Wilhelm Raabe
Höxter und Corvey (1)
Wilhelm Raabe

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IX

Ganz zur richtigen Zeit; denn eben schwieg die katholische Sturmglocke und bekam der katholische Küster gleichfalls Prügel. In ganz Höxter aber hatte Lambertus keinen bessern Bekannten als Jordan Hunger, den katholischen Küster; dieser ging noch über den Fährmann Hans Vogedes, den Korporal Polhenne und Seine Hochedelgeboren Herrn Wigand Säuberlich, der mit dem Studenten dem Onkel Vollbort durch die Schule gelaufen war und wie er, Meister Tewes, auf keiner Seite Partei nahm, sondern auf jeder sein Vergnügen.

Dieses Vergnügen war nunmehr vor der Pfarrwohnung der von Christoph Bernhard bei Sankt Nikolaus eingesetzten Minoriten im vollen Gange. Der von Sankt Kilian herströmende katholische Haufen fiel dem lutherischen beim heiligen Niklas nicht in den Arm, sondern in die Arme. Im letzten Grunde hatten sie alle nur den einzigen Zweck, Unheil zu stiften, und das verrichteten sie denn auch, und zwar ohne jegliche Courtoisie. Das Steinbombardement auf die Fenster der katholischen Herren wurde ebenso kräftig unterhalten wie das auf die Fenster des Onkel Vollbort.

»Sieh, sieh!« sagte auch hier wieder der Studente fröhlich; doch eben, als er sich von neuem auf den Prellstein schwingen wollte, faßte ihn ein Weib am Rockschoß, zog ihn zurück und zeterte:

»Um Jesu Christi willen, Herr Magister, sie haben meinen Mann totgeschlagen! Er liegt unter den Glocken, und sie tanzen auf ihm herum!«

»O mon dieu!« rief der Consiliatus. »Sind Sie es, Gevatterin? Mon dieu, und er war doch so gut Freund mit dem Fougerais bei unserm letzten Disput!«

»Dafür haben sie ihn auch windelweich geschlagen, und er liegt unter seinem Seil. O Lambert, kommt und helft mir, laßt Euern besten Kameraden nicht umkommen. Sie sagen, das Stift sei auf dem Wege hieher; aber was hilft das mir, wenn sie mir meinen Mann vorher zunichte gemacht haben. Das leiden wir nun um Corvey!«

»Höxter und Corvey!« jauchzte der Student, und dann ließ er sich von der Küsterin den Glocken von Sankt Nikolaus nur zu gern zuziehen. Der Spaß war ihm in dieser Nacht eben überall in Huxar. –

Weggelaufen war der unglückselige Monsieur Jordan nicht aus seinem Turmgewölbe während der Zeit, daß sein Weib hingegangen war, die barbarische Welt um Hülfe anzuschreien. Er lag unter seinem baumelnden Seile noch da, wie ihn seine nichtswürdigen Feinde und seine brave Gattin verlassen hatten – mit der Nase im Staube. Seine Schultern zuckten, er zappelte mit den Füßen und ächzte jämmerlich.

Mit der Nase im Staube! und der Student wußte sofort ein Zitat aus dem Horaz und trug natürlich dasselbe dem Unglücklichen, Geschlagenen erst lateinisch und sodann in freier deutscher Übersetzung vor:

»So stürzet der Tannbaum mit donnerndem Hall,
So liegt nun der Küster nach furchtbarem Fall!
Im Blachfeld des Teukrers, dem Feinde zum Raub,
Druckt itzt Don Bravatscho die Nas' in den Staub!«

»Hu«, winselte der Küster von Sankt Niklas, »bist du's, Lambert? ist meine Frau auch da? Hu, dreht mich um – um Gottes Barmherzigkeit sachte! vorsichtig, sachte. Die Teukrer, oder wie das Dorf heißt, waren es nicht; der Teufel vergelte es den Höxternschen Bösewichtern, die mich um der Kirche willen so gräulich zugerichtet haben! O, o, oh, es ist viel schlimmer als die letzte Schlacht um die Bosseborner Laterne – weißt du, Lambert, die vor drei Jahren, in der du auch einen Prügel führtest, obgleich es dich als luther'schen Ketzer gar nichts anging.«

Der Student hatte den Armen weich und vorsichtig unter den Armen gefaßt, während die Frau Küsterin die Füße gehoben hatte, um den halb Geräderten auf den Rücken zu legen; aber der Küster hatte zu seinem Schaden sein letztes Wort hervorgestöhnt.

Als Herr Lambert Tewes von der letzten Bosseborner Laternenschlacht hörte, ließ er sofort los und streckte, um einem ganz anderen Gefühl als seinem Mitgefühl Luft zu machen, die ausgespreiteten Hände hoch in die Luft.

Mit einem lauten Aufschrei fiel der Küster wieder auf das Gesicht; doch lustkreischend schrie der Student:

»Bei den unsterblichen Göttern, die Bosseborner Laternenschlacht! Ei freilich, Jordan, von dorther bist du's schon gewohnt, den Mund voll der ernährenden Erde zu nehmen. Du kriegtest wahrlich dein gut Teil ab von der Prügelsuppe in der Küsterschlacht.«

»Aber es war doch eben eine Küsterschlacht«, winselte Jordan Hunger, »eine katholische Küsterschlacht! wir schlugen uns doch nur unter uns selber um die Ehre Gottes; aber diesmal –«

Er vermochte es nicht, seinen Satz zu vollenden; jedoch der Student nahm ihm das Wort tröstend ab:

»Sei nur still, Alter, das Martyrtum ist auch um so größer.«

»Hu, das brauchst du mir wahrlich nicht zu sagen«, stöhnte der Märtyrer, und während man ihn von neuem umwendet und fürs erste mühsam in eine sitzende Stellung bringt, wollen wir unsern Lesern mitteilen, was es mit der Bosseborner Laterne auf sich hat.

Heute geht das Ding als eine Sage um, mit welcher sie die von Bosseborn, vom Dorfvorsteher bis zum letzten Kossaten, bei jeglicher passenden Gelegenheit bis aufs Blut, wie die eine Redensart, oder bis zum Schwarzwerden, wie die andere heißt, ärgern. Sie, die Bosseborner nämlich, sollen, von einer Hochzeit nach Hause ziehend, ihren Weg durchaus nicht mehr gefunden haben, sondern arg in Gestrüpp, Sumpf und Moor verlorengegangen sein. Da soll denn der Küster, der Nüchternste in der Gemeine (Sokrates im Symposion Platonis!), ihnen geleuchtet haben, und zwar auf absonderliche Art. Man sagt, er habe einen Einfall gehabt, selber ein Licht unter den Umständen: er habe den Hemdenschwanz hinten aus den Hosen gezogen und niederhängen lassen, und der habe hell genug durch die Nacht geschienen, um der Bauerschaft als Laterne zu nützen. So sei der Küster von Bosseborn vorangeschwanket; ihm nach der Vorsteher, dem nach der Gemeinderat und dem wieder die torkelnde gemeine Bauernschar, im Gänsemarsche alles – einer hinter dem andern – ein ewig memorabler Zug bis ins Dorf hinein.

Die Geschichte ist gut; wenn ihr nur so wäre! Aber die Sache hat einen ganz andern und viel ernsthaftern Angang.

»Wann kompt im Sommer Sanctus Veit,
So endert sich beid Tag und Zeit.
Dem schlaff geht zu, dem Wachen ab,
Wie sich das alter neigt zum Grab,
Und wer dan hat der pfenning viel,
Der mach sich auff zu diesem ziel,
Und wander hin wol nach Sanct Veit,
Ihr kan man werden leichtlich queidt. –«

singt bei Hans Letzner ein »rechter erfahrener Landtkündiger«; und von der großen Prozession nach Corvey auf Sankt-Vitus-Tag stammt die Laternenfrage her, sowie jede Schlacht, die an dem Tage darum geschlagen wurde; vorzüglich aber die des Jahres Siebenzig, welche eine der hartnäckigsten und blutigsten war infolge der Indulgenz, die Seine Heiligkeit Papst Clemens der Neunte kurz vor seinem seligen Abscheiden auf den Tag für dasmal gelegt hatte.

Nun war es aber ein alt Herkommen, daß die jüngste Pfarrei den feierlichen Zug eröffne, – das Ältere und Würdigere folgte, der Reihe nach; und also – sollten die von Bosseborn voran »mit der Laterne« und wollten's natürlich den Ovenhäusern zuschieben, die ihnen folgten: hinc illae lacrymae! Denen von Ovenhausen gingen nach die von Fürstenau, diesen die Boedexer, diesen die Amelunxer, diesen die von Wehrden und Jakobsberge. Dann zogen Ottbergen und Bruchhausen, nachher kam das Dorf Stahle, nachher die von Albaxen, Brenkhausen, Lüchtringen und Godelheim. Zuletzt aber kam dicht vor den Reliquien des Heiligen die Stadt Höxter mit ihrer Stadtmusik, zusammen mit den Corveyern. Noch hinter dem heiligen Veit zog das Kapitel auf, sowie der Braunschweigische Gesandte mit einem kleinen Abtsstab in der mit einem Velum bedeckten Hand (auch nach der Reformation und als Protestant!); er wurde geleitet vom Corveyer Marschall. Den Beschluß machte das Venerabile unter einem Baldachin, den die Höxternschen Nobiles trugen, – und Jordan Hunger, der Küster von Sankt Nikolaus, war im Jahre 1670 Küster zu Bosseborn gewesen und hatte die Bosseborner Laterne, das heißt die Kirchenfahne seines Dorfes, tragen sollen.........

»Wie mancher kompt gar weis' und klug,
Im heimgehn er einen Narren trug.
Mancher kompt daher ganz Sinnreich,
Und geht weg ganz bös und grimmich.
Ihr viel da kamen frisch und gesundt,
Da gehn sie heim in Todt verwundt,
Oder sonst gefallen, geschlagen –«

singt der erfahrene »Landtkündiger« weiter, und so war es. Sie schlugen sich jedesmal wacker um die Bosseborner Laterne; und wenn Bosseborn und Ovenhausen zwischen sich den Streit begannen, so war kein Dorf, das zurücke bleiben wollte, sondern sie fielen alle drein und aufeinander. Ohne das gab es kein Sankt-Vitus-Fest zu Corvey, und weder das Kapitel noch der Braunschweigische Gesandte konnten das geringste dagegen tun, außer daß sie es abermals fertigbrachten, daß auch das nächste Mal Bosseborn wieder die »Bosseborner Laterne« trug. –

Doch während wir also hier das Krumme grade machten und der Wahrheit zu ihrem Rechte verhalfen, tobt der Mutwillen viehisch fort in Höxter, wird der zerschlagene Meister Jordan Hunger von seinem heulenden Weib und vergnügten Freunde nach seinem Bette geschleift und – – zieht eine andere Prozession langsam heran. Letzterer wenden wir uns jetzt zu und treffen sie auf dem Wege, den vorhin der Bruder Henricus zur Abtei beschritten hatte. Der Bruder Henricus maß diesen Weg jetzt zurück, er befand sich mit an der Spitze dieses Zuges, der von Corvey kam. Er war ein Kriegsmann gewesen in seiner Jugend, und sein Prior, Herr Nicolaus von Zitzwitz, hielt sich an ihm und ließ ihn nicht von seiner Seite. Dicht hinter ihm hielten sich der Subprior Florentius von dem Felde und der Propst Ferdinandus von Metternich. Den guten Vater Adelhard, den Cellarius, hatte man seiner Unbehülflichkeit halben in diesen gefährlichen Nöten zu Hause gelassen, um dort Ordnung zu halten.

Die Abtei zog heldenhaft nach der Stadt, um sich selber Nachricht über die Vorfälle dort zu holen, da »impie et nefarie«, ruchloser- und leichtfertigerweise, niemand gekommen war, um ihr dieselbe zu bringen.

Aber Corvey konnte nicht anders; Corvey mußte auf den Plan! Die Abtei, eben in ihren »Rechten« durch den fremdländischen Helfer, den größesten der französischen Feldherren, gegenüber der rebellischen Bürgerschaft von Huxar und dem Braunschweigischen Schutzherrn gekräftigt, mußte alles dransetzen, daß ihr die soeben nach langem Streite endlich einmal wieder fester gepackte Obergewalt nicht von neuem aus den Händen gleite. Es galt Höxter gegen jeglichen Feind oder Aufrührer festzuhalten, und so zog das Stift in Waffen gegen die Munizipalstadt. Unter Umständen verstand es Herr Christoph Bernhard von Galen, merkwürdig böse Gesichter zu schneiden, und Corvey wußte das und kannte das.

Die Lärmglocke, die Bruder Heinrich von Herstelle gezogen hatte, war gehört worden. Die Klostermannschaft war in die Rüstung gefahren, die Herren Benediktiner hatten sich taliter qualiter selber gewaffnet, und die waffenfähige Mannschaft des nächst-, aber am andern Ufer der Weser gelegenen Dorfes Lüchtringen war in Kähnen über den Fluß gekommen, um der Abtei zu Hülfe zu eilen. Die Prioren und sonstigen Vorgesetzten gingen natürlich nur im geistlichen Habit, doch manch rüstiger Frater und Pater hatte mutig und freiwillig die Büchse oder Halbpike auf die Schulter genommen und vermaß sich, Heldentaten zu tun, von denen der Chronist von Corvey noch nach Jahrhunderten zu erzählen haben sollte. Der Kriegerischste aber in der ganzen geistlich-weltlichen Heerschar war doch Bruder Henricus, der sicher und männlich, trotz seinem hohen Alter, mit einem gewaltigen Schwerte ging, das wahrscheinlich beim Übergang der Hussiten über die Weser im Kloster stehengeblieben war; – der Zug sah mehr auf ihn als auf die im Fackelschein voranflatternde Abteifahne mit dem Bilde des heiligen Veits. Der heilige Patron trug seinen Kopf nur unterm Arm, der Bruder Heinrich dagegen den seinigen noch wacker auf den Schultern.

»Meinen Segen nimmst du mit, mein Sohn; komme mir aber auch ja gesund und vergnügt wieder«, hatte beim Abschied am Klostertor der Vater Adelhardus zu ihm gesprochen und ihn dabei ganz zärtlich auf die Schulter geklopft. –

Nun waren sie auf dem zerfahrenen und zerwühlten Wege, den wir vorhin geschildert haben, mit der Parole: Sanctus Vitus! und dem Feldgeschrei: Abbatia urbi imperat! Corvey über Höxter! Nun gerieten sie in die Sümpfe, die Löcher und unter die harten Feldsteine – nun hielten sie, um Atem zu schöpfen – und nun ächzten sie wieder weiter.

»Bruder von Metternich, das ist eine Nacht, um Anathema zu sagen!« stöhnte der Prior einmal über das andere. »Was ist deine Meinung?«

»Der Gerechte siehet vor seine Füße und gehet den Weg, den ihn der Herr schickt.«

»Bene, bene! Wie dunkel aber die Nacht ist! Hätten wir doch ein jeglicher eine Laterne anstatt der Fackeln mit uns genommen! Nun hört auch das Stürmen vom Turm gar auf, Henrice.«

»Es ist vielleicht doch nur ein schlechter Gassenlärm gewesen, und die Tummelanten haben des Spaßes genug und gehen zu Bett.«

»Und wir sind heraus und hier mitten im Felde? O corpus Christi, der Bann auf ihre Häupter! – Fort, voran, ihr alle, wahrlich, man soll Corvey nicht ungestraft hohnnecken; abbatia urbi imperat, da ist das Corveytor! Ruft: Sankt Vitus und laßt uns einziehen!«

Nach einem mehr als halbstündigen Marsche waren sie jetzt wirklich vor diesem Tore von Höxter angelangt; allein das Einziehen ging so leicht nicht. Fürs erste fand das Stift die Tür verschlossen, obgleich es selber die Schlüssel dazu hatte – freilich in den Händen seines tapfern, oben schon benannten Hauptmanns Meyer, den wir jetzt ebenfalls von Person kennenlernen werden.

»Lasset uns anpochen«, sprach der Subprior.

»Das wird viel helfen, der Graben ist dazwischen«, murmelte der Propst.

»So lasset den Zinkenisten von Corvey hertreten, Sohn Heinrich. Er soll sich den Hals zersprengen; aber uns den Pförtner auf die Mauer schaffen. Das ist eine scheußliche Nacht!« grollte der Prior.

Das alte Stift hatte seinen Trompeter mitgebracht, und er blies, – er blies und blies sich halb die Lunge heraus, bis sein Blasen von der gewünschten Wirkung war.

Endlich, endlich flimmerten Laternen auf der Mauer, und dann rasselte die Brücke unter dem alten Torturm herunter; mit dem Hute in der Hand, von seinen Laternenträgern begleitet, wackelte der Hauptmann Meyer eilfertig und atemlos hervor, den Prior und das Stift zu begrüßen: ein freundlicher ältlicher Herr rötlichen Angesichts, breitbäuchig und behäglich, auch einer der besten Freunde des Pater Cellarius, Herrn Adelhardus von Bruch.

Höchst verdrießlich empfingen ihn für diesmal die übrigen Würdenträger des Stiftes.

»Sie sind wirklich mit Degen und Feldbinde da, Monsieur?« schrie der Prior. »Weshalb kommen Sie nicht auch im Schlafrock und denen Pantuffeln, mein Herr Hauptmann? Aus dem Bett kommen Sie doch ja! Bei Sankt Veit, Herr, es geht lustig zu in Höxter. Die Sturmglocke bringt das ganze Land in Aufruhr, und der Herr Kapitän drehen sich auf die andere Seite und geruhen weiter zu ruhen. Wo steckt Ihr mit Euern Leuten, Meyer? Hat man Euch dazu der Stadt Obhut zum zweiten Male anvertrauet?«

Der Bischöflich Münster'sche Befehlshaber ließ dieses und noch eine lange Reihe ähnlicher Vorwürfe und Fragen wie das Hochwasser aus einem aufgezogenen Schütt über sich hingehen. Erst als der Prior von Corvey mit seinem Atem zu Ende war, verantwortete er sich oder fing wenigstens an, sich zu verantworten.

»Aus dem warmen Bett komme ich nicht, Hochwürden, sondern von den Wesermauern am Brucktor, allwo ich seit angehobenem Tumult auf den Noht gepasset habe nach meinem Eid und meiner Pflicht.«

»Auf den Noht?!«

»Ja, Hochwürden, auf des Herzogen Rudolf Augusten Oberstwachtmeister Noht!«

»Sankt Veit und Corvey, aber weshalb denn grade auf den?«

»Wer anders hat uns denn diesen Aufruhr angerichtet als der? Aber beim Teufel, hat er mir einmal meine Trommel genommen, zum zweiten Mal soll er sie nicht in die Tatzen kriegen, und wenn er sich noch so verstohlen über die Weser schliche!«

Bei Fackelschein und Laternenlicht sah sich der Prior, Herr Nicolaus von Zitzwitz, verzweiflungsvoll und zweifelnd auf den Gesichtern seines Gefolges um. Sie grinsten alle, und Bruder Heinrich von Herstelle lachte sogar. Es blieb dem Prior von Corvey nichts anders übrig, als sich fußstampfend von neuem an den biedern Hauptmann zu wenden.

»Aber um Gottes willen, was läuteten sie denn Sturm? wer zog die Glocken und warum?«

»Ja sehet, Herr Prior«, sagte der tapfere Kapitän gemütlich, »da treten Sie doch näher und sehen selber! Was uns betrifft, so sind wir, seit der Lärm anging, unter den Waffen und auf der Mauer. In das Handgemenge habe ich den Korporal Polhenne hineingeschickt, doch der kann auch nichts ausrichten. Es geht eben wieder einmal durcheinander, Ratz, Katz und Ketzer, und Unsere sind auch dabei. In allen Pfarreien haben sie zu Ehren des hohen französischen Abmarsches die Fenster eingeschmissen, und alle Küster haben sie ganz oder halb totgeschlagen. Doch damit sind sie auch zu Ende, und eben gehen sie, Ketzer und Katholiken, in brüderlicher Eintracht über die Juden.«

»Und dabei steht der Mensch, lehnt sich auf die Ellenbogen und guckt vom Brucktor aus in die Nacht und über die Weser nach dem Oberstwachtmeister Noht aus!« ächzte der Prior, die Hände über dem Kopfe zusammenschlagend. »Seine Trommel?! seine Trommel! Herrgott und Sankt Veit, sollte man da nicht wünschen, daß zehn Jahre lang die Trommel auf ihm selber geschlagen würde?«

»Ich rate nun doch, daß wir schleunig in Höxter einrücken«, meinte jetzo Bruder Heinrich von Herstelle, und der Prior – ganz und gar nicht wie ein geistlicher Hirt, Vater und Berater – kommandierte wütend: »Marsch!«

So zog das Stift in die Stadt und nahm auch seinen Hauptmann wieder mit hinein. –


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