doch durch den Sieg von Wolgast das Uebergewicht der kaiserlichen Waffen aufs neue befestigt hatte, schritt man dazu. Aus den Berichten des Nuntius ergiebt sich, daß der göttliche Segen in dem Glück der Waffen mit der definitiven Entschließung in Verbindung gebracht wurde Die Zeitbestimmung bei Caraffa ( Germ. sacra 350): Deus post paucos ab ipsa deliberatione dies Caesarem insigni victoria remuneratus est, giebt zu Zweifeln Anlaß; die Verbindung der Idee aber liegt am Tage..

Am 13. September 1628 ist dann einer Deputation von geheimen Räthen und Reichshofräthen der kaiserliche Befehl zugegangen, zu einer Erörterung der Reichsbeschwerden – d. h. eben der von den katholischen Churfürsten angeregten – und ihrer Decision zu schreiten.

Wohin es führen würde, war gleichsam ein öffentliches Geheimniß.

Eines Tages hörte der brandenburgische Minister Schwarzenberg, der in Folge jenes Gespräches mit Wallenstein nach Wien gegangen war, die Messe bei den Jesuiten. Nach der Feier kam er mit dem Pater, der sie gelesen hatte, zu reden. Dieser drückte ihm sein Bedauern aus, daß nicht auch der Churfürst, sein Herr, katholisch sei, wie der Minister; – »wie dem aber auch immer sei,« fuhr er fort, »die Katholiken müssen wieder bekommen was ihnen entrissen ist, im Brandenburgischen z. B. Havelberg, aber überhaupt alle Stifter, welche ihnen nach dem Religionsfrieden entzogen worden sind; sie müssen alle mit katholischen Bischöfen besetzt werden.« Schwarzenberg erschrak vor diesem Gedanken; er bemerkte, man habe ohnehin Lärm und Unruhe genug, ein solches Beginnen werde zu neuen Empörungen führen.

Am Hofe war die Sache bald entschieden. Man trat mit den katholischen Churfürsten in nähere Berathung und ward mit ihnen einig, die vor dem Passauer Vertrag eingezogenen Güter noch unangefochten zu lassen, aber alle die zu reclamiren, welche nach demselben in den Besitz der Protestanten übergegangen waren. Man wollte erst sehen, wie weit man mit diesen kommen würde; über die anderen sei ohnehin noch keine Reichsbeschwerde formulirt.

Alles ging in den reichsrechtlichen Formen, die seit der Wiedererstarkung der katholischen Majorität an den Reichstagen eingeleitet worden waren, vor sich. Der geistliche Vorbehalt ward in ihrem Sinne ausgelegt, die alte ferdinandeische Declaration als nicht vorhanden betrachtet; die Beschwerden über die Vertreibung der Protestanten aus den geistlichen Gebieten, so wie über die Ausschließung der protestantischen Administratoren von Sitz und Stimme aus den Reichtagen wurden für null und nichtig erklärt und die Verfügung ausgesprochen, daß die seit dem Passauer Vertrag von diesen eingezogenen Stifter den Katholischen zurückgegeben werden sollten. Was die Majorität des Fürstenrathes von jeher gefordert, ward von der nunmehr gebildeten Mehrheit des Churfürstenrathes in Antrag gebracht. Der Kaiser sprach sich als höchster Richter dafür aus.

Jene Einrede der Protestanten, daß weder dem Kaiser und seinen Gerichten, die ja selbst Partei genommen, noch der Majorität der Reichsstände, die eben durch die Exclusion der reformirten Stifter und ihrer Inhaber gebildet war, ein Recht der Entscheidung in Fragen zustehe, welch über die Auslegung des Friedens entstanden waren: daß zu einer Interpretation der Gesetze dieselbe Autorität gehöre, welche sie gegeben habe, nämlich eine Versammlung der Reichsstände, – fand keine Rücksicht weiter. Der böhmische Krieg, und was damit zusammenhing, hatte an sich auf diese Frage keine unmittelbare Beziehung. Aber in dem Kampfe der Waffen waren die Protestanten niedergeworfen und besiegt worden. Nichts verhinderte, daß man nun den Streit in einem ihnen entgegengesetzten Sinne entschied.

Eine Commission, aus einem Reichshofrath und dem in dem Geschäft der Herstellung des Katholicismus schon geübten Bischof von Osnabrück bestehend, wurde ernannt, um das kaiserliche Decret zunächst in Niedersachsen in Vollziehung zu setzen. General Tilly erklärte sich bereit, mit allen seinen Kräften dazu mitzuwirken.

Damit wurde nun der Protestantismus nicht geradezu verpönt oder aufgehoben; aber man hatte vorlängst bemerkt, daß die Veränderung in den Bisthümern einen durchgreifenden Einfluß auf alle Stände in ihren Gebieten, sowie in den Nachbarländern ausüben werde und müsse. Durch das Edict wurde die Axt an die Wurzeln der Reformation gelegt. Es war die ganze Form des norddeutschen Glaubens, Denkens und Lebens, der man den Krieg ankündigte.

Wie dann, wenn die beiden Commissionen, die weltliche der Confiscation und die geistliche der Restitution, zusammenwirkten? Wir erinnern uns, daß auch die Entsetzung der Herzöge von Mecklenburg auf den Grund, daß der Kaiser durch Ungehorsam berechtigt werde die ertheilten Lehen einzuziehen, verfügt wurde. Die kaiserliche Autorität entfaltete alle ihre Ansprüche auf einmal nach allen ihren Seiten. Nicht sowohl auf ein waffenstarkes und geistesmächtiges Deutschland war es abgesehen, als auf ein unterthäniges und wesentlich katholisches.

Innere Gährung und äußere Gefahr.

Ob man in der kaiserlichen Umgebung die Ausführbarkeit dieser Entwürfe recht überlegte, ob man sie zusammengedacht hatte, obwohl sie zusammenwirken sollten, mag noch bezweifelt werden. Wie sie auftraten, widersprachen sie einander. Der eine war der Ausdruck jener Idee der katholischen Mehrheit, die seit sechszig Jahren, gar oft im Widerspruch mit dem Kaiser, emporgestrebt hatte; der andere realisirte noch einmal die kaiserliche Machtvollkommenheit, welche die katholischen Stände selbst nicht wollten.

Und wie wollte man dabei dem Auslande gegenüber bestehen, wenn man in dem Innern alles in volle Verwirrung brachte?

Gegen das Vorhaben des Restitutionsedicts sprach sich unter Anderen vornehmlich der Hofkriegsrathspräsident aus: in einem besondern Gutachten setzte er auseinander, daß ein Religionskrieg in aller Form, dessen Ausgang sich nicht absehen lasse, daraus entstehen könne.

Und wie hätte der Herzog von Friedland nicht von ganzer Seele dagegen sein sollen? Der Antrag kam eben von den vier Churfürsten, in denen er seine vornehmsten Gegner sah: er ging auf eine Erneuerung der weltlichen Autorität des Klerus, die ihm principiell verhaßt war. Bei seinem Aufenthalt in Italien hatte er die Ansicht gefaßt, daß es auch in Deutschland so sein sollte, wie dort; die Bischöfe sollten keine weltliche Administration noch Autorität besitzen. Mit den meisten Bischöfen, mit denen er in Contact kam, war er in Hader gerathen: namentlich auch mit den fränkischen. Von ihrem Widerstand gegen die weltliche Macht, von ihren ständischen Bevorrechtungen wollte er nichts hören; er soll gesagt haben, es werde nicht gut im Reiche, als bis man Einem von ihnen den Kopf vor die Füße gelegt habe »Allein haben sie – der Bischof von Osnabrück – mir gesagt, es habe ein Commissari, Mezger genannt, den anfang alles misdrawens vervrsacht, Ihndem Er den Herrn Bischofen von Wirzburg und andern Cur und Fürsten Ihns gesicht gesagt, es thue Kein guett bis man Einmall Einem Curfürsten den Kopf zwischen die Bein lege, vnd geistlichen die geistlichkeit administriren lasse, was aber die weltliche fürstliche obrigkeit vnd vberflissige guetter anlange, wollen E. F. G. es Ihnen nehmen vnd wie die bischoffe Ihn Italien sie reduciren, Solches werden Ihr F. G. von Wirzburg nit allein geschehen und beweisen, Sondern Es sei geclagt worden, aber nichts darauff Erfolget.« – Schreiben Pappenheims, bei Chlumecky: Regesten, Briefe Albrechts von Waldstein, S. 196..

Und ganz außer der Zeit schien es ihm, zu geistlichen Reformen, welche die Wiederherstellung des Katholicismus betrafen, zu schreiten; er sagte, der Kaiser brauche keine Reformen, sondern Rekruten.

Schon im Sommer meinte er in dem stärkeren Widerstand, den er fand, die Wirkungen des Edicts zu bemerken. Es war abermals, wie zu Carls V. Zeiten, die Stadt Magdeburg, die denselben leistete; er stand wenigstens in indirectem Zusammenhang mit den Differenzen über die Besetzung des Erzbisthums.

Dem Kaiser war es gelungen, die Halberstädter Domherren soweit zu bringen, daß sie seinen zweiten Sohn, Erzherzog Leopold Wilhelm, zu ihrem Bischof erwählten: denn auf das bloße Eroberungsrecht wollte er es nicht ankommen lassen, und lieb war es ihm zugleich, nicht genöthigt zu sein, die päpstliche Autorität anzurufen.

Aber Halberstadt bedeutete ohne Magdeburg nur wenig, und hier gingen die Dinge nicht so erwünscht. Das Domcapitel entschloß sich freilich, den Administrator Christian Wilhelm aus dem Hause Brandenburg zu entsetzen, weil er das Stift eigenmächtig in Krieg verwickelt und in Beziehung auf den Gehorsam gegen den Kaiser seine Capitulationsartikel gebrochen habe; aber es war doch weit entfernt, indem es von Brandenburg, von dem es keinen Schutz erwarten durfte, zurücktrat, sich an Oesterreich zu wenden. Das Capitel postulirte vielmehr den sächsischen Prinzen August zu seinem Administrator – eine Combination von allgemeiner Bedeutung, durch die das dynastische Interesse von Sachsen, des einzigen protestantischen Fürstenthums, das noch auf festen Füßen stand, mit dem österreichischen in Conflict gerieth.

Die kaiserlichen Einwendungen gegen die Wahl kamen zu spät: der Churfürst erklärte, die sehr berechtigte Wahl seines Sohnes behaupten zu wollen.

An sich war nun der Sitz des Erzbisthums, die Stadt Magdeburg, mit dem Stift nicht einverstanden. Es geschah im Widerstreit mit den stiftischen Rechten, wenn Wallenstein die Stadt gleich bei seiner ersten Ankunft ermächtigte, ihre Mauern und Wälle zu erweitern. Wie viel hätte es unter den damaligen Umständen ausgetragen, wenn die Stadt hätte vermocht werden können, eine kaiserliche Garnison aufzunehmen. Er stellte ihr vor, die Kosten werde das Erzstift tragen.

Allein indessen war die Stimmung der Zeit verändert, das Werk der Herstellung schon überall in der Nachbarschaft begonnen und an vielen Stellen ausgeführt worden. Magdeburg war nicht weniger als Stralsund von dem Geist des protestantischen Widerstandes durchdrungen. Es wollte den unter Carl V. erfochtenen Ruhm behaupten, das Bollwerk der evangelischen Kirche zu sein; bei der ersten Begegnung mit den kaiserlichen Truppen trat der volle Gegensatz hervor.

Die Bürger wurden als lutherische Buben von den Andringenden begrüßt. Sie dagegen erklärten, daß ihr Gewissen, die Rücksicht auf ihre Nachkommen sie verhindere, kaiserliche Besatzung aufzunehmen. Nur zu einer geringen Contribution wollten sie sich verstehen, welche die kaiserlichen Obersten ihrerseits nicht annahmen. Wallenstein selbst kam herbei; aber er sollte inne werden, daß seine Streitkräfte nicht hinreichten, die Stadt zu überwältigen. Alle benachbarten Städte verwandten sich für Magdeburg, und Wallenstein mußte Bedenken tragen, sie zu entfremden.

Er behauptete, der Grund ihres Widerstandes sei allein das Edict, das man in Wien wohl hätte aufschieben können: wie habe man dadurch Bremen, wo die ernstlichsten Versuche der Rekatholisirung gemacht würden, gleichsam zur Verzweiflung gebracht!

Er traf eine Abkunft mit Magdeburg, so gut sie eben möglich war; denn er empfand jeden Augenblick, daß die ganze Bevölkerung bereit sei, sich zu erheben. Darin lag das welthistorische Moment, daß, indem ein umfassender Plan gemacht wurde, durch eine katholische Universität und eine Anzahl jesuitischer Collegien das Reich von Grund aus zu katholisiren, der General, der das Schwert in den Händen hatte, des Landes und des Volkes nicht mehr Meister war und selbst von diesen Versuchen nichts hören wollte.

Wallenstein war als Katholik emporgekommen und hielt an diesem Glauben fest; er hätte, es ist kein Zweifel daran, das Uebergewicht des Katholicismus, in so fern es nicht zum Vortheil der großen Bischöfe und der Liga diente, unter kaiserlicher Autorität gern gesehen: aber von aller Verfolgung war er weit entfernt. Den mecklenburgischen Ständen versprach er bei ihrer Erbhuldigung, sie bei ihrer Religion augsburgischer Confession, wie hergebracht, auch ferner zu belassen; denn immer sei es seine Regel gewesen, Niemand in seiner Religion und seinem Gewissen zu beunruhigen: das habe er in allen seinen Herrschaften und Landen, in der Armee und in seinem Hofhalt beobachtet Passus aus der Instruction, bei Spalding, Mecklenburgische Landesverhandlungen II, 208.. So hatte er vor Kurzem seinen Landeshauptmann von Sagan, der religiöse Reformen ins Werk setzen wollte, seiner Stelle entsetzt. Der Statthalter, den er in Mecklenburg einsetzte, war ein Protestant; und hier hatte er selbst, in seiner landesfürstlichen Eigenschaft, ein Motiv, dem Edict zu widerstreben. Wenigstens ist in seiner Erbdisposition das Anrecht an das ihm verpfändete Bisthum Schwerin und andere geistliche Güter eingeschlossen. Noch viel widerwärtiger aber war es ihm als Vorkämpfer und Repräsentanten der kaiserlichen Macht. Daß man durch das Edict voreilig die Antipathien der mächtigen Städte, die Feindseligkeit des ganzen protestantischen Namens in Norddeutschland erweckte, gereichte ihm zu Verdruß und Besorgniß.

Er erinnerte auf das dringendste, mit den Restitutionsversuchen nun nicht auch in Schlesien die Gemüther zu verwirren, wie das damals in Breslau und Brieg erfolgte. Sei das System einmal befestigt, so werde sich alles ohnehin geben.

Indem aber in Germanien, das man hatte pacificiren wollen, um den auswärtigen Feinden gewachsen zu sein, der große Zwiespalt erst recht hervorgerufen wurde, und zwar nicht allein der tiefste und vornehmste zwischen den beiden Religionen, sondern ein anderer unter den Führern der Katholiken, über die geistliche und weltliche Macht, das Kaiserthum und ständische Rechte, erhob sich die Feindseligkeit gegen das Haus Oesterreich in etwas anderer Form als bisher, aber noch nachhaltiger und umfassender. Werfen wir einen Blick auf die Veränderung der politischen Lage.

Alles hängt von der erwähnten Eroberung von Rochelle ab, nach welcher die französische Politik freie Hand nach außen bekam. Bald darauf wurde der Krieg zwischen England und Frankreich durch die Vermittelung der Venezianer beendigt. Denn eben die italienischen Staaten und besonders Venedig sahen ihre einzige Rettung vor dem drückenden Uebergewicht der Spanier in einer freien Bewegung von Frankreich. Cardinal Richelieu war nunmehr im Stande, ihnen die Hand zu bieten. In den ersten Monaten des Jahres 1629 zogen die Franzosen über die Alpen; – eine Conföderation der italienischen Staaten unter seinem Schutze kam zu Stande, die zugleich gegen Spanien und den Kaiser gerichtet war, der seine oberherrlichen Gerechtsame zu Gunsten von Spanien ausübte.

Die drohende Haltung, welche Frankreich hierdurch zugleich in Bezug auf die Pfalz und Oberdeutschland überhaupt annahm, gehört mit zu den Motiven des Friedens von Lübeck Vgl. ein Schreiben des Abts von Kremsmünster bei Klopp, Tilly I, 546., gegen den deshalb auch die Spanier nichts einzuwenden hatten.

Vergebens hatten sie dennoch gehofft, durch die Aufstellung einer maritimen Macht im Norden und Osten Holland zu beeinträchtigen; das Vorhaben rief die Feindseligkeit erst recht wach. Auf das gewaltigste regte sie sich in Folge eines Ereignisses, das in eine andere Reihe von Begebenheiten gehört, aber hier wegen seiner Einwirkung doch erwähnt werden mag.

Auf die Erneuerung des Krieges von Seiten der Spanier hatten die Generalstaaten dadurch geantwortet, daß sie, was lange gewünscht, aber aus politischer Rücksicht noch immer verzögert worden war, eine westindische Compagnie errichtet, von der man sagt, sie habe zwar für sich selbst nicht gar viel erreicht, aber übrigens ihre Rolle sehr wohl gespielt. Eine Eingabe von ihr liegt vor, in welcher sie den Generalstaaten ausführlich vorstellt, wie viel sie aufgewendet, wie viel Nutzen sie dem Lande gebracht, und welchen Abbruch sie, denn dazu war sie eigentlich gestiftet, der spanischen Monarchie zugefügt habe: sie fasse Fuß in Brasilien, allenthalben unterbreche sie den Waarenaustausch zwischen den Colonien und dem Mutterlande, so daß die Zölle abnahmen und der Credit verfiel; dagegen die Niederlande versehe sie unmittelbar mit den südamerikanischen Producten, deren sie zu ihrem Welthandel bedürften. Was sie aber, und ohne Zweifel mit Recht, am höchsten anschlug, war ein Sieg, den ihr Admiral Peter Hein, ein Mann, der sich vom Matrosen bis zur höchsten Stelle in der Marine aufgeschwungen, in den westindischen Gewässern über die spanischen Galeeren, die dort noch für unbesiegbar galten, davontrug. Es war eine mit Waaren und Silber reich beladene Flotte, die auf ihrem Weg von Veracruz nach der Havanna, ohne von der Nähe des gefährlichen Feindes eine Ahnung zu haben, plötzlich auf die Holländer stieß, welche ihrer warteten. Den Spaniern gelang es noch, die Küste von Cuba zu gewinnen; sie liefen in die Bai von Matanzas ein; hier aber konnten sie sich der Holländer, die ihnen nacheilten, nicht erwehren; die sämmtlichen Schiffe mit ihrer Ladung fielen in deren Hände. Es war eine ungeheure Beute: so groß, sagt jener Bericht, wie noch nie eine nach Holland gekommen war; man kann denken, mit welchem Jubel sie empfangen wurde. Auch der König von Böhmen machte in seiner Freude sich auf, sie zu besehen. Denn auf der Stelle fühlte ein Jeder, welchen Zusammenhang der westindische Sieg mit allen europäischen Angelegenheiten habe. Die spanischen Truppen blieben nun vollends unbezahlt und wurden wie vor Alters meuterisch. Die Spanier konnten zunächst die gewohnten Subsidien nicht mehr aufbringen; den Holländern ward es möglich, ihre Freunde mit Geld zu unterstützen, und vor allem sie wurden freudig zum Kriege. Die Eroberungen von Herzogenbusch und von Wesel, die ihnen gelangen, gaben ihnen ihr fast verlorenes Ansehen im nördlichen Deutschland wieder zurück.

Zwischen der spanischen Regierung und der Republik war eine Zeit lang sehr ernstlich von der Erneuerung des Stillstandes die Rede gewesen. Aber mit dem lebendigsten Interesse, dem maritimen, verband sich der durch die religiöse Krisis aufgeregte Eifer der Prediger. Man beschloß vielmehr, die Sache der Pfalz auf das ernstlichste in die Hand zu nehmen. Indem man Tilly von Ostfriesland her an den Ausflüssen der Weser mit einer Uebermacht begegnete, die er kaum bestehen zu können meinte, wurde noch ein anderes Heer, 40,000 Mann stark, am Niederrhein aufgestellt, um den Churfürsten Friedrich nach der Pfalz zurückzuführen; man wollte die Gebiete der rheinischen Churfürsten besetzen und verwüsten, um sie zu nöthigen, bei dem Kaiser die Wiederherstellung des pfälzischen in Antrag zu bringen.

Von allen Feindseligkeiten die für Wallenstein selbst gefährlichste trat noch an einer dritten Stelle in Aussicht.

Von der Nothwendigkeit durchdrungen, den König von Schweden, der sich als der unversöhnliche Feind des kaiserlichen Systems und zugleich der wallensteinischen Politik erwies, von weiterer Einwirkung auf die deutschen Angelegenheiten fern zu halten, hatte der General als das hierfür dienlichste Mittel angesehen, ihn in dem preußischen Kriege zu beschäftigen, und sich entschlossen, den Polen eine ansehnliche Hülfe gegen die Schweden zuzuschicken. Sie sollten im Stande bleiben, denselben die Spitze zu bieten und sie zu beschäftigen. Mit 10,000 Mann seiner besten Truppen rückte der Feldmarschall Hans Georg von Arnim im Mai 1629 im polnischen Gebiete vor; vergebens versuchte der König seine Verbindung mit den Polen zu verhindern; indem er von Marienwerder nach Marienburg zurückzog, um auch seinerseits Verstärkungen an sich zu ziehen, konnte er doch nicht ein Zusammentreffen mit dem überlegenen Feind vermeiden – bei Stuhm –, in welchem er persönlich in Gefahr gerieth, gleichwohl nur unbedeutende Verluste erlitt und an der Fortsetzung seines Marsches nicht gehindert wurde. In dem festen Lager bei Marienburg, wo er seine Verstärkungen an sich zog, war er den Kaiserlichen und Polen, welche schlecht bezahlt waren, vollkommen gewachsen. Es scheint sogar, als sei dem Feldmarschall an einem Siege des kaiserlichen Systems, wie es sich jetzt durch das Restitutionsedict entwickelte, nichts gelegen gewesen: er hatte dadurch den trefflichen Besitz der Klostergüter zu Boitzenburg selbst zu verlieren gefürchtet: unmittelbar auf die Nachricht von seinem Sieg folgte sein Abschiedsgesuch.

Eine der Absicht ganz entgegengesetzte Folge hatte nun aber das Vordringen der kaiserlichen Völker auf polnischem Gebiet bei den Polen. Den polnischen Magnaten erschien die enge Verbindung ihres Königs mit dem kaiserlichen Hofe, bei der sie nicht zu Rathe gezogen waren, als eine Gefahr für ihre Freiheit. Das Uebergewicht der Deutschen war ihnen nicht minder verhaßt, als das der Schweden, und noch war auch hier der Protestantismus stark vertreten. Viele hätten lieber mit den Schweden gegen die Kaiserlichen gemeinschaftliche Sache gemacht, als mit den letzteren gegen die Schweden.

Auf den König von Schweden mußte es Eindruck machen, daß der Feind, dessen er vor Kurzem Meister zu werden hatte hoffen dürfen, sich ihm kräftiger als jemals entgegenstellte; wie einer seiner Gesandten sagt, es sei so klar wie das Licht der Sonne, daß es nur durch den Vorschub der Kaiserlichen geschehe.

Aus diesen Gründen hielt man zu beiden Seiten einen Stillstand der Waffen für rathsam, der unter der Vermittelung eines eben eintreffenden französischen Gesandten am 16. September zu Stande kam, und zwar auf die Zeit von sechs Jahren, welche Raum zu weiteren Entwickelungen bot. Der König von Polen ward durch seine Magnaten dazu genöthigt. Gustav Adolf fühlte sich von seinem Geschick auf einen andern Schauplatz berufen.

Denn in den Begegnungen, die ihm zuletzt widerfahren waren, der Abweisung seiner Gesandten von Lübeck und dem Andringen kaiserlicher Völker, unter dem wenig bedeutenden Vorwand, daß sie im polnischen Solde seien, lag eine offenbare Feindseligkeit.

Es war im Anfang des October, daß Wallenstein diese Nachricht empfing; er fühlte vielleicht unter allen Lebenden am meisten, was sie bedeute; denn um sich her nahm er die freudige Erregung wahr, welche sich allenthalben in Norddeutschland kund gab. Er bemerkte, daß der geringste Anlaß eine allgemeine Rebellion hervorrufen werde.

Die Protestanten legten die bitterste Feindseligkeit an den Tag. Man sprach davon, einen allgemeinen Bauernaufstand zu veranlassen, das heißt, die gesammte Bevölkerung Mann bei Mann in den Kampf zu berufen. Das Wort ist verlautet, man wolle Germanien eher der alten Barbarei und Wildniß zurückgeben, als die Sache so fortgehen lassen. Wallenstein sagt, die norddeutschen Protestanten seien in einer so verzweifelten Stimmung, daß sie sich dem Teufel in der Hölle anschließen würden, wenn er sie rette: und dürfe man etwa auf die Katholischen trauen? Er bemerkt, man dürfe sich nicht einbilden, daß es nicht die Absicht der Franzosen sei, im Reiche vorzudringen, oder daß sie keine gute Aufnahme in Deutschland finden würden: mit den Katholischen seien sie schon verbündet.

In diesem Zustand hatte nun der kaiserliche Feldhauptmann die Aufgabe, nach allen Seiten Front zu machen, und schickte sich dazu an: doch fand er allenthalben in den eigenen militärisch-politischen Zuständen Schwierigkeiten.

In Pommern standen 17,000 Mann; doch bat ihr General Torquato Conti um Versetzung. Arnim war auf sein Gesuch entlassen worden, und zwar auf der Stelle: denn man müsse ihn nicht zu der Einbildung verleiten, als könne der Kaiser seinen Krieg nicht ohne ihn führen.

Am Niederrhein standen der Graf von Nassau und Montecuculi: doch waren sie unter einander nicht einverstanden, und überdies beklagten sich die Obersten über die schlechte Behandlung, die ihnen Seitens der Spanier widerfahre.

Dieselbe Klage hörte man aus Italien: Nichts sei dort vorbereitet; selbst das Geschütz, das man vortrefflich im Stande zu finden gehofft, sei unbrauchbar. Allerdings meinte man selbst am kaiserlichen Hofe, man könne sich bei diesem Anlaß der venezianischen Gebiete bemächtigen; auch Wallenstein war dieser Meinung; aber die Venezianer hüteten sich, im Felde zu erscheinen, wo sie hätten geschlagen werden können, und setzten ihre Plätze so gut in Stand, daß man sie schwerlich erobern würde.

Trotz des gewaltigen Kriegsheeres, das er aufgestellt hatte, fühlte er sich doch zu schwach, alle Feinde auf einmal zu bekämpfen. Aus seinem Briefwechsel mit dem Hofkriegsrathspräsidenten Collalto, seinem damals vertrautesten und einverstandensten Freunde, lernt man die Besorgnisse kennen, welche vom militärischen Standpunkt aus in den Gesichtskreis traten. Man hielt selbst einen feindseligen Anfall von der Türkei her für möglich. Vor allem fürchtete man für den Elsaß, wo man ohne Zweifel einen Einfall der Franzosen zu erwarten habe.

Indem man sich nun nach neuen Truppen und Kriegsvorräthen umsah, schien es das Nothwendigste, dem inneren Zwist zwischen Kaiserlichen und Ligisten ein Ende zu machen.

Im Januar 1630 empfing Wallenstein in Halberstadt den Besuch Tilly's, Pappenheims und des Bischofs von Osnabrück; denn vor allem darauf kam es an, indem man nach allen Seiten hin zu kämpfen hatte, nicht die innere Entzweiung zum Ausbruch kommen zu lassen. In der Hauptstreitfrage selbst gab er keinen Schritt breit nach, die Quartiere konnte er sich nicht streitig machen lassen. Wenn Tilly sich über die Unzulänglichkeit der seinen beklagte, so rieth er ihm, sie ebenfalls über die katholischen Landschaften auszudehnen. Für sich bewies er durch eine und die andere Execution aufs neue, daß er Ordnung halten wolle. Er wußte den Bischof zu überzeugen, daß die neuen Werbungen, zu denen er schritt, gegen die auswärtigen Feinde unbedingt nothwendig und außer Beziehung zu den inneren Streitigkeiten seien; er wußte auch ihm die Befürchtungen auszureden, die durch die Aeußerungen jenes Agenten, die gleichwohl ihre Wahrheit hatten, entstanden waren.

Indem er die katholischen Churfürsten zu versöhnen hoffte, richtete er sein Augenmerk auch auf die Beruhigung der protestantischen. Er hätte den Churfürsten von Sachsen zu besuchen gewünscht; doch wurde er durch den Ausbruch eines Anfalles von Gicht hieran gehindert. In der Absicht, sobald wie es möglich würde, nach Carlsbad zu gehen, begab er sich, in einer Sänfte getragen, durch die Lausitz und Schlesien nach seiner Hauptresidenz Gitschin. Wohin aber seine Absichten in Bezug auf die protestantischen Churfürsten gerichtet waren, erkennt man aus einer Verhandlung mit dem brandenburgischen Minister Schwarzenberg, unmittelbar vor seiner Abreise von Halberstadt. Er sagte demselben alles Gute für Pommern und Preußen und Schonung für den Churfürsten zu, wenn derselbe dem Kaiser nur treu bleibe. Schwarzenberg forderte eine Assecuration für Innebehaltung der märkischen Bisthümer und Klöster. Wallenstein antwortete, es sei schwer, mit den Geistlichen – wie er sagt, den Pfaffen – zu verhandeln; doch hoffe er die Mittel zu treffen, um diese Assecuration auszuwirken.

Und niemals fürwahr wäre eine Versicherung aller deutschen Interessen, eine Vereinigung nicht allein, sondern verdoppelte Anstrengung aller Kräfte nothwendiger gewesen, als in diesem Augenblick. Es war der, in welchem Richelieu, der in einem ähnlichen Gesundheitszustand sich befand wie Wallenstein, aber sich ebenso in dringenden Momenten wieder zusammenraffte, seinen zweiten Zug nach Savoyen unternahm, bei welchem er sich Pinerolo's bemächtigte.

Wallensteins vornehmste Absicht war gegen die Invasion gerichtet. Er meinte, man müsse dem Herzog von Savoyen unter allen Umständen zu Hülfe eilen, und klagte nur, daß sich der kaiserliche Hof vorzugsweise nur mit kirchlichen Dingen beschäftige: dort glaube man, was man wünsche glauben zu dürfen; man werde bald sehen, wie man dabei bestehen könne.

Durch einen Brief, den er über die italienische Sache an den Beichtvater Lamormain, der bisher auf seiner Seite, geschrieben hatte, und den dieser indiscreter Weise dem päpstlichen Nuntius mittheilte, gerieth sein Beschützer Eggenberg in nicht geringe Verlegenheit und Wallenstein selbst in Mißcredit. Aber seine Ansicht drang noch einmal durch.

Collalto begab sich selbst nach Italien; Wallenstein, der von demselben immer als sein Commandeur betrachtet wurde, beabsichtigte ihm in Person nachzufolgen; eine stattliche Verstärkung zog bereits über Graubünden und Como den Piemontesen zu Hülfe. Wallenstein war mißvergnügt über Spinola, der die mit seinem König getroffenen Verabredungen nicht beobachtete. Er schickte einen Vertrauten nach Spanien, um Olivarez zur Leistung der versprochenen Geldmittel zu bewegen. Dann, sagte er, wolle er hineinziehen, ohne eine Stunde zu verlieren. Er schätze den Herzog, der sich jetzt ehrlicher Weise an den Kaiser schließen wolle; man solle ihm unmittelbar zu Hülfe kommen, ohne sich mit der Belagerung von Casale, die Spinola unternommen, aufzuhalten. Man dürfe ihn von den Franzosen nicht unterdrücken lassen.

Einer seiner Obersten war nach Nancy zu dem Herzog von Lothringen gegangen, um ihn zu einer Diversion in Frankreich selbst zu veranlassen, und kein Zweifel ist, daß Wallenstein den Venezianern zu Leibe gehen wollte. Es war schon lange im Werk gewesen; doch hatte man noch keine Gelegenheit dazu gefunden. Jetzt meinte Wallenstein dennoch, wie er sagt, ihnen »Etwas auf den Kopf zu geben«. Darauf bezieht sich ohne Zweifel, wenn er die Ankunft spanischer Galeeren an einem Ort, den man wisse, erwartet, um eine Landschaft, die man kenne, anzugreifen. Er meinte die Rechte des Reichs in Italien wiederherzustellen, was zu Zeiten selbst den Spaniern bedenklich vorkam.

Er lebte und webte in imperialistischen Entwürfen. Daß der Papst mit den italienischen Fürsten und mit Frankreich verbunden war, hielt ihn in denselben keineswegs zurück. Er hat wohl einmal das drohende Wort verlauten lassen: »Es seien schon hundert Jahre, daß man Rom nicht geplündert habe; und jetzt sei es noch viel reicher, als damals.«

Weit ausgreifende Worte, wie er sie liebt, die mehr die äußerste Grenze des in einer bestimmten Richtung liegenden Möglichen bezeichnen, als ein Beschlossenes oder vollends Ausführbares.

Wie weit sollte man von einem solchen Ziel entfernt bleiben!


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