Robert Müller
Tropen
Robert Müller

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VIII

Und dann kamen die Tage, da wir nicht mehr lachten. Seltsame und regellose Dinge ereigneten sich und gewannen Methode. Stimmungen zischelten scheu und feige in uns auf, wie wir sie nur aus den frühesten Kindheitsträumen in bleierner Erinnerung hatten. Wesenszüge traten in Erscheinung, setzten sich durch, die Akzente sprangen um, barbarische Lebensformen nahmen verbriefte Rechte ein, wo seelische Hohlräume sich gedehnt hatten, gab es dunkle Bewegungen und aus Wüsten des Blutes schäumte es über. Uraltes wurde rege. Und dann kam das große Ereignis, das Fieber fraß den letzten Funken zivilisierten Bewußtseins. Van den Dusen und Slim gingen dahin und Zana war verschollen. Die Gesänge ihres Stammes trauerten ihr wohl nach, der Künstler, der sie dichtete und zeichnete, mochte kommen, atemlos folgte die Menge den Übungen seines Werkzeugs, und eines Tages mochten sie Zanas Bild als das der Göttin verehren. Ich aber stehe schon auf heiligem deutschen Kulturboden, mein Fuß tritt auf hindernislosen Asphalt und mein Geist geht prüfend wieder mit dem Takt von Kolbenstangen und Propellern durch die Tiefen rätselvoll arbeitender und doch bis ins kleinste begreiflicher Maschinen.

Zana war viel einfacher, sie bestand aus wenigen handgreiflichen Begierden und doch war sie unbegreiflicher. Ich zermartere mir das Hirn, zu sagen, was Zana war. Was war mir Zana? Nein, Zana war nichts, sie war ein menschliches Scheusal und ein dämonischer Halbaffe, eine gefärbte Kröte und ein zurückgebliebener Kretin. Nicht ihrethalben ist alles so gekommen, wie ich es noch vor kurzem glaubte. Und doch werde ich, schwankend und zerrissen und in der Erinnerung betört, immer wieder auf sie zurückkommen. Die Tropen, die Hitze, die Nervosität dieses unerträglichen Klimas trugen die Schuld und unsere eigenen dunklen Herkünfte und menschlichen Vieldeutigkeiten. Zana ist unschuldig. Zana ist nur ein Name, eine Überschrift für eine Episode. Zana, dich liebte ich, und du sollst rein dastehen vor meinen weißen Brüdern. Alles kam, wie es kommen mußte, und wären nicht unsere trüben Instinkte gewesen, die sich an den Mysterien deines Leibes und deiner wilden Seele ergötzten, wir wären unbeschadet durch das Land des harmlosen friedlichen Volkes gekommen.

Ich überschreibe eine ganze Folge von Ereignissen mit dem Namen Zanas, aber ich denke dabei an den großen Wald, den Urwald. Und gerade weil ich dabei an den Wald denke, schreibe ich Zana, denn eins steht fürs andere und die Gründe der Katastrophe, die über unsere kleine Expedition hereinbrach, sind so verworren, daß ich sie nur mit lebensgroßen Bildern und Symbolen einigermaßen anschaulich machen kann. Aber zuerst waren wir ja noch nicht im Walde, sondern in der großen üppigen Ebene des Limo, und so beginne ich denn die Reihe meiner Leidenschaften nicht mit Zana, mit Zana, die ich liebte, aber nicht bekam, sondern mit der süßen dicken Aruki, die der häuslichen Ebene entsprach, Aruki, die ich nicht liebte und bekam.

Vielleicht war sie gut genug für mich und ich hätte meine Augen nicht zu der Priesterin erheben sollen. Inmitten des Lebens unbekannter und fremder Daseinswerte mußten wir auf die Dauer unsere Haltung verlieren. Wir kamen sozusagen auf den Hund, wir büßten an gesellschaftlicher Achtung ein und hatten keine Übung, diese Verluste durch ältere und wildere Tugenden auszugleichen. Nein, es war vorauszusehen, Leute wie wir waren hier nicht am Platze, und niemals habe ich das Ganze besser übersehen als in jenen hellen vorausgehenden Äquatornächten, wenn ich ruhelos und vom Gram einer gegenstandslosen Leidenschaft verzehrt, hinauslugte auf die mondbestrahlte Dorffassade, die, so klein sie war, für mich zu etwas Bedeutsamem wuchs, seit ich hier unter Geschöpfen wohnte, deren kleiner, unbegreiflich kleiner Horizont der meine geworden war.


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