Publius Ovidius Naso
Metamorphosen
Publius Ovidius Naso

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Zweites Buch

Phaeton

            Jupiters Sohn, wie man glaubt, war Epaphus, welchen ihm Io
Fern in Ägyptus gebar: wo, der Mutter gesellt, er in Städten
Tempel beherrscht'. Ihm war gleichalterig, gleich an Gesinnung,
Phaethon, stammend von Sol. Als der mit prahlender Rede
Trotz ihm bot, hochmütig des Vaters Phöbus sich rühmend,
Trug's nicht Inachus Enkel: Du glaubst doch, sprach er, der Mutter
Alles, o Tor; und blähst dich vom Schein des falschen Erzeugers.

Phaethon glüht' im Gesicht; doch hemmte den Zorn die Beschämung;
Und zur Klymene flog er, des Epaphus Lästerung meldend.
Daß du, o Mutter, es fühlst; sieh, redet er, ich Ungebundener,
Ich Auffahrender schwieg! Es beschämt, daß solcherlei Schmähung
Einer wie wir anhören, und nicht abfertigen konnte!
Doch du, wenn ich gewiß aus himmlischem Samen gezeugt bin,
Gib mir Beweis so hohen Geschlechts, und erhalt' mich dem Himmel!

Phaethon sprach's, und umschlang der Gebärerin Hals mit den Armen;
Und bei dem eigenen Haupt, und des Merops Haupt, und der Schwestern
Hochzeitfackel beschwur er, ihm wahr zu bezeichnen den Vater.

Klymene weniger nicht von Phaethons Flehn, wie vom Zorne
Aufgeregt der gehörten Beschuldigung, streckte die Arme
Beide zum Himmel empor; und das Licht der Sonne betrachtend,
Sagte sie: Ja bei dem Glanze der schimmernden Herrlichkeit oben
Schwör' ich dir, trautester Sohn, die uns anhöret und siehet:
Er dort welchen du schaust, er dort, der Ordner des Kreislaufs,
Zeugte dich, Sol! Ist Erdichtung mein Wort, dann weigere jener
Selbst sich mir; dann tag' es zuletzt heut unseren Augen!
Auch nicht lang ist die Mühe, den Vaterpalast zu erforschen;
Nahe grenzet das Haus, wo er aufsteigt unserem Lande.
Wenn ja das Herz dir gebeut; geh hin, und erkund' es von jenem!

Schleunig hüpft er empor, da der Zeugerin Red' er vernommen,
Phaethon, fröhliches Sinns, und faßt den Äther im Geiste.
Äthiopen, sein Volk, und von näheren Sternen entbrannte
Indier, strebt er hindurch, und ereilt Sols östliche Wohnung.

Königlich ragt' auf Säulen die Burg des Sonnenbeherrschers,
Hell von schimmerndem Gold' und feuerrotem Pyropus.
Elfenbein umhüllte mit Glanz den oberen Giebel;
Silbernes Licht entstrahlte des Eingangs doppelten Flügeln.
Aber den Stoff besiegte die Kunst. Denn Mulciber hatte
Dort des Ozeanus Gurt um den Rand der Erde gemeißelt,
Auch der Lande Bezirk, und das Dach des gewölbeten Himmels.
Rings hat bläuliche Götter die Flut: den ertönenden Triton,
Proteus Wechselgestalt, und Ägäon, welcher dem Walfisch
Drückt mit Riesenarmen den ungeheueren Rücken;
Doris auch, und die Töchter, die teils wie schwimmend erscheinen,
Teils auf dem Riffe gesetzt, und grünliche Haare sich trocknend,
Teils auch vom Fische geführt: nicht gleich ist allen, noch ungleich,
Ihre Gestalt, nein ähnlich, wie leiblichen Schwestern es ansteht.
Männer trägt und Städte die Erd', auch Wälder und Bergwild,
Ströme zugleich, und Nymphen, und andere Mächte des Feldes.
Oben herum erhebt sich das Bild des leuchtenden Himmels:
Sechs der Zeichen zur Rechten, und sechs zur Linken des Eingangs.

Als nun der Klymene Sohn hieher auf steigendem Pfade
Ankam, und in die Burg des bezweifelten Vaters hineinging,
Wendet' er stracks die Schritte zum Angesicht des Erzeugers,
Und blieb stehen von fern: denn des näheren Lichtes Bestrahlung
Duldet' er nicht. Dort saß in umhüllendem Purpurgewande
Phöbus auf fürstlichem Thron, der leuchtete, hell von Smaragden,
Rechts ihm standen und links der Tag, und das Jahr, und der Monat;
Auch Jahrhunderte standen, und gleich geordnete Horen;
Jugendlich stand auch der Frühling, den blumigen Kranz um die Scheitel;
Auch der nackende Sommer, im Schmuck umwindender Ähren;
Auch der Herbst, mit der Kufen getretenem Moste besudelt;
Und der beeisete Winter, umstarrt von grauendem Haupthaar.
Sol in der Mitte des Raums, mit alldurchschauendem Blicke,
Sah vor der Neuheit der Dinge verzagt annahen den Jüngling.

Was will, sagt er, dein Gang? was suchest du hier in der Felsburg,
Phaeton? wertes Geschlecht dem nicht ableugnenden Vater!

Jener beginnt: O du Licht des unermeßlichen Weltalls!
Vater Phöbus, wofern du des Namens Gebrauch mir vergönnest,
Und nicht Klymene Schuld in gefabelte Täuschungen einhüllt:
Gib mir, Erzeuger, ein Pfand, daß man für dein wahres Geschlecht mich
Anerkenn', und vertilg' aus unserem Herzen den Irrtum!

Phaethon sprach's, und der Vater enthüllte sich aller Bestrahlung,
Welche sein Haupt umglänzt', und gebot ihm, näher zu treten.
Dann in die Arm' ihn schließend: Nicht du bist meiner Verkennung
Würdig, und Klymene hat dir wahr verkündet den Ursprung.
Daß dir schwinde der Zweifel; so fordere, was du auch wünschest,
Und ich gewähre den Wunsch: Sei Styx mir Zeugin des Wortes,
Furchtbar dem schwörenden Gott, und unseren Augen ein Abscheu!

Kaum war alles gesagt; da wünscht' er den Wagen des Vaters
Einen Tag, und die Lenkung der fußgeflügelten Rosse.

Phöbus bereute den Schwur, und schüttelte dreimal und viermal
Sein mildleuchtendes Haupt: Unbedachtsam, rief er, und Leichtsinn
Ward mein Wort durch das deine! Gestatte mir, Sohn, die Verheißung
Nicht zu verleihn! Ich bekenne, dies einzige möcht' ich dir weigern.
Aber ich darf abraten. Gefahrvoll ist, was du wünschest!
Viel zu Großes begehrst du, ein Amt, das solcherlei Kräften,
Phaethon, wenig geziemt, noch so unmännlichem Alter.
Dir ward sterbliches Los; doch sterblich ist nicht dein Bestreben.
Höher sogar, als Ewigen selbst zu gelangen vergönnt ist,
Trachtest du ohne Bedacht. Es gefalle sich jeder nach Willkür:
Doch zu stehen vermag auf der glutbelasteten Achse
Keiner, denn ich! Ja selber der Fürst des weiten Olympus,
Der aus schrecklicher Hand fernschmetternde Leuchtungen sendet,
Lenkt nicht dieses Gespann: und wer mißt Jupiters Allmacht?
Steil ist der Weg im Beginn, wo kaum noch frisch mir die Rosse
Frühe hinaufarbeiten. Dann schreckt die Höhe des Mittags,
Wo mir selbst, tief unten das Meer und die Lande zu schauen,
Oftmals graut, und das Herz aufbebt vor banger Besorgnis.
Jäh ist endlich der Weg, und bedarf der sichersten Lenkung.
Jene sogar, die drunten, die Arm' ausbreitend, mich aufnimmt,
Tethys pflegt, daß im Sturz ich enttaumele, nun zu befürchten.
Denke dazu, daß, gerafft von beständigem Schwunge, der Himmel
Hohe Gestirn' hinzieht, und in hurtigem Wirbel herumdreht.
Ich nur streb' anwärts; und dem Sturm, der alles besieget,
Trotz' ich allein, und fahre der raffenden Kreisung entgegen.
Sei dir der Wagen gewährt; was meinest du? Kannst du hinangehn
Wider den rollenden Pol, unentführt von der reißenden Achse?
Ja wer weiß, auch Haine sogar und Städte der Götter
Träumt sich dein Herz dort oben, und prangende Tempel mit Reichtum?
Schau', Nachstellungen drohn auf der Fahrt, und Gestalten des Wildes!
Ob du die Bahn auch hältst, und nie ausbeugend verirrest;
Dennoch mußt du hindurch am Gehörn des begegnenden Stieres,
An des Hämoners Geschoß, und dem Rachen des grausamen Löwen,
Auch an dem Skorpion, der die Klau'n in entsetzlichem Umfang
Krümmt, und dem gräßlichen Krebs, der sie krümmt in anderer Windung!
Wähn' auch nicht, daß die Rosse, von Mut beseelet und Feuer,
Welches ihr Busen verschließt, und aus Maul und Nase hervorhaucht,
Leicht dir zu bändigen sein! Kaum dulden sie mich, wann entflammter
Ihnen der Mut aufglüht; und es sträubt sich der Nacken den Zügeln.
Laß doch nicht von mir selber ein trauriges Ehrengeschenk dir
Kommen, o Sohn; und verbeßre den Wunsch, da die Zeit es gestattet!
Siehe, damit man erzeugt aus unserem Blute dich glaube,
Willst du ein sicheres Pfand: ich gebe das Pfand durch Besorgnis!
Wohl beweis' ich den Vater, mich väterlich ängstend! O schau doch,
Schau mein Gesicht! Und o möchtest du auch in das innerste Herz mir
Senken den Blick, und drinnen die Vatersorgen erkennen!
Endlich betracht' umher, was die Welt einschließet an Reichtum:
Aus so vielen und großen, der Erd' und des Meers und des Himmels,
Fodre dir einiges Gut; nicht Weigerung soll dich betrüben!
Diesem nur, fleh' ich, entsage: was richtiger Strafe, denn Ehre,
Würde genannt! Ach, Strafe, mein Phaethon, soll dir Geschenk sein!
Was umschlingst du den Hals, Unweiser, mit schmeichelnden Armen?
Zweifele nicht, du erlangst (bei den stygischen Fluten beschwur ich's!),
Was du auch immer gewünscht; doch laß verständig den Wunsch sein!

Also endigte Sol die Ermahnungen. Jener verschmäht sie,
Hält den beschlossenen Zweck, und glüht in Begierde des Wagens.
Als nun, was er gekonnt, Sol zauderte, führt' er den Jüngling
Hin zu dem hohen Geschirr, dem vulkanischen Ehrengeschenke.
Lauteres Gold war die Achs', und Gold die Deichsel, und Gold auch
Üben dem Rade der Kranz; die geordneten Speichen von Silber.
Chrysolith' um das Joch, und funkelnde Stein in der Ordnung,
Spiegelten hell den Phöbus in widerstrahlender Klarheit.
Während Phaethon dies voll Mut anstaunt', und die Arbeit
Musterte; siehe, da öffnet', erwacht im rötlichen Aufgang,
Schon Aurora das purpurne Tor, und den rosenbestreuten
Vorhof. Schleunig entfliehn die Gestirn', und es treibet den Heerzug
Lucifer, welcher zuletzt abzieht von der Wache des Himmels.

Aber sobald der Vater die Erd' und den Himmel erröten
Sah, und schwinden am Rand die erblassenden Hörner der Luna;
Schnell zu schirren die Rosse gebot nun Titan den Horen.
Schnell ist vollbracht das Gebot: die feuerschnaubenden Renner,
Mit Ambrosiasaft an erhabenen Krippen gesättigt,
Führen die Göttinnen her, und legen die klirrenden Zäum' an.

Jetzo berührt der Vater mit heiliger Salbe das Antlitz
Seines Sohns, und stärkt es, die reißende Flamme zu dulden.
Hierauf krönt er mit Strahlen sein Haar, und aus innerstem Herzen
Bang' aufziehend des Grams vorahnende Seufzer, beginnt er:

Magst du, wenigstens hier, die Ermahnungen hören des Vaters;
Meid', o Knabe, den Sporn, und kräftiger brauche die Zügel!
Selbst schon eilen sie fort: sie im Flug zu hemmen ist Arbeit.
Auch nicht wähle die Bahn durch fünf gradlaufende Gürtel.
Schlängelnd windet sich schräg ein breitgebogener Querweg,
Welcher, auf drei der Zonen den Lauf einschränkend, die Kreisung
Meidet des südlichen Pols, und der nördlich stürmenden Bärin:
Dort sei die Fahrt; du erkennst die deutlichen Spuren des Rades!
Und daß Himmel und Land gleichmäßige Wärme gewinnen,
Senke du weder den Wagen, noch schwing ihn empor in den Äther.
Allzu hoch verbrennst du der Himmlischen wölbende Wohnung,
Aber zu tief die Länder; am sichersten gehst du im Mittel.
Daß dir weder zur Rechten, wo weit die Schlange sich windet,
Noch linksab zum gesenkten Altar ausbeuge der Wagen,
Halt' durch beide den Strich. Des übrigen walte Fortuna,
Die mit besserem Rat, als du, dir helfe: das wünsch' ich!
Während ich rede, berührt am hesperischen Ufer die Säulen
Schon die Leuchtende Nacht, und verbeut uns längere Säumnis.
Auf denn, es gilt! Dort strahlt aus zerstreuetem Dunkel Aurora!
Fass' in die Hand das Geriem! Doch falls du lenkbaren Herzens
Bleibst, nimm unseres Rates, und nicht des Wagens, Gebrauch an:
Weil du es kannst, und fest auf gediegenem Boden noch dastehst,
Eh' du, nach törichtem Wunsch, auf der Achs', Unkundiger, schwebest!
Anschaun magst du es sicher, doch mich laß leuchten dem Erdkreis!

Aber im Sprunge besteigt den ätherischen Wagen der Jüngling,
Steht nun empor, und berührt mit der Hand die gegebenen Zügel
Fröhlich, und dankt von oben dem ungern schenkenden Vater.
Doch die geflügelten Rosse, der Pyroïs, und der Eous,
Äthon zugleich, und Phlegon, erfüllen die Luft mit Gewieher
Flammenden Hauchs, und schlagen die Huf' an die hemmenden Barren.

Als nun zurück die Barren, das Los mißkennend des Enkels,
Tethys drängt', und der Raum unermeßlicher Himmel sich auftat,
Raffen sie schleunig den Weg, und die Luft mit den Füßen durchstampfend,
Spalten sie dick vorstehend Gedünst, und auf hebenden Flügeln
Rennen sie mutig voran dem zugleich ausstürmenden Ostwind.
Doch leicht war das Gewicht, und ganz unkennbar dem edlen
Sonnengespann; es gebrach an gewohnter Schwere des Joches.
Wie der gebogene Kiel hinschwankt mit dürftiger Ladung,
Und von zu leichtem Gewicht unstet durch die Wellen umhertreibt:
Also, der vorigen Last entlediget, sprang in die Luft nun
Hüpfend in Stößen empor, wie mit eiteler Leere, der Wagen.

Aber sobald dies merkte das Viergespann, da entstürzt es
Wild dem gebahneten Raum, nicht laufend in voriger Ordnung.
Jener erschrickt, ratlos die gewirreten Zügel zu lenken,
Und unkundig des Wegs, und kennt' er ihn, doch des Befehles.
Jetzo zuerst erwärmten die frostigen Stiere des Wagens,
Und versuchten umsonst in verbotene Flut sich zu tauchen.
Auch die Schlange, die dicht am beeiseten Pole sich lagert,
Träg' in der Kälte zuvor, harmlos, und fürchterlich keinem,
Ward nun erwärmt, und schwoll zu neuem Zorn in der Glut auf.
Du auch, melden sie, flohst in zerrüttender Angst, o Bootes,
Langsam, wie du auch warst; dein Wagen nur zwang dich zu bleiben.

Doch als Phaethon jetzt, der Elende, hoch aus dem Äther
Niederschaut' auf die Lande, die tief, tief unten sich streckten,
Blaß nun ward sein Gesicht, und ihm zitterten plötzlich die Kniee;
Und in des Urlichts Glanz umzog ihm Dunkel die Augen.
Hätt' er doch nie, so wünscht er, des Vaters Rosse berühret!
Hätt' er doch nie erkannt sein Geschlecht, noch gewagt die Erkundung!
Merops Sohn zu heißen genügt! Es entrafft die Gewalt ihn,
So wie die Bark' hinstürmet der Boreas, wann sie entzügelt
Treiben ihr Steuerer läßt und Göttern vertraut und Gelübden.
Was zu tun? Viel hat er zurückgelassen des Himmels,
Doch vor den Augen ist mehr: sein Herz mißt dieses und jenes.
Vorwärts bald, wohin sein Schicksal verbeut zu gelangen,
Schaut er zum Untergang, bald rückwärts schaut er zum Aufgang.
Sonder Entschluß nun stutzt er, und senkt so wenig die Zügel,
Als er sie strengt; auch die Namen der fliegenden Rosse vergaß er.
Jetzt am gesprenkelten Himmel umhergestreuete Wunder
Schaut er voll Angst, und Gestalten des ungeheuren Gewildes.
Dort auch krümmt zwei Arme der Skorpion in geschweiften
Windungen: hinten ein Schwanz, und vorn ausstreckend die Scheren,
Füllet er ganz mit dem Leibe den Raum zwei himmlischer Zeichen.
Kaum erblickte der Knabe das Scheusal, feucht von dem Schweiße
Dunkelen Gifts, und Wunden mit stechender Krümmung ihm drohend,
Sinnlos ließ er in kältender Angst hingleiten die Riemen.
Als die gesunkenen nun des Rückens Fläche berührten;
Schweifen die Rosse dahin und gehn, da keiner sie hemmet,
Durch einöde Bezirke der Luft: wie das wilde Gelust führt,
Stürzen sie ohne Gesetz; schon sprengen sie hoch in den Äther
Zwischen geheftete Stern', und es rollt das Geschirr in die Wildnis.
Bald durchfliegen sie Höh'n, und bald abschüssige Strecken,
Niedergestürzt, und durchjagen die Gegenden nahe der Erde.
Luna sieht mit Erstaunen, wie unter dem ihrigen jetzo
Läuft des Bruders Gespann, und es dampfen gesengt die Gewölke.

Feuer ergreift nacheinander die ragenden Höhen der Erde;
Tief zerspaltet das Land, und die nährenden Säfte versiegen;
Falb verwelket das Gras, und es knattert der Baum mit den Blättern;
Und sich selbst ist die trockene Saat ein verwüstender Zunder.
Kleines annoch! Es vergehn hochtürmende Städte mit Mauern;
Ganze Völker sogar mit Stämmen zugleich und Geschlechtern
Wandelt in Asche der Brand; und Waldungen glühn mit Gebirgen.
Athos brennt, und Taurus, es brennt der Tmolus, und Oeta,
Auch, nun trocken, zuvor voll strömender Quellen, der Ida;
Helikons Jungfrauhöh', und der künftig öagrische Hämos.
Ätna brennt, unermeßlich die Feuersbrünste verdoppelnd,
Eryx, und Cynthos, und Othrys, und, zwiefaches Haupts, der Parnassus,
Rhodope auch, nun endlich des Schnees entbehrend, und Mimas;
Dindyma brennt, und mit Mykale brennt der umschwärmte Cithäron.
Nicht auch rettet der Frost dich, Szythia: Kaukasus brennet;
Ossa zugleich mit Pindus, und, hoch vor beiden, Olympus;
Luft'ge Alpen zugleich, und der wolkige Apenninus.

Phaethon schauet nunmehr, wie an jeglichem Teile der Erdkreis
Raucht in der lodernden Glut; und kann nicht dulden die Hitze.
Denn aufsiedende Luft, wie aus tiefem Schlunde des Ofens,
Atmet sein Mund; auch fühlt er, daß unter ihm glühe der Wagen.
Nicht die flockende Asch', und nicht die geschnelleten Funken,
Mag er bestehn; ringsher umwirbelt ihn hitziger Rauchdampf.
Wo und wohin er gehe durch pechschwarz wallendes Dunkel,
Weiß er nicht mehr; ihn entraffen die fliegenden Rosse nach Willkür.
Jetzo, glauben sie, drang das kochende Blut in den Adern
Oben zur Haut, und schwärzte die äthiopischen Völker.
Jetzt ward Libya erst nach ausgesottener Nässe
Trockener Sand; jetzt weinten mit bangendem Haare die Nymphen
Laut um Brunnen und Seen. Böotia jammert um Dirce,
Argos klagt Amymone, und Ephyra ihre Pirene.
Nicht auch bleiben die Ströme, die fern ihr Ufer gewannen,
Sicher annoch. Schon dampfet der Tanaïs mitten im Strudel,
Schon Peneos der Greis, und der Teuthranteer Kaïkus,
Phokis Strom Erymanthos, mit dir, o schneller Ismenos;
Xanthos, zu doppeltem Brande bestimmt, und der gelbe Lykormas;
Du auch, froher Mäandros, in oft rückkehrender Windung;
Auch der Mygdonier Melas, und Tänaros Strom Eurotas.
Brennend erscheint Euphrates um Babylon, brennend Orontes,
Auch Thermodon im Sturz, auch Ganges, und Phasis, und Ister;
Brennend wallt Alpheos, und wallt die spercheïsche Strömung;
Und es zerfließt in der Flamme das Gold, das Tagus herabführt.
Auch, die mit süßem Gesang ihr mäonisches Ufer verherrlicht,
Selbst erwärmten die Schwän' im sumpfenden Strom des Kaystros
Nilus entfloh voll Schrecken zum äußersten Ende des Landes,
Bergend das Haupt, das noch immer verborgene: dürr und versandet,
Stehn die Mündungen all, und sind ungewässerte Täler.
Gleiches Geschick auch dörrt die Ismarier, Hebros und Strymon
Auch die hesperischen Ströme, den Rhodanus, Rhenus und Padus,
Und, dem Obergewalt verkündiget wurde, den Tibris.

Rings nun zerlechzet der Grund; in den Tartarus dringt durch die Spalten
Licht, und erschreckt mit der Gattin den unterirdischen König.
Eng auch zieht sich das Meer; ein Gefild' aufwehenden Sandes
Ist, wo der Abgrund war; noch eben umhüllt von Gewässern,
Tauchen die Berge hervor, den Schwarm der Zykladen vermehrend.
Labsal sucht in den Tiefen der Fisch; und über der Meerflut
Wagt nicht mehr in die Luft der gebogne Delphin sich zu schwingen.
Auch unförmige Robben, den Rücken gestreckt auf die Woge,
Schwimmen entseelt ringsher. Selbst Nereus, sagt man, und Doris
Hielten sich jetzt, und die Töchter, in laulicher Grotte verborgen.
Dreimal wollte Neptunus die Arm' und das finstere Antlitz
Aus dem Gewog' ausstrecken; doch dreimal trug er die Glut nicht.

Aber die nährende Tellus, umströmt von Ozeanus Kreisung,
Zwischen den Fluten des Meers und rings versammelten Quellen,
Die sich zusammengedrängt in den Schoß der dunkelen Mutter,
Hob, bis zum Halse gedörrt, ihr allbefruchtendes Antlitz,
Schützte die Hand vor die Stirn, und jetzt, mit gewaltigem Beben
Alles erschütternd umher, versank sie ein weniges tiefer,
Als sie gewöhnlich erscheint, und mit trockener Stimme begann sie:

Wolltest du dies, und verdient' ich's, warum, der Unsterblichen Höchster,
Zaudert dein Strahl? O laß, soll ich Elende sterben durch Feuer,
Durch dein Feuer mich sterben! Des Schlags Urheber wird Trost sein!
Kaum vermag ich der Kehle nur dieses Wort zu entlocken!
(Qualm erstickt ihr den Mund.) O schau die versengeten Haare!
Schau die Augen so voll, und so voll von Asche das Antlitz!
Gibst du mir solchen Dank der Fruchtbarkeit, solche Belohnung
Meiner gefälligen Treu: daß ich Wunden des hakigen Pfluges,
Wunden des Karstes ertrag', im ganzen Jahre gequälet?
Daß ich dem Viehe sein Laub, dem Geschlecht der Menschen zur Nahrung
Zeitige Früchte gewähr', und euch zum Opfer den Weihrauch?
Aber wenn ich mein Leiden verdienete; was hat die Meerflut,
Was der Bruder verdient? Warum versiegen die Wasser,
Welche das Los ihm gab, und entziehn sich ferne dem Äther?
Wenn denn, so wenig wie ich, dein eigener Bruder dich rühret,
Wenigstens sei dein Himmel dir wert! Schau jeglichen Pol an:
Hier schon dampft es und dort! Beschädiget jene das Feuer,
Plötzlich zerfällt euch die Wohnung in Schutt! Selbst drüben der Atlas
Müht sich, und hält auf der Schulter noch kaum die glühende Achse!
Wenn die Meer' und die Lande vergehn, und die Burg des Olympus,
Ins urnächtliche Chaos enttaumeln wir! Reiß aus den Flammen,
Was noch übrig dir ist, und sorge für Heil und Erhaltung!

Dies nur redete Tellus; denn nicht aushalten die Schwüle
Konnte sie länger in Qualm, noch mehreres reden: ihr Antlitz
Zog sie zurück in die Erde, die tief zu den Manen sich höhlet.

Doch der allmächtige Vater bezeugt die Gewalten des Himmels,
Und, der den Wagen verliehn, es zerscheitere, rett' er nicht schleunig,
Alles im grausen Geschick: dann steigt er zur obersten Burg auf,
Wo er umher mit Wolken den Erdkreis pflegt zu verhüllen,
Wo er die Donner erregt, und geschleuderte Strahlen entsendet.
Aber so wenig Gewölk, den Erdkreis rings zu verhüllen,
Hatt' er nunmehr, als Regen herabzugießen vom Himmel.
Siehe da donnert' er laut, und rechts von dem Ohre geschwungen
Sandt' er dem Lenker den Strahl: aus dem Leben zugleich und den Rädern
Schmettert' er ihn, und dämpfte mit schrecklicher Flamme die Flammen.
Scheu nun stutzen die Ross', und im Sprung auf die Seite sich bäumend,
Sprengen sie ab das Geriem, und schütteln das Joch von den Hälsen.
Dorthin fallen die Zäum', und dort, von der Deichsel gerissen,
Lieget die Achs', und dort die Speichen zerbrochener Räder;
Weitaus schnellt in die Runde der Wrack des zertrümmerten Wagens.
Phaethon nun, von der Glut die geröteten Haare verwüstet,
Taumelte häuptlings hinab, und in langem Zuge die Luft durch
Flieget er: sowie zuweilen ein Stern vom heiteren Himmel,
Wenn auch nicht er entfällt, doch gleich dem entfallenden scheinet.
Fern von der Heimat nimmt in dem Gegenlande der Hauptstrom,
Nimmt ihn Eridanus auf, und spült sein schäumendes Antlitz.

Aber hesperische Nymphen bestatten den Leib, der noch aufdampft
Vom dreispaltigen Strahl; und die Inschrift zeichnet den Grabstein:
»Phaethon ruhet allhier, der des Vaters Wagen gelenket;
Zwar nicht ganz ihn behauptend, erlag er doch großem Bestreben.«

Jetzo barg der Erzeuger in trostlos jammernder Wehmut
Sein umzogenes Haupt; und wenn wir trauen der Sage,
Ging ein Tag von der Sonn' unerhellt: nur die Lohe des Brandes
Leuchtete; daß solch Übel doch einigen Nutzen gewährte.
Klymene selbst, nachdem sie geklagt, was alles in solchen
Schrecknissen lehrt unerschöpflicher Schmerz: in Verzweiflung und sinnlos,
Und mit entstelleter Brust, durchschweifte sie jetzo den Erdkreis.
Erst die entseeleten Glieder, und bald die Gebeine nur suchend,
Fand die Gebeine sie doch am Fremdlingsufer bestattet.
Schmerzvoll sank sie dahin, und las den Namen am Marmor,
Überströmt' ihn mit Tränen und wärmt' ihn am offenen Herzen.

Heliaden auch bringen die eitele Ehre des Todes,
Bitterer Tränen Erguß; und die Brust mit den Händen sich schlagend,
Rufen sie, der nie hört die erbarmungswürdige Klage,
Phaethon! Tag und Nacht, und liegen gestreckt um das Grabmal.

Viermal füllete Luna den Kreis mit vereinigten Hörnern:
Jene, der Sitte gemäß (denn Sitte ward aus Gewohnheit),
Brachten ihr Trauergeschrei. Als nun Phaethusa, der Schwestern
Älteste, eben zur Erde den Leib hinneigete, plötzlich
Klagt sie, ihr starre der Fuß. Die weiße Lampetia strebte
Ihr mit Hilfe zu nahn, und haftete schnell an der Wurzel.
Als die dritte das Haar mit der Hand zu zerreißen emporgriff,
Raufte sie Laub. Die traurt, daß ein Stamm ihr binde die Schenkel;
Jene, daß lang ihr die Arm' in grünende Äste sich strecken.
Während sie dies anstaunen, da schließt die Rinde den Schoß ein;
Dann aufstufend zum Bauche, zu Brust und Schulter und Händen,
Steigt sie; allein nur raget der Mund, anrufend die Mutter.
Was kann jetzo die Mutter? Nur dorthin rennt sie und dorthin,
So wie das Herz ihr gebeut, und küßt noch, weil es vergönnt ist.
Nein, nicht genug! von dem Stamme den Leib zu reißen versucht sie,
Und das zarte Gesproß von der Hand zu brechen: doch siehe,
Blutig rinnen hervor, wie aus offener Wunde, die Tropfen.
Schone doch! Mutter, o schone! so ruft, die sie eben verwundet:
Schone doch! uns wird selber der Leib in dem Baume zerrissen!
Lebe nun wohl! Baumrinde verschließt die endenden Worte.
Tränen fließen hervor, und es starrt der getröpfelte Bernstein
Gegen die Sonn' am jungen Gebüsch; das empfangene Kleinod
Sendet der lautere Strom zum Schmuck den latinischen Töchtern.

Zeuge dem Wundergeschick war der stheneleïsche Cyknus,
Welcher, obgleich sehr nahe durch mütterlich Blut dir vereinigt,
Näher an Sinne dir war, o Phaethon. Dieser, entweichend
(Denn der Ligurer Stämm' und mächtige Städte beherrscht' er)
Aus dem Gebiet, durchtönte die grünenden Ufer mit Klagen,
Und des Eridanus Flut, und den volleren Wald der Geschwister.
Schnell wird zarter die Stimme dem Mann; und flaumige Federn
Bergen ergrauend das Haar, und lang empor von dem Busen
Streckt sich der Hals; auch bindet ihm Haut die errötenden Finger;
Fittiche decken die Seit', und stumpf ist am Antlitz der Schnabel.
Cyknus erneut sich zum Schwan. Noch stets mißtraut er dem Himmel
Jupiters, eingedenk des grausam gesendeten Feuers.
Sümpf' und verbreitete Seen bewohnet er: hassend die Gluten,
Hat er zur Wohnung erwählt die der Glut feindseligen Wasser.


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