Theodor Mügge
Erich Randal
Theodor Mügge

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Sechzehntes Kapitel.

Von Igwaskola gegen das Wald- und Felsgebiet am Pajäne ringelte sich auf den engen Wegen eine Colonne rasch marschirender Soldaten, die wie eine schwarze Schlange aussah, deren Körper mit Stahlschuppen bedeckt ist. Die Sonne funkelte auf die Bajonnete, daß es weithin davon blitzte, und auf einige Reiter, welche ein Stück vorauf durch die Sumpfmatten ritten. Oberst Serbinoff befand sich dort neben seinem Freunde Arwed, dessen Schwester ein Dutzend Schritte vor ihnen von dem hochwürdigen Herrn Ridderstern begleitet wurde. Ebba saß auf dem schönen grauen Roß, welches einst Otho's Eigenthum gewesen, jetzt aber in den Stall des Civilgouverneurs von Tavasteland gehörte, dem es Serbinoff geschenkt hatte, als er in Louisa mitnahm, was ihm gefiel. Der hochwürdige Herr saß behaglich auf seinem sanftmüthigen Gaul, blickte aber zuweilen nachdenkend auf die klippigen Korpilaxberge, die mit ihren blutrothen Steinmassen aus den Sonnennebeln hervortraten.

Du hast dich also wirklich von ihr getrennt? fragte der Baron ungläubig und leise den Obersten.

Ja, und auf immer, erwiederte Serbinoff. Schon als ich in Halljala deine Schwester wiedersah, war ich dazu entschieden. Ihr verspracht mir euren Besuch, ich mußte Louisa zuvörderst fortschaffen. Ebba durfte sie nicht sehen; auch konnte sie mich nicht länger begleiten.

Es war, wie ich ahne, ein höchst rührender und trauriger Abschied.

725 Nein, ein sehr ruhiger, fast freudiger. Ich zeigte ihr, daß sie unmöglich länger bei mir bleiben könnte, und so zärtlich ihr Herz auch ist, ist es doch stark und voll unermeßlichem Vertrauen.

Es wäre sehr erfreulich, wenn alle Weiber ihr darin glichen.

Weiber müssen widersprechen, müssen sich sträuben, müssen Launen haben, erwiderte der Oberst, indem er Ebba betrachtete. Liebte mich deine Schwester nur zur Hälfte so, wie mich das Kind liebt, ich würde glücklicher sein; dennoch gibt es nichts, was mich mehr zu reizen vermöchte, als ihre Kälte, diese eisige Ruhe, die mich jederzeit empfinden läßt, daß sie mich nicht liebt!

Sie wird dich lieben lernen, sagte Arwed spottend, wenn dich so sehr nach Liebe verlangt. Es bleibt bei unserer Verabredung. Ich gehe morgen nach Abo und nehme sie mit. Doch hoffe ich, wir sehen dich heut Abend noch in Halljala und – ich füge dort eure Hände zusammen.

Serbinoff schwieg nachsinnend still; nach einigen Minuten aber sagte er: Was man am Morgen thun kann, soll man nicht bis zum Abend aufschieben. Was jedoch Louisa betrifft, so mußt du mir dein Wort geben, für sie zu sorgen.

Sehr gern, erwiederte Arwed, nur muß ich wissen, wo du sie gelassen hast.

Bei ihren Freunden, bei Major Munk.

Wie? rief der Baron erstaunt lachend. Er hat sie auf- und angenommen?

Laß es dir erzählen, fuhr Serbinoff fort. Besuche ihn und besuche sie. Tröste sie, täusche sie, mache was du willst, aber halte sie hin! Wenn sie endlich die Wahrheit erfährt, habe ich die Hoffnung, daß ihr Jugendfreund Magnus das beste Mittel sein wird, Balsam auf ihre Wunden zu legen.

Großmüthiger Arzt! Auch dafür hast du schon gesorgt.

Sie wird sich in ihr Schicksal finden, wie so viele verlassene Frauen sich darin gefunden haben. Auch will ich kein Geld sparen, will ihr Freund bleiben.

Ich werde Alles ordnen, sagte Arwed, überlasse es mir, sie soll dich nicht weiter belästigen. Ich denke dir bald zu melden, wie gut es 726 ihr geht, und finde Alles vortrefflich, was du gethan hast. Der Major ist ein alter Narr, er wird zärtlich wie ein Vater sein. Der Junge ist aus Sweaborg brustkrank und siech zurückgekommen, sie können sich gegenseitig pflegen und endlich heirathen. Der Hof am Pajäne gehört ihr jetzt und ist ein hübscher Besitz, um den sie auch andere Leute nähmen. Ich glaube sogar, der würdige Bischof dort gäbe seinen erstgeborenen Sohn dazu her.

Serbinoff schüttelte den Kopf. Ich habe an dem Knaben Manches gut zu machen, murmelte er.

Das nennst du gut machen! spottete Arwed. Aber du hast Recht, immer noch ist sie gut genug für ihn, und wenn ich in Halljala wohnen werde, will ich gute Nachbarschaft mit ihr halten.

Wann denkst du dort zu wohnen?

Sobald es angeht, sobald das neue Schloß fertig dasteht. Du weißt, was in Abo geschehen ist, was ich voraussah. Der Phantast hat sein Ende gefunden; es gibt keinen Baron von Halljala mehr, aber einen Erben gibt es und der bin ich. Von allen diesen Dingen darf Ebba nichts wissen; es ist Zeit genug, wenn sie es in Abo erfährt. Halset's Brief, den mir Ridderstern mitbrachte, enthält die dringende Aufforderung, sogleich zu kommen; ich zögerte, weil ich es für klug halte, mich nicht meiner theuren Mary in ihren ersten Schmerzen zu zeigen. Ich besuchte dich also, nahm den Propst mit, der viel zu erzählen wußte, und wünsche zunächst, deine Sehnsucht zu befriedigen. Nun aber ist es Zeit, auch an mich zu denken, und diesmal endlich gibt es kein Hinderniß mehr. Ehe der Winter kommt soll Hochzeit sein, schreibt Halset, und Mary freut sich dazu. Ich hebe dir Ebba getreulich auf. Nimm mein Wort! Ordne in Petersburg deine Angelegenheiten und es wird eine Doppelhochzeit, wie es Halset immer wollte und ich es von Herzen begehre.

Täglich erwarte ich Nachrichten, erwiederte Serbinoff. Ich habe an meinen Oheim geschrieben, ihm meine Absichten mitgetheilt und um Verwendung bei dem Kaiser gebeten.

Was geht denn da drüben an den Korpilaxbergen vor! rief Herr Ridderstern, indem er sich auf seinem dicken Pferde umwandte und ein ziemlich ernsthaftes Gesicht machte.

727 Rauchsäulen stiegen an verschiedenen Stellen auf und kräuselten sich über dem Walde, aber man hörte keinen Schall, da die Entfernung weit und die Richtung des Windes ungünstig war.

Die Jagd fängt an, wie ich denke, versetzte Serbinoff. General Dolgorucki hat sein Wild festgestellt. Diesmal wird uns der verzweifelte Bursche nicht entwischen.

Seid ihr dessen gewiß? fragte der Baron.

Wir haben die sichersten Nachrichten. Er steckt in diesen Felsengewinden mit wenigen hundert Leuten, wie in einem Sack, denn er ist vollständig umringt. Alle seine Bemühungen, sich durchzuschleichen, sind vereitelt worden. Dolgorucki sitzt ihm dicht an der Kehle. General Kulneff bewacht die westlichen Pässe mit 3000 Mann und ich habe seit drei Tagen meine Reserven in Igwaskola bereit gehalten, um mich überall hinzuwenden, bis ich heut früh, wie du weißt, plötzlich den Befehl erhielt, bis an die Pajäneberge vorzugehen, damit dieser gefährliche General Roth nicht etwa sich gegen den See wenden möchte.

Wer ist dieser General Roth denn eigentlich? fragte Ebba.

Ein kühner Parteigänger, antwortete Serbinoff, und wie ich sagen muß, ein Offizier von ausgezeichnetem Talent, der uns seit Monaten großen Schaden gethan hat, ohne daß wir ihn ein einziges Mal erwischen konnten. Mit einer Handvoll Soldaten und Bauern streifte er durch ganz Savolax, bis nach Nyschlott und ins russische Finnland. Er hat uns vielen Schaden gethan, Magazine verbrannt, Proviantcolonnen zerstört, in unserem Rücken die abenteuerlichsten Dinge gewagt. Ganze Detaschements aufgehoben, Couriere gefangen, die Verbindungen unterbrochen, die Brücken zerstört, die Wege verwüstet, und das Alles ohne Unterstützung, ganz auf sich selbst angewiesen.

Warum wurde er nicht unterstützt?

Weil dies tapfere Heer überhaupt nicht unterstützt wird.

Es freut mich, sagte Ebba, daß Sie diese kühne Hartnäckigkeit loben.

Wie sollte ich das nicht thun? erwiederte er, indem er sie bedeutungsvoll anblickte. Ich bewundere jeden stolzen und hartnäckigen Charakter! Dieser General Roth würde uns gezwungen haben, alle Kraft gegen ihn zu wenden, um ihn zu besiegen, wenn man ihm eine 728 tüchtige, wohl ausgerüstete Schaar gegeben hätte; statt dessen aber hatte er nichts als die Soldaten, welche aus Sweaborg entliefen, und Bauern, die er aufzuwiegeln wußte. Es ist traurig, daß so tüchtige Generale, wie Sandels und dieser Roth, mit ihren tapfern Männern nutzlos verbluten müssen.

Gott mag es geben, rief Ebba, daß sie nicht in Ihre Hände fallen!

Wer sich mir ergibt, erwiederte der Oberst lächelnd, kann sicher sein, daß ich alle edlen Eigenschaften achte. Ich verspreche Ihnen, fuhr er fort, daß ich jeden meiner tapferen Gefangenen heut schonen und alle ihre Wünsche erfüllen will, die ich ihnen gewähren kann.

Ich bitte zu Gott, sagte der Bischof ängstlich seufzend, daß er uns glücklich nach Halljala gelangen läßt. Alles ist gepackt, ich bin bereit, morgen nach Helsingfors abzureisen. Der Herr mag verhüten, daß uns ein Unheil widerfährt!

Auf diesen frommen Stoßseufzer erfolgte keine Antwort, denn die Aufmerksamkeit richtete sich auf einen Reiter, der von einem der nahen Vorhügel herab ihnen entgegen kam. Es war ein Adjutant des Generals Dolgorucki, der dem Obersten einen Brief überreichte.

Ich soll an diesen Waldsäumen gegen das Thal von Lomnäs hin meine Stellung nehmen, nicht weiter vorgehen, murmelte Serbinoff. Aber was ist das? Ein Schreiben des Obergenerals Barkley de Tolly an mich!

Nach einem Blick auf das Papier, bei dem seine Augen feurig strahlten, rief er der Colonne, die ihm nachfolgte, den Befehl zu, Halt zu machen, und folgte dann seinen Begleitern den Hügel hinauf.

Was ist dir Gutes widerfahren? rief ihm Arwed entgegen. Aber Serbinoff wandte sich zu Ebba, die mit ihres Bruders Beistand so eben von ihrem Rosse steigen wollte. In einem Augenblick war er neben ihr und hob sie in seinen Armen herunter. Niemand soll Ihnen Beistand leisten, sagte er, wenn ich bei Ihnen bin, doch nie habe ich es mit den Gefühlen gethan, die mich jetzt beseelen.

Ich empfange hier so eben ein Schreiben aus Petersburg, fuhr er fort. Der Kaiser hat mich zum Generalmajor ernannt. Doch das ist es nicht, was mich so freudig bewegt. Mein Oheim fügt Besseres hinzu. Ich habe ihm meine Herzensgeheimnisse anvertraut; er 729 ermuthigt mich, meinem Glücke zu vertrauen. Darf ich das wagen, theure Ebba? Ich weiß nicht, was mich in der nächsten Stunde vielleicht schon treffen kann, aber es wäre süß, wenn ich sterben müßte, erhört, geliebt zu sterben! Ich habe keine Zeit, viele Worte zu machen. Sie wissen, was ich für Sie empfinde; wollen Sie mir in dieser letzten Stunde sagen, daß ich glücklich sein darf.

Ebba's blasses Gesicht blieb unbeweglich bei dieser überraschenden Mittheilung, aber in ihren Augen sammelte sich die überlegene ruhige Würde, mit der sie sich zu waffnen schien.

Sie sprechen wahr, Graf Serbinoff, erwiederte sie ihm, die Zeit der Worte ist für uns vorbei. Was geschehen ist, kann niemals ausgelöscht werden. Ich bin geehrt durch Ihren Antrag, aber ich kann und will nicht heucheln. Hier in Gegenwart des Bischofs, der zu viel von uns weiß, um ihm mehr verbergen zu wollen, erkläre ich Ihnen, daß ich Ihnen meine Hand reichen will, wenn Sie diese so annehmen können, wie ich sie zu geben vermag – ohne Herz!

Ich werde auch dies Herz erwerben, fiel er ein.

Ich kann dem quälenden Drängen meines Bruders, der mein Herr zu sein glaubt, nicht anders entgehen, als wenn ich Ihren Antrag annehme, fuhr sie fort. Bedenken Sie auch das!

Und das sagen Sie mir mit solcher Grausamkeit! rief Serbinoff zwischen Klage und Zorn schwankend.

Ich bin Ihnen Aufrichtigkeit schuldig, versetzte sie mit fester Stimme. Glauben Sie, daß ich jemals vergessen kann, was hier geschah? Sie sind ein stolzer Mann, von großem Ehrgeiz und Selbstvertrauen, mit so vielen Vorzügen begabt, die Frauen schätzen. Wählen Sie eine Andere, die Ihnen dankbarer ist.

Ebba! fiel ihr Bruder heftig ein, lege endlich jetzt die kindischen Thorheiten ab. Du hast mir versprochen vernünftig zu sein, und gebehrdest dich nun wie eine Närrin.

Ich habe ihm versprochen zu thun, was er von mir verlangt, weil ich von seinen Vorhaltungen mit Ekel erfüllt war, sagte Ebba zu Serbinoff, und ich werde mein Versprechen halten, wenn nichts Sie bewegen kann, mich aufzugeben. Aber ich wiederhole Ihnen, was ich 730 sagte: Wählen Sie eine Gattin, die Ihnen ein volles, freudiges Herz mitbringt.

Und wo ist denn dein Herz? fragte Arwed zornig und hohnvoll. Etwa im Paradiese bei dem Schatten eines Seligen? War Erich damit beglückt?

O, Erich! rief sie ihre Stimme erhebend. Ich konnte bewundernd an ihn glauben, konnte ihm vertrauen.

Der Schwärmer, der in gerechter Weise – er konnte nicht weiter fort fahren, denn Serbinoff unterbrach ihn. Was erwarten Sie von mir, Ebba? fragte er. Was soll ich für Sie thun?

Was Graf Serbinoff thun muß.

Fordern Sie Alles, sagte er, nur nicht, daß ich entsagen soll. Bei Gottes Thron! bei meiner Ehre! ich will nicht ruhen, nicht rasten, bis ich endlich auch Ihr Herz besitze. Es wird Ihrer Hand nachfolgen, theure Ebba. Ich nehme diese Hand mit der Überzeugung, daß ich sie keinem Andern lassen kann, als mit meinem Leben.

Und jetzt ist es an Ihnen, hochwürdiger Herr! unterbrach ihn Arwed, den Segen über ein verlobtes Paar zu sprechen. Merkwürdig genug, daß es hier auf einem finnischen Hügel im offenen Felde geschieht.

Wo es geschehen mag, antwortete Herr Ridderstern. Gott ist allgegenwärtig und hört das gegenseitige Gelöbniß. Er wird dies edle Paar segnen und ihre Herzen mit Liebe und Treue füllen.

Serbinoff hielt Ebba's Hand fest, der Bischof legte seine Hände ins Kreuz darauf und schickte sich an mit frommer Salbung ein Gelöbniß zu sprechen, als plötzlich der Schall mehrere fernen Schüsse ihn unterbrach. Scheu und stotternd blickte er sich um und zog sich zurück. Lassen Sie uns eilen, meine Freunde! rief er. Gott wird mit Ihnen sein, Graf Serbinoff. Sie werden diese heillose Rotte vernichten und am Abend bei uns in Halljala sein, wo die liebliche Braut Sie erwartet.

Wollen Sie mich freundlich empfangen, Ebba? bat Serbinoff.

Empfangen, wie es sich für mich schickt, erwiederte sie mit derselben Kälte, und kaum gelang es ihm den Sturm zu bewältigen, der in seinem stolzen Herzen tobte. Er küßte mit einem traurigen Lächeln 731 ihre Hände und hob sie in den Sattel, während er einen Schwur murmelte, daß er Alles vergelten wolle.

Meine Pflicht zwingt mich leider zum Scheiden, sagte er dann, doch in wenigen Stunden sehen wir uns wieder. Haben Sie kein Abschiedswort für mich, geliebte Ebba?

Daß Gottes Wille geschehe! antwortete sie, indem sie ihn verließ.

Und er wird geschehen! rief er ihr nach. In deinen Armen, grausames Mädchen, will ich meinen Sieg feiern.

Die Reiter folgten dem Fräulein nach und bald verschwanden sie im Walde, wo die Straße über steile Hügel und zwischen waldbedeckten Felswänden aufstieg, bis sie den Bergkamm erreicht hatte, von wo sie jäh durch eine enge Schlucht gegen den Pajäne abfiel. Herr Ridderstern blickte ängstlich suchend zu dem wildverwachsenen Buschwerk auf und dann noch einmal zurück, nach den Grenadieren seines Beschützers, aber er sagte nichts, denn eine Schutzwache dieser Infanterie konnte den Reitern nicht viel helfen. Die Straße war ihm wohl bekannt, sie führte gerade auf Louisa los, und vor den Buschkleppern, die in den Korpilaxbergen eingeschlossen waren, konnte die Besorgniß auch nicht allzugroß sein, denn sie befanden sich weit genug davon, und auf jeden Fall waren es Finnen, die Landsleuten und obenein einem geistlichen Herrn kein Leid thun würden.

Lange Zeit ritt Arwed neben seiner Schwester her, ohne sie anzureden. Ebba schien ihn kaum zu beachten, denn sie wandte sich nicht um, als er neben ihr war, und endlich einen Versuch machte, das gute Vernehmen herzustellen. Wie sehr hast du mich heut wieder betrübt, begann er im weichsten Tone, und auf welche Proben stellst du dabei sowohl mein brüderliches Gefühl, wie Serbinoff's Liebe. Wäre diese nicht so leidenschaftlich, sie müßte ihr Ende erreichen.

Dann wäre uns Beiden geholfen, war ihre Antwort.

Wir müssen langmüthig sein, sagte er, wie ein Kind dich behandeln, das nicht einsieht, was ihm frommt. Ich bitte dich zum letztenmal, Ebba, nimm deine Vernunft zusammen. Serbinoff ist eine Parthie, die kein Mädchen ausschlagen darf. Du bist arm, hast keine Aussichten, was soll aus dir werden?

Niemals das, was du aus mir machen möchtest.

732 Keine Phantasterei! Was soll das Gerede über dein umherirrendes Herz? Seit einiger Zeit, scheint es, hat deine Empfindsamkeit bedenklich zugenommen, und zwar seit jenem Abend, wo deine lebhafte Einbildung dir den Streich spielte, den elenden Burschen dir vorzuzaubern, der noch immer in dir spukt.

Schweig davon, sagte sie vor sich hin.

Es muß ein Ende nehmen, fuhr er fort. Serbinoff weiß besser wie irgend Einer, was dieser finnische Bauer sich einbildete, und mit welcher Verzweiflung er anscheinend seine Liebe nicht erwiedert sah. Damals warst du ein vernünftiges Mädchen, du wähltest Erich und unterdrücktest deine eigene Thorheit; was soll Serbinoff nun wohl denken, wenn er erfährt, daß deine Beleidigungen daraus entspringen, daß du Herzweh um einen Schatten hast.

Du irrst, erwiederte sie, mein Herz ist ruhig um ihn; auch magst du Recht haben, daß es nichts war als ein Spiel meiner Einbildung, aber dies hindert mich nicht, zu glauben, daß eine höhere Macht mir diesen edeln Schatten sandte. Sein gramvoller Blick antwortete dir, und ich gelobte, mich vor deinen Plänen zu retten, Serbinoff aufrichtig zu sagen, daß ich niemals ihm gehören könne.

Aber es hat dir nichts geholfen! fiel er ein. Er wird seine Schwüre halten.

Seine Ehre wird es nicht zulassen, mich zu zwingen.

So werde ich dich zwingen! Ich! Du sollst wissen, daß ich Macht über dich habe. Du hast mir dein Wort gegeben, dich zu fügen, und wirst einsehen, wie unvernünftig es wäre, es jetzt brechen zu wollen. Mache mich nicht rasend, Ebba. Treibe es nicht zum Äußersten. Wo ist ein Mensch, der dir Recht geben, dir beistehen könnte? Jeder, der es hört, muß mir helfen, dich zum Einsehen zu bringen.

Ich nicht! antwortete eine helle Stimme dicht bei ihnen. Und was meinst du, Hans, du thust es auch nicht.

Baron Bungen sah erschrocken hinauf. Die Reiter befanden sich mitten in einem Hohlwege, der zu beiden Seiten von steilen moosigen Felswänden eingefaßt war, auf welchen Brombeerranken und Ginsterbüsche wucherten. Auf einem platten Steine saß Lars Normark, seinen 733 Sack um den Nacken und seinen Hahn auf dem Knie, der ein beistimmendes Glucksen begann und freudig seinen Hals aufhob.

O! thue ihm nichts zu Leide! rief Ebba, als sie sah, wie ihr Bruder sein Roß anhielt und nach der Satteltasche griff, während Herr Ridderstern im harten, zornigen Tone sagte: Ist der Schelm auch wieder da, so frech und ruchlos, wie er immer gewesen!

Gott behüt's, hochwürdiger Herr, Gott behüt's! antwortete Lars. Bin wieder da, ich und der Hans. Es ist curios, Hans, daß wir immer da waren, wo sie uns nicht vermutheten.

Komm herunter, alter Lustigmacher, sagte Arwed. Du siehst garstig aus, bist mager geworden und hast deinen dicken Kopf ganz spitz werden lassen. Begleite uns nach Halljala, wir wollen für dich sorgen.

Bleib', Lars, und geh'! Laß ihn gehen, Arwed.

Danke, Herr! antwortete der Schulmeister inzwischen. Ich und der Hans, wir lieben die Freiheit, wenn's auch magere Kost dabei gibt. Sage es ihnen, Hans, daß du um Alles in der Welt nicht Gouverneur oder Bischof werden möchtest, wie fett die Moskowiter dich auch machten.

Hören Sie den gottlosen Bösewicht! rief Ridderstern.

Spaßmacher! lächelte der Baron, laß dich erbitten. Gehörst du nicht zur Gesellschaft des tapferen Generals Roth?

Was meinst du, Hans? fragte Lars seinen Hahn. Gehören wir dazu.

Der Hahn nickte gravitätisch und kollerte ein vernehmliches ja.

In Gottes Namen denn, Herr. Der Hans sagt's, also wird's wahr sein.

Du mußt uns mehr davon erzählen, Lars. Dein General muß ein höchst liebenswerther, merkwürdiger Herr sein.

Wie Ihr's treffen könnt, Herr. Es liebt ihn ein Jeder, wenn's kein Schuft und kein Verräther ist. Ist es nicht wahr, Hans?

Der Hahn bestätigte es und Baron Bungen fuhr höflich fort: So laß dich denn erbitten und steige schnell herunter. Sieh her, ich habe hier ein Mittel, das dich gewiß zum folgsamen Mann machen würde, aber du bist viel zu gefällig, um es anwenden zu müssen. Er spannte dabei den Hahn des Pistols, das er in der Hand hielt, und 734 hob es gegen den Schulmeister auf, der ohne zu zögern von dem Gestein hinabrutschte und im nächsten Augenblick auf seinen Beinen neben ihm stand. Ei, Hans! sagte er lachend zu seinem Hahn, meinst du nicht, daß der gnädige Herr zu überreden weiß. Aber wir haben es doch noch zu bedenken, Hans, ob wir's thun können.

Ich hoffe, du bedenkst nichts mehr, mein lieber Lars, versetzte der Baron, wenn ich dich bitte, dicht bei mir und dem hochwürdigen Herrn Ridderstern zwischen unseren Pferden zu gehen, und keinen Schritt zurück zu bleiben, damit nicht etwa dies kleine Ding hier in meiner Hand zufällig losgeht und dich zu meinem größten Bedauern verletzt. Du willst doch?

Gewiß, Herr. Meinst du nicht, Hans, wir wollen Beide; aber unser Herr General muß es erlauben.

Dein General? fragte Arwed beunruhigt. Wo ist dein General?

Behüt's Gott, gnädiger Herr! lachte der Alte. Habt Ihr ihn noch nicht gesehen? Da steht er – seht Euch um!

Baron Arwed wandte den Kopf rasch dahin, wohin der schwere Stock des Landstreichers deutete. Sein Haar sträubte sich plötzlich auf und ein eisiger Schauer rieselte vom Nacken herunter durch sein Mark, denn da stand unter einer ungeheuren Fichte, die sich weit über den Weg streckte, ein finnischer Bauer im breitkrempigen Hut und weiten Kittel. Ein Gurt war darüber geschnallt und in diesem steckte ein kurzes breites Schwert. Aber das war es nicht, was dem Baron dies Grauen bereitete, es war die Gestalt, das Gesicht des Mannes, der, an den Baum gelehnt, ihn unbeweglich anschaute.

Und in dem Augenblick, wo er diese Entdeckung machte, hörte er seine Schwester einen Schrei ausstoßen. Er hörte, wie sie den Namen des Gespenstes mit zitternder erlöschender Stimme nannte; er sah, wie sie ihre Arme nach ihm ausstreckte, wie in ihrem Gesicht sich ein Entzücken malte, statt des Entsetzens, das ihre ersten Bewegungen begleitete, und über das jähe Gestein sprang die Erscheinung mit der elastischen Kraft und Kühnheit, welche er an dem Lebendigen so oft bewundert hatte.

Alles war das Werk eines Augenblicks. Alle gute Geister! schrie Herr Ridderstern zu gleicher Zeit, hebe dich fort, Satanas!

735 O, mein Gott, er lebt! rief Ebba in einem Ton, der ihren Bruder mit rasender Wuth erfüllte.

Ebba! Geliebte! Ewig geliebte! hörte er die wohlbekannte Stimme antworten, und mit dem Ruf: Verrath! höllischer Verrath! richtete er das Pistol gegen den verhaßten Mann. Doch indem er es abdrückte, fiel Lars Normark's Stock mit brechender Gewalt auf seinen Arm. Der Schuß donnerte durch den Wald, aber die Kugel zerschmetterte an einem Stein. Ehe Arwed Bungen noch etwas für sich thun konnte, lag er am Boden, und wie aus diesem hervor gewachsen, war der Weg zu beiden Seiten mit bewaffneten Männern gefüllt.


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