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Briefe zur ägyptischen Reise

 

I.

Montag, den 3. März vor Korfu.

Chérie!

Wir liegen hier einen halben Tag vor Korfu, das ich schon kenne, und ich benutze diese Postgelegenheit zu einem Intermezzo – auswärts brieflich –. Denk Dir, meine Reise hing an einem Härchen, das Schiff ging schon, ohne daß ich etwas von der Änderung des Fahrplans erfahren hatte, am Sonnabend 4 Uhr. Ich habe es gleichwohl noch mit doppelt geruderter Gondel erreicht und sitze nun an Bord in meiner übrigens sehr schönen und großen Kabine. Une lettre jaune! Das ist die Farbe der venetianischen Telegramme wie Dein Briefpapier. Große Freude! In Venedig hatte ich, auf mein Gepäck am Kanal wartend, ein Memento. An einem zierlichen Palazetto war ein Marmorfries von hüpfenden Fröschen à la derrière gesehen mit fetten Popochen und dazu an der Wand eine Reliefvignete zweier sich schnäbelnder Krebse. Ist das nun nicht wirklich ein Wahrzeichen unserer jüngsten Schlemmervergangenheit und unserer hoffentlich mailichen Zukunft?

Die Schiffsgesellschaft ist neutral, Weiblichkeit nicht in Betracht kommend.

Mir – Du wirst ungläubig lächeln, und es bleibt doch so – ist das nur angenehm. Ich will am Anfang einer Fahrt für mich sein und nicht abgelenkt werden.

 

II.

Cairo, den 6. März.

Chérie!

Da wären wir glücklich in Ägypterland! Heut morgen um 6 (mitten in der Nacht) Ankunft in Alexandria. Auferstehung um 5 Uhr. A la guerre comme à la guerre! Ich bin sofort dem Reisestil angepaßt und auf dem qui vive. Das Ührchen – ein schöneres sah ich nicht, nur unbegabtere selbst bei begabteren travellers, – half mir treulichst. Dann sofort mit Extraexpreß nach Kairo.

Die Seefahrt war kühl und nicht ohne schwankenden Charakter. Moi comme philosophe … Horizontal – naturellement tout seul – erträgt sich das Leben am leichtesten.

Auch hier ist's, was mir lieb, noch gar nicht warm. Das gibt einen gelinderen Übergang zu Bullenhitze und Tropenkoller auf der Nilfahrt. Heut couche ich mich früh, denn wie ich höre, gibt es wieder zeitigen Aufbruch.

Aufs Nilpferd, aufs Nilpferd!

Inzwischen ist chérie in ein neues Jahr, hoffentlich ganz schmerzlos, hineingerutscht. Ich dachte liebreich an Dich und trank Dein Wohl.

Meine Versuche, Dir an dem bedeutungsvollen Tage wenigstens in der Sprache der Blumen und der Sphären (vulgo drahtlose Telegraphie) nahe zu kommen, haben gewiß den Anschluß gefunden, und ich nehme an, daß Du Deinen vieux duc gar nicht chaux froid, sondern ungemein ergreifend gefunden hast.

 

III.

Sonnabend, 8. März.

Chérie!

Nun schwimme ich den zweiten Tag auf dem Nil in einem hellen Schiff mit Veranden und tiefen Korbfauteuils. Jetzt erst bin ich ganz beschaulich. Das Schiff ist sehr leer und ohne attractions mit erotischen Ausblicken. Es besteht somit die begründete Hoffnung, daß ich mich, während ich zwischen der lybischen und arabischen Wüste dahin dampfe, zum verehrungswürdigen Wüstenheiligen ausbilde. Wüstling liegt mir freilich wohl mehr, die andere Rolle aber ist neu und darum pikanter. Und vielleicht macht sie in diesem Fall auch Dir mehr Spaß.

Gestern legten wir im alten Memphis an und ritten zwei Stunden in die Wüste.

Felice in Khakibreeches, Wickelgamaschen, Bastjacke, doch noch ohne Hiboubrille und statt des Tropenhelms mit Panama, denn die Sonne streikt vorläufig. Wir waren in den Totengrüften von Sakkara und in den Katakomben der heiligen Apis-Stiere. Mit einem Wort: Bullensarkophage!

Dann Sonnenuntergang über den Pyramiden. Dunkelheit. Ein Araber mit der Laterne führt über Dünen und Sandtäler zurück zum Nilufer, wo das Schiff mit seinen 3 Lichtetagen wie illuminiert lag. Dressing, dinner. Die ersten Erdbeeren 1913.

Hauptgang »Boeuf duchesse«, c'est drôle. Es ließ mich aber mehr an die seligen Apisbullen denken, als an die duchesse.

 

IV.

Luxor, Ostersonnabend.

Chérie!

Meiner kurzen Karte schicke ich heute von den Stufen der Rückfahrt einen Brief nach und freue mich der Zwiesprache mit Dir.

Mein weißes Schiff liegt jetzt vor Luxor. Es ist Vollmondzeit, also Gedächtnistage. Ich bin spät im Wagen heraus zu der Ruinenstadt der Tempel von Karnak gefahren. War im bleichen Astralschein in den riesigen Säulenhallen, die in die Sterne wachsen unter schweigenden Bildsäulen. Fledermäuse flogen und schwarze Wächter hockten auf Säulenstümpfen und mein Schatten mischte sich mit denen der Götter.

Ich lege Dir das Bild einer kleinen Frau bei, in die ich mich verliebte. Du brauchst aber nicht eifersüchtig zu sein, sie ist schon 2000 Jahre tot und aus Stein, selbst Felice gegenüber.

Sie hieß Nefertar, war eine Hetiterin, Kriegsgefangene und machte die Karriere, die Gemahlin des großen Rhamses zu werden.

Nun steht sie neben dem Koloß ihres Herrn im Luxortempel, tief im Schatten seiner Gewaltigkeit; sie reicht dem Giganten nur bis zur Wade seiner mächtigen Säulenbeine, an die sie ergreifend zaghaft ihre kleine Hand legt.

Sie hat zierlich runde Mandarinenbrüstchen, und gestern im Mondschein habe ich sie leise mit den carressantesten Fingerspitzen gestreichelt. Und der lange Kerl neben ihr hat davon natürlich nichts gemerkt. Das ist doch ein begabtes Abenteuer und Deiner Billigung wert.

 

V.

Kairo, 29. März.

Chérie,

heut morgen bin ich glücklich von meiner Nilfahrt wieder in Le Caire eingetroffen und fand zum Willkomm Deinen lieben Brief vom 16. und die reiche bookpost. Du denkst so lieb an mich, das macht mir sehr viel Freude. Ich denke, ich habe auch sehr brav geschrieben. Hoffentlich hast Du alles bekommen. Meine Reise brachte mir viel, und die Wochen auf dem Nil waren doch sehr besonders. Fabelhafte Sonnenuntergänge, die phantastischsten orange Mondphantasien. Von Nubiern bedient worden. Vormittags in Gräbern im Schoß der Berge, nachmittags Tee auf der Terrasse des Winter-Palace Hotel in Luxor, nachts Fahrt zum riesigen Karnak-Tempel im Mondschein.

Viel Drolerien daneben. Mein Bastkissen fällt in den Nil, (sprich »Neil, Eisis und Oseiris«), einer von den schwarzen Bootsleuten sofort im Hechtsprung über Bord und apportiert es mit dem Mund.

Dann auf der Rückfahrt, als der Fluß seicht geworden, 27 Stunden auf der Sandbank, ein harmloser Schiffbruch.

Wir kamen volle 2 Tage später nach Kairo, der Proviant wurde knapp, und auf dem aus Sardinenbüchsenresten und Konserven improvisierten Menu hieß es: Diner de désespoir. Es war aber sehr ulkig. Nun habe ich drei Wochen beschaulichen Flanierens in Kairo vor mir. Heute Abend: Sittenstudien in nächtlichen Lasterhöhlen. Darüber das nächste Mal.

 

VI.

Kairo, 2. April.

Kairo gefällt mir. Nicht zu heiß, abends immer kühl; märchenhaftes Pilsener. Ich ritt durch das Pyramidenfeld von Gizeh auf Kamel. In der Stadt bummele ich durch Moscheen und die Bazargassen, die immer so bunt und phantastisch sind, und suche nach Beute, um die Duchesse zu behängen. Es gibt manch Merkwürdiges.

Abends locken mich die verrufenen Viertel, des sogenannten »Fischmarktes«, wo die Europäer sich immer nur mit unverschämten Führern hineintrauen. Ich streife allein. Ein toller Hexensabbat von Weibern in allen Farben in Höhlen hockend auf den Schwellen, hinter Gittern wie in Käfigen. Freche arabische Lustbuben, dazwischen auch Soldaten, die sich anbieten, Lärm, Musik, Bauchtanz …

 

VII.

Marseille.

Liebling!

Ich schreibe auf der Rückfahrt staccato. Ich freue mich auf unseren Donnerstag. Aber bitte, keinen Freudenfestfraß. Ich habe mir den Magen verkorkst und muß Diät halten.

Sei nachsichtig gegen meine Leistungsfähigkeit in diesem Punkt und pflege mich wöchnerinnenhaft. Wohltemperierter Rotwein, weißes Fleisch von Hühnchen oder Pigeon, keine Speise, keine Früchte, keinen Käse und Salate. Das holen wir gewiß alles nach.


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