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Casanova im Spiegel der Frauen

Die Frauenbriefe an Casanova, die mit chronistischer Gründlichkeit aus den Duxer Archiven herausgegeben und als Anhang – succubus, succubus, mache den Schluß – der schönen und an Überraschungen reichen Müllerschen Ausgabe der Memoiren nachfolgen, darf man nicht mit zu ausschweifenden Hoffnungen in die Hand nehmen.

Nach dem lockenden Titel könnte man glauben, hier den Widerhall der Erinnerungen zu hören, die lebendige Stimme der Frauen und Mädchen, deren oft so reizende Heimlichkeiten wir in jenem bunten Reigen belauschten. Man hoffte vielleicht der bezaubernden M. M., der großen Amoureuse im Nonnengewand, zu begegnen, man erwartete knisternde lettres de femmes, bijoux indiscrets …

Da gibt es nun zunächst für solch naschsüchtige Alkovenneugier eine kleine Enttäuschung. Die großen und uns besonders interessanten Liebesaktricen fehlen ganz. Es fanden sich von ihnen keine Briefe. Es ist schwer, zu glauben, daß Casanova, der seine Andenken im Duxer Exil, ein Alternder, Verarmter, so nötig als wärmende Kohlen der Phantasie brauchte, gerade die wundertätigsten zerstört und gerade die gleichgültigsten sollte bewahrt haben. Es bleibt nur die Annahme, daß entweder doch in den Abenteuern etwas über die Bescheidenheit der Natur hinaus fabuliert worden ist (bewußte chronologische Umarrangierungen lassen sich für den Pariser und Holländer Aufenthalt von 1757 konstatieren), oder daß der Nachlaß sorgfältig von allem für Frauen Kompromittablen gereinigt wurde.

Das wäre möglich, da gerade die Briefe zweier nicht kompromittierbaren Vogelfreien übrig blieben: ein paar Verabredungsschreiben der berüchtigten Londoner Charpillon, von der Casanova ausgebeutet und schmählich gequält wurde. Es war um sein vierzigstes Jahr und die erste Etappe seines Abstiegs. Diese englische Kokotte erregte ihn so raffiniert und entzog sich ihm so listig, daß er aus Verzweiflung Selbstmord begehen wollte. Hier aber schreibt sie ihm glatt und schmeichelnd: sie wäre unschuldig wie ein neugeborenes Kind und wünsche ihn so sanft und geduldig zu machen, »daß sein Blut ein wahrer Honig würde«.

Die andere aus noch späterer Zeit ist ein Wiener »süßes Mädel«, Caton M., in die sich der Sechzigjährige so heftig verschoß, daß er, »hätte ihn nicht sein Schutzengel bewahrt, sie geheiratet haben würde«. Sie beichtet ihm von ihren Liebhabern und ihren Krankheitsmalheuren und intrigiert mit Offenheit.

Nachdem man sich beschieden, läßt sich der Sammlung doch viel Ergebnisvolles abgewinnen. Das Wertvollste, was sie bringt, sind die Briefe schöner Seelen und schwärmerischer Mädchen, die der Duxer Einsiedler am Ausgang seines Lebens empfängt und die den Sinnlichkeiten der Memoiren ein pikantes, übersinnliches Finale geben.

Außerdem liest man mit Spannung zwei Briefkonvolute, von denen das eine wenigstens wie ein kleiner Roman wirkt, die Liebesbriefe der Manon Balletti aus Paris, Casanovas erster Liebe nach der Flucht aus dem Gefängnis der Bleidächer, die er zur Frau nehmen wollte, und das zweite die Bettelbriefe der Buschini, jenes kleinen, immerhin anhänglichen Kreatürchen aus der venezianischen Niederung, mit dem Casanova lange aus den verschiedensten Orten seiner bunten Lebensfahrt den Zusammenhang erhielt, gleichsam als wahrte er sich damit zugleich eine Gemeinschaft mit der von ihm so leidenschaftlich geliebten Heimat, mit der »schönen Stadt, die nie versagt«.

Manon Balletti, die Fünfzehnjährige, die Tochter des berühmten Schauspielerpaares der »Comédie Italienne«, faszinierte Casanova, der 1757 mit neuem Lebensgefühl nach Paris kam. Sie erfüllte ihn ungewöhnlich, beschäftigte seine Gedanken und sein Herz. Das hinderte ihn natürlich nicht, andere Wünsche seiner vielregistrigen Existenz ohne Hemmung ganz nach Appetit und Caprice bei anderen Weiblichkeiten zu befriedigen. In seinen Aufzeichnungen erinnert er sich mit Vorliebe an diese erotischen Nebengeräusche. Die Manonbriefe spiegeln als Ergänzung dazu einen anderen Casanova, den Casanova amoroso.

Hier reflektiert sich die Laune des Verliebten in allen Variationen. Hadern wechselt mit Zärtlichkeit, Vorwürfe mit Koseworten. Und es ist nicht etwa nur das Mädchen, das so widerstandslos von seinen Stimmungen hin- und hergerissen wird, der Mann ist genau so aufgewühlt. Er muß gelitten haben, denn sie ist betrübt »über den Kummer, den sie verursacht«. Seine Briefe sind, das bestätigt sie, von einer Heftigkeit ohne Grenzen, aber auch »zart, voll Güte und Liebe«. Sie wünscht Vernichtung der Schreiben, er aber kann sich nicht von ihnen trennen.

In Kurven geht es; er entfernt sich, seine politischen Missionen entfremden ihn ihr; sie wird durch die Trennung nur verliebter; in die Verliebtheit mischt sich Bitterkeit über die Schwäche. Sie schmält über sich selbst, daß sie doch immer wieder schreiben muß, und klagt: »ein empfindsames Herz ist ein schlechtes Geschenk des Himmels«. Es sind die echten Zeilen leidenschaftlich erregten Herzens, typische Zeugnisse einer zerfleischenden Passion. Dann scheint er wieder zärtlicher, sie reden von ihrer Heirat, er nennt sich ihren Gatten, und ihr Gefühl blüht nun wieder weit auf. Von seiner Melancholie, die er ihr geklagt, spricht sie und müht sich, ihn zu erheitern.

Casanova scheint jedenfalls, unbeschadet seiner anderen leichteren Vergnügungen, innerlich stärker attackiert gewesen zu sein. Das geht aus dem Abschluß hervor, und dabei bestätigt sich die erotisch-psychologische Erkenntnis, daß der Ausgang erst das richtige Licht auf einen Handel wirft. Casanova war hier nicht der kühl überlegene Teil. Manon machte sich 1760 von den Fesseln ihrer Neigung frei und heiratete den ihr sklavisch ergebenen Architekten Blondel, einen älteren Mann und Witwer. Und das Charakteristische dabei ist, daß Casanova die Empfindlichkeit darüber nie verwand, und daß er, der Virtuose des Wiedersehens in jeglicher Gestalt, später durchaus jede Begegnung vermied.

Dies Kapitel bringt einen der vielen Züge dafür, daß der Abenteurer nicht der romanhafte, von Opfer zu Opfer schreitende Don Juan, der eiskalte Oger und Menschenfleischfresser gewesen ist, sondern, was uns lieber, ein recht menschlicher Mensch.

Aus den Memoiren konnte man ja schon viel herauslesen, von seinem intensiven Fühlen, das gewiß oft nur dem Augenblick galt, dem er sich aber dann ganz ohne Berechnung hingab, von seiner Anhänglichkeit und seinem Erinnerungskultus, den er pflegte, da er nun einmal die leibliche Treue nicht halten konnte; von seiner sympathischen Naivität, der jedes neue Weib als das einzige erscheint; von seiner unbewußten indirekten Verführung, die List oder gar Gewalt verabscheut, die nur durch sein Wesen wirkt, so daß die Frauen selbst ihn begehren, woraus sich dann für ihn die drollige Vorstellung ergibt, die Frauen verführten eigentlich ihn. So sieht ja auch Shaw im Don Juan den von den Weibern Verfolgten. Und Casanova gibt beim Rückblick über sein Leben zu, daß eigentlich er immer »la dupe des femmes« gewesen ist.

Diese Züge, die, weit entfernt von kaltherziger Überlegenheit, menschlich sympathische Eigenschaften zeigen, werden durch viele Reflexe in diesen Briefen auf ihre Echtheit bestätigt und so über den naheliegenden Verdacht des »Er sagt es ja selbst« erhoben.

Die Mutter der reizenden Schwestern de Leo aus Triest erscheint hier und grüßt Casanova von ihren Mädchen, vor allem von der entzückenden Barbara, die es im Karneval im Harlekinkostüm Casanova angetan hatte. Doch er konnte eine Scheu, sich ihr zu nähern – eine Scheu, die er bei weniger Geliebten nie hatte – nicht überwinden und mußte später zu seinem Leidwesen erfahren, »daß ihr seine Neigung nicht entgangen und daß sie oft über seine dumme Zurückhaltung gelacht hätte«.

Maddalena Allegranti, die 1783 in Dresden engagiert wurde, liefert einen Beitrag zum Kapitel »Abenteurer und Sängerin«, freilich platonischer Art. Casanova lernt sie vor ihrer Berühmtheit in Florenz als Wirtsnichte kennen. Er wollte, in einer eremitischen Periode, Einsamkeit und Ruhe, um den Homer zu übersetzen. Er fürchtete die Versuchung, »verführt zu werden«, und wechselte das Quartier. Maddalena schrieb ihm, als sie berühmt geworden, ein paar anhängliche Briefe.

Er wird überhaupt nicht vergessen. Frau du Rumain, der er durch kabbalistisch verbrämte hygienische Ratschläge geholfen, steht ihm jahrelang in kritischen Situationen bei. Und Frauen, bei denen jede erotische Beziehung fortfällt, schätzen ihn und bekennen sich zu ihm, auch wenn seine augenblickliche Lage nicht gerade repräsentabel, so seine Nichte Teresa, des Dresdener Akademiedirektors Giovanni Casanova Tochter, die durch ihre Ehe mit dem Freiherrn v. Wessenig in der ersten sächsischen Gesellschaft ihren Platz hatte; ferner die würdige Dame Catherina Manzoni, die ihm so oft in Venedig gern und gefügig angehörte, wenn auch nicht befolgte Ratschläge gab, und die in einem Brief ihn lobte, daß er trotz der langen Zeit so treue Freundschaft zu halten wüßte; die gelehrte Laura Bassi in Bologna, die ihn 1722 auf das freundlichste mit einem Billet einladet, trotzdem er gerade damals durch Spiel- und Schuldenwirtschaft arg kompromittiert war.

Wertvoll ist weiter die lange Briefreihe der Francesca Buschini, jener Venezianerin, der Casanova so lange den Mietzins zahlte, um die Vorstellung zu nähren, daß er in der von ihm so geliebten Stadt doch immer noch einen Platz habe, wo er sein Haupt niederlegen könne. Sie zeigen zwar eine ermüdende Eintönigkeit des ewigen Misereklagens und der nie aufhörenden Bettelei, und Casanova ironisiert das, indem er sagt: er spräche immer vom Essen und sie immer vom Geld, das sie brauche. Aber sie sind doch fesselnd, weil sie auf die letzten Wanderjahre des nun schon arg zerzausten Abenteurers, kurz vor dem Unterkriechen in das Duxer Exilasyl, ein Licht werfen, und weil in diesen schwatzhaften, ungekünstelten Berichten des Mädchens aus dem Volke manche kulturell interessanten Züge auftauchen.

1782 mußte Casanova aus Venedig flüchten, wegen des Skandals, den die Publikation der Satire »Nè donne nè amori« erregt hatte. Es graut ihm, wenn er sich im Spiegel ansieht und er denken muß, jetzt als Achtundfünfziger seine umherschweifende Existenz wieder aufzunehmen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig. Doch 1783 zieht es ihn noch einmal zurück. Er fährt in der Gondel bis zu seinem Haus, in dem die Buschini wirtschaftet, sieht es, ohne auszusteigen, wie zum Abschied sich an und reist sofort wieder ab. In Paris hat er Mißerfolge und muß bekümmert merken, daß hier kein Boden mehr für einen abgedankten Veteranen der Venus ist. In Wien gelangt er zu einem kleinen Sekretärposten, den er durch den Tod des Gesandten Foscarini verliert. Er gerät in die größte Not, aus der ihn 1783 der Antrag des Grafen Waldstein rettet, in Dux sein Bibliothekar zu werden.

Casanovas Stimmungen dieser Jahre reflektieren sich nun in den Briefen der Buschini. Wir hören ihn klagen, daß fast alle seine Bekannten in das bessere Jenseits gegangen sind und daß er nicht mehr den Frauen gefalle, worauf das praktische Dirnchen erwidert, er solle nur trachten Geld zu haben, dann würde sich das geben. Er spaßt voll Galgenhumor, daß er auf der linken Seite nur noch einen ganz schlechten Zahn habe, den er gern einem englischen Kuriositätensammler für zwei Zechinen verkaufen möchte. Er fühlt sich als der »Salamander auf dem Trockenen« und verliert verdrossen die Lust an dem geliebten Leben. Gleichwohl muß er noch viel vertragen haben. Der Buschini imponieren seine Reisekräfte, daß er 18 Posten ohne Aufenthalt gefahren und daß er in Frankfurt nach 42 Stunden »frisch wie eine Rose« angekommen sei. Auch sein Appetit ist noch rege, und das Essen wird nunmehr seine größte Lust.

Casanova schickte, was er erübrigen kann, nach Venedig, und es bereitete ihm offenbar Vergnügen, auch diesem Geschöpflein gegenüber seinen alten Charme und seine Gentilezza spielen zu lassen. Freilich gehen sie jetzt ein wenig auf Stelzen, wenn er sagt, das Schreiben an sie wäre für ihn als mache er ihr eine Visite, und wenn er die gezierte Vorwurfsfloskel drechselt, er habe sich beim Umwerfen des Wagens in kalter Nacht nicht wehgetan, da »der Schnee weicher als ihr Herz«.

Die venezianische Wirtschaftsführung der Buschini ist inzwischen reichlich bunt. Sie betätigt sich meist im Versetzen. Ihre Kleider von grünem Atlas, der Kragen von schwarzem Atlas mit Goldquasten, die Scharlachkapuze wandern ins Ghetto; und als Karneval kommt, muß sie zu Hause bleiben und, im Fenster sitzend, sieht sie die Masken vorüberziehen. Ja, sie trägt auch Casanovas beaux restes, sein Atlaskleid und die Samthosen zum Padre Abraham, ja sie verkauft mit ihrer geldgierigen Mutter zusammen seine bei ihr noch lagernden Bücher. Auch das verzeiht Casanova schließlich.

Unter den Neuigkeiten, die die Buschini ausplaudert, sind die Aviatica von 1784 interessant. Sie sieht von ihrem Altan den Luftballon »wie einen Apfel« schweben, den »Spinola und andere Edelleute haben machen lassen«. Er erhob sich am 15. April gegenüber der Piazzetta und blieb zwei und eine halbe Stunde in der Höhe. Guardi hat das in einem Bilde festgehalten. Und Casanova revanchiert sich mit der Nachricht, daß in Wien ein Ballon für sechs Personen konstruiert sei, mit dem er vielleicht hochgehen würde.

Als Casanova erst in Dux, kommt er allmählich von der Venezianerin ab, die er auf zu viel Unwahrheiten und Unredlichkeiten ertappte.

Casanova in Dux … Wir haben diesen letzten Akt immer nur als tragikomische Farce gesehen, in der ein ehemals Glänzender von Domestiken verspottet und von den kleinen Mädchen, denen er Galanterien ins Ohr flüstern wollte, angekichert wurde. Hier hört man als Ergänzung zu diesem deprimierenden Altersspott und Schaden aus authentischen Briefen von letzten Erfolgen des Frauenkenners. Freilich keine erotischen sind es, sondern – eine seltsame Wandlung – moralische.

Die Legende seines Lebens, die nun einsiedlerisch schließt, wirkt voll Anziehungskraft in die Welt hinaus.

Eine schöne Seele, Elise v. d. Recke, die »hohe Elise«, die sich von dem keuschen Sänger der Urania, Tiedge, in Züchten anschmachten ließ und in Vollkommenheitssehnsüchten und seraphischen Jenseitsgefühlen schwelgte, lockte wohl das Bild des alten Sünders, der »als Christ zu sterben wünschte«. Sie schreibt ihm emphatisch und verkündet die Tugend als den »köstlichen Genuß großer Seelen« und die »Freundschaft als das himmlische Glück empfindsamer Herzen«. Sie, die selbst kränkelt, drängt sich danach, an des leidenden Casanova Bett zu sitzen, es »wird ihr süß sein, ihn als zärtliche Freundin zu pflegen und bis zu dem letzten Augenblick in seiner Seele zu lesen, die ihr durch ihre innere Stärke die äußere Hoffnung auf ein ewiges Leben befestigt.« Sie versenkt sich in die Andacht zur Seelen Verwandtschaft; dem Kranken aber waren wohl die leiblichen Tröstungen, die sie sandte, Kraftbrühen, Krebssuppen, Madeira, lieber als die Seelenspeise.

Eine andere epistolare Freundin ist Henriette v. Schuckmann, eine Freundin der Recke und der Frau v. Krüdener, die Casanova nur einmal 1786 sah, da er als Duxer Bibliothekar eine Gesellschaft durch das Schloß führte. Sie fand dann eine kitzelnde Sensation, da sie sich sehr in Bayreuth als Ehefrau langweilte, eine Briefverbindung anzuknüpfen. Sie erzählt breit von ihren philosophischen Studien, macht ihm den Hof mit Schmeicheleien und leistet sich einmal eine kleine papierene Ausschweifung: »es gibt Nächte, wo man sich vielleicht nach dem Jupiter der alten Welt sehnt«.

Mehr Bedeutung aber hat die Briefbeziehung zu der zweiundzwanzigjährigen Gräfin Cäcilie Roggendorf. Noch einmal zeigt sich hier Casanova, der immer gern half, in der Rolle des Schützers. Er empfahl die Verarmte als Hofdame dem Herzog von Kurland und empfing von ihr Worte überströmender Dankbarkeit. Der ferne, ihr unbekannte Retter wird für sie ein Gegenstand leidenschaftlicher Schwärmerei. Sie nennt ihn empfindelnd Longin, und er, der sehr wohlgefällig diesen Weihrauch schlürft, sagt zu ihr Zenobia.

»Edler tugendhafter Mann,« so ruft sie ihn an und entzückt sich an dieser Liebe, »die reizend ist und die sie besser macht«. Er wirkt ihr als Mentor, nur einmal fällt er aus der Rolle und leistet sich einen Witz, daß das kleine Stiftsfräulein errötet und ihren Longin zur Ordnung ruft. Er erzählt auch wohl, noch immer magenfroh, von dem am Cäcilientag verschmausten Spanferkel. Sonst betätigt er sich in moralistischen Räsonnements. Mit einer von ihr gewiß nicht ganz erfaßten Selbstironie meint er von sich, »daß er fast gar keinen Körper mehr habe«, und verkündet ihr dann, was sie entzückt: »Die wahre Liebe ist die, welcher der Genuß fremd ist«.

So genoß Casanova noch auf dem Totenbett einen Hauch der Frauenliebe, die er nie entbehren konnte, und der Situationskünstler, der er immer war, stimmte sie, um sich einen Frisson der Einbildungskraft zu schaffen, in die nun auch für ihn komfortablere übersinnliche Sphäre.

Seine letzten Seelenfreundinnen konnten daraus eine gar erbauliche Illusion sich machen und, als er am 8. Juli 1798 nach Empfang der Sakramente wahrhaft als Christ stirbt, mit verzücktem Augenaufschlag denken: Gerettet ist das edle Glied.


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