Publius Ovidius Naso
Metamorphosen
Publius Ovidius Naso

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Romulus und Hersilia

            Tatius sank, und zugleich den Deinigen und den Sabinern,
Romolus, gabst du Gesetz; da, den Helm ablegend, der Kriegsgott
Also begann zum Vater des Menschengeschlechts und der Götter:

Vater, die Zeit ist genaht (dieweil auf Stärke gegründet
Steht die römische Macht, und nicht an dem Ordner allein hängt),
Daß du den Lohn, den mir du gelobt, und dem würdigen Enkel,
Ausbezahlst, und hinweg von der Erd' in den Himmel ihn einfährst.
Weiland sagest du mir in der seligen Götter Versammlung
(Denn ich bewahr' andenkend das gütige Wort in der Seele):
Ihn, den einzigen, wirst du erhöh'n zu der Bläue des Himmels
Also redest du; vollbracht nun werde der Ausspruch.

Zeus der allmächtige winkt; und schwarz in dunkele Wolken
Hüllt er die Luft, und mit Donner und Leuchtungen schreckt er die Stadt rings.

Als er die Zeichen erkannt der ihm verheißnen Entführung,
Steigt, von der Lanze gestützt, der unerschrockne Gradivus
Schnell auf der Rosse Geschirr mit blutiger Deichsel, und schwinget
Knallendes Geißelgetön; und jäh durch die Lüfte gerollet,
Hält er auf des bebüschten Paladiums oberstem Hügel;
Und, da er seinem Quiriten das Recht, nicht königlich, aussprach,
Rafft er der Ilia Sohn. Die sterbliche Hülle zerfloß ihm
Durch die wehende Luft: wie oft aus gerundeter Schleuder
Fliegend erblüht die Gestalt, und des hochgepolsterten Lagers
Würdiger, hehr wie die Bildung des pupurhellen Quirinus!

Ihn beweint als verloren das Weib. Doch die Herrscherin Juno
Heißt zur Hersilia schnell auf gekrümmetem Pfade die Iris
Niedergehn, und so der Verödeten bringen die Botschaft:

Du vom latischen Volk und zugleich vom Volk der Sabiner,
Ausgesonderte Zierde der Frau'n, du würdigste Gattin
Solches erhabenen Mannes zuvor, und jetzt des Quirinus!
Hemme der Wehmut Tränen; und wenn du den Gatten zu schauen
Sehnsucht hast, so folge zum Haine mir, der den Quirinus-
hügel umgrünt, und der Tempel des römischen Königs beschattet.

Iris gehorcht; und zur Erd' im farbigen Bogen entgleitend,
Naht sie, Hersilia, dir, und sagt die befohlenen Worte.

Sie mit verschämtem Gesicht, und kaum die Augen erhebend:
Göttin! (denn welche du seist, ist mir zwar dunkel doch deutlich,
Daß du der Göttinnen seist) o führe mich, ruft sie, und zeige
Mir des Gemahls Anblick! Wenn ihn zu schauen nur einmal
Mir das Schicksal vergönnt; wie in himmlischer Seligkeit schweb' ich!

Stracks nun wandelt sie hin mit der thaumanteischen Jungfrau
Zum romulischen Hügel. Ein Stern dort, gleitend vom Äther,
Fällt auf die Erde herab: von dessen Schimmer entbrennend
Schnell der Hersilia Haar mit dem Stern auffliegt in die Lüfte.
Jetzo schließt sie bekannt der Stifter Roms in die Arme,
Welcher, den vorigen Namen zugleich mit dem Leibe verändernd,
Ora sie grüßt, die als Göttin nunmehr dem Quirinus gesellt ist.


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