Johann Heinrich Pestalozzi
Wie Gertrud ihre Kinder lehrt
Johann Heinrich Pestalozzi

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II.

Ich ermüdete in Burgdorf bald, wie in Stanz. Freund! Wenn du jemals einen Stein nicht ohne Hilfe zu heben vermagst, so probiere es auch keine Viertelstunde ohne diese Hilfe. Ich tat ohne Vergleich mehr, als ich schuldig war, und man glaubte, ich sei mehr schuldig, als ich tat. Meine Brust war von dem unablässigen Schulhalten vom Morgen bis in die Nacht so angegriffen, daß ich abermals das Äußerste gefährdete.

In dieser Lage war ich, als Fischers Tod den Schulmeister Krüsi an meine Hand brachte, durch den ich auch Tobler und Buß, die sich einige Wochen später mit mir vereinigten, kennenlernte. Ihre Vereinigung mit mir rettete mir das Leben und bewahrte mein Unternehmen vor einem unzeitigen Absterben, ehe es noch zum Leben gedieh. Indessen war die Gefahr für dieses letztere noch immer so groß, daß mir in den Augenblicken, die hierüber entschieden, nichts übrig blieb, als ökonomisch, und ich möchte fast sagen, sittlich das Äußerste zu wagen. Ich war auf den Punkt getrieben, auf dem die Vollendung eines Traums, der mein Leben verschlang, in mir selbst ein Werk der Verzweiflung wurde und mich zu einer Gemütsstimmung und zu einer Handlungsweise verleitete, die an sich selbst und wirtschaftlich betrachtet beinahe das Gepräge des Unsinns an ihrer Stirne trug, indem ich durch die Gewaltsamkeit meiner Lage und das ewige Dauern meines Unglücks und meines Unrechtleidens, das den Mittelpunkt meines Strebens berührte, in die Tiefen innerer Verwilderung herabsank, eben in den Augenblicken, in denen ich äußerlich anfing, mich meinem Ziele wirklich zu nähern.

Die Hilfe, die ich im ganzen Umfange meiner Zwecke von diesen Männern genieße, wird mich ökonomisch und sittlich mir selbst wiedergeben. Der Eindruck, den meine Lage sowohl als mein Tun auf sie machte, und die Folgen ihrer Verbindung mit mir sind in Rücksicht auf meine Methode selbst zu wichtig und geben für das Innere ihrer psychologischen Fundamente zuviel Licht, als daß ich den ganzen Gang ihrer Anschließung an mich mit Stillschweigen übergehen könnte.

Krüsi, den ich zuerst kennenlernte, brachte seine Jugend mit sehr verschiedenartigen Geschäften hin und genoß dadurch vielseitige Übungen, die in den gemeinen Ständen so oft die Fundamente höherer Geistesbildung entwickeln und Menschen, die sie von Kindesbeinen auf genießen, vielseitig zu einer allgemeinern und umfassendern Brauchbarkeit emporheben.

Schon in seinem zwölften und dreizehnten Jahre schickte ihn sein Vater, der einen kleinen Handel trieb, oft mit sechs bis acht Dublonen mehrere Stunden weit, um Waren einzukaufen, womit er etwas Botengehen und Kommissionenmachen vereinigte. Nachher beschäftigte er sich nebst diesem mit Weben und Taglöhnerarbeit. In seinem achtzehnten Jahre nahm er auf Gaiß, seinem Geburtsorte, den Schuldienst an, und zwar ohne alle Vorbereitung. Er kannte damals, wie er jetzt selbst sagt, die ersten grammatikalischen Unterscheidungszeichen nicht einmal ihrem Namen nach; von allem weitern konnte nicht die Rede sein, weil er nie einen andern Unterricht als den einer gewöhnlichen schweizerischen Dorfschule genoß, der einzig auf Lesen, Vorschriftenabmalen und Auswendiglernen des Katechismus u. dgl. eingeschränkt war. Aber er liebte den Umgang mit Kindern und hoffte, daß ihm dieser Posten ein Mittel sein könne, selbst zu Bildung und Kenntnissen zu gelangen, deren Mangel er bei seinem Botenwesen schon drückend fühlte. Da man ihm bei demselben bald destillierte, bald präparierte Sachen, bald Salmiak, bald Borax und hundert andere Dinge zu kaufen auftrug, deren Namen er in seinem Leben nie gehört hatte, wobei er zugleich keinen noch so unbedeutenden Auftrag vergessen durfte und für jeden Heller verantwortlich sein mußte, so mußte es ihm notwendig auffallen, wie vorteilhaft es für jedes Kind sein müsse, im Schreiben, Rechnen, Lesen, allen Arten von Kopfübungen und selbst im Redenlernen in der Schule soweit gebracht zu werden, als er jetzt fühlte, daß er um seines armseligen Berufs willen hätte gebracht werden sollen.

Schon in den ersten Wochen hatte er bis hundert Schüler. Aber die Aufgabe, diese Kinder alle gehörig zu beschäftigen, was sie lehren und wie sie in Ordnung zu halten, war über seine Kräfte. Er kannte bis jetzt keine Art von Schulhalten, als das Aufgeben zum Buchstabieren, Lesen und Auswendiglernen; das Aufsagen der Reihe nach und das Züchtigen mit der Rute, wenn sie das Aufgegebene nicht gelernt hatten. Aber er wußte doch auch aus eigener Jugenderfahrung, daß bei dieser Art des Schulhaltens die meisten Kinder den größern Teil der Schulzeit müßig sitzen und eben deswegen auf allerlei Torheiten und Unsittlichkeiten fallen müssen; daß also auf diese Art ihre kostbarste Bildungszeit umsonst verstreicht und die Vorteile des Lernens den schädlichen Folgen nicht einmal das Gleichgewicht halten können, die ein solches Schulhalten notwendig haben muß.

Der Pfarrer Schieß, der mit Tätigkeit dem alten Unterrichtsschlendrian entgegenarbeitete, half ihm die ersten acht Wochen Schule halten. Sie teilten gleich anfangs die Schüler in drei Klassen. Diese Einteilung und der Gebrauch neuer Lesebücher, die kurz vorher in der Schule eingeführt waren, machten es möglich, mehrere Kinder zusammen im Buchstabieren und Lesen zu üben und also mehr, als vorher geschehen konnte, alle zu beschäftigen.

Auch lieh er ihm die notwendigsten Schulbücher zu seiner Bildung und eine gute Vorschrift, die er wohl hundertmal abschrieb, um seine Handschrift danach zu bilden; und so war er bald imstande, den Hauptforderungen der Eltern ein Genüge zu leisten. Aber ihn selbst befriedigte dies nicht. Er wollte seine Schüler nicht bloß im Lesen und Schreiben unterrichten, sondern auch ihren Verstand bilden.

Das neue Lesebuch, das der Herr Pfarrer in seiner Gemeinde einführte, enthielt Religionslehren in Aufsätzen und Bibelsprüchen, Sätze aus der Naturlehre und Naturgeschichte, Geographie, Landesverfassung usw. Bei der Übung im Lesen desselben sah Krüsi seinen Pfarrer über jeden Abschnitt, der gelesen wurde, einige Fragen an die Kinder machen, um zu sehen, ob sie das, was sie gelesen, auch gefaßt hätten. Krüsi versuchte das nämliche und brachte es dahin, den Inhalt des Lesebuchs den meisten Schülern vollkommen geläufig zu machen. Dieses aber gelang ihm bestimmt nur darum, weil er wie der gute Hübner seine Fragen den schon im Buche stehenden Antworten anpaßte und keine andere Antwort erwartete und forderte als wörtlich diejenigen, die im Buche schon dastanden, ehe die Frage, die sie eigentlich hervorbringen sollte, ausgeheckt war. Es gelang ihm bestimmt dadurch, daß er in das Katechisieren ganz und gar keine wirkliche Verstandesübung hereinbrachte. Man muß hier aber auch bemerken, die ursprüngliche Unterrichtsweise, die man Katechisieren heißt, war nichts weniger als eine eigentliche Verstandesübung; es ist eine bloße Wortanalytik verwirrt vorliegender Sätze und hat insoweit als Vorbereitungsgeschäft zur allmählichen Klarmachung der Begriffe das Verdienst, daß es die getrennten Wörter und Sätze dem Kinde unverwirrt zur festern Anschauung einzeln vor Augen legt. Das Sokratisieren hingegen ist erst in unsern Tagen mit diesem Katechisieren, das sich ursprünglich bloß auf religiöse Gegenstände bezog, vermischt worden.

Der Pfarrer stellte Krüsis also katechisierte Kinder seinen ältern Katechumenen als Beispiel vor. Aber nachher sollte Krüsi wirklich in das damalige Zeit- und Modegeschäft der Vermischung der beschränkten Wortanalytik, die man Katechisieren heißt, mit dem Sokratisieren, das eine höhere Behandlung des Gegenstandes anspricht, hineingehen; aber diese Vermischung führt ihrer Natur nach nicht weiter als zur Quadratur des Zirkels, die ein Holzhacker mit dem Beil in der Hand auf einem hölzernen Brette versucht; es geht nicht. Der ungebildete, oberflächliche Mensch ergründet die Tiefen nicht, aus denen Sokrates Geist und Wahrheit herausschöpfte; daher ist es auch natürlich, daß das Geschäft jetzt nicht mehr gehen wollte. Es mangelte ihm an dem Fundamente des Fragens und den Kindern an einem Hintergrunde zu Antworten. Sie hatten auch keine Sprache mehr für das, was sie nicht wußten, und keine Bücher, die ihnen auf die verstandene oder nicht verstandene Frage immer eine bestimmte Antwort in den Mund legten.

Indessen fühlte Krüsi den Unterschied dieser so ungleichen Geschäfte noch nicht heiter. Er wußte noch nicht, daß das eigentliche Katechisieren und vorzüglich das Katechisieren über abstrakte Begriffe außer den Sonderungsvorteilen der Worte und dem Takt in den analytischen Formen, den es vorbereitet, an sich selbst nichts ist als ein papageienartiges Nachsprechen unverstandener Töne; das Sokratisieren aber wesentlich für Kinder unmöglich, denen beides, der Hintergrund der Vorkenntnisse und das äußerliche Mittel der Sprachkenntnisse, mangelte. Er tat sich auch in seinem Urteil über dieses Fehlschlagen unrecht; er glaubte, es fehle gänzlich nur an ihm, und wähnte, ein jeder guter Schulmeister müsse imstande sein, über alle Arten von religiösen und moralischen Begriffen durch Fragen richtige und bestimmte Antworten aus den Kindern herauszulocken.

Er war eben in die Modezeit des Sokratisierens oder vielmehr in die Epoche hineingefallen, in welcher diese erhabene Kunst soviel als allgemein in eine Afterkunst versunken und durch Vermischung der Kapuziner- und Schulmeisterformen des Katechisierens verhunzt und entwürdigt wurde. Man träumte in diesem Zeitpunkt von dieser Art, den Verstand also herauszulocken und aus dem eigentlichen Nichts hervorzurufen, Wunder; ich denke aber, man ist jetzt am Erwachen aus diesem Traume.

Krüsi schlief noch fest in demselben; er war aber auch hart darin eingewiegt, sonst würde es mich wundern, wenn der Appenzeller es bei einem leichten Aufwecken nicht selbst gemerkt hätte, daß selbst der Habicht und der Adler den Vögeln keine Eier aus den Nestern nehmen, wenn diese noch keine hineingelegt haben. Er wollte mit Gewalt eine Kunst lernen, die ihm so wesentlich zu seinem Berufe schien. Und da er jetzt bei Anlaß der auswandernden Appenzeller eine Gelegenheit fand, zu Fischern zu kommen, so wurden seine Hoffnungen über diesen Gegenstand von neuem gespannt. Auch tat Fischer alles, ihn nach seiner Ansicht zum gebildeten Schulmeister zu machen. Allein nach meinem Urteil hat er hierin den Versuch, ihn in die Lüfte einer oberflächlichen Katechisierkunst hinaufzuheben, der Arbeit ihm die Fundamente der Sachen, über die er katechisieren sollte, heiter zu machen, ein wenig zu stark vorhergehen lassen.

Krüsi ehrt sein Andenken und redet nur mit Achtung und Dankbarkeit von seinem Wohltäter und Freund. Aber die Wahrheitsliebe, die auch mich an Fischers Herz band, fordert, daß ich keine Ansicht und keinen Umstand über diesen Gegenstand im Dunkeln lasse, der mehr oder weniger dazu beitrug, bei mir und meinen Gehilfen die Gesinnungen und Urteile zu entwickeln, die uns jetzt über diesen Gegenstand vereinigen. Darum darf ich nicht verschweigen, indem Krüsi die Leichtigkeit bewunderte, mit der Fischer über eine Menge Gegenstände eine große Anzahl Fragen in Bereitschaft hielt und sich Hoffnung machte, mit Zeit und Fleiß es einst dahin zu bringen, über alle Hauptgegenstände der menschlichen Erkenntnis ebenso eine für ihre Erheiterung genugtuende Anzahl von Fragen zusammenzubringen, konnte er sich es doch je länger je weniger verhehlen, wenn ein Schulmeisterseminarium eine Sache sei, die einen jeden Dorfschulmeister zu dieser Höhe der Fragekunst emporheben müsse, so könnte es mit einem solchen Seminarium ein mißliches Ding sein.

Je mehr er mit Fischer arbeitete, desto größer schien ihm der Berg, der vor ihm stand, und desto weniger fühlte er die Kraft in sich, die er sah, daß es fordere, seinen Gipfel zu ersteigen. Da er mich aber schon in den ersten Tagen seines Hierseins mit Fischer über Erziehung und Volksbildung reden hörte und ich mich bestimmt gegen das Sokratisieren unserer Kandidaten erklärte, mit der Äußerung, ich sei gar nicht dafür, das Urteil der Kinder über irgendeinen Gegenstand vor der Zeit scheinreif zu machen, sondern vielmehr dasselbe so lange als möglich zurückzuhalten, bis sie jeden Gegenstand, über den sie sich äußern sollten, von allen Seiten und unter vielen Umständen ins Auge gefaßt und mit den Worten, die das Wesen und die Eigenschaften derselben bezeichnen, unbedingt bekannt seien: so fühlte Krüsi sogleich, daß ihm bestimmt dieses selber mangle und daß er folglich eben dieser Führung bedürfe, die ich meinen Kindern zu geben gedachte.

Indem Fischer auf seiner Seite alles tat, ihn in mehrere Fächer der Wissenschaften hineinzuführen, um ihn vorzubereiten, über dieselben Unterricht geben zu können, fühlte Krüsi täglich mehr, daß es mit ihm auf dem Bücherwege nicht gehen wolle, indem es ihm allenthalben an den untersten Punkten der Sach- und Sprachkenntnisse fehle, deren mehr oder minder vollständige Kenntnis diese Bücher voraussetzen. Auch wurde er in der für ihn so glücklichen Selbstkenntnis immer mehr bestärkt, da er die Wirkung des Zurückführens meiner Kinder auf die ersten Punkte der menschlichen Erkenntnisse und mein geduldiges Ausharren auf diesen Punkten vor Augen sah. Dieses änderte ihm die ganze Ansicht des Unterrichts und aller Fundamentalbegriffe, die er sich davon machte. Er sah jetzt, daß ich durch alles, was ich tat, mehr die intensive Kraft des Kindes zu entwickeln als die isolierten Resultate meines einzelnen Tuns selbst hervorzubringen suche, und war durch die Wirkung dieses Grundsatzes in dem ganzen Umfange meiner Entwicklungsmanier überzeugt, daß dadurch bei den Kindern Fundamente von Einsichten und weitern Fortschritten gelegt werden, die auf keine andere Weise erzielt werden können.

Indessen fanden die Endzwecke Fischers zur Errichtung eines Schulmeisterseminariums Hindernisse, und er ward wieder in das Büro des Ministers der Wissenschaften berufen, behielt sich aber doch vor, für sein Seminarium bessere Zeiten zu erwarten und indessen die Schulen in Burgdorf auch in seiner Abwesenheit zu dirigieren. Sie sollten umgemodelt sein und bedurften es, aber er hatte bei seiner Anwesenheit und bei Aufwendung aller seiner Kraft und Zeit dazu nicht einmal den Anfang machen können und hätte dieses in Abwesenheit und mitten unter heterogenen Beschäftigungen gewiß nicht bewerkstelligen können. Krüsis Lage war indessen durch Fischers Abwesenheit noch mehr gespannt. Er fühlte sich dem, was Fischer von ihm erwartete, ohne seine persönliche Gegenwart und Mithilfe immer weniger gewachsen. Auch äußerte er bald nach Fischers Abwesenheit gegen ihn und mich den Wunsch, sich mit seinen Kindern an meine Schule anzuschließen. Aber so sehr ich auch Hilfe bedurfte, die mir durchaus mangelte, so lenkte ich es damals doch ab, weil ich Fischer, der fortdauernd Endzwecke für sein Seminarium zeigte und an Krüsi anhänglich war, nicht kränken wollte. Er ward aber bald darauf krank, und Krüsi eröffnete ihm die Notwendigkeit dieser Vereinigung in der letzten Stunde, da er mit ihm redete. Ein liebreiches Kopfnicken war die Antwort des Sterbenden. Sein Andenken wird mir stets schätzbar sein. Er ging mit mir gleichen Zwecken mit Anstrengung und edlem Sinne entgegen. Hätte er gelebt und die Reifung meiner Erfahrungen abwarten können, wir hätten uns gewiß allgemein vereinigst.

Nach Fischers Tode trug ich selbst auf die Vereinigung von Krüsis Schule mit der meinigen an, und wir sahen uns jetzt beiderseits in unsern Lagen merklich erleichtert; auf der andern Seite aber erhöhten sich die Schwierigkeiten meines Plans ebenso merklich. Ich hatte schon von Burgdorf Kinder ungleich im Alter, in der Bildung und in den Sitten; das Hinzukommen der Kinder aus den kleinen Kantonen vermehrte die Schwierigkeiten umso mehr, da diese letztern neben ähnlichen Ungleichheiten noch eine Naturfreiheit im Denken, Fühlen und Reden in meine Schulstube brachten, die verbunden mit Insinuationen gegen meine Methode den Mangel einer festen Organisation meiner Lehrart, die noch als bloßer Probeversuch anzusehen war, mit jedem Tage drückender machten. Ich bedurfte in meiner Lage einen unbedingten Spielraum zu meinen Versuchen, und alle Augenblicke ließen mir Partikularen Wegweisungen zukommen, wie ich es anstellen sollte, die Kinder, die sie mir zusandten, zu lehren. An einem Orte, wo man sonst seit Menschenaltern gewohnt war, in Unterrichts- und Lehrsachen mit sehr wenigem zufrieden zu sein, forderte man jetzt von mir, daß eine Lehrmethode, die alle Fundamente des menschlichen Wissens umfaßte, aber auch auf frühern Einfluß und auf kleinere Kinder berechnet war, bei Kindern, die bis ins zwölfte, vierzehnte Jahr in der gedankenlosesten Bergfreiheit verhärtet und noch dazu gegen die Lehrart mißtrauisch gemacht worden, dennoch allgemein und unbedingt eine große Wirkung hervorbringen sollte. Das geschah freilich nicht, und man erkannte aus dieser Wirkung, die Methode sei nichts nütze. Man verwechselte sie mit einer gemeinen Abänderung im ABC-Lehren und Schreiben. Meine Endzwecke, in allen Fächern der menschlichen Kunst und des menschlichen Wissens feste und sichere Fundamente zu suchen, mein Streben, die innere Kraft der Kinder einfach und allgemein für jede Kunst zu stärken, und mein ruhiges und gleichgültig scheinendes Erwarten der Folgen von Maßregeln, die sich allmählich aus sich selber entwickeln sollten – das waren spanische Schlösser. Man ahnete nichts und sah nichts von allem; im Gegenteil, wo ich Kraft bildete, da fand man Leerheit. Man sagte, die Kinder lernen nicht lesen, just darum, weil ich sie recht lesen lehrte; man sagte, sie lernen nicht schreiben, just darum, weil ich sie recht schreiben lehrte; und endlich sogar, sie lernen nicht fromm sein, just darum, weil ich alles tat, die ersten Hindernisse der Frömmigkeit, die in der Schule gelegt werden, aus dem Wege zu räumen, und namentlich widersprach, daß das papageienartige Auswendiglernen des Heidelbergers die eigentliche Lehrart sei, nach welcher der Heiland der Welt das Menschengeschlecht zur Gottesverehrung und zu seiner Anbetung im Geist und in der Wahrheit emporzuheben gesucht habe. Es ist wahr, ich habe es ohne Scheu gesagt, Gott ist nicht ein Gott, dem Dummheit und Irrtum, Gott ist nicht ein Gott, dem Heuchelei und Maulbrauchen gefällt. Ich habe es ohne Scheu gesagt, die Sorgfalt, die Kinder richtig denken, fühlen und handeln zu lehren und die Segnungen des Glaubens und der Liebe in sich selber zu beleben und zu genießen, ehe man ihnen die Gegenstände der positiven Religion und ihre ewig nie erörterten Streitpunkte als Mittel der Verstandesbildung und der Geistesübung ins Gedächtnis bohrt, sei nicht wider Gott und nicht wider die Religion. Aber ich darf den Mißverstand, dem ich beinahe unterlegen bin, den Leuten dennoch nicht übelnehmen; sie meinten es doch gut, und ich begreife vollkommen, daß bei den Scharlatanerien unsrer Erziehungskünste mein rohes Streben nach einem neuen Gang Menschen hat täuschen müssen, die wie viele andere einen Fisch in ihrem Teiche lieber sehen als einen See voll Karpfen hinter dem Berge.


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